Anh-Nam Le Thanh, gebürtiger Pariser mit vietnamesischen Wurzeln, kam während des ersten Lockdowns auf seine Business-Idee und brachte sie nur wenige Monate später auf den Markt: Mit „Gavroche Macarons“ holt der 37-Jährige authentisch französische Macarons in die Hansestadt Hamburg. Wie der ehemalige Sales Manager auf die französischen Leckereien kam, wofür sein Business genau steht, was ein perfektes Macaron ausmacht und wie es für ihn war, während der Corona-Krise zu gründen, erzählt er in unserem Interview.
Anh-Nam Le Thanh: Die Idee kam mir während des ersten Lockdowns im Frühjahr dieses Jahres. Ich habe als Koch bei einem französischen Restaurant gearbeitet und hatte eigentlich vor, selbst ein Restaurant zu eröffnen. Der Zeitpunkt war aber wegen Corona plötzlich nicht mehr ideal und auf einmal war ich arbeitslos und zuhause. Irgendwie war ich jedoch happy, zuhause zu sein, weil ich endlich Zeit hatte, neue Rezepte und Ideen auszuprobieren. Beim Herumexperimentieren habe ich mich an Macarons versucht. Sie sind wirklich sehr aufwendig herzustellen und ich dachte mir: „Wenn ich richtig gute, traditionelle Macarons mache, könnte das klappen!“. In Hamburg gibt es diesbezüglich wenig Konkurrenz, obwohl es hier einen Markt für französische Produkte und Delikatessen gibt. Tatsächlich ist die Macarons-Idee dann einfach organisch entstanden (lacht).
Corona ist am Ende der Grund, warum ich „Gavroche Macarons“ überhaupt gegründet habe.
Corona ist am Ende der Grund, warum ich „Gavroche Macarons“ überhaupt gegründet habe. In der aktuellen Situation wollte ich lieber kleiner anfangen, mit weniger Investment, als direkt ein eigenes Restaurant zu eröffnen. Ich hatte als Sales Manager gut verdient und konnte mich ausprobieren. In der Hinsicht habe ich wirklich Glück. Die Anfangsidee war es, zu Hause zu backen und meine Kund*innen zu beliefern. Ich dachte, dass jede*r im Lockdown etwas Süßes gebrauchen kann. Aber mir ist schnell aufgefallen, dass ich ein professionelles Set-up brauche und habe mir eine Küche mit Profi-Equipment angemietet. Jetzt verkaufe ich meine Macarons auf Wochenmärkten. Finanziell hatte Corona aber wenig Einfluss auf meine Umsetzung.
Ja, absolut! Es fing alles mit dem Kochen bei „La Crème de la Crêpe“ an. Ich bin mittlerweile mit dem Inhaber befreundet und durch meine Erfahrung dort konnte ich ein Gefühl für die Gastronomie bekommen. Zudem unterhalte ich mich viel mit anderen Restaurantbesitzer*innen und Businessgründer*innen und höre viele Podcasts zu den Themen.
Ich habe als Sales Manager für Sportswear und Outdoor-Marken gearbeitet und war für den gesamten DACH-Bereich zuständig.
Ich bin in Paris geboren, wo ich übrigens bereits in der Schule Deutschunterricht hatte, und habe anschließend meinen Master in Sales & Marketing absolviert. Mein erster richtiger Job sollte eigentlich nur ein Saison-Job in Österreich sein, bei einer bekannten Snowboard-Firma. Aber statt eines Winters, wie ursprünglich geplant, bin ich sechs Jahre geblieben. Ich habe als Sales Manager für Sportswear und Outdoor-Marken gearbeitet und war für den gesamten DACH-Bereich zuständig. 2017 hatte ich private Probleme und stellte plötzlich alles in Frage. Zudem hatte ich meine Karriereziele bereits erreicht und war mir nicht sicher, was ich die nächsten 20, 30 Jahre eigentlich machen will. Also habe ich meinen Job gekündigt, bin ein bisschen herumgereist – nach Schweden, Japan, in die USA, Neuseeland, Bali, … – um den Kopf frei zu kriegen und gleichzeitig über neue Ideen nachzudenken.
Ich hatte plötzlich die romantische Idee, Koch zu werden. Ich habe schon immer gerne gekocht und gegessen und mir ständig Kochsendungen auf Netflix angeguckt (lacht). Ich hatte überlegt, wieder nach Frankreich zurückzuziehen, um dort an einer renommierten Kochschule eine Ausbildung zu machen. Eine Woche nach Beginn meiner Arbeitslosigkeit habe ich aber plötzlich einen Job als Koch gefunden, bei einem französischen Restaurant: „La Crème de la Crêpe“ in Hamburg.
Ja, genau – und das würde ich immer wieder machen. Ich hatte keine Gastro-Erfahrung. Ich habe bei dem Restaurant zunächst als Aushilfe angefangen, war aber schon zwei Monate später Chefkoch! Es hat wirklich meine Erwartungen übertroffen.
Ich liebe es, Koch zu sein, aber mich hat auch der Beruf des Konditors gereizt und deshalb habe ich angefangen, mich darüber zu informieren und beispielsweise Tutorials geguckt und an Masterclasses teilgenommen. Man kann heutzutage so viel online lernen! What a time to be alive! (lacht).
Eher nein, ich habe immer gerne gekocht, aber die Lust am Backen ist tatsächlich recht neu. Backen ist wirklich eine Challenge und genau das finde ich daran so spannend. Bei Macarons beispielsweise muss alles sehr akkurat sein, sonst wird es nicht perfekt, es kann jedes Mal so viel schief gehen! Und du musst geduldig sein. Ein Macaron braucht beispielsweise circa drei Tage, bis man sagen kann, ob es etwas geworden ist oder eben nicht.
