Seit fast 15 Jahren kennen sich Henriette Hahn-Godeffroy, 40, und Lara Schmidt, 38, schon – und der Wunsch, zusammen in die Selbstständigkeit zu starten, wurde im Laufe ihrer Freundschaft immer stärker. „Wir wollten unbedingt einen Laden mit Wohnzimmercharakter eröffnen“, erzählt Henriette. Genau so einen Ort haben sie und Lara im August 2018 geschaffen – mit ganz viel Gemütlichkeit lädt ihr gemeinsamer Kindermodeladen „My Little Wow“ in Hamburg-Eppendorf Eltern und Kinder zum Einkaufen und Spielen ein. Worauf sie bei der Einrichtung geachtet haben, warum sie bei der Kleidung weitestgehend auf Genderklischees verzichten und wie sie den Spagat zwischen Familie und Beruf meistern, haben die beiden Gründerinnen uns beim Treffen in ihrem hübschen Concept Store verraten.
Henriette Hahn-Godeffroy: Ich habe Modedesign studiert und für das Kinder- und Umstandsmodelabel Bellybutton gearbeitet, bis ich meine vier Kinder bekommen habe. Meine älteste Tochter ist acht Jahre alt und die kleinste eineinhalb. Für mich war immer klar, dass Mode das einzige ist, was ich kann. Ich liebe Farben und Stoffe! Im Nachhinein war es super, erst in einem Unternehmen zu arbeiten. Dort konnte ich die Prozesse kennenlernen und durfte auch mal in sicherer Umgebung auf die Nase fallen.
Lara Schmidt: Ich habe Erziehungswissenschaft, Politikwissenschaft und Geschichte auf Magister studiert. Ich habe nach dem Studium aber im Einzelhandel gejobbt. Ich habe ebenfalls eine Tochter, sie ist sechs Jahre alt.
Das größte „Wow“, das wir haben, sind natürlich unsere Kinder.
Lara: Hier müssen keine Kinder unter Kontrolle gehalten werden – wir wissen ja selber wie es ist, mit ihnen einzukaufen. Wie es einen stresst, wenn das Kind neben der sorgfältig aufgestapelten Kleidung steht und man nur darauf wartet, dass alles heruntergerissen wird. Deshalb haben wir in unserem Laden auch ein Spielzimmer. Außerdem haben wir viele Marken im Sortiment, die es in Hamburg sonst nicht gibt.
Henriette: Hier kann jeder auf die Toilette gehen und sein Kind wickeln und es sieht manchmal ganz schön chaotisch aus – aber genau so wollen wir das! Damit man hier auch den Kinderwagen reinschieben kann und Kinder mit ihrem Eis draufkleckern können, haben wir uns für einen dunklen Boden aus Linoleum entschieden.
Henriette: Wir wollten keinen deutschen oder komplizierten Namen, sondern einen, der viel ausdrückt. Und „My Little Wow“ ist für uns zweideutig: Das größte „Wow“, das wir haben, sind natürlich unsere Kinder. Und dann gibt es diesen Moment, wenn man seinem Kind etwas anzieht und sagt: „Oh wow, ist das süß!“.
Uns ist es vor allem wichtig, dass Kinder die Sachen gerne tragen.
Henriette: Erst haben wir uns den Laden gesucht, weil man ohne Laden keine Ware bekommt. Denn durch den Gebietsschutz können Marken schon belegt sein und deshalb braucht man eine konkrete Adresse. Andererseits garantiert uns der Gebietsschutz jetzt, dass niemand anderes in unserer Ecke die gleichen Marken verkauft.
Lara: Das war die erste Hürde: Einen Laden zu finden ohne zu wissen, welche Kleidung man dort verkauft. Wir haben dann diese Location besichtigt und wussten sofort, dass es genau das richtige ist.
Lara: Wir sind wir zur „Playtime“-Messe nach Paris gefahren – zu dem Zeitpunkt hatten wir den Vertrag für den Laden allerdings nicht nicht unterschrieben!
Henriette: Wir wussten schon zu 80 Prozent, welche Marken wir haben wollten und haben sie auf der Messe besucht – ich glaube nämlich nur bedingt an Bilder aus Lookbooks. Die Marken davon zu überzeugen, dass wir sie in unserem Laden verkaufen dürfen, ist aber gar nicht so einfach. Die großen Labels wollen sogar Fotos vom Laden haben und genau wissen, welche andere Marken man verkauft.
Der größte Trend in der Kindermode ist, dass es immer weniger gegenderte Kleidung gibt.
