Die Idee von Mathias, Thomas und Christian war simpel: Schokolade herstellen, die besser für Menschen und Umwelt ist. Aus dieser Vision ist „the nu company“ entstanden, ein ganzheitlich ökologisches Start-up, das die Lebensmittelindustrie herausfordert. Die Produkte sind nicht nur vegan, natürlich und gesünder als ihre herkömmlichen Varianten, die Verpackungen sind zudem umweltfreundlich und für jedes Produkt wird ein Baum gepflanzt. Ihr Motto „rethink food“ nehmen die drei Gründer ernst und haben keine Angst, ganz neue Wege zu gehen. Mittlerweile führen sie 40 Mitarbeiter und arbeiten an der globalen Expansion – und das mit Anfang 30 bzw. 28, im Fall von Christian, mit dem wir über die Idee und Vision seines Start-ups sprechen.
Christian Fenner: Wir haben alle drei Wirtschaftsingenieurwesen in Aachen studiert und kannten einander durch das Studium. Mathias und Thomas haben sich direkt zu Beginn des Studiums kennengelernt und angefreundet. Während ihres Auslandsemesters in ihrem Masterstudium hatten die beiden die Idee für „nucao“ – und sie dachten, dass ich gut ins Team passen würde. So bin ich direkt am Anfang dazugekommen. Ich war noch im Bachelorstudium, deshalb bin ich einen Ticken jünger als die beiden.
Wir haben unterschiedliche Stärkenprofile: Thomas denkt am rationalsten, mit dem größten Fokus auf Zahlen. Mathias ist der verrückte Visionär, der gerne nach vorne prescht und viele Ideen entwickelt. Vielleicht sind von zehn Ideen neun scheiße, aber die eine ist richtig gut! (lacht) Ich bin in der Mitte und übernehme die Kommunikation, um unsere Produkte bekannt zu machen und an den Kunden zu bringen.
Mathias war auf dem Weg zur Master- und dann Doktorarbeit im Bereich Elektrotechnik, Thomas sollte bei einem Energiekonzern arbeiten, ich war gerade in einem Praktikum bei „Daimler“ – und extrem unzufrieden. Wir alle haben gemerkt, dass wir in diesen Bereichen zwar gut waren, aber unsere Herzen nicht dafür schlugen. Thomas und Mathias haben sich schon lange mit Ernährung befasst, Mathias hat neben dem Studium eine Ausbildung zum Heilpraktiker gemacht. Wir haben viel Zeit in der Unibibliothek verbracht und waren immer auf der Suche nach gesunden Snacks. Alles hatte entweder wahnsinnig viel Zucker, oder es gab Riegel, die fürs Wandern geeignet sind, aber nicht für Schreibtischarbeit. Mathias hat dann mit einem DIY-Schokoladen-Set experimentiert und Hanfsamen in die Schokolade getan, weil er wusste, dass sie supergesund sind. So ist die Idee zu „nucao“ entstanden.
Wir haben an der Uni Vorlesungen zu Entrepreneurship besucht und der Lehrstuhl dort hat uns super ermutigt und unterstützt. Der Gründerlehrstuhl hat uns empfohlen, uns für das „EXIST-Gründerstipendium“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie zu bewerben. Wir mussten für die Bewerbung einen Businessplan schreiben – das hat lange gedauert – und letztlich hat es geklappt. Dadurch hatten wir ein Jahr lang ein kleines Einkommen und finanzielle Mittel, um loszulegen.
Anfangs hatten wir noch nicht den Plan, ein ökologisches, grünes Start-up aufzubauen, das die Lebensmittelindustrie herausfordert – so wie jetzt, nach vier Jahren.
Das ist mittlerweile sehr vielschichtig geworden. Anfangs hatten wir nicht den Plan, ein ökologisches, grünes Start-up aufzubauen, das die Lebensmittelindustrie herausfordert – so wie jetzt, nach vier Jahren. Unser Ziel war es, ein Produkt anzubieten, das so lecker schmeckt wie eine Schokolade, dem Körper dabei aber nicht schadet, sondern ihn mit Nährstoffen versorgt. Das allein hat mich damals total inspiriert. Es gibt Volkskrankheiten wie Diabetes, die zum Teil darauf fußen, dass die Leute im Alltag keine gesunde Option haben und sich beim Bäcker oder woanders Snacks kaufen, die zu viel Zucker enthalten. Es hat meiner Arbeit viel Sinn gegeben, eine gesunde Alternative anzubieten. Auch für Kinder und Jugendliche. Mich erfüllt es, wenn ich sehe, dass mein kleiner Neffe lieber „nucao“ isst als eine mit Zucker vollgepackte, ungesunde Schokolade. Mit der Zeit haben wir durch die Verpackungen und die Aufforstungskampagne unsere Vision noch erweitert.
