Über seinen Quereinstieg ins Coffee Business und das Kapitel „Paardiologie“: Martin Keß-Roche im Interview

Martin Keß-Roche über seinen Quereinstieg ins Coffee Business.

Morgens, 11 Uhr in Hamburg. Mein Hafer-Cappuccino und ich warten in meiner Küche auf einen Anruf. Eine Handynummer blinkt auf. Ich nehme an und höre eine Stimme, die mir sehr vertraut ist. Martin Keß-Roche aka „Marty“ ist dran. Monatelang habe ich dem Podcast „Paardiologie“ gelauscht. Im Zug, im Bett, im Lockdown. Zehn Monate sprechen Charlotte Roche (42) und Martin Keß-Roche (57) in 45 Folgen ganz offen über ihre fünfzehnjährige Beziehung. Über unerfüllte Kinderwünsche, über die Sehnsucht nach Tinder-Ausflügen, über Dreier und das Pilze Sammeln. Im Mittelpunkt steht immer wieder die Frage: Kann die Liebe in einer langen Beziehung überleben? Über Charlotte Roche, Beststeller-Autorin, Moderatorin, Schauspielerin, weiß die Öffentlichkeit viel, über Martin recht wenig.

Martin Keß-Roche war einer der drei Gründer des erfolgreichen TV-Unternehmens „Brainpool“, das Fernsehformate wie „TV Total“, „Die Harald Schmidt Show“ oder  „Ladykracher“ produziert hat. Statt leichter TV-Unterhaltung bestimmen heute schwere Röstaromen seinen Alltag. Vor zehn Jahren als die Kaffeekultur einen Wandel erlebt und nicht mehr nur die großen Flaggschiffe, sondern auch kleine Röstereien beginnen unseren Koffeinhaushalt anzukurbeln, gründet der gebürtige Sauerländer gemeinsam mit seiner Geschäftspartnerin Monika Linden „Van Dyck“, eine Kaffeerösterei in Köln, die sich biologischen Anbau und fairen Handel auf die Fahne schreibt. Ich spreche mit Martin über seinen Quereinstieg in die Gastronomie, übers Scheitern und Wachsen, über das Chef Sein und das Wald Genießen. Außerdem blicken wir gemeinsam auf das Kapitel „Paardiologie“ zurück und beenden das Gespräch mit einer wichtigen Erkenntnis.

Martin Keß-Roche

Unsere Fotografin Annika Eliane trifft Martin Keß-Roche, Mitgründer von der Kafeerösterei “Van Dyck“, in der neu eröffneten Espressobar in der Kölner Südstadt. Das Interview führt femtastics Co-Gründerin Katharina Charpian am Telefon.

homtastics: Martin, wie viel Kaffee hast du heute schon getrunken?

Martin Keß-Roche: Drei! Ich habe eben hier bei “Van Dyck” einen Espresso getrunken und zu Hause hatte ich schon zwei Hafer-Cappuccino. Dafür nehme ich immer einen doppelten Espresso und selbstgemachte Hafermilch.

Selbstgemachte Hafermilch – lecker!

Charlotte und mir geht der Tetrapackmüll so langsam auf den Geist und der nächste Schritt war die Cashew-, Hafer- oder Mandelmilch selbst herzustellen. Man muss ein bisschen rumprobieren. Die schäumt nicht so gut wie die „Oatly“, aber ist trotzdem gut.

Wie macht man Hafermilch selbst?

Charlotte hat eine Maschine gekauft, die “Mila” von der Marke „Springlane“. Sie sieht aus wie eine Kaffeefiltermaschine. Die empfehle ich gern, weil sie sehr praktisch ist. Je nachdem, was man haben will, schmeißt man Haferflocken, Cashewkerne oder Mandeln zusammen mit Wasser da rein, definiert vorher die Menge und fertig.

Martin Keß-Roche vor seinem Café

Martin Keß-Roche vor seinem Café.

Bist du morgens ein “Kaffee im Bett”-Trinker?

