Vom Piloten zum Coach: Angstfrei Fliegen mit Cockpitbuddy Suk-Jae Kim

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21. November 2018

Wenn Suk-Jae Kim vom Fliegen spricht, ist er sofort in seinem Element – und seine Begeisterung vermittelt sich sogar über den Computerbildschirm während unseres Skype-Interviews von Stuttgart nach Hamburg. Gerade war der 39-jährige Copilot in Peking und Mumbai unterwegs und schwärmt nach weit über 7.000 Flugstunden noch immer von seinem abwechslungsreichen Job bei einer großen deutschen Fluggesellschaft in Frankfurt. „Ich möchte allen Menschen vermitteln, wie viel Spaß das Fliegen bringen kann“, sagt er. Weil diese Leidenschaft aber nicht jeder teilt, viele Menschen sogar panische Angst beim Fliegen empfinden und deshalb aufs (Fern-)Reisen verzichten, ist Suk-Jae seit über drei Jahren auch als Flugangst-Coach unterwegs. In seinem Online-Kurs, seinem Podcast und via Facebook steht er unter dem Pseudonym „Cockpitbuddy“ jedem, der wieder entspannt fliegen möchte, mit Tipps zur Seite.

Welche Erfahrungen Suk-Jae selbst mit Ängsten gemacht hat, warum er mit Mitte zwanzig kurz davor stand, seinen Traumberuf aufzugeben, welche Momente im Cockpit ihn besonders berühren und was man gegen Flugangst tun kann, hat er uns im Interview verraten.

homtastics: Du bist Copilot. Was genau bedeutet das?

Suk-Jae Kim: Der Begriff Copilot beschreibt den Rang des Piloten. Man braucht mindestens zwei Piloten um das Flugzeug zu steuern, das sind immer der Kapitän und der Copilot, oder auch First Officer. Jeder hat mehr oder weniger dieselben Aufgaben – der Kapitän trägt aber die Verantwortung. Auf den Posten hat man nur eine Chance, wenn ein Platz frei wird, also ein Kapitän geht. Bei uns passiert das meistens erst nach 18 Jahren – das heißt, ich muss noch etwas warten (lacht). Manche Fluggesellschaften haben auch noch Second Officers und es gibt eine Zwischenstufe, die sich Senior First Officer nennt. Das mache ich ab dem kommenden Monat.

Hast du Zeit, dich nach der Landung vor Ort umzusehen?

Auf der Langstrecke bin ich in der Regel zwischen 24 bis 48 Stunden vor Ort. Das hört sich viel an, aber man muss ja zwischendurch auch schlafen – und meistens hat man noch einen Jetlag. Trotzdem bleibt genug Zeit, um sich etwas anzusehen.

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Der 39-jährige Suk-Jae Kim alias „Cockpitbuddy“ hat bei der Tuifly angefangen und arbeitet jetzt für eine große deutsche Airline.

Die Ausbildung als Pilot gilt als sehr hart. Stimmt das oder ist das ein Klischee?

Grundsätzlich muss man zwischen der Ausbildung und dem Auswahlverfahren unterscheiden – das wird von vielen in einen Topf geschmissen. Im Enddefekt kann jeder die Flugausbildung machen, der das Geld mitbringt – sie kostet zwischen 70.000 und 100.000 Euro. Dafür brauchst du Fachabitur und Kenntnisse in Mathematik, Physik und Englisch. Den Schein kannst du in ganz Deutschland machen, es gibt verschiedene Flugschulen. Manche von ihnen sind an Airlines gekoppelt, wo es dann bestimmte Auswahlverfahren gibt. Die sind sehr streng und die Durchfallquote ist extrem hoch – circa 90 bis 95 Prozent schaffen es nicht. Das bedeutet aber nicht immer, dass man kein Pilot werden kann, sondern manchmal auch einfach, dass man nicht zu dieser Firma passt. Ich habe den Test bei der Lufthansa beispielsweise beim ersten Durchlauf nicht bestanden und den Schein privat gemacht.

Du wolltest schon als Kind Pilot werden. Gab es in deinem Leben auch mal eine Phase, in der du von diesem Wunsch abgekommen bist?

