Traumjob Museum: Nora Kathmann von der Hamburger Kunsthalle

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5. Februar 2017

Mit gerade mal 24 Jahren ein 22 Millionen Euro schweres Projekt stemmen? Das klingt nach einer echten Herausforderung – Nora Kathmann hat sie gemeistert. Die heute 28-Jährige übernahm die Projektleitung für die Modernisierung der Hamburger Kunsthalle. Sie saß mit Architekten und Bauexperten am Tisch, ging auf die Wünsche und Bedenken von Restauratoren, Kuratoren und Wissenschaftlern ein und musste dabei alle Fäden zusammen- und vor allem das Budget im Auge behalten. Letztes Jahr war es schließlich soweit: Unter großem Applaus wurde die Wiedereröffnung der Hamburger Kunsthalle gefeiert. In ihrer Wohnung in Hamburg-Eppendorf erzählt uns die Kulturwissenschaftlerin, wie sie an dem Projekt gewachsen ist und warum ihr Herz für die Kunst und das Kaufmännische gleichermaßen schlägt. Danach nimmt sie uns mit in die heiligen (Kunst-)Hallen und gibt uns eine Führung durch die wunderschönen Räume der Hamburger Institution.

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Nora wohnt mit ihrem Freund in einer schönen Altbauwohnung in Hamburg-Eppendorf.

femtastics: Was umfasst deinen Job als Assistentin des Geschäftsführers?

Nora Kathmann: Auch ein Museum und insbesondere der kaufmännische Geschäftsbereich ist wie ein Unternehmen organisiert. Es gibt den Bereich der Kuratoren und der Wissenschaftler, die quasi den künstlerischen Kopf des Hauses bilden. Und es gibt den kaufmännischen Geschäftsbereich. Hier werden die Bereiche Controlling, Personal, Marketing und so weiter koordiniert und wir verwalten – einfach gesagt – alles was mit Zahlen zu tun hat. Die Kuratoren und Wissenschaftler kreieren den künstlerischen Inhalt und wir versuchen, die wirtschaftlichen und organisatorischen Aspekte der Ausstellungsplanung kaufmännisch umzusetzen.

Ich will zwar, dass mein Ausstellungsbudget eingehalten wird, aber ich will auch, dass die inhaltliche Message der Ausstellung vermittelt wird.

Das klingt nach einem ziemlichen Spagat.

Es ist deshalb gut, dass ich Kulturwissenschaften studiert habe und ich so nachvollziehen kann, dass ein Bild für ein inhaltliches Konzept total wichtig sein kann. Wenn man dieses künstlerische oder kulturelle Verständnis hat, kann man auch leichter versuchen, im Budget noch eine Lücke zu finden. Wenn man nur Betriebswirt ist, ist es schwieriger als wenn beide Herzen in der Brust schlagen. Ich will zwar, dass das Ausstellungsbudget eingehalten wird, aber ich will auch, dass die inhaltliche Message der Ausstellung vermittelt wird.

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Ein Museum unterliegt eben auch wirtschaftlichen Regeln. Deswegen sind die Besucherzahlen auch entsprechend wichtig. 

Flaspsig formuliert, ist unser klassisches Publikum weiblich und 60+ Jahre alt. Auf diese Gruppe können wir uns verlassen, das ist unsere Basis. Durch die Modernisierung habe ich gemerkt, dass sich unser Publikum spürbar durchmischt hat und auch viele Blogs auf uns aufmerksam geworden sind. Das ist für uns unglaublich wichtig. Ebenso wie die Resonanz bei Facebook und Instagram. Hier investieren wir auch gerade stark und schauen, wie wir im nationalen Vergleich stehen. Teilweise haben Museen lange verschlafen, auch in diesen Medien präsent zu sein. Unsere Follower-Zahlen sind durch den Schub der Modernisierung erfreulicherweise auch gewachsen. Außerdem entwickeln wir Multimedia-Guides für Tablets, damit der Rundgang interaktiver wird. Die letzten Jahre waren nicht nur durch die bauliche Modernisierung geprägt, sondern auch von der Modernisierung hinter der Modernisierung. Wir wollen nicht auf einmal jung und hip sein. Aus meiner Perspektive sind wir klassisch und modern, aber eben zeitgemäß klassisch.