Ich bin kein “Kaffee im Bett”-Trinker, aber Kaffeetrinken ist morgens fast immer das Erste, was ich mache. Ich setze mich mit dem Kaffee gerne vor unsere Haustür. Am liebsten sitze ich draußen, Hauptsache ich gucke ins Grüne.

Es macht keinen großen Unterschied, ob ich eine Fernsehshow oder eine Kaffeesorte entwickle.

Du warst einer der drei Gründer der TV-Filmproduktionsgesellschaft “Brainpool”, heute bist du Mitbetreiber der Kölner Kaffeerösterei “Van Dyck”. Gab es damals einen bestimmten Auslöser für den Wechsel?

Zwischen meinem Abschluss der Fernsehproduzentengeschichte und der Gründung der Rösterei liegen ein paar Jahre, in denen ich gar nichts gemacht habe. Als ich bei „Brainpool“ aufgehört habe, war ich in der glücklichen Lage, finanziell unabhängig zu sein, das heißt, das erste Mal in meinem Leben konnte ich einfach rumsitzen und musste nichts machen. Außerdem waren zu der Zeit unsere Kinder noch klein. Ich habe gerne ein paar Jahre nichts gemacht. Dann habe ich irgendwann gemerkt, dass ich noch mal Lust habe, etwas anzupacken.

Martin Keß-Roche

Von „Heimspiel“ bis „Horkheimer“: Alle „Van Dyck“-Kaffees stammen aus biologischem Anbau und sind Bio-zertifiziert. Beim Anbau und bei der Verarbeitung des Kaffees wird auf Pestizide, Kunstdünger und genmanipulierte Rohstoffe verzichtet.

Mittlerweile gibt es viele kleine Kaffeeröstereien in Deutschland. 2010 wart ihr damit relativ früh dran. Wie entstand die Idee und wie haben deine Geschäftspartnerin Monika und du sich als Team gefunden?

Zu der Zeit war die Kaffeekultur in Köln nicht gut. Da ich viel Zeit hatte, war ich viel unterwegs, viel Kaffee trinken und der Leidensdruck wurde immer größer (lacht). Dann dachte ich: Das können wir besser machen – und habe meine liebe Freundin Moni, die ein absoluter Gastronomieprofi ist, gefragt, ob sie Lust hat, mit mir eine Rösterei zu gründen, wo wir ausschließlich Bio- und Fairtrade-Bohnen in möglichst guter Qualität rösten.

Zu dem Zeitpunkt brauchte ich unbedingt jemanden, der Erfahrung auf der gastronomischen Seite hat, denn die hatte ich gar nicht. Ich weiß, wie man etwas gestaltet. Ich weiß, wie man eine gute Marke hinkriegt. Ich weiß, dass eine gute Idee immer einfach, klar und schnell erklärbar sein sollte. Das sind die Dinge, die ich kann. Es macht keinen großen Unterschied, ob ich eine Fernsehshow oder eine Kaffeesorte entwickle. Aber das andere Know-how in der Praxis hätte ich ohne Moni gar nicht hingekriegt. Deshalb habe ich es mit ihr zusammen gemacht.

Ich könnte mich den ganzen Tag damit beschäftigen in den Wald zu gehen und eine Spechthöhle zu suchen.

Martin Keß-Roche

Martin Keß-Roche in seinem Café „Van Dyck“

Martin Keß-Roche

Fiel es dir nach der Zeit bei „Brainpool“ leicht, abzuschalten?

Mir ist das tatsächlich leicht gefallen. Ich war zum einen ziemlich k. o. und ich langweile mich nicht leicht. „Brainpool“ habe ich vorher 12 Jahre gemacht. Davor habe ich ganz anders gearbeitet, viel freiberuflich von zu Hause und hatte immer viel Zeit – das war mir also nicht fremd. Ich könnte mich den ganzen Tag damit beschäftigen in den Wald zu gehen und eine Spechthöhle zu suchen.

Bei „Paardiologie“ haben wir schon gelernt, dass der Wald dein absoluter Lieblingsort ist.