Ja, nach dem Abitur – aber eher aus der Not heraus. Ich ging damals felsenfest davon aus, dass ich die Pilotenausbildung anfange und alles klappt. Leider habe ich dann aber die medizinischen Anforderungen nicht erfüllt, meine Augen waren zu schlecht. Das war ein ziemlicher Tiefschlag.

 

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Ich war Mitte zwanzig, hatte 70.000 Euro Schulden im Nacken und keinen Job  – und wenn man es genau nimmt, auch keine Ausbildung.

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Was hast du dann gemacht?

Ich habe Wirtschaftswissenschaften studiert. Während des Studiums habe ich von Augen-OPs mit Lasern gehört. So konnte ich mich wieder hinter meinen Traum klemmen, wobei ich einige Hürden überwinden musste. Zum Beispiel war das Thema Geld für den Flugschein ein Problem. Meine Eltern hatten nicht die finanziellen Möglichkeiten. Ich habe aber jemanden gefunden, der Vertrauen in mich hatte und mir die 70.000 Euro lieh. Und zum Glück habe ich die Ausbildung dann auch geschafft.

Konntest du danach sofort als Pilot arbeiten?

Leider habe ich nach dem zweiten Irakkrieg erst mal keinen Job gefunden. Die Ölpreise gingen hoch, die ganze Branche stand still und es gab bei fast allen Airlines einen Einstellungsstopp. Das war eine harte Zeit. Ich war Mitte zwanzig, hatte 70.000 Euro Schulden im Nacken, keinen Job – und wenn man es genau nimmt, auch keine Ausbildung, sondern „nur“ den Schein. Ich war kurz davor, etwas anderes anzufangen. Letztlich habe ich aber nicht aufgegeben, was sich ja ausgezahlt hat. Seitdem sind vierzehn Jahre vergangenen!

Wenn du mit vollem Herzen auf etwas hin arbeitest und dich allen Problemen stellst, dann ist das ganze Universum auf deiner Seite.

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Suk-Jae wollte schon als Kind Pilot werden. Bis es soweit war, musste er einige Hürden nehmen.

Wie hast du deinen Mut behalten?

Mein Traum war zum Greifen nah und schon alleine deshalb wollte ich nicht aufgeben. Außerdem hat mir das Buch „Der Alchemist“ von Paulo Coelho geholfen und die Augen geöffnet. Beim Lesen hab ich gelernt, dass man seine Ziele auch über Umwege erreichen kann. Wenn man mit vollem Herzen auf etwas hin arbeitet und sich allen Problemen stellt, dann ist das ganze Universum auf deiner Seite. Ich wusste, dass meine Zeit irgendwann kommen würde, das war mein Mantra. Wobei die Motivation nach zwei Jahren trotzdem nachgelassen hat und ich mir langsam einen Plan B überlegen musste, denn nach drei Jahren muss man seinen Flugschein erneuern.

Welchen Job hattest du während der Wartezeit?

Ich hab im Umzugsbüro gearbeitet und geschleppt. Ich hätte alles gemacht (lacht).

Dass man als Pilot keinen Job bekommt, ist für viele sicher überraschend.

Ich kenne viele Kollegen, die es nicht geschafft haben und mittlerweile in einem anderen Job arbeiten. Die Quote der Langzeitarbeitslosen Piloten ist recht hoch. Man denkt immer, das sei ein super Beruf, auf der anderen Seite kann er aber auch richtig hart sein. Wer bei den kleinen Flugcompanys arbeitet, muss teilweise einen Zweitjob annehmen, um über die Runden zu kommen.Vor allem im Ausland ist das oft der Fall.

 

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Die Sonnenauf- und Sonnenuntergänge sind magische Momente.

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Zurück zum Fliegen: Ein Klischee des Pilotenjobs ist, dass der Autopilot alles macht. Stimmt das?

Die meisten Landungen werden von uns per Hand gemacht. Dazwischen ist es wie auf der Autobahn – wenn man zehn Stunden lang 120 km/h geradeaus fahren muss, kann ja auch der Tempomat übernehmen. So ähnlich ist das mit dem Autopiloten. Während des Fluges können wir uns dann darauf konzentrieren, den Luftraum zu überwachen.

