Beim Cornern am Kiosk hatte Kristof Hesse vor fünf Jahren die Idee, seinen eigenen Sambuca zu mixen. Aus einer Schnapsidee ist jetzt ein Business geworden: Gemeinsam mit seinem Geschäftspartner Lennart Schröder hat der 31-Jährige gerade Hambuca, einen „handcrafted“ Anis-Likör, entwickelt – ohne raffinierten Kristallzucker, künstliche Aromen und Farbstoffe, verfeinert mit natürlichem Ahornsirup. Wir treffen Kristof, der hauptberuflich als Sozialpädagoge mit Geflüchteten arbeitet, bei seiner der Hambuca-Launchparty in der Washington Bar in Hamburg zum Interview.
Kristof Hesse: Das kann schon sein. Der Gin-Markt ist mittlerweile so überlaufen, jede Kleinstadt hat ihren eigenen Gin. Mittlerweile hängt er auch schon vielen zum Hals raus, viele wollen etwas Anderes ausprobieren. Somit stehen wir mit unserer Alternative ganz gut da.
Auf die Idee bin ich gekommen, als ich mit meinen Kumpels am Kiosk in Hamburg abhing. Wir wollten einen kleinen Sambuca trinken, den gab es dort aber gar nicht. Also mussten alle Jägermeister trinken. Aber der ist ja ekelhaft! (lacht) Für Leute, die Jägermeister hassen, gibt es kaum Alternativen. Da habe ich mich das erste Mal gefragt, wie ein Sambuca eigentlich hergestellt wird und was ihn auszeichnet.
Ich habe online recherchiert, aber nicht wirklich ein Rezept gefunden. Also habe ich einfach angefangen, zu experimentieren. Das war vor ungefähr fünf Jahren. Ich habe es dann aber eine Zeit ruhen lassen, da die Herstellung von einem eigenen Likör erstmal eine Investition bedeutet. Keine große, aber damals in der Ausbildung zum Erzieher zählte jeder Cent.
Als ich schließlich ein Einkommen in meinem Job als Sozialpädagoge hatte, habe ich die Recherche wieder aufgenommen und mich intensiver damit auseinandergesetzt. Ich habe mir angeschaut, welche Brands es auf dem Markt gibt und was überhaupt in einen Sambuca gehört – hauptsächlich bin ich in Foren fündig geworden.
Ich haben Lennart 2008 während meines BWL-Studiums kennengelernt. Ich erzählte ihm von der Idee und irgendwann sagte er: Komm, wir gehen los und kaufen die Sachen ein. Also waren wir im Supermarkt und haben mit meinem Vorwissen erstmal verschiedene Gewürzmischungen zusammengestellt und weiter recherchiert. Zu dem Zeitpunkt hat Lennart beschlossen, mit einzusteigen. Von da an haben wir zusammen Ideen entwickelt und rumgetüftelt, wie man noch mehr Geschmack rausholen kann.
Wir haben einen großen Kanister und eine Pumpe mit Filter gekauft – das ist quasi die Grundausstattung. Mit unseren dokumentierten Gewürzmischungen haben wir dann unseren Favoriten in einen fünf Liter Kanister abgefüllt und ihn reifen lassen. Wir haben den Sambuca damals drei Monate stehen lassen, heute lassen wir ihn sechs Wochen ruhen.
Wir haben den Sambuca genossen! (lacht) Wir haben ja nicht immer alles leer getrunken, nur genippt und probiert, das reicht ja schon.
Hambuca ist ein ehrliches Produkt, mit einem Bezug zu Hamburg und zur Handelswelt.
Zu Weihnachten 2015 haben wir etwas abgefüllt und zum ersten Mal im Freundeskreis verkostet. Wir wollten schauen, wie und ob das überhaupt ankommt. Wir haben fünfzig Flaschen vor allem an Freunde, die in der Gastronomie arbeiten, verteilt.