Je älter ich werde, desto wichtiger wird die Natur wieder für mich. Ich bewege mich immer weiter aus der Stadt heraus. Ich bin im Sauerland groß geworden. Da gibt es sehr viel Wald. Als Jugendlicher habe ich mich immer viel im Draußen aufgehalten. Ich glaube, das prägt. Ich finde, der Wald ist mit das Beste, wo man sein kann. Bewegung und Natur, das klingt jetzt zwar sehr banal, aber das ist gut für den Menschen. (lacht)

Zu jeder Geschichte beziehungsweise Erfolgsgeschichte gehören auch die Misserfolge auf dem Weg dazu.

Das muss gar nicht unbedingt viel mit dem Alter zu tun haben. Der Wunsch mehr Zeit in der Natur zu verbringen, wird auch in meiner Generation immer größer. Mit dem Kaffeebereich hattest du damals wenig am Hut. Wie hast du dich ins Thema eingearbeitet?

Ich bin zu Schulungen gegangen, habe Seminare besucht, Praktika gemacht, bei einem anderen Röster das Handwerk gelernt – ich habe großen Respekt, wenn ich etwas Neues mache. Und ich möchte auch ungern Sachen in den Sand setzen. Vor dem Gründen stand also erstmal das Lernen und der Sache auf den Grund gehen.

Hast du Angst vorm „Sachen in den Sand Setzen“?

Mit Ideen zu scheitern oder in bestimmten Phasen zu scheitern, gehört absolut dazu. Zu jeder Geschichte beziehungsweise Erfolgsgeschichte gehören auch die Misserfolge auf dem Weg dazu. Ich finde es aber gut, wenn ich Misserfolge irgendwie erklären kann und nicht hinterher da sitze und sage: “Oh, das habe ich zu leicht genommen”, “Das hätte ich wissen können“ oder “Da hätte ich besser vorbereitet sein sollen”. Es ist nicht schlimm, wenn ich scheitere und es mir erklären kann, aber ich will nicht blauäugig sein und hinterher von jemanden hören: „Das hättest du ja wissen können“.

Ich bin immer misstrauisch, wenn Leute nur davon erzählen, wie alles klappt und so tun als ob die ganze Karriere beziehungsweise die ganze Biografie eine Aneinanderreihung von geplanten Erfolgen ist.

Wenn man Unternehmer ist – das heißt, ich unternehme etwas, das ist etwas sehr Aktives – gehört Trial and Error unbedingt dazu. Ich bin immer misstrauisch, wenn Leute nur davon erzählen, wie alles klappt und so tun als ob die ganze Karriere beziehungsweise die ganze Biografie eine Aneinanderreihung von geplanten Erfolgen ist. Ich kenne niemanden, bei dem das so ist. Es gibt immer Brüche, Zufälle, Umwege, Abzweigungen – das wird hinterher natürlich gern vergessen, weil es toller für die eigene Persönlichkeit ist, wenn man so tun kann, als hätte man das alles in der Hand – das stimmt nie.

Was lief rückblickend bei „Van Dyck“ denn richtig gut und was hat so gar nicht geklappt?

Es läuft immer gut, wenn wir auf unser Bauchgefühl achten und bei uns und bei der Sache bleiben. Unsere Sache im “Van Dyck” ist Kaffee. Wenn wir uns davon zu weit entfernen, dann geht es auch mal schief. Wenn wir mit etwas Anderem um die Ecke kommen, sind wir wieder nur einer von vielen. Moni hat gestern noch zu mir gesagt: “Weißt du was, Martin: Wir sind immer dann gut, wenn wir anders sind.“ Was sie damit meint, ist, dass wir uns nicht darum scheren, was links und rechts von uns passiert, sondern es einfach so machen, wie wir das für richtig empfinden.

Wenn man zu viel abguckt, zu viel kopiert, sich zu viel darum kümmert, was einen irgendwelche Gurus erklären wollen, dann ist das Käse.

Martin Keß-Roche

Ich glaube, das ist ein ganz wichtiger Punkt, den du da ansprichst, egal in welcher Branche man sich bewegt ….