Hast du schon mal einen kritischen Moment während des Fliegens erlebt?

In professionellen Betrieb passieren zwar immer mal Sachen, aber wir sind so gut geschult und unsere Abläufe sind so automatisiert, dass man gar nicht erst nervös werden kann. Auch wenn mal ein technischer Defekt auftritt, wissen wir, dass wir das ohne Probleme wuppen können.

In der Ausbildung hatte ich aber mal einen Fall, in dem es kritisch wurde. Während des Flugs wurde es unerwartet kalt und wir hatten mit unserem kleinen Schulungs-Flugzeug keine Enteisungsmöglichkeit. Durch das Eis wurde die Maschine schwerer, was bedeutet, dass wir für den Landeanflug viel mehr Power brauchten. Wir haben dann Vollgas gegeben, wurden aber trotzdem immer langsamer – das war eine brenzlige Sitation. Aber es ging alles gut.

Was magst du besonders am Fliegen?

Die Sonnenauf- und Sonnenuntergänge sind magische Momente. Wenn du Glück hast, surfst du gerade auf einer Wolke und alles spiegelt sich darin, es gibt fast nichts Schöneres! Manchmal kommen dann noch tolle Highlights dazu, zum Beispiel, wenn man über das Himalayagebirge oder über die Alpen fliegt. Aber auch Naturereignisse wie Kometenschauer sind einmalig. Da kannst du dir dann quasi alle zwei Sekunden was wünschen (lacht).

 

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Du bist nicht nur Pilot, sondern auch Flugangst-Coach und hast unter anderem einen Podcast zum Thema Fliegen und Angst. Wie kam es dazu?

Los ging es mit Snapchat. Dort habe ich jeden Tag eine Frage zum Fliegen beantwortet und das „Flieger-Snap des Tages“ genannt. Das kam total gut an. Irgendwann haben sich die Fragen der Leute wiederholt und ich wollte meine Antworten gern „konservieren“, was bei Snapchat ja nicht möglich ist, da alle Snaps nach 24 Stunden verschwinden. Also habe ich meinen Podcast „Cockpittbuddy“ gestartet. Zusätzlich habe ich eine Facebook-Gruppe gegründet, in der wir viel über das Thema Flugangst gesprochen haben. Die Leute tauschen sich dort aus und ich beantworte Fragen. Dort kam irgendwann die Idee auf, dass wir einen Gruppenflug mit Menschen mit Flugangst veranstalten. Da ich aber nicht mit lauter Angsthasen fliegen wollte, habe ich vorher mein Coaching-Programm entwickelt. (lacht) So kam eins zum anderen.

Wie kann man sich beruhigen, wenn man Flugangst hat?

Es gibt Atemtechniken oder Techniken zur Muskelentspannung – aber das ist nicht mein Ansatz, weil diese Methoden letztlich nur die Symptome bekämpfen. Besser ist es, die Ursache der Angst zu erkennen und daran zu arbeiten. Im Enddefekt ist Angst nur eine schlechte Angewohnheit, die man sich abgewöhnen muss. Es geht darum, die immer gleichen Gedankenmuster im Kopf zu durchbrechen und einen Perspektivenwechsel durchzuführen. Zum Beispiel, in dem man sich im Kopf ein „neues Programm“ aufspielt. In meinem Coaching zeige ich den Leuten also, wie sie wieder etwas Positives mit dem Fliegen verbinden können. Was auch hilft, ist, wenn mal im Cockpit vorbei kommt und die Menschen sieht, die das Flugzeug steuern – wir freuen uns immer über Passagiere, die uns besuchen! Ich habe außerdem ein Hörbuch herausgebracht, in dem ich jeden einzelnen Schritt während des Fliegens und die damit verbundenen Geräusche erkläre. So können Passagiere die Abläufe und Geräusche im Flugzeug besser einordnen, das nimmt die Angst.

Wie findest du den Zugang zu Menschen mit Flugangst?