Zu dem Zeitpunkt merkten wir, dass es mit dem Abfüllen nicht so einfach ist. Wir hatten Proben ins Labor gegeben und der Alkoholgehalt war von Abfüllung zu Abfüllung unterschiedlich. Da spielen so viele Faktoren eine Rolle. Welche Gewürzmischung wie viel Alkohol zieht, wie viel Wasser hinzu gemischt wird – das können wir mit unseren Mitteln gar nicht leisten. Dann war klar: Wenn wir es professionell machen wollen, müssen wir das an eine Abfüllerei abgeben, die Hambuca nach unseren Vorgaben zusammenstellt.
Hier in Norddeutschland ist es sehr schwer, weil die ganzen Lohnabfüller oder Spirituosen-Abfüller im Süden Deutschlands angesiedelt sind. Wir haben uns mit einem traditionellen Familienunternehmen bei Husum zusammengetan. Die waren gleich von unserem Produkt überzeugt. Also haben wir einen Businessplan geschrieben, die Firma im April 2016 gegründet und einen Kredit aufgenommen. So konnten wir unseren Abfüller bezahlen und loslegen.
Ich bin an die Handelskammer herangetreten, weil ich gelesen hatte, dass sie Start-ups helfen. Wir haben unseren Businessplan zur Überprüfung eingereicht und haben ihn nach dem Feedback nochmal korrigiert, sodass wir bei der Sparkasse einen stimmigen Businessplan abgeben konnten. Das hat dann auch geklappt.
Im engeren Sinne ist Hambuca gar kein Sambuca. Es gibt EU-Richtlinien, die es uns verbieten, unser Getränk als Sambuca zu deklarieren. Es ist ein Anis-Getränk, gesüßt mit Ahornsirup. Es hat weniger Zucker als der herkömmliche Sambuca und ist ein natürliches Produkt, welches echte Gewürze enthält und keine Aromen, die künstlich erzeugt werden. Hambuca ist ein ehrliches Produkt, mit einem Bezug zu Hamburg und zur Handelswelt. Die Gewürze kommen aus Übersee, Ahornsirup aus Kanada. Das ist das, was meiner Meinung nach Hamburg ausmacht. Ein Likör aus Hamburg, der Weltstadt, für die Welt.
Das war ein langer Prozess. Weil das Getränk bernsteinfarbig ist, sollte sich das auch im Namen widerspiegeln. Wir haben geguckt, was Bernstein auf Latein heißt und bestimmt tausend Begriffe aufgeschrieben. Wir hatten den Namen Hambuca schon im Kopf, wollten aber eigentlich nicht so Hamburg bezogen sein …
Genau, es wäre dann ein Hamburger Produkt, welches vielleicht nur in Hamburg funktioniert. Ich wollte eher einen allgemeinen Namen haben. Deshalb hatte ich noch lange überlegt, aber irgendwann hat es klick gemacht und ich dachte mir: Hambuca ist der perfekte Name! Und wenn das Produkt gut ist, warum soll es nicht über die Grenzen Hamburgs hinaus verkauft werden können?
Ja, bevor wir überhaupt die Firma gegründet haben, haben wir uns den Namen Hambuca sichern lassen und ihn direkt beim Markenamt in München patentieren lassen.
Da hat die Handelskammer uns geholfen: Das ist tatsächlich schwierig. Am besten vereinbart man mit den Leuten, die daran mitwirken, eine Verschwiegenheitserklärung.
Das hat ein Freund von Lennarts Bruder aus Münster gemacht, der gerade mit seinem Designstudium fertig war und etwas Zeit hatte mit uns dieses wunderbare Logo zu gestalten. Vom ersten Entwurf bis zum fertigen Logo hat alles gut geklappt. Genau so war es immer in meinem Kopf.
Wir haben relativ schnell eine Flasche im Internet gefunden, die gut zu unserem Produkt passt. Wir haben uns dann aber noch mal umentschieden, nachdem wir das Etikett verändert haben und einen Korken aus Holz mit einem besonderen Brandstempel verwenden wollten statt einem Korken aus Plastik.
