Wer sich mit der Hamburger Kaffeeszene beschäftigt, kommt an den Public Coffee Roasters nicht vorbei. Was 2013 mit einem kleinen Café auf 20 Quadratmetern begann, ist jetzt ein wachsendes Start-up – mit eigener Rösterei, drei Cafés und einem breit aufgestellten Vertriebskanal. Dahinter steckt Argin Keshishian (links im Bild). Der 28-jährige Gründer ist in Teheran aufgewachsen und mit 11 Jahren nach Deutschland gekommen. Wir verabreden uns mit ihm in seiner Rösterei, die auf einem Ponton direkt an der Elbe liegt. Hier treffen wir auf seinen Partner, seinen Bruder Arameh (25), und sprechen mit ihm über das harte Coffee-Business, die „fourth Wave“, Kaffee im Iran und die Konkurrenz. Anschließend machen wir einen Abstecher in das neue Café in der Brandstwiete.
Donnerstag, 12.30 Uhr, Röstungstag bei den Public Coffee Roasters in Entenwerder. Während die Kaffeebohnen aus Panama den Röster heiß laufen lassen, wippt das grüne Holzhaus im Takt der Elbe.
Argin Keshishian: Ich habe es auf drei Tassen reduziert. Ich war mal bei zwölf (lacht).
Das Ziel war von Anfang an, eine Rösterei aufzubauen. So eine Produktionsstätte entsteht aber nicht von jetzt auf gleich. Damals gab es diesen ganzen Hype um Kaffee noch nicht. Wir wollten erstmal schauen, ob unser Produkt überhaupt ankommt. Wir haben uns bei einer anderen Rösterei eingemietet, dort geröstet und an den eigenen Produkten gearbeitet. Danach machten wir bei Underdog-Veranstaltungen mit und es kam richtig gut an. Daraufhin sind wir in den Store „Cream“ in St. Georg eingezogen und die Leute waren sehr interessiert. Also haben wir uns auf die Suche nach einem eigenen Café gemacht und sind in die Wexstraße gezogen.
In meinem Leben war es schon immer so: Wenn ich etwas anfasse, dann auch richtig und mit Vollgas.
Ein glücklicher Umstand war, dass es in Rothenburgsort ein Stadtteilprojekt gab – die Verantwortlichen kamen auf uns zu und wollten uns gerne mit unserem Kaffee dabei haben. Damals gab es hier aber noch gar nichts, noch nicht mal die Brücke. Wir haben es uns angeschaut und 2016 mit der ersten eigenen Röstung gestartet. Eine andere Partei ist mit eingezogen und hat zwei Drittel der Restaurierung übernommen.
Ich habe in Hamburg BWL studiert, bin dann aber zu Sozialökonomie gewechselt. Nach dem Abschluss war ich in England und habe dort International Management studiert. Danach bin ich wieder nach Hamburg gezogen und war für unser Familienunternehmen im internationalen Handel tätig, ich habe die Zweigstelle für Europa in Deutschland aufgebaut. Irgendwann merkte ich, dass ich das nicht mehr so gerne machen wollte.
Beruflich erst im Jahr 2013, es war vorher aber immer Thema. Mein Vater war ein erfolgreicher Geschäftsmann. Ein Geschäftsschwerpunkt des Unternehmens meines Vaters war Deutschland, und Hamburg war unsere Basis. Wir sind oft von Teheran hierher geflogen, auch in den Ferien. Mit elf Jahren bin ich nach Deutschland gekommen. Unser Familienunternehmen hatte ein Büro in Hamburg, in dem er seinen Papierkram gemacht hat, aber sämtliche Gespräche fanden in Cafés statt. Wenn wir unseren Vater sehen wollten, wussten wir, dass er in einem seiner Lieblingscafés saß.
Das ist super interessant: Traditionell ist es eine Teenation, aber innerhalb der letzten Jahre gibt es verstärkt junge Menschen, die Cafés eröffnen. Es ist ein Statussymbol, ob du dem Westen zugeneigt bist oder nicht. Mit einem Coffee-to-go-Becher in der Hand suggerierst du, dass du eine bestimmte Wertevorstellung hast, die sich eher am Westen orientiert. Viele Cafés werden aber immer wieder geschlossen. Angeblich, weil sie unsittlich seien, weil Männer und Frauen dort zusammensitzen.