Das ist die DNA unseres Unternehmens. Wir nehmen bekannte Produkte und analysieren: Was enthält das Produkt, wie ist es verpackt, was macht das mit den Menschen und der Natur? Beim herkömmlichen Schokoriegel fiel uns auf: Die Zutatenliste ist sehr intransparent, man weiß oft nicht genau, woher der Kakao kommt, es sind synthetische Aromen, Konservierungsstoffe und Co. drin, es ist in Plastik verpackt, und alle Produkte haben eine negative CO2-Bilanz. All das denken wir neu, um es besser zu machen. Das bedeutet: kurze, biologische Zutatenlisten, kein Industrie- oder raffinierter Zucker, generell ganz wenig Zucker – in unserem Fall: Kokosblütenzucker – verpackt in unsere heimkompostierbare Folie.
So weit waren wir etwa ein Jahr lang. Dann kam die nächste Reflektionsebene: Das Produkt verkauft sich – und das muss der erste Schritt sein – aber es ist trotzdem noch CO2-negativ. Inspiriert von Unternehmen wie „Ecosia“ kamen wir auf die Idee, mit jedem Produkt etwas Gutes zu tun: Für jedes verkaufte Produkt pflanzen wir einen Baum. Diese Idee ist jetzt in unserem Geschäftsmodell verankert. Auch das verstehen wir unter „rethink food“. Konsumgüter wie Nahrungsmittel haben eine so große Marktmacht. Manche Menschen wollen einfach nur Schokolade snacken – und ohne, dass sie es wissen, tun sie mit dem Kauf etwas Gutes. Das ist viel einfacher als ein Spendenkonto zu eröffnen.
Konsumgüter wie Nahrungsmittel haben eine so große Marktmacht. Manche Menschen wollen einfach nur Schokolade snacken – und ohne, dass sie es wissen, tun sie mit dem Kauf etwas Gutes.
Zum Thema Aufforstung haben wir uns mit „Ecosia“ ausgetauscht, sie sind schließlich Experten auf diesem Gebiet. Kakaokooperativen, Rohstoffzulieferer und Verpackungshersteller haben wir über Messen kennengelernt. Wir besuchen viele internationale Messen, wie zum Beispiel die „Biofach“ und stellen dort persönliche Kontakte her.
Ja, unsere heimkompostierbare Folie haben wir zusammen mit dem Hersteller selbst entwickelt. Wir haben uns intensiv mit der Frage befasst, wie sich Verpackungen nachhaltig gestalten lassen. Als wir angefangen haben, gab es nur transparente heimkompostierbare Folie, deshalb mussten wir unsere Schokolade anfangs noch in einen zusätzlichen Karton um die transparente Folie herum packen. Irgendwann gab es die Möglichkeit, die heimkompostierbare Folie mit Papier zu verbinden, sodass sie lichtundurchlässig und bedruckbar ist und aussieht wie eine gewöhnliche Riegelverpackung. Wir haben dafür eng mit unserem Partner zusammengearbeitet und wir sind eine Art Pilotprojekt.
Bei „nucao“ haben wir kürzlich weiße Sorten herausgebracht, die im Grunde ein ganz neues Produkt sind. Weiße Schokoladen enthalten immer sehr viel Zucker; unser Produkt enthält Erdmandelmehl, ist wahnsinnig cremig, vegan, lecker und zuckerarm. Zudem entwickeln wir gerade immer mehr Snacks und Shakes für den gesunden Alltag. Unsere zweite Produktmarke ist „nupro“, ein Protein-Shake. Auch da haben wir das Produkt neu gedacht und es vegan, zuckerarm und umweltfreundlich neu erfunden. Unser Shake ist für alle gedacht, die gerne Sport machen und ihre Ernährung um gesunde Proteine ergänzen wollen. Die dritte Produktmarke werden wir im Sommer launchen, da wird es um Samen und Nüsse gehen.
Wir wollen so viele Bäume pflanzen wie möglich, so viele Menschen von weniger Zucker überzeugen wie möglich, so viel Plastik vermeiden wie möglich.
Anfangs haben wir „nucao“ selbst entwickelt. Wir haben uns mittlerweile aber zusätzliche Expertise ins Boot geholt und haben zwei Produktentwicklerinnen im Team. Der nächste Schritt ist immer, den passenden Produzenten zu finden und mit ihm zusammen die Produkte herzustellen.