Mir gefällt diese Challenge, also der Schwierigkeitsgrad beim Backen, tatsächlich besonders gut!
Erst muss die Füllung, die Ganache, hergestellt werden. Diese muss dann für knapp 24 Stunden in den Kühlschrank, um die richtige Konsistenz zu erreichen. Anschließend muss ich den Biskuit backen für Boden und Deckel. Danach werden die Biskuits mit der Cremefüllung mit einem Spritzbeutel befüllt, bevor die fertig aussehenden Macarons für knapp 24 bis 48 Stunden zurück in den Kühlschrank müssen. Erst danach kann man sehen, ob sie etwas geworden sind.
Ich habe drei bis vier Monate herumprobiert. Die Idee hatte ich im April und gestartet habe ich mein Macarons-Business im August.
Bei Macarons? Alles (lacht). Die Form, die Füllung, der Boden … alles muss genau sein. Ich mache manchmal immer noch Fehler. Die Füllung muss fluffig sein, der Biskuit knusprig, aber nicht zu hart … Mir gefällt diese Challenge, also der Schwierigkeitsgrad beim Backen, tatsächlich besonders gut!
Das perfekte Macaron ist glatt und glänzt etwas. Die Kekse haben eine perfekte runde Form, die Größe liegt dabei bei circa 3,5 bis 4 cm Durchmesser und die Füllung muss bis zum Biskuitrand reichen. Das perfekte Macaron muss beim Reinbeißen am Anfang knusprig sein, dann aber weich und fluffig werden. Das nenne ich Macaron-Erfahrung. Leicht und delikat, aber intensiv im Geschmack.
Am Anfang fand ich Pistazie gut, aber ich probiere immer neue Sorten aus und denke immer wieder: „Wow!“. Pumpkin Spice beispielsweise ist super, Zitrone ist geil, die Weihnachtseditionen wie Spekulatius oder Lebkuchen sind eine Geschmacksexplosion. Ich verwende übrigens keine künstlichen Zusatzstoffe. Ich beziehe manche Zutaten aus Frankreich oder lokal hier in Hamburg. Ich habe beispielsweise eine Kooperation mit dem Hamburger Honigproduzenten „there is a bee on the roof“.
Nein, so leicht ist das nicht. Vorm Launch musste ich eine Konditorprüfung machen. Man darf keinen Kuchen oder dergleichen verkaufen, wenn man diesen Schein nicht hat. Die Prüfung bestand aus einem theoretischen und einem praktischen Teil. Ich musste einen ganzen Tag unter den Augen meines Prüfers backen. Ich hatte davor sehr viel gelernt, es gab eine Mappe mit knapp 600 Seiten.
Macarons werden häufig sehr girly dargestellt und ich wollte sie in ein neues Licht rücken: minimalistischer, cooler. „Gavroche“ bedeutet so viel wie Pariser Straßenjunge, ist aber gleichzeitig auch eine Figur aus dem Stück „Les Misérables“. Der betreffende Junge ist immer positiv gelaunt, obwohl er in einer instabilen Umgebung lebt, das gefällt mir. Zudem ist „Les Misérables“ ein französischer Klassiker – ebenso wie Macarons.
Ich backe pro Woche 600 bis 800 Stück und verkaufe sie auf Wochenmärkten. Aktuell bin ich auf zwei Wochenmärkten in Hamburg. Ich habe im Oktober damit angefangen und hatte nach Woche Zwei bereits Stammkund*innen. Das ist wirklich unglaublich! Ich bin donnerstags auf dem Wochenmarkt am Turmweg in Pöseldorf und freitags in Uhlenhorst. Ab und an bin ich auch auf dem Isemarkt. Alle Infos findet man bei mir auf Instagram.
Man muss sich bewerben und beim Marktleiter vorstellen, für jeden einzelnen Markt. Das Problem ist, dass die Märkte derzeit sehr voll sind und es sehr schwer ist, einen Platz zu bekommen. Ich bin Tagesbewerber, das heißt: pünktlich da sein, sonst muss ich mit allem wieder nach Hause.
Wochenmärkte sind ein guter Ort, um die Lage zu checken, zu sehen, ob die Nachfrage da ist und welches Feedback ich bekomme, bevor ich gleich einen Laden miete und viel mehr Kosten habe.
Meine Idee war von Anfang an eine One-Man-Show – ich produziere und verkaufe. Aber jetzt kümmert sich meine Freundin um Instagram und sie macht es so gut! Das könnte ich niemals so machen. Sie investiert auch wirklich viel Zeit.
Wenn jemand das erste Mal meine Macarons probiert und ich sehe den Gesichtsausdruck beim Reinbeißen – dieses strahlende Gesicht, weil es ihnen so gut schmeckt – das sind meine Lieblingsmomente. Das ist generell in der Gastronomie mein Lieblingsmoment, wenn Gäste mein Essen serviert bekommen, es probieren und wirklich zufrieden sind.
Mein Plan ist es, erst einmal weiter auf den Wochenmärkten zu bleiben und dann vielleicht Ende 2021 ein Lädchen zu finden.
Tipp 1 zur Aufbewahrung: Macarons halten circa zwei bis drei Tage, am besten in einer verschlossenen Dose im Kühlschrank, weil sie sonst leicht Geschmack verlieren oder die anderen Gerüche aus dem Kühlschrank aufnehmen. Tipp 2: Wenn ihr euch an Macarons versucht und sie werden nicht so wie ihr wolltet, könnt ihr sie zermalmen und als Boden für Käsekuchen nehmen. Auch sehr lecker!
Layout: Kaja Paradiek