… wenn man zu viel abguckt, zu viel kopiert, sich zu viel darum kümmert, was einen irgendwelche Gurus erklären wollen, dann ist das Käse. (lacht) Entweder ich habe aus mir selbst heraus diese Stärke, die Idee, die Originalität und die Leidenschaft oder ich kann es lassen.

Es macht Freude, zu sehen, dass die Dinge wachsen, aber es ist auch gefährlich den Erfolg nur über das Wachstum zu definieren.

Mittlerweile habt ihr drei Standorte in Köln und beliefert viele Cafés in Deutschland mit eurem Kaffee. Wie wichtig ist dir Wachstum?

Das ist eine richtig gute Frage. Punkt. (lacht)

Ich bin durch meine Biografie und meine Familie – wir waren vier Kinder zu Hause – wettbewerbs- und wachstumsgetrieben. Ich erkläre mir das so, dass es in einer kinderreichen Familie offensichtlich dazugehört. Mir ist Wachstum wichtig, obwohl ich im großen globalen Picture dieses kapitalistische Dogma, dass die Wirtschaft immer wachsen muss, total kritisch sehe. Wir kommen derzeit an Grenzen, die richtig gefährlich für unseren Planeten sind.

Was mich antreibt, hat schon immer viel mit Wettbewerb, Wachstum und Zahlen und so zu tun. Das ist natürlich auch ein guter Motor für ein Unternehmen. Wenn einem das alles egal ist, dann schläft man ein. Es macht Freude, zu sehen, dass die Dinge wachsen, aber es ist auch gefährlich den Erfolg nur über das Wachstum zu definieren. Du siehst, ich bin da selbst mit mir nicht im Reinen, möchte die Frage aber auch ehrlich beantworten. Ich finde es beispielsweise super, wenn ich sehe, dass unser Onlineshop wächst, und auch durch die Coronakrise wächst.

Aber ein Expansionskurs – „Van Dyck“-Espressobars in ganz Deutschland – ist sicherlich nicht euer Ziel, oder?

Meine Geschäftspartnerin Moni ist in vielen Sachen viel wachstumskritischer als ich es bin. Von Anfang an hat sie gesagt: „Martin, ich werde vieles mit dir machen, aber ich werde unseren Kaffee nie über Amazon verkaufen.“ Wir wissen alle, dass die Amazon-Marktplätze richtig viel Umsatz bringen – das ist aber bei uns eine klare rote Linie, die wir nicht überschreiten wollen und auch nicht werden.

Moni und du arbeiten jetzt schon seit zehn Jahren zusammen. Viele Unternehmen scheitern oft an der Dynamik in der Geschäftsführung. Was macht euch als Team aus?

Seit zwei Jahren haben wir sogar eine dritte Partnerin im Bunde, die noch mal eine ganze Generation jünger ist. Jenny ist gerade 30 geworden. Das heißt, wir sind mittlerweile zu dritt, was ich eine ziemlich interessante Konstellation finde. Bei „Brainpool“ war ich am Anfang auch in einer Dreierkonstellation. Drei gleichberechtigte Gesellschafter*innen/Partner*innen/Geschäftsführer*innen – das hat eine große Dynamik, sehr fruchtbar, manchmal auch anstrengend. Du hast logischerweise, wenn du dir nicht einig bist, immer die Konstellation zwei gegen einen. Wenn das wechselt, ist das super, wenn die Konstellation immer so ist, dass die gleichen Zwei gegen die oder den Dritte(n) sind, dann ist das keine gute Dreieckskonstellation.

Was bei uns auch hilft, ist, dass Moni und ich uns unglaublich gut kennen und auch schon kannten, bevor wir gemeinsam gegründet haben. Wenn man weiß, dass man sich in jeder Situation total aufeinander verlassen kann, ist das sehr hilfreich.

Ein Freund von mir hat mal zu mir gesagt: „Martin, du bist eher so “Management by walking around”.

