Man riecht es schon von Weitem: Der Duft nach frischem Brot lockt die Adalbertstraße in der Münchner Maxvorstadt entlang bis zu „Julius Brantner Brothandwerk“. Die jüngst eröffnete Bio-Bäckerei ist rundum verglast, ab früh morgens kann man dem Bäckermeister Julius Brantner hier beim Backen von Broten und Semmeln zusehen. Auch Interior-Inspiration und Wissen über das Bäckerhandwerk kann man mitnehmen. „Ich könnte tagelang über Brot sprechen“, sagt uns der 27-Jährige. In München spricht hingegen jeder über seine Bio-Bäckerei. Der Hype ist verdient. Hinter dem Konzept steht ein unglaublich passionierter Bäcker, der vieles anders machen will. Sein neuartiges Konzept funktioniert – während unseres Besuches ist der Laden durchgehend voll. Seine Mission: Gluten soll sexy werden. „Julius Brantner Brothandwerk“ befindet sich schon auf dem Weg dahin.
Qualität und Konzept von Bäckereien müssen sich dem Zeitgeist anpassen.
Julius Brantner: Ich habe mir schon vor etwa sechs Jahren Gedanken dazu gemacht, wie sich die Bäckerbranche entwickeln könnte und wie es weitergehen soll. Meiner Meinung nach wird das Produkt nie aussterben. Das Problem sehe ich in der Produktion und in der Vermarktung. Bäckereien sind nicht sexy. Also habe ich mir überlegt, wie man das ändern kann. Qualität und Konzept müssen sich dem Zeitgeist anpassen. Die Idee war, eine Bäckerei zu eröffnen, die gezielt auf junge Leute zugeht. Auch wenn viele alte Bäckereien sterben, kann ich es trotzdem schaffen, weil ich es anders mache.
In meinem Bekanntenkreis essen tatsächlich viele keinen Weizen und das hat mich als Bäcker persönlich getroffen. Allerdings habe ich das Gefühl, dass es fast schon ein Trend ist, auf Gluten zu verzichten. Die Zeit des Genießens wird wieder kommen. Dazu gehört Aufklärung: Weizen ist pauschal nicht schlecht. Das Problem ist industriell verarbeiteter Weizen. Wenn dem Teig nicht genügend Zeit gegeben wird, können sich gewisse Stoffe nicht abbauen – das passiert dann im Magen. Dadurch werden allergische Reaktionen ausgelöst. Dazu gibt es auch eine fundamentale Studie der Universität Hohenheim namens „Journal of Functional Foods“. Wenn man Weizen nach alten Brotbacktechniken verarbeitet, ist Gebäck leichter bekömmlich. Über diese Erkenntnis werden aktuell Bücher geschrieben und auch die Massenmedien greifen die Thematik auf. Ich merke, dass sich zu dem Healthy-Food-Trend auch ein Umschwung entwickelt, der zurück zur Hausmannskost geht – und dabei stark auf Qualität und Herkunft achtet.
Weizen ist pauschal nicht schlecht. Das Problem ist industriell verarbeiteter Weizen.
Und ganz generell zählt Brot in Deutschland einfach zum Grundnahrungsmittel. Wie relevant Brot in Deutschland ist, merkt man zum Beispiel daran, dass viele im Urlaub vor allem eins vermissen: gutes Brot.
Ich komme aus einer Bäckerfamilie aus dem Schwarzwald und bin sozusagen in der Backstube aufgewachsen. Zwar hatte ich zwischenzeitlich mal die Idee, beruflich in Richtung IT zu gehen, doch das Handwerk hat mich nie losgelassen. So habe ich eine Ausbildung in verschiedenen Betrieben gemacht und Erfahrung in Bäckereien auf der ganzen Welt gesammelt.
Als ich mit 16 Jahren in der Schule erzählt habe, dass ich Bäcker werden möchte, fanden meine Mitschüler das ziemlich uncool. Mittlerweile ist das anders. Wenn ich erzähle, dass ich Bäcker bin, ist das der beste Start in ein Gespräch und viele sind sehr interessiert an meinem Beruf und dem Handwerk. Mein Umfeld hat dementsprechend sehr positiv auf meine Gründung reagiert und mich bestärkt.
Ich habe von jedem Betrieb etwas mitgenommen – selbst wenn es mir nicht gefallen hat. Denn durch diese Erfahrung weiß ich jetzt, wie ich es nicht machen will. Am meisten inspiriert haben mich Bäckereien in Australien und den USA. Mitgenommen habe ich viel über Design, Konzept und Mitarbeiterführung. In beiden Ländern gibt es viele hippe Bäckereien: Die leben von jungen Leuten, modernen Konzepten, gutem Kaffee in schönen Bechern, gut designten Theken, man kann mit dem Smartphone bezahlen, die Kasse ist ein iPad … Da habe ich gemerkt, dass es Potential gibt.
Wenn die Branche einen Aufschwung erleben will, muss sie umdenken. Damit meine ich nicht die großen Konzerne, sondern die Handwerksbäcker.
Die Branche ist sehr klein und mittlerweile auch international. Man kennt sich gut und das Schöne ist, dass man sich gegenseitig unterstützt. Wir sprechen von Kollegen anstelle von Konkurrenz. Deutschland ist das einzige Land auf der Welt, in dem es Arbeitskreise gibt. Das bedeutet, dass sich Bäcker in einem bestimmten Umkreis mehrmals im Jahr treffen und Löhne oder Rohstoffpreise vergleichen. So findet ein stetiger Austausch statt.