Wir haben Ende Januar unseren ersten Tee gelauncht und starten mit einem grünen und einem schwarzen Tee. Gemeinsam mit einem Teeexperten, der Tee aus verschiedenen Ländern bezieht und diese auch bereist, haben wir die beiden Sorten für Public Coffee Roasters entwickelt. Das Ziel ist, dass wir in naher Zukunft auch Teeländer bereisen und das weiter ausbauen. Der Schwerpunkt wird aber Kaffee bleiben.
Ich hatte damals noch zwei Partner, von denen ich mich mittlerweile getrennt habe. Beide kamen aus einer Rösterei, von ihnen habe ich unheimlich viel über das Produkt gelernt. Grundsätzlich kannst du kein Geschäft führen, wenn du das Produkt nicht verstehst. Ich musste mich intensiver mit Kaffee beschäftigen. In meinem Leben war es schon immer so: Wenn ich etwas anfasse, dann auch richtig und mit Vollgas. Innerhalb von anderthalb Jahren habe ich viele Leute extrem genervt, indem ich zugeguckt und sie mit Fragen gelöchert habe. So habe ich mir das Kaffeerösten selbst beigebracht. Es gibt keine Ausbildung, also heißt es Erfahrungen sammeln und Learning-by-doing, probieren und experimentieren!
2014 habe ich mich von meinem zweiten Geschäftspartner getrennt – vier Monate nach der Eröffnung des Cafés in der Wexstrasse. Unsere Vorstellungen bezüglich der Führung des Ladens gingen auseinander. Mein Bruder, der uns auch immer begleitet hat, stand damals am Anfang seines Studiums und konnte mich nur in den Ferien unterstützen. Also musste ich den Laden führen. Ich musste rösten, die Buchhaltung machen und so weiter. In dieser Zeit habe ich viel gelernt, denn es hieß: Machen oder zumachen! Das habe ich sechs Monate lang jeden Tag durchgehalten – an einigen Tagen habe ich sogar hinter der Ladentheke übernachtet.
Wir haben alles mit Eigenkapital finanziert.
Wir wollen auf jeden Fall weiter wachsen. Der Grund, warum wir erstmal in Hamburg erweitert haben, ist betriebswirtschaftlich gesehen logisch, weil die Produktionsstätte hier ist. Wir wollten da nicht zu sehr ausschlagen. Wir sind ein Start-up und nach wie vor sehr mit uns selbst beschäftigt. Ich wollte nicht riskieren, dass in einer dynamischen Phase eine Location da ist, die nicht direkt kontrollierbar, im Sinne von strukturierbar ist. Es wird ganz sicher über die Grenzen Hamburgs hinaus gehen, aber ich weiß noch nicht, wann.
Das ging ganz langsam. Wir haben am Anfang ja zunächst in einer anderen Rösterei geröstet, die sehr auf Nachhaltigkeit geachtet hat und auf direkten Handel aus war. Dadurch ergaben sich interessante Kontakte.
In Hamburg wird 85 Prozent des Weltkaffees gehandelt. Dadurch gibt es hier die verschiedensten Arten von Rohkaffee-Händlern und -Importeuren. Natürlich die Großen, die zum Beispiel für Tchibo importieren. Dann gibt es welche, die sich auf kleine Farmen spezialisiert haben, und auf den direkten Handel. Wir sind sehr früh mit eingestiegen als diese Bewegung losging. Das waren immer sehr persönliche Kontakte. Nach und nach entwickelte sich das zum Hype im Rohkaffee-Bereich. Wir bekamen auf einmal unheimlich viele Angebote von kleinen Farmen, aus Guatemala beispielsweise. Früher musste man noch danach suchen, jetzt wird man mit Angeboten zugeschüttet – diese Entwicklung fand in nur drei Jahren statt!
Ich führe die Gespräche und Verhandlungen mit den Farmen und bespreche, wie der Kaffee aufbereitet werden soll. Die Abwicklung werden aber mehr und mehr unsere Handelspartner vor Ort machen. Die Abwicklung darf man nicht unterschätzen. In einem beladenen Container befindet sich eine Ladung mit Kaffee im Wert von 270.000 Dollar, für die du manchmal bis zu einem Dreivierteljahr vorher in Leistung gehst. Bei der Verschiffung gibt es einige Risiken. Hier ist mal ein Container angekommen, der auf See einfach mal mit neuer Farbe angesprüht wurde. Der Kaffee war hinüber! Wenn da was schief geht, sind so kleine Unternehmen wie wir sofort weg.