Ich hatte früher selber Höhenangst, auch noch während meiner ersten Zeit als Pilot. Ich kann also diese „irrationale Angst“, die man während eines Flugs hat, gut nachvollziehen. Man weiß, es besteht keine Gefahr, trotzdem hat man Todesangst. Ich weiß, wie es ist, wegen seiner Ängste belächelt zu werden und damit zu leben. Das hilft ungemein.

 

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 Ich möchte noch viele Menschen erreichen und ihnen vermitteln, wie viel Spaß das Fliegen machen kann.

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Hat deine Höhenangst dich auch auf die Idee gebracht, dich dem Thema Flugangst zu widmen?

Zum Teil ja. Ich habe einige Seminare zum Thema Persönlichkeitsentwicklung belegt, die mich darauf gebracht haben, meine Höhenangst zu überwinden. Die Techniken, die ich dort gelernt habe, wollte ich auf das Thema Flugangst übertragen. Ich bin kein Psychiater oder Therapeut und ich möchte mich auch nicht als einer ausgeben. Ich weiß aber, welche Tools in Zusammenhang mit irrationaler Angst funktionieren.

Welche Ängste haben die Passagiere beim Fliegen?

Die Turbulenzen sind ein großes Problem, weil sie sich für die meisten Menschen komisch anfühlen. Viele Passagiere haben auch Angst vor dem Start. Die Landung wird eher als Erlösung gesehen, deshalb ist sie meist das kleinere Problem. Auch Geräusche, die man nicht zuordnen kann, verstärken die Angst. Wenn wir als Piloten zum Beispiel die Stewardess oder den Steward anklingeln, weil wir einen Kaffee oder ähnliches bestellen möchten, hört man in der Kabine ein „Bing“. Dahinter vermuten manche Passagiere dann eine Gefahrensituation.

Bekommst du die Ängste der Passagiere im Cockpit mit?

Nein, aber früher auf Kurzstrecken war ich sehr oft beim Boarding dabei und dort erkennt man die Leute mit Flugangst relativ schnell. Während des Flugs darf ich natürlich nicht aus dem Cockpit – wenn wir Gäste mit extremen Angsterscheinungen haben, bekomme ich das aber mit. Manche trinken beispielsweise sehr viel Alkohol, um ihre Angst zu bekämpfen und fangen an, zu randalieren. Von Alkohol oder anderen Drogen kann ich nur dringend abraten, weil sie die Wahrnehmung täuschen und Ängste verstärken.

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Wie viel Zeit wendest du für dein Coaching auf?

Wenn ich nicht gerade fliege, versuche ich ständig mich weiterzubilden, bessere Tools zu finden und den Leuten zu helfen. Ab kommendem Jahr arbeite ich in Teilzeit als Pilot und kann daher noch mehr Zeit in mein Projekt „Cockpitbuddy“ investieren. Das ist meine große Leidenschaft geworden und ich möchte noch so vielen Leuten helfen. Fliegen ist eine tolle Sache und Angst muss dabei einfach nicht sein.

Wie aufwendig manche Projekte sind, sieht man ganz gut am Thema Podcast, denn das Ganze nimmt mehr Zeit in Anspruch, als man vielleicht denkt: Für eine fünfzehnminütige Folge nehme ich vier bis fünf Stunden auf. Mein Frau hilft mir auch total viel, sie ist quasi die Strippenzieherin im Hintergrund und eigentlich der wahre Cockpitbuddy (lacht).

Was hast du dir für das kommende Jahr vorgenommen?

Mittlerweile habe ich fast alle Bücher gelesen, die es zum Thema Flugangst gibt. Und ich habe festgestellt, dass die meisten von ihnen – zumindest in meinen Augen – eine Katastrophe sind. Deshalb könnte ich mir gut vorstellen, selbst ein Buch zu verfassen. Ich möchte noch viele Menschen erreichen und ihnen vermitteln, wie viel Spaß Fliegen machen kann. Die ganz große Vision ist, das irgendwann auch mal außerhalb Deutschlands zu tun.

Vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg, lieber Suk-Jae!

 

Hier findet ihr den Cockpitbuddy:

Fotos: Weddingpilots

Layout: Carolina Moscato

 

 

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