Wir möchten andere nachhaltige Unternehmer*innen fördern, und andere dazu inspirieren, ihren Visionen zu folgen. Egal, wie klein die Idee anfangs ist. Wir haben ja auch mit der ganz simplen Idee eines Schokoriegels angefangen. Generell ist es uns wichtig, ganzheitlich zu denken und zu handeln – wir möchten eben nicht einfach nur Produkte verkaufen. Der positive Impact soll möglichst groß sein.
Sehr wichtig. Wir wollen so viele Bäume pflanzen wie möglich, so viele Menschen von weniger Zucker überzeugen wie möglich, so viel Plastik vermeiden wie möglich. Das ist im Grunde das oberste Ziel. Wenn man das weiter denkt, muss man sich von ein paar Dingen verabschieden, zum Beispiel davon, dass angesagteste, hippeste Design zu haben oder nur in Bioläden zu verkaufen. Dann stellt sich die Frage, wie man Zielgruppen erreicht, die nicht in unserer Bubble leben, die sich nicht eh schon für Nachhaltigkeit interessieren. Für uns hat das bedeutetet, unseren Produkten ein neues Design zu geben und mit Partnern wie großen Drogerie- und Supermarktketten zusammenzuarbeiten. Das ist ein großer Schritt, der mehr Wachstum, mehr Risiko und eine veränderte Ausrichtung bedeutet.
Wir kommen aus dem Biosegment, das heißt, es gibt unsere Produkte in fast allen Biomärkten. Zudem sind wir in immer mehr großen Drogerie- und Supermärkten vertreten. Insgesamt sind wir in dreizehn Ländern vertreten. Wir haben relativ früh angefangen, unsere Fühler auch international auszustrecken. Unsere Fokusmärkte sind neben der DACH-Region Frankreich und Großbritannien. Auch nach China verkaufen wir schon, mithilfe eines Partners. Uns ist bewusst, dass wir dort nicht direkt groß werden können, aber wir sammeln gerne schon etwas Know-how. Wir wissen, dass unsere Produkte weltweit funktionieren könnten.
Zusammen mit Praktikant*innen und Werkstudent*innen haben wir gerade die 40 geknackt. Fest davon sind etwas mehr als die Hälfte angestellt.
Wir haben schon vor einigen Jahren das Buch „Reinventing Organizations“ gelesen. Kann ich sehr empfehlen. Da geht es darum, wie sich Organisationen entwickelt haben und wie die Zukunft der organisierten Zusammenarbeit funktionieren kann. Was wir fördern und aufbauen wollen, ist die evolutionäre Organisation. Klingt fancy, es geht im Grunde aber nur darum, dass es Hierarchien gibt, die nicht auf Macht bauen, sondern natürlich sind: Die Entscheidung wird also nicht prinzipiell vom Manager getroffen, sondern dort, wo die betreffende Kompetenz am höchsten ist. Jeder soll sich in seinem Bereich am besten entfalten. Wir stützen uns dabei auf das System Holacracy, eine Art der Organisationsstruktur, die diese Ideen in die Tat umsetzt. Zu unserem Prinzip gehört auch, dass wir keine Arbeitszeiten erfassen und es keine definierten Urlaubstage gibt. Unsere Mitarbeiter*innen sollen eigenverantwortlich arbeiten. Das alles funktioniert für uns sehr gut und unser kleines Unternehmen ist von 5 auf 40 Mitarbeiter*innen gewachsen. Aber es ist auch eine Herausforderung und es schleichen sich immer mal wieder leistungsorientierte Gedanken mit Hierarchien, Chef, usw. ein, weil wir mit diesem alten System aufgewachsen sind. Wir sind auf einem guten Weg, denke ich.
Wenn wir ganz weit denken, wollen wir ein globales Lebensmittelunternehmen werden, das Vorreiter für gesunden, nachhaltigen Konsum ist.
Starkes Wachstum. Wir wollen in Deutschland so viele Menschen wie möglich erreichen, das heißt, unsere Produkte müssen zunächst überall erhältlich sein, bevor wir Plakatkampagnen oder Ähnliches starten. Wenn wir ganz weit denken, wollen wir ein globales Lebensmittelunternehmen werden, das Vorreiter für gesunden, nachhaltigen Konsum ist. Dazu gehören neue Märkte und der Ausbau unseres Sortiments. Es sollen immer Produkte mit einem gewissen Innovationsgrad sein, der uns besonders macht. Letztlich wollen wir eine Milliarde Bäume pflanzen.
Fotos: the nu company