Dir muss bewusst sein, dass Ruhephasen bei einer nebenberuflichen Gründung nicht mehr möglich sind.
Unsere erste Abfüllung belief sich auf 1.700 Flaschen. Im Alten Land haben wir ein Lager, in dem unsere Paletten stehen. Da fahre ich regelmäßig hin, um Nachschub zu holen, verpacke die Flaschen, die online bestellt wurden und schicke sie los.
Hambuca trinkt man optimalerweise bei Zimmertemperatur, da entfalten sich die ätherischen Öle am besten. Man kann ihn natürlich auch gekühlt trinken, aber dann ist der Geschmack nicht so vollmundig und aromatisch. Mit Ginger-Bier, etwas Zitrone und Eiswürfeln kann man ihn auch gut als Longdrink trinken – ein Hambuca Mule! Mit Mineralwasser verlängert schmeckt er ebenfalls gut.
Du kannst ihn natürlich auch mit Kaffeebohne trinken. Am Anfang hatten wir sogar einen kleinen Beutel mit Kaffeebohnen an die Flasche gehängt. Das haben wir aber wieder gelassen, denn die Bohnen trocknen relativ schnell aus, die müsste man vakuumieren.
Ja, das erste Mal war es super aufregend. Der Kunde war sich zunächst nicht ganz sicher. Vor Ort konnte ich ihn dann vom Produkt überzeugen und meine Ängste waren unbegründet.
Gerade ist ein neuer Kunde hinzu gekommen, ein Edeka-Markt Böcker. Der Filialleiter des Edeka-Marktes in der Hafencity hat einen Artikel über mich im Handelsblatt gelesen und einen Großhändler den Auftrag gegeben, für ihn Hambuca einzukaufen. Den habe ich heute ausgeliefert. Wahrscheinlich werden noch weitere Edeka-Märkte hinzu kommen.
Ja, das stimmt. Unser Hambuca hat aber ein Alleinstellungsmerkmal: Er ist das einzige handgemachte Produkt, welches aus dem Anis-Bereich kommt. Es gibt tatsächlich keinen anderen Anis-Likör. Mir ist auch nicht bekannt, dass noch ein anderes alkoholisches Getränk mit Ahornsirup gesüßt wird, auch das ist ein Alleinstellungsmerkmal.
Da sprechen uns immer wieder Leute darauf an, finde ich im Moment aber Quatsch. Wenn ich dahin gehe, möchte ich mich nicht zum Affen machen. Wir haben aktuell gar keine Zahlen, wir sind neu am Markt und noch viel zu klein. Da würde ich mich im Moment noch lächerlich machen.
Ich liebe dieses Produkt und bin total davon überzeugt. Mir schmeckt es richtig gut, und ich könnte mir im Moment nichts Besseres vorstellen, als von Hambuca leben zu können. Ich würde mich freuen, wenn ich irgendwann mal in einem anderen Teil von Deutschland bin und ich zufällig Hambuca in einem Laden entdecken würde. Mein Traum ist es, dass Hambuca überregional erfolgreich wird.
Als kreativer Mensch dachte ich, ich könne meine Kreativität im Marketing gut ausleben. Deshalb habe ich Wirtschaftswissenschaften in Chemnitz studiert. Ich merkte aber schnell, dass ich zu jung war, um so weit weg von meiner Heimatstadt Stade zu leben und habe das Studium nach einem halben Jahr abgebrochen. Ich habe mich dann in Bremen beworben und BWL studiert – das ganze Marketing-Thema kam mir im Grundstudium aber viel zu kurz, außerdem gab es Themengebiete, die mich nervten, zum Beispiel Mathe. Ich habe das Studium dann ebenfalls abgebrochen.
Nebenbei arbeitete ich in der Pflege und brachte abends behinderte Menschen ins Bett, überwiegend Multiple Sklerose Patienten. Nach dem Studium habe ich eine Weile fest dort gearbeitet. Danach bin ich nach Kiel gezogen und arbeitete als Schulbegleiter. Irgendwann wollte ich doch mal etwas Richtiges machen und begann eine Ausbildung zum Erzieher. Nach der Ausbildung habe ich ein Jahr lang in einer Jugendwohnung gearbeitet und jetzt bin ich in Norderstedt und bringe Geflüchtete in Arbeit.
Das Projekt gehört zur Norderstedter Bildungsgesellschaft. Die Maßnahme, in der ich arbeite, ist die PerjuF, Perspektive für junge Flüchtlinge. Wir haben eine Werkstatt, in der circa zwölf junge Erwachsene arbeiten können. Zusammen mit einem Ausbilder beurteile ich, ob sie schon für den deutschen Arbeitsmarkt fit sind. Das heißt: Sind sie pünktlich und zuverlässig? Sind sie jeden Tag da oder melden sich frühzeitig ab? Wenn nicht, arbeiten wir noch weiter mit ihnen, damit später im Betrieb auch alles klappt. Der deutsche Arbeitsmarkt ist hart, da müssen wir genau schauen, ob die jungen Leute das auch durchhalten. Wir haben ja nichts davon, wenn ihnen frühzeitig gekündigt wird. Wenn sie fit sind, fange ich an, nach ihren Wünschen nach freien Stellen zu schauen.
In der Werkstatt können sie sich mit Metall und Holz frei ausleben oder Malertätigkeiten machen. Sie können auch in der Küche arbeiten, oder in der Kosmetik und im Hauswirtschaftsbereich. Zusätzlich erhalten sie bei uns noch an drei Tagen stundenweise Deutschunterricht auf deren Sprachniveau.
Ich wünsche mir, dass egal wie der Bewerber heißt und aussieht, jeder die gleiche Chance auf einen Job hat.
Sie werden von der Agentur für Arbeit an uns vermittelt, das ist schon ein Privileg. Das Ziel ist, einen Ausbildungsplatz oder einen Job zu bekommen. Wenn sie noch zu jung sind oder die Sprache noch besser lernen müssen, vermitteln wir ihnen für die Zwischenzeit einen Job. Sie kommen mit dem Ziel zu uns, uns irgendwann mit einer Ausbildung oder einem Job in der Tasche wieder zu verlassen.
Das deutsche System ist nicht für Flüchtlinge gemacht. Du hast wenig Chancen in Deutschland, wenn du keine deutsche Schule besucht hast, oder zumindest schon eine längere Zeit hier bist und irgendetwas vorweisen kannst. Wenn du mit nichts kommst, nimmt dich hier niemand ernst. Obwohl du vielleicht Abitur gemacht oder sogar schon studiert hast.
Das Schwierige ist die Anerkennung von Zeugnissen beziehungsweise deren Übersetzung. So eine Anerkennung kostet viel Geld, das ist für viele finanziell gar nicht möglich. Wie sollen sie Geld verdienen, wenn sie dieses übersetzte Zeugnis brauchen, welches sie aber nicht bezahlen können? Ein Teufelskreis!
Ich wünsche mir, dass jeder Bewerber die gleiche Chance auf einen Job hat – unabhängig davon, wie er heißt oder wie er aussieht. Jeder soll ernst genommen werden. Ich höre immer wieder, dass es hier so kompliziert ist, sich zu bewerben. Du musst ein Anschreiben verschicken, einen Lebenslauf … In vielen Ländern gehst du zur Firma hin und fragst einfach, ob sie einen Job haben. Hier wirst du durch sämtliche Raster gesiebt, in Schubladen sortiert, und dann erst eingeladen.
Das größte Problem, gerade wenn man nebenberuflich gründet, ist die Zeit. Ich merke das jeden Tag. Ich arbeite ganz normal, dann fahre ich zum Abfüller, muss noch mal ins Lager, telefonieren, Sachen losschicken … Du arbeitest den ganzen Tag. Ich finde es generell wichtig, dem Körper Ruhepausen zu gönnen und zu entspannen. Dir muss bewusst sein, dass Ruhephasen bei einer nebenberuflichen Gründung nicht mehr möglich sind.