Als Unternehmer musst du dich auch mit dem Thema Mitarbeiterführung beschäftigen. Wie bist du als Chef?

Selbstkritisch muss ich sagen, dass es immer hilfreich für mich ist, wenn ich andere Leute habe, die sich im Detail darum kümmern können, was Mitarbeiter*innen täglich machen müssen. Das können Moni und Jenny viel besser als ich. Sie haben die Penetranz, die es dafür braucht – und das meine ich als positives Wort. Man muss  Mitarbeiter*innen führen, immer wieder motivieren, bei der Stange halten, weiterbringen und immer wieder daran erinnern, was das “Van Dyck” ausmacht und was die Leute von uns erwarten und auch, was wir von unseren Mitarbeiter*innen erwarten. Diese Ansprache und Betreuung ist sehr anspruchsvoll. Ein Freund von mir hat mal zu mir gesagt: „Martin, du bist eher so Management by walking around“. (lacht) Vielleicht gehe ich manchmal nicht genug in Konflikte …

Man muss als Chef auch in der Lage sein, Feedback zu geben und Kritik zu üben.

Wenn man Angst hat, sich unbeliebt zu machen, ist das keine gute Voraussetzung eine Führungsposition zu haben. Wenn man mit allen befreundet sein möchte, dann geht es nicht. Es stimmt, was du sagst, man muss in der Lage sein, Kritik zu üben, das tut auch manchmal weh, damit macht man sich unbeliebt. Man muss  bereit sein, diesen Weg zu gehen.

Beschäftigt es dich, wie Mitarbeiter*innen dich wahrnehmen?

Mir ist immer wichtig gewesen, dass ich das Gefühl hatte, dass die Mitarbeiter*innen denken: „Der ist fair, mit dem kann man reden und der hat Respekt.“ Das kann ich mir biografisch wieder sehr einfach erklären: Mein Vater hatte ein mittelständisches Bauunternehmen. Ich habe ihn immer beobachtet und gedacht: „Der ist ein guter Chef, in der Art wie er mit seinen Mitarbeiter*innen umgeht.“

Ich finde es total wichtig, dass die Impulse der Mitarbeiter*innen über alle Formen von Änderungen und Innovationen gehört werden.

Was hat deinen Vater als Chef ausgezeichnet?

Er hat nie den Chef durch Attitüde raushängen lassen. Er hat alle Leute, egal, was sie gearbeitet haben, mit Respekt behandelt und sich auch gekümmert.

Was nicht selbstverständlich ist. In vielen Unternehmen herrschen immer noch klassische Hierarchien und Machtstrukturen …

Ich bin immer für viel Selbstverantwortung und viel Verantwortung abgeben und ich finde es total wichtig, dass die Impulse der Mitarbeiter*innen über alle Formen von Änderungen und Innovationen gehört werden und angenommen werden. Das ist auch im Selbstinteresse eines Chefs oder einer Geschäftsführung, dass eine Abteilung möglichst eigenverantwortlich arbeitet, das hilft mir ja auch.

Martin Keß-Roche

Kaffeezeit mit Martin Keß-Roche.

Was steht als nächstes bei „Van Dyck“ an?

Wir haben gerade das neue Café in der Kölner Südstadt eröffnet, wo ihr heute auch die Fotos macht. Hier steht das Thema Filterkaffee noch mehr im Vordergrund. Das ist ein Thema, was unsere Röster*innen unbedingt vorantreiben wollen. Ich bin ein altmodischer Espressotrinker. Für mich persönlich brauche ich nicht sechs Filtersorten. (lacht) Ich sehe aber, dass es die junge Generation, auch in unserem Unternehmen, total anders sieht und dann gehe ich auch gerne mit und sage: “Klar, dann macht mal!” Es gibt also bald neue Filterkaffees. Außerdem merken wir spätestens seit der Coronakrise, dass der Onlineshop immer wichtiger für uns wird. Wir haben das Thema sowieso schon früh sehr ernst genommen, sehen aber, dass es ein immer wichtiger Teil wird und in fünf bis zehn Jahren sicherlich noch wichtiger sein wird.