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Auch auf dem Vorplatz vom Museum hat sich viel getan, hier sitzen nun viel mehr Leute und schauen sich im Sommer den Sonnenuntergang an.

Diesen öffentlichen Raum wollen wir noch viel mehr nutzen. Es ist eine schöne, große Freifläche mit Blick auf die Alster. Wir möchten ihn künftig noch mehr bespielen.

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Nora und ihr Freund haben ihre beiden Wohnstile beim Zusammenziehen einfach gemixt – von ihr stammen viele Vintage-Stücke, von ihm die modernen Möbel.

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Ich mag es, neben der Kunst was Logisches und Strategisches zu haben.

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Du hast angewandte Kulturwissenschaften und BWL studiert. Stand das sofort nach dem Abitur für dich fest?

Ich war schon immer sehr kunstinteressiert und war als Kind in einer Kunst- und Malschule. Meine Eltern haben mich gut an das Thema herangeführt. Als sie aber gehört haben, dass ich Kulturwissenschaften und nicht -wirtschaft studieren will, hat mir mein Vater geraten: Nora, entscheide dich auch für eine solide Basis und nimm BWL dazu. Die Kombination hat sich bewährt, denn ich hatte zum Beispiel auch Kunst- und Mathematik-Leistungskurs. Ich mag es, neben der Beschäftigung mit kulturellen Themen auch wirtschaftliche und strategische Themen im Blick zu haben. Nach den Kunst-Philosophie- oder Kulturtheorie-Vorlesungen habe ich mich immer auf Rechnungswesen und Unternehmenssteuerung gefreut. So haben beispielsweise auch Praktika bei den traditionsreichen Auktionshäusern Sotheby’s in Wien und Christie’s meine Begeisterung für beide Themenfelder bestärkt.

Das klingt extrem spannend! Wie kann man sich das vorstellen?

Es ist wie eine Traumwelt …

… und wahrscheinlich auch wie eine Parallelwelt.

Total! Es ist sehr international und man wird indirekt Teil der besagten Kunst-Blase, die sich schwer erklären lässt. Warum kostet ein Werk jetzt so viel Geld? Aber es war eine ungemein tolle Erfahrung, weil ich den komplexen Kunstmarkt mit seinen diffusen Strukturen hautnah miterleben durfte. Es geht in gewisser Form und Weise auch um Angebot und Nachfrage – aber der entscheidende Unterschied liegt in dem „Produkt“, dem Kunstwerk.

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Es ist ein Spekulations- und Investitionsmarkt, was viele schwierig finden.

Viele Käufe werden aus dem Hintergrund getätigt, um Fonds zu gründen und aufzublasen. Dann geht es eigentlich nicht mehr um die Kunst, sondern um Investitionen sowie Markt- und Schätzwerte, die in die Höhe getrieben werden. Deswegen vertreten auch einige Kulturschaffende das sogenannte „Reinheitsgebot“ – das Kunst und wirtschaftliche Gewinne strikt voneinander getrennt gehalten werden müssen. Das kann ich auch gut nachvollziehen, aber ganz trennen lässt es sich nicht. Ich finde es auch schade, wenn Kunst zur Spekulationsware wird und einige Galerien die Fäden im Hintergrund ziehen. Trotzdem hat es eine Spannung und die Auktionswelt ist ein Markt, an dem man gern für eine Zeit partizipiert.

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 Man arbeitet für etwas Gutes, für den Vermittlungsauftrag in der Stadt und für die Kultur.

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Was hat dich daran gereizt, für die Hamburger Kunsthalle zu arbeiten?