Es gibt wahnsinnig viel, aber auch wahnsinnig viel, was nicht von guter Qualität ist. Die Farmen werden von den Familien über viele Generationen hinweg geführt. Jetzt gibt es eine Generation, die das Business versteht. Sie verstehen, dass diese kleinen Farmen Spezialitäten sind und dass man damit Geld verdienen kann. Sie professionalisieren sich extrem. Elida beispielsweise, unsere Farm in Panama, war eine unbekannte Farm. Jetzt ist sie eine der schönsten Farmen, die man in Panama kennt, mit einer unglaublich guten Qualität.
Die, die im Rohkaffeebereich richtig gut sind, bereisen die Länder und suchen Underdogs, machen frühzeitig mit ihnen Kooperationen und kaufen bei ihnen ein. Und wenn diese Farmen dann bekannter werden, hast du immer noch die guten Konditionen für einen sehr guten Kaffee. So ist es in unserem Bereich. Es gibt Partnerschaften, die mehr als zwanzig Jahre anhalten.
Wie arbeiten stetig an unseren Produkten und halten Ausschau nach Neuem. Bei den bestehenden Kaffees, wechseln wir die Sorten bzw. Farmer nicht oft. Wir arbeiten mit Menschen, mehrheitlich aus Entwicklungsländern, da ist es mir lieber, dass das Verhältnis beständig bleibt und wir auf Dauer Kaffee beziehen. Das ist Nachhaltigkeit! Es gibt Konzepte, die darauf ausgelegt sind, jede Saison einen neuen Kaffee reinzunehmen. Das ist ein anderer Ansatz. Der eine möchte stets etwas Neues anbieten, der andere möchte lieber langfristig zur Unterstützung der Farmer beitragen.
Inzwischen exportieren wir aus vielen Ländern: Panama, Kolumbien, Honduras, Costa Rica, Guatemala, Brasilien, Äthiopien, Kenia, Indien, Indonesien.
Ja, aber seit der Gründung der zwei neuen Läden und der Rösterei kann ich hier nicht weg. Es ist aber für dieses Jahr angesetzt. Unsere Produktionsleiterin war gerade in Guatemala. Sie ist sehr renommiert, sitzt in einer internationalen Jury und wird für die Bewertung von Kaffees extra eingeflogen.
Es gibt Vollzeit- und Teilzeitmitarbeiter. Im Shop-Bereich sind wir sechzehn, in der Rösterei fünf. Es sind immer um die zwanzig Mitarbeiter, das schwankt. Es ist eine Branche, in der Menschen sehr schnell entscheiden, noch mal etwas Anderes zu machen. Wir haben alle Mitarbeiter unbefristet fest angestellt – was mir besonders wichtig war. Wir lernen aber dazu, mit größeren Läden müssen auch flexiblere Arbeitsverhältnisse geschaffen werden.
Ich bin für das Strategische und den Zahlenbereich verantwortlich, mein Bruder hat Marken- und Kommunikationsdesign studiert, er ist für das Gefühl der Marke zuständig. Er kümmert sich um Marketing, die CI unseres Unternehmens, entwickelt die Etiketten und die Einrichtung der Cafés. Wir haben noch strategische Partner, die uns zusätzlich unterstützen. Außerdem kümmert er sich gemeinsam mit unserem Onkel und unserer Produktionerin Sandra um die Koordination in der Rösterei und den Onlineshop.
Es gibt keinen festen Ablauf. Donnerstags rösten wir, freitags haben wir immer Produktionsverkostung, das ist ein fester Termin für mich. Die Produkte, die geröstet wurden, werden aufgetischt und verköstigt. Dann werden die Kaffees freigegeben und können raus. Montags habe ich einen festen Termin mit einem meiner Partner, wo wir ein bisschen Sparring machen. Den Samstag und Sonntag nutze ich gerne, um im Büro Papierkram zu machen. Unter der Woche komme ich gar nicht dazu, da gibt es ständig etwas zu erledigen … eine Tür klemmt, das Internet läuft nicht und und und. Einen freien Tag habe ich nicht.
Wir haben gerade extrem umstrukturiert, das war eine sehr intensive Zeit. Ich bin eigentlich für flache Hierarchien, aber bei der Größe jetzt geht es nicht mehr. Die Shopmanager haben andere Aufgabenbereiche bekommen, seitdem läuft es ganz gut und ich konzentriere mich auf das Wesentliche.
Ich sehe alle als Kollegen an und bin mit allen fein. Wir besuchen uns auch untereinander. Bestimmte Sachen haben sich entwickelt, es ist viel dazu gekommen, und gewiss mag ich den einen lieber als den anderen. Grundsätzlich halten wir uns komplett raus aus allem Gerede, aber natürlich beobachten wir den Markt.