Wie viel Kaffee importiert ihr mittlerweile?

Ungefähr 70 Tonnen im Jahr. Wenn man die großen Schiffscontainer sieht, sind das drei bis vier davon. Wir haben letztes Jahr das erste Mal nur für uns einen einzelnen Container mit Robusta aus Uganda importiert. Man kann die Schiffe per App tracken. Wir waren ganz aufgeregt und haben das Schiff über das Meer verfolgt bis wir wussten, dass es in Bremerhaven angekommen ist. (lacht)

Manchmal wundere ich mich immer noch über mich selbst, dass ich damals zu Charlotte gesagt habe: Klar, ich mache mit!

Wir wollen auch noch kurz über „Paardiologie“ sprechen. “Der Podcast erscheint einem wie aus einer vorsintflutlichen Zeit” schreibt meine Kollegin in unserem Teammanagement-System als ich unseren Interviewtermin ankündigte – was sie vor allem auf die Corona-Zeit bezieht. Wie nimmst du das Kapitel “Paardiologie” rückblickend wahr?

Wie ein Trip und eine große Entdeckungsreise. Manchmal wundere ich mich immer noch über mich selbst, dass ich damals zu Charlotte gesagt habe: „Klar, ich mache mit!“ Es war ein ganz großes Kapitel und wir haben es gut überstanden. (lacht)

Du hast viele große TV-Sendungen produziert. Damals hast du hinter den Kulissen agiert. Vor und zu Beginn von „Paardiologie“ kannte die breite Öffentlichkeit dein Gesicht nicht. Plötzlich war “Marty” eine Person des öffentlichen Leben. Das war sicherlich auch eine spannende Erfahrung, oder?

Total. Ich glaube, dass viele, die mich von früher aus der Zeit kennen, gedacht haben oder denken: „Jetzt ist Martin komplett verrückt geworden.“ Natürlich weiß ich sehr viel darüber, wie das alles geht. Ich weiß viel über Künstler*innen, Moderato*innen, Comedians. Ich weiß, was es heißt, im Rampenlicht zu stehen. Aber natürlich ist das alles nichts gegen die Erfahrung, es dann selbst zu machen.

Zum Glück bin ich in einem gestandenen Lebensalter. Es war auch nur ein Podcast. (lacht) Die Podcastwelt ist eine kleine, feine Welt. Es ist auch eine sehr angenehmes Publikum und deswegen habe ich absolut keine schlechten Erfahrungen damit gemacht.

Man kann sich vieles einreden, aber es ist so, dass einen der Podcast und die Öffentlichkeit verändern – das lässt sich gar nicht vermeiden.

Auch wenn wir immer versucht haben, von der öffentlichen Wahrnehmung so viel wie möglich auszublenden, ist uns das nicht immer gelungen.

Am 24. April 2020 erschien eure letzte Folge bei Spotify. Habt ihr dann erstmal aufgeatmet? Ich kann mir vorstellen, dass das regelmäßige Aufzeichnen eines so persönlichen Podcasts auch einen gewissen Druck erzeugt.

Man kann sich vieles einreden, aber es ist so, dass einen der Podcast und die Öffentlichkeit verändern – das lässt sich gar nicht vermeiden. Das ist auch mit ein Grund, dass es richtig war, dass wir gesagt haben, wir hören jetzt auf, bevor wir anfangen, uns zu wiederholen, bevor wir anfangen, in irgendwelche Routinen zu verfallen, bevor wir anfangen, eitel zu werden in dem, was wir erzählen. Auch wenn wir immer versucht haben, von der öffentlichen Wahrnehmung so viel wie möglich auszublenden, ist uns das nicht immer gelungen. Das geht nicht, man kann es nicht komplett ausblenden. Erst als “Paardiologie“ vorbei war, haben wir gemerkt, dass es auch anstrengend war.

Gibt es den Podcast weiterhin “hinter verschlossenem Vorhang”, wie du es in eurer letzten Folge angeteasert hast?