Das Haus hat mich fasziniert, weil es für mich die erste Adresse Hamburgs ist, wenn es um öffentliche Kunstsammlungen geht – sie umfasst sieben Jahrhunderte Kunstgeschichte. In meiner Tätigkeit finde ich die perfekte Kombination aus wirtschaftlichen und strategischen Fragestellungen und arbeite dabei im kulturellen Kontext. Die Position als Assistentin des Geschäftsführers verbindet die beiden Herzen in meiner Brust perfekt. Für Kunst und Kultur und somit für den Vermittlungsauftrag in der Stadt zu arbeiten, fühlt sich gut an und macht viel Spaß. Als ich mich auf die Position beworben hatte, wusste ich noch nichts von der Zusage für das 22 Millionen Euro schwere Modernisierungsprojekt. Die kam erst zwei Monate später und die Projektsteuerung  war ein direktes Vorstandsthema. Ich durfte dann die Projektleitung übernehmen.

Welche Erfahrungen hast du als Projektleitung für das Modernisierungsprojekt gemacht?

Wir haben das Haus komplett gedreht. Die bauliche Modernisierung wurde genutzt, um quasi alle Themen im Haus, zum Beispiel das Corporate Design, Gemälderestaurierung oder Vermittlungsangebote, anzufassen und weiterzuentwickeln. Es war ein Mammutprojekt, das über zwei Jahre ging. Wir haben das mit einer Hands-on-Mentalität und viel Leidenschaft geschafft. Vor dem Probetag mit Testpublikum habe ich noch zusammen mit dem Direktor und dem Geschäftsführer die letzten, leeren Farbeimer aus dem Publikumsbereich entfernt. Für das gesamte Team war es eine Herzensangelegenheit.

 

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Was war die größte Herausforderung?

In einem Museum arbeiten ganz verschiedene Köpfe und Charaktere. Von Marketing- und Pressemitarbeitern über Sponsoring und Fundraisingexperten bis hin zu Restauratoren und Kuratoren. Als Projektleiterin war es eine Herausforderung, die verschiedenen Interessen und Sichtweisen zu vereinbaren und daraus Ziele abzuleiten, die allen Perspektiven, die begründet sind, gerecht zu werden. Wie schaffen wir es, ein modernes und besucherfreundliches aber – neben Denkmalschutzauflagen – auch ein Museum zu generieren, das dem 21. Jahrhundert gerecht wird?

Ich war 24 Jahre alt als ich die Rolle der Projektleitung übernommen habe und saß teilweise mit Experten am Tisch, die bereits Großprojekte im In- und Ausland gestemmt haben. Meine Rolle zu finden, war anfangs nicht ganz leicht. Es  ist unglaubwürdig, langjährige Berufserfahrung vorzutäuschen und überaus kontraproduktiv, seine eigene Expertise zu überschätzen.

Ich war jung, aber ich habe mir eine Meinung gebildet und für meine Sichtweise eingestanden.

Wie hast du das geschafft?

Indem ich neugierig und offen für Kritik war. Man darf sich nicht verstellen. Ich war jung, aber ich habe mir eine Meinung gebildet und für meine Sichtweise eingestanden. Ich habe versucht immer freundlich zu sein, aber bin gleichzeitig diplomatisch bestimmt geblieben. Außerdem hatte ich eine ungemein tolle Unterstützung von unserem Geschäftsführer, der mir zu jederzeit mit seiner Erfahrung zur Seite gestanden hat.

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Als das Projekt abgeschlossen war, konntest du den Erfolg richtig genießen?

Richtig inne gehalten habe ich, als das Haus wirklich geöffnet war, die großen Feierlichkeiten vorbei waren und die Familien um das Haus herum Schlange standen. Das war ein Moment, in dem mir bewusst wurde, dass wir es wirklich geschafft haben. Dann bin ich erstmal mit meinem Freund ganz weit weggeflogen – wir hatten lange Urlaubssperre – im Urlaub konnte ich dann richtig loslassen.

Was hat dir in den stressigen Hochphasen geholfen?

Ich brauche Sport, bei dem ich mich richtig auspowern kann. Und es klingt sicherlich amüsant, aber auch Putzen – eigentlich eine lästige Pflicht – kann mir als profanes Mittel helfen, um Stress abzubauen. Das ist was Handfestes! Ich sitze viel am Rechner und in Meetings, in denen lange diskutiert und gesprochen wird, aber man sieht nicht direkt, was geschaffen wird. Auch Kochen für Freunde und Kuchen backen sind ebenfalls ein wunderbarer Ausgleich.