Professionell gesehen sind das auch Menschen, die Kaffee machen. Und wenn sie nicht etwas richtig machen würden, wären sie nicht so groß geworden. Aber ein großer Unterschied ist, dass bei uns ausgebildete Leute stehen.
Bei den ganz großen Playern hast du einen Shopmanager und Aushilfen. Das heißt, auch wenn die gerade eine super Bohne in der Mühle hätten, ist die Wahrscheinlichkeit, dass diese richtig zubereitet wird aufgrund der fehlenden Schulung relativ gering. Zwischen den großen Ketten und uns ist ein wesentlicher Unterschied, dass wir viel genauer hinschauen und uns alle Themen der Kette wichtig sind: vom Einkauf bis zur Tasse. Bei den großen Ketten steht vieles gar nicht auf der Agenda oder es ist egal.
Das kann ich gar nicht explizit sagen. Eigentlich passiert jeden Tag etwas Neues. Seit 2013 herrscht ein ständiges Learning. Ich kann eher sagen, was sich bestätigt hat: Du brauchst einen Plan, wie du strategisch dahin kommst, wo du hinwillst, und das muss mit Zahlen unterlegt sein. Ansonsten einfach machen! Und man sollte genau wissen, mit wem man zusammenarbeitet, vom Partner bis zum Lieferanten.
Das letzte Mal bei einer Tagung vom Deutschen Kaffeeverband gab es einen Vortrag über die Fourth Wave, aber so richtig ist das noch nicht definiert. Bei den Kaffeeröstern wird die Transparenz, also von der Bohne in die Tasse, immer wichtiger. Cold Brew wird auf jeden Fall ein großes Thema – das ist aber eher ein Trend und keine Bewegung.
Mit Kaffee Drinks zu machen, ist auf jeden Fall ein Thema – das kann aber definitiv noch ausgeweitet werden. Beim Food Paring funktioniert es auch. Kaffee ist sehr intensiv, da muss man immer gucken, wie man das abstimmt. Ich esse zum Beispiel gerne Lachs mit Orangenjus und gebe ein bisschen Kaffee dazu – das ergibt eine schokoladige Note. Oder kräftiger Bergkäse in Kombination mit einem Espresso – das ist abgefahren und sollte jeder mal probiert haben!
Cafés werden mehr und mehr zu einem Ort des Miteinanders und des Austausches. Man sieht in unserem Café in Winterhude, dass da regelmäßig Leute hinkommen, um ein paar Stunden zu arbeiten. Und die fangen irgendwann an, miteinander zu sprechen. Das war auch unsere Idee, als wir uns für einen großen Tisch entschieden haben.
Außerdem glaube ich, dass Pop-ups und Kooperationen immer wichtiger werden. In unserem Café in der Brandstwiete haben wir eine Kooperation mit dem Onlineshop Made.com – fast alle Möbel die dort stehen, kann man auch online bei ihnen kaufen. Ich glaube, das ist die Zukunft, dass es immer weniger klassischen Einzelhandel geben wird und mehr Möglichkeiten wie hier, im Vorbeigehen bzw. bei einem Kaffee, Dinge anzuschauen und anzufassen.
Wir haben mehrere Geschäftsfelder: Die Cafés sind eine eigenständige Einheit, der Vertrieb ist eigenständig und unterteilt sich in Abnehmer wir zum Beispiel Edeka, und die Belieferung von Cafés und Restaurants. Dann beliefern wir auch Büros – für Büros und Restaurants bieten wir auch Komplettpakete an. Diese umfassen das Aussuchen der Mühle, die Kaffeeversorgung, Schulung, Reinigung und so weiter. Außerdem bieten wir Barista-Schulungen an, machen Catering und Beratung und Konzeption für neue Orte mit Cafés.
Wenn ich nichts mit Kaffee machen würde, wäre ich Politiker geworden.
Wenn ich nichts mit Kaffee machen würde, wäre ich Politiker geworden. Das interessiert mich. Ich bin armenischer Iraner. Also hätte ich im Iran keine Chance in der Politik. In Deutschland bin ich Ausländer. Das höchste der Gefühle wäre wahrscheinlich der Posten eines Verkehrsminister. Bei meinem Fahrstil nicht die optimale Besetzung. (lacht)
Public Coffee Roasters Cafés in Hamburg:
Wexstraße 28, Goldbekplatz 1 und Brandstwiete 3