Lara: Uns ist es vor allem wichtig, dass Kinder die Sachen gerne tragen und wir achten darauf, wofür die Marke steht. Die meisten Marken kannten wir, weil wir sie vorher schon selbst für unsere Kinder gekauft und damit im Alltag erprobt hatten.
Henriette: Uns ist auch eine vernünftige Produktion wichtig – wobei man nie alles hundertprozentig durchschauen kann, das weiß ich leider noch aus meinem alten Job. Deshalb ist es immer gut, wenn man die Leute hinter den Labels kennt. Jeder in der Herstellungskette muss außerdem fair Geld verdienen.
Lara: Und genau das will man doch eigentlich nicht! Unsere Labels bekommen es hin, dass die Sachen eine kindliche Seite haben, ohne „Bob der Baumeister“ auf dem Pulli.
Henriette: Ich finde es besonders schlimm, wenn es sexy wird. Andererseits gibt es Sachen, die sowohl für Kinder als auch für Erwachsene funktionieren. Wir haben ganz viele Kinderhosen oder Röcke, die wir auch tragen würden.
Henriette: Es gibt wieder mehr schönen Kinder-Strick, der nicht aus dem ganz teuren Kaschmir-Segment kommt. Ich finde es vermessen, für eine Kinderstrickjacke 200 Euro auszugeben. Da blieb einem lange nur die Möglichkeit, selbst zu stricken. Wir glauben daran, dass es sinnvoll ist, weniger Dinge, aber dafür von guter Qualität zu kaufen.
Lara: Für mich ist der größte Trend, dass es immer weniger gegenderte Kleidung gibt, also die Unterscheidung in Jungs und Mädchen. Natürlich gibt es Kleider und Röcke und das mögen vielleicht nicht alle Jungs anziehen. Aber generell sagen wir auch in unserem Laden, dass Kinder keine weiblichen oder männlichen Körper haben und tragen sollen, was ihnen gefällt. Bei uns im Onlineshop haben wir auch auf die Unterkategorien Boys oder Girls ganz verzichtet.
Lara: Till kannte ich, weil er mal ein Bett für meine Tochter gebaut hat. Und als wir uns über die Ladeneinrichtung Gedanken gemacht haben, fiel er uns wieder ein. Und da Sandra Schollmeyer viel mit Till zusammenarbeitet, haben wir uns von ihr die Lampen und den Stuhl anfertigen lassen.
Henriette: Wir wollten 80 Prozent der Kleidung aufhängen, weil Klamottenstapel in Kinderläden unpraktisch sind und nicht eine von uns den halben Tag damit beschäftigt sein soll, Klamotten wieder ordentlich zusammenzulegen. Till hat uns Materialen und Ideen vorgeschlagen, wir haben die Farben vorgegeben. Er hat uns auch den Tresen gebaut, den wir unbedingt haben wollten, und sogar die Fliesen für uns selbst gebrannt. Das Stangen-System zum Aufhängen der Kleidung hat er ebenfalls entwickelt und die Stangen extra rosten lassen.
Gute Sachen können nur entstehen, wenn einem auch Ideen und Eindrücke von anderen Leuten zugetragen werden.
Henriette: Sich Hilfe holen ist sogar unerlässlich. Ich finde, dass gute Sachen nur entstehen können, wenn einem auch Ideen und Eindrücke von anderen Leuten zugetragen werden.
Lara: Unsere Stärke ist es, Kleidung auszusuchen. Und andere können sich beispielsweise viel besser vorstellen, wie die Inneneinrichtung eines Ladens aussehen kann. Sowas sollte man auf jeden Fall nutzen.
Lara: Wir haben einen Businessplan geschrieben, ein Darlehen geliehen und uns voll ins Risiko gestürzt, aber das gehört ja auch dazu. Wir hatten kein Geld übrig, das wir einfach verwenden konnten. Das ist natürlich nicht immer einfach, Selbstständigkeit ist eine zweischneidige Sache. Auf der einen Seite bist du total frei, auf der anderen Seite hast du immer den Druck, dass das wofür du ins Risiko gegangen bist, auch funktionieren muss. Da gibt es keinen Puffer.
Lara: Wir haben uns aufgeteilt und es war von Anfang an klar, dass Henriette mit vier Kindern und einem Mann, der Vollzeit arbeitet, weniger im Laden sein wird als ich. Meine Tochter ist sechs Jahre alt, geht jetzt in die Ganztagsschule und ihr Papa kümmert sich nachmittags um sie. Und auch wenn ich sehr viel hier bin, fühlt es sich anders an, als wenn ich angestellt in einem Büro arbeiten würde. Da könnte meine Tochter nicht einfach mitkommen und hier kann ich sogar mit ihr spielen.