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Bei Nora haben wir unseren Cityguide „Hamburg for Women Only“ entdeckt – große Freude!

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Welche Ausstellung ist dir besonders im Gedächtnis geblieben?

Die Édouard Manet-Ausstellung war sehr besonders und die letzte Ausstellung unseres vorigen Direktoren. Es war sehr emotional. Aber auch viele kleinere Ausstellungen sind mir in guter Erinnerung geblieben. Teilweise kenne ich da den Künstler im Vorfeld gar nicht und lerne ihn erst durch die Vorstellung des Ausstellungskonzeptes kennen. Das ist ein echter Benefit in meinem Beruf, dass ich immer wieder an neue Themen herangeführt werde. Als nächstes freue ich mich auf die zeitgenössische Ausstellung zum Thema Warten. Es geht darum, welche Komponenten das Thema Warten in unserer Gesellschaft hat. Geflüchtete warten vielleicht ihr Leben lang auf ihren Asylantrag, viele Menschen wiederum werden in der schnelllebigen Gesellschaft absolut hektisch und nervös und können gar nicht mehr warten. Warten ist etwas Passives, du kannst es nicht beeinflussen. Es ist ein vielschichtiges und hochaktuelles Thema.

 

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Der kostbare Terrazzo-Boden wurde zufällig bei den Modernisierungsarbeiten entdeckt – er war unter einer dicken Schicht Linoleum versteckt.

Kannst du durch die Kunsthalle gehen, ohne an die Arbeit zu denken?

Die Büros sind hinter den Ausstellungsräumen versteckt. Es gibt Tage, an denen du schon mal vergessen kannst, dass du im Museum arbeitest. Wenn ich aber dann durch das Haus gehe, dann ist es wunderbar zu merken, dass ich direkt in den Sammlungsräumen bin. Ich höre Besucher, die sagen: Das ist aber eine tolle Ausstellung! Dann geht mir das Herz auf. Die Kunsthalle ist ein Haus, das mich mit Stolz erfüllt.

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Wenn du verreist, gehst du dann auch gern in Museen?

Total gern, aber man hat den unbeschwerten Blick verloren. Frei und unbefangen kann ich nur schwer durch ein Museum gehen. Ich muss immer schauen, wie funktioniert das Leitsystem? Wie sind die Labels der Kunstwerke und die Kassenräume organisiert? Schließfächer und Mülleimer sind tatsächlich auch ein wichtiges Thema für den Gesamteindruck des Hauses!

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Welche Museen magst du besonders gern?

Ich finde die Kopenhagener Museen fortschrittlich, weil sie ein innovatives Vermittlungskonzept verfolgen. Die Skandinavier sind familienfreundlich und viel offener und liberaler in Bezug auf kleine Kinder. Teilweise habe ich den Eindruck, dass in Deutschland bei einem Besuch mit Kindern erst mal der Hinweis auf richtiges Verhalten im Museum im Vordergrund steht. Es  kann sehr konservativ und institutionell wirken. Bei vielen Kindern bleibt dann leider in Erinnerung, dass Museen langweilig sind, sie an der Hand gehen und nicht laut schreien dürfen. Zu Unrecht nehmen sie Museen statisch, langweilig und grau wahr.

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Noras Lieblingsbild in der Hamburger Kunsthalle ist das Gemälde „Nana“ von Édouard Manet aus dem Jahr 1877.

Man muss ruhig sein und darf nicht rumrennen.

Genau und gerade in Kopenhagen ist den Museen gelungen, was Offenes zu haben, sodass Kinder gerne kommen. Mit der Uni war ich auf Forschungsexkursion in New York. In Washington ist mir das Holocaust Museum in Erinnerung geblieben, was mich sehr bewegt hat. Die New Yorker Museen, das Guggenheim und das Moma, sind natürlich ein Traum.

Wir bedanken uns für den spannenden Vormittag, liebe Nora!

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Hier findet ihr die Hamburger Kunsthalle:

Fotos: Sophia Mahnert

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