Generell schwierig. Wenn die Branche einen Aufschwung erleben will, muss sie umdenken. Damit meine ich nicht die großen Konzerne, sondern die Handwerksbäcker. Um zu überleben, braucht es Konzepte, die individueller sind und Produkte mit der besten Qualität und Frische.
Vor fünf Jahren habe ich endgültig die Entscheidung getroffen, mich mit einer Bäckerei selbstständig zu machen. Der Wunsch nach der Selbstständigkeit war trotzdem schon früher da, auch wenn ich zwischenzeitlich mal einen Ausflug in die IT-Branche gemacht habe. Der Reifungsprozess zur Idee für „Julius Brantner Brothandwerk“ hat Jahre gedauert. Konkret wurde die Idee dann vor eineinhalb Jahren – da wusste ich, dass die Bäckerei in München sein soll und das Konzept ging in seine finale Phase.
Die Locationsuche kann ich in zwei Worte zusammenfassen: schwierig und stressig. Man kennt es ja schon vom Wohnungsmarkt und mit einer Ladenimmobilie ist es gefühlt noch langwieriger. Am Anfang habe ich sämtliche Immobilienseiten rauf und runter abtelefoniert und hatte mindestens 20 Besichtigungen. Doch wenn man 27 Jahre alt ist, nichts Wirtschaftliches vorweisen kann und sich zum ersten Mal mit einer Bäckerei selbstständig machen will, sind die Absagen schon programmiert.
Ich kam gerade von einer anderen Besichtigung und habe auf dem Rückweg gesehen, dass in dem Ecklokal in der Adalbertstraße eine Besichtigung stattfindet. Also habe ich mich ins Café gegenüber gesetzt und habe gewartet, bis die Besichtigung zu Ende war. Das hat zwei Kaffee lang gedauert. Dann bin ich der Dame von der Hausverwaltung hinterhergerannt, habe mich vorgestellt und konnte die Immobilie besichtigen. Danach kam eins zum anderen, ich habe dem Eigentümer Brot mitgebracht – und bekam die Zusage!
Da habe ich zum ersten Mal verstanden, was meine Freunde immer damit meinten, ich solle auf mein Bauchgefühl hören. Bei vielen anderen Immobilien habe ich einfach nichts gespürt. Meinen jetzigen Laden kannte ich aber schon vom Vorbeilaufen – ich wohne hier um die Ecke – und ich habe mir jedes Mal gedacht, wie cool es wäre, hier die Bäckerei zu eröffnen. Und so ist es nun gekommen.
Meinen jetzigen Laden kannte ich aber schon vom Vorbeilaufen – ich wohne hier um die Ecke – und ich habe mir jedes Mal gedacht, wie cool es wäre, hier die Bäckerei zu eröffnen.
Beim Businessplan hatte ich Unterstützung von meiner Familie. Das Bäckermodell ist nicht so komplex und dementsprechend war mein Businessplan kurz und direkt. Für die Inneneinrichtung habe ich mit den Münchner Innenarchitektinnen von „Miniplus“ zusammengearbeitet. Die Bäckerei sollte minimalistisch sein, damit das Interior die Produkte betont.
Was für ein Chef ich sein möchte, habe ich gemerkt, als ich in einem Betrieb in der Schweiz gearbeitet habe: Mein damaliger Chef hat jede Nacht selbst mitgearbeitet, kannte nahezu jeden seiner 300 Mitarbeiter beim Namen und hatte immer ein offenes Ohr. Mein Team ist international, alle lieben, was sie machen. Das war mir besonders wichtig. Nur so gut wie unser Team ist, kann auch die Bäckerei sein. Die Begeisterung für das Produkt soll beim Kunden ankommen. Apple ist dafür ein gutes Beispiel: Wenn man etwas kauft, freut sich der Verkäufer oder die Verkäuferin ehrlich mit den Kunden mit. So soll es auch bei uns sein.
Die Begeisterung für das Produkt soll beim Kunden ankommen.
Das Anfangen! Ich habe mir so viele Gedanken gemacht und bin ein Perfektionist, deshalb wollte ich alles bis ins kleinste Detail ausgearbeitet haben. Doch wenn man dann endlich loslegt, kommt alles ins Rollen. Das soll jetzt nicht zu esoterisch klingen – aber wenn man an seine Idee glaubt, dann fügt sich alles. Und gute Arbeit zahlt sich aus.
Die Öffnungszeiten bei „Julius Brantner Brothandwerk“ lauten: von acht Uhr bis zum letzten Brot. Ich möchte nichts wegwerfen und kann recht gut einschätzen, wie viel wir verkaufen. Sollten aber Brot oder Semmeln übrig sein, spende ich an die Tafel.
Die Basics sind: Zeit, ein guter Sauerteig und die Rohstoffe. Damit das Brot perfekt wird, gehört noch das Know-how dazu. Eine kleine Abweichung kann das Produkt verändern – vor allem im Bio-Bereich, weil da der Weizen immer wieder anders ist. Meine Bäckerei heißt wie ich, da ich zu hundert Prozent dahinter stehe. Man sieht von außen in die Backstube, hat Einblick in die Bio-Zutaten und die Herstellung. Das macht meine Bäckerei aus und ist das offenkundige Geheimnis für gutes Brot.
Julius Brantner Brothandwerk, Adalbertstraße 25, 80799 München
Interview: Jana Ackermann
Fotos: Sapna Richter
Layout: Kaja Paradiek