Henriette: Schwer zu sagen, weil wir zum Beispiel fast jeden Abend noch miteinander telefonieren. Manchmal stundenlang. Und tagsüber zusätzlich bis zu 20 Mal! Der Laden beansprucht momentan einen großen Teil des Tages. Aber das ist auch nicht schlimm, oder?
Lara: Nein, gar nicht. Das hier ist unser eigenes Projekt und deshalb fühlt es sich nicht nach Arbeit an, wenn ich abends noch meine Mails checke.
Henriette: Wir kaufen alle Produkte gemeinsam ein und treffen alle wichtigen Entscheidungen zusammen. Dadurch, dass Lara häufiger im Laden ist, übernimmt sie viel Organisatorisches. Ich kümmere mich öfter um die Schaufensterdeko und stelle Looks zusammen. Ansonsten hat jeder seinen Freiraum, in dem wir uns gegenseitig vertrauen und den anderen einfach machen lassen. Die Grundvoraussetzung bei uns ist, dass wir einen sehr ähnlichen Geschmack haben. Sonst würde es auch nicht funktionieren.
In den vergangenen acht Jahren haben wir so oft von diesem Laden geträumt und jetzt ist er endlich Realität.
Henriette: Die erste Schwierigkeit war das fundierte Schreiben des Businessplans. Weil man am Anfang ja ganz schlecht einschätzen kann, wie gut die Lage im Viertel wirklich ist, wie schnell man in den Köpfen der Leute ankommt und ob die Begeisterung der Kunden genauso groß ist wie unsere.
Lara: Wir haben ja im August geöffnet und es war schwierig mit der Winterkollektion loszulegen, weil wir dieses Jahr in Hamburg bis einschließlich Oktober 35 Grad hatten. Da wollte erstmal niemand Merino-Strickpullis und Jacken kaufen und das Wetter hat uns einen ordentlichen Streich gespielt. Andererseits kommt jeder, der den Laden schon einmal gesehen hat, ja vielleicht auch mal wieder.
Lara: Es läuft nie alles rund und man muss mit Rückschlägen rechnen. Was ich aus dem letzten Dreivierteljahr gelernt habe, ist, dass man sich Hilfe holen muss und ganz viele Fragen stellen sollte.
Henriette: In einer Freundschaft und einer Zweierkonstellation kann ich nur raten, alles sehr offen anzusprechen. Und man muss auch mal einen Streit aushalten.
Henriette: Darauf, dass wir es überhaupt gemacht haben und dass es unseren gemeinsamen Laden wirklich gibt.
Lara: In den vergangenen acht Jahren haben wir so oft von diesem Laden geträumt und jetzt ist er endlich Realität. Ich freue mich jeden Tag, hierher zu kommen.
Henriette: Bei mir war das eine Familienentscheidung. Mein Mann und ich haben uns darauf geeinigt, dass ich die Kinder fotografieren darf, wenn die auch Lust darauf haben. Nur die Augen sind bei den Bildern nie sichtbar und zum Beispiel mit einer Sonnenbrille geschützt. Aber das ist für mich eine Frage, die jeder für sich selbst beantworten soll. Wir leben in einer öffentlichen Welt und die Kinder sind ja auch auf der Straße und in ihrem Alltag sichtbar für alle.
Lara: Man sieht bei meiner Tochter auch mal das Gesicht auf Fotos, aber das bespreche ich auch mit ihr. Es geht bei den Bildern ja nicht um den Alltag unserer Kinder, sondern um die Mode, die sie für uns tragen. Ich finde, dass man einfach ein paar Dinge beachten muss. Die Bilder dürfen den Kindern nicht peinlich sein und die Kinder sollten Lust haben, fotografiert zu werden.
Henriette: Wir suchen kreative Leute aus der Gegend, deren künstlerische Arbeiten wir hier präsentieren können. Sodass man auch ein bisschen sehen kann, was so in der Stadt passiert. Von der Künstlerin Skyren zum Beispiel haben wir ganz tolle Bilder, von denen ich auch zur Geburt meiner Kinder jeweils eins gekauft habe.
Lara: Der Plan ist, dass wir einfach offen bleiben. Kindermode ist unser Ding, aber die Idee eines Concept Stores ist es ja, dass wir einfach verkaufen, was uns gefällt.
Fotos: Silje Paul
Text: Anissa Brinkhoff
Layout: Carolina Moscato
4 Kommentare
Wahnsinn!!! Ich muss nach Hamburg!! <3 So ein großartiger Laden! Bin verliebt!
Euer Laden sieht Klasse aus. Ich bin ja fast Nachbarin und komme gerne mal vorbei:)