(lacht) Wir sprechen sehr viel miteinander und es ist sehr angenehm, das nicht mehr in ein Mikrofon zu machen.

Ihr trefft euch also weiterhin regelmäßig zum Beziehungstalk?

Nein, wir brauchen erstmal eine Atempause. Wir sind in vielen Sachen im Podcast an die Schmerzgrenze oder weit über die Schmerzgrenze hinausgegangen. Jetzt ist erstmal Durchatmen angesagt – und wir lieben uns.

Was ist wichtiger als eine Beziehung, die glücklich macht und funktioniert?

Viele Paare schaffen es nicht, sich hinzusetzen und miteinander in der Intensität über ihre Probleme zu sprechen, wie ihr es im Podcast gemacht habt …

… das ist definitiv so. Wenn unser Podcast eine Inspiration gewesen ist für andere Paare/Konstellationen und sie sagen: „Wow, das ist hilfreich, sich so konzentriert miteinander zu beschäftigen und alles andere auszublenden.“ – dann ist das super.

Dafür gibt es – ich glaube, wir haben im Podcast mal kurz darüber gesprochen – bestimmte Tools, zum Beispiel das Zwiegespräch. Das ist zwar nicht so richtig Charlottes und mein Ding, trotzdem sagen wir immer mal wieder: „Sollen wir nicht noch mal ein Zwiegespräch machen?“ Daran ist das Tolle, dass du eine Viertelstunde lang einfach entweder nur zuhörst oder nur sprichst und du wirst nicht unterbrochen, nicht gefragt oder abgelenkt. Du erzählst einfach dein State of Mind, dein Gefühl und du erzählst von dir – das ist toll.

Den Platz dafür zu finden und die Disziplin zu haben das durchzuziehen, ist schwer, aber was ist wichtiger als eine Beziehung, die glücklich macht und funktioniert? Das ist wichtiger als der Termin im Fitnessstudio oder der Kletterhalle und trotzdem sind wir mit allen Terminen besser, als mit denen, wenn es um die Beziehung geht.

Und wie geht es euer Psychologin und Paartherapeutin „Dr. Amalfi“?

Der geht’s gut. Wir waren länger nicht da. Das ist immer ein gutes Zeichen. (lacht)

Martin Keß-Roche

Martin Keß-Roche genießt seinen Kaffee im eigenen Café.

Mit dem Ende vom Podcast hat auch Charlotte bei Instagram auf “Pause gedrückt”. Werden wir sie beziehungsweise euch dort bald wiedersehen?

Ich kann nicht für meine Frau sprechen.

Jetzt seid ihr dran, redet miteinander!

Verständlich. Im April ist euer Buch Paardiologie: Das Beziehungs-Buch“ erschienen. Welchen Tipp möchtest du abschließend an alle Paare und Menschen, die eine Beziehung eingehen wollen/werden, mit auf den Weg geben?

Ich bin nur ein Experte für meine eigene Beziehung. Aber was wir in “Paardiologie” gesagt haben und was ich auch in der letzten Folge gesagt habe, ist: Jetzt seid ihr dran, redet miteinander! Das ist die Voraussetzung. Miteinander reden heißt, zuhören und nicht über den anderen reden, sondern lieber über sich selbst. Wenn ich immer nur sage: Du, du, du du – dann läuft etwas mit mir selbst schief.

Es sind eben doch oft die eigenen Themen, die der Ursprung für Probleme sind …

… definitiv, es kommt dann doch auf einen selbst an.

Vielen Dank für das Interview, Martin.

Hier findet ihr „Van Dyck“:

   

Van Dyck Rösterei und Espressobar mit Bistro, Schanzenstraße 36, 51063 Köln-Mülheim

Van Dyck Espressobar Ehrenfeld, Körnerstraße 43, 50823 Köln

Van Dyck Espressobar Südstadt, Severinstrasse 40, 50678 Köln

Hier findet ihr den Podcast und das Buch „Paardiologie“:

   

Layout: Kaja Paradiek

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