Female Founder Franziska Hannig von „Inaska“ zeigt, wie man alle Hürden beim Gründen überwindet

Sportswear zu entwickeln, die nur schön aussieht? – das kommt für Gründerin Franziska Hannig, 36, nicht in Frage. Der studierten Ernährungs- und Verbraucherökonomin ist klar: Wenn sie was Eigenes gründet, dann will sie einen positiven Beitrag leisten rund um die Themen nachhaltiger Konsum, Körperbewusstsein und plastikfreie Meere – schließlich ist sie selbst an der Küste groß geworden. Hier hat sie auch Beachvolleyball gespielt und was mit der Suche nach dem perfekten Bikinioberteil beginnt, mündet nach Stationen bei einem großen Lebensmittelkonzern in die Gründung ihres eigenen Labels “Inaska”, für das mittlerweile ein tolles Team voll starker Frauen arbeitet. Bei „Inaska“ wird Nachhaltigkeit en detail gelebt, jeder Schritt in der Erstellung der Sportswear und Bademode wird so nachhaltig wie möglich gestaltet, was auch Kund*innen schnell schätzen und lieben. Wie Franziska die Corona-Krise unternehmerisch bisher bewältigt hat, warum gründen mit Baby nicht die allerbeste Idee ist und was sie sich für 2021 vorgenommen hat, erzählt sie zu Hause in ihrer Loft-Wohnung in Hamburg, in der sich auch das “Inaska” Office befindet.

Franziska Hannig ist zweifache Mutter und hat 2016 ihr Sportswear Label „Inaska“ gegründet.

femtastics: Wie kommt man vom Studium der Ernährung- und Verbraucherökonomie zur Gründung eines eigenen Labels für faire Bade- und Sportmode?

Franziska Hannig: Ich wollte nach dem Studium in den Bereich Food Marketing gehen, habe ein Traineeprogramm Marketing & Sales bei einem großen Nahrungsmittelkonzern absolviert und danach als Brand Managerin gearbeitet. Dort habe ich meine damalige Mitgründerin Katharina kennengelernt. Nach drei Jahren hatten wir einfach Lust auf was Eigenes.

Warum habt ihr euch ausgerechnet den Mode- bzw Sportswearbereich ausgesucht?

Ich spiele seit ich 19 Jahre alt bin Beachvolleyball und tatsächlich haben wir immer nach dem perfekten Bikinioberteil gesucht, das schön aussieht, funktional und im besten Fall noch nachhaltig ist. Das gab es weder auf dem deutschen noch auf dem europäischen Markt. Also haben wir einige Zeit Research betrieben, Marktpotenziale erkannt, berechnet und 2016 schließlich “Inaska” gegründet.

„Inaska“ steht für fair und nachhaltig produzierte Swim- und Sportswear, die soft und atmungsaktiv ist.

Das Thema Nachhaltigkeit hat einen festen Platz in der Unternehmensphilosophie von „Inaska“.

Wie habt ihr die Gründung finanziert?

Wir haben einen Mini-Kredit über die Kfw-Bank aufgenommen, um die erste Produktion zu stemmen und das Corporate Design zu entwickeln – mit Logo, Website und allem drum und dran.

Ich dachte etwas naiv, das Baby schläft ja eh ganz viel anfangs, also kann ich parallel easy gründen. Es war natürlich alles andere als das.

Habt ihr eure alten Jobs aufgegeben?

Meine Co-Founderin hat es erst neben ihrem Vollzeitjob gemacht und ist dann aus dem Konzern ausgeschieden, um sich voll und ganz “Inaska” zu widmen. Ich war zu dem Zeitpunkt schwanger und habe es erstmal in der Elternzeit versucht.

Hat das geklappt?

Ich dachte etwas naiv, das Baby schläft ja eh ganz viel anfangs, also kann ich parallel easy gründen. Es war natürlich alles andere als das. Das erste Mal Mutter zu sein, war für mich extrem herausfordernd – mit Stillen, nebenbei ausreichend selbst essen und schlafen. Ich konnte irgendwann nicht mehr klar denken.

Praktisch: In Franziskas Hamburger Wohnung befindet sich auch gleichzeitig das „Inaska“ Office in der oberen Etage!

Wer hat dich zu der Zeit unterstützt?

Meine Familie und mein Mann. Im Nachhinein hätte ich mir früher zusätzliche Hilfe suchen sollen, beispielsweise eine*n Babysitter*in. Katharina hat im ersten Jahr bei “Inaska” sehr viel übernommen. Im zweiten Gründungsjahr habe ich dann mehr übernommen, sodass Katharina parallel noch andere Jobs machen konnte.

Würdest du das noch mal machen? Gründen mit Baby?

Nein, nie wieder. Das ist zu viel und du bist immer hin- und hergerissen. Ich würde immer empfehlen, in der Zeit der Schwangerschaft – sofern das geht – intensiv an einer Idee zu arbeiten, dann mindestens sechs Monate einen Cut zu machen, damit man sich voll und ganz auf das Baby konzentrieren kann. Wenn man dann langsam wieder Kraft hat, kann man – mit reichlich Unterstützung – durchstarten.

Leben und arbeiten am selben Ort – für Franziska das perfekte Modell!

Eine Gründung ist keine Einbahnstraße, es gibt immer viele Optionen – wichtig ist, dass alle happy sind.

Deine Mitgründerin ist 2017 ausgestiegen – auch aufgrund der wirtschaftlichen Lage?

Die Firma hat zu dem Zeitpunkt noch nichts abgeworfen, wir haben uns erst im letzten Jahr das erste Mal ein Gehalt ausgezahlt. Ich war tatsächlich erstmal durch das Elterngeld ganz gut abgesichert, sie hatte ein etwas anderes Setting und dadurch noch mal einen anderen Druck. Die Leidenschaft für das Produkt war bei mir auch einen Tick größer. Wir haben dann offen miteinander gesprochen und festgestellt, dass wir beide glücklicher sind, wenn sich unsere Wege an dieser Stelle trennen. Eine Gründung ist keine Einbahnstraße, es gibt immer viele Optionen – wichtig ist, dass alle happy sind.

Der Treibhauseffekt ist bei recyceltem Polyamid zu 80 Prozent geringer im Vergleich zu neuem oder konventionell hergestelltem Polyamid aus Rohöl – das Recycling ist tatsächlich effizienter als die Neuproduktion.

Das Thema Nachhaltigkeit war für eure Gründung von Anfang an essentiell. An welchen Punkten habt ihr die Produktion und das Produkt nachhaltig gestaltet?

Es war immer klar, dass wir in Europa produzieren wollen, am liebsten sogar in Deutschland. Das passte aber nicht zu der Preispositionierung, die wir anstrebten. Wir haben schließlich eine Produktion in Spanien gefunden. Der nächste Punkt war das Material, hier haben wir den italienischen Hersteller gefunden, der eine Range aus recyceltem Polyamid hat. Dieses wird zu 78 Prozent aus recycelten Fischernetzen, Teppichresten und Industrieabfällen hergestellt. Der Treibhauseffekt ist zu 80 Prozent geringer im Vergleich zu neuem oder konventionell hergestelltem Polyamid aus Rohöl – das Recycling ist tatsächlich effizienter als die Neuproduktion. 2016 waren wir eine der Ersten, die diese Faser genutzt haben. Außerdem haben unsere Teile keine Verschlüsse, haben dadurch also weniger Verschleiß.

Der Vorteil, wenn man von zu Hause aus arbeitet: Man kann einfach mal eine Yoga-Pause mit der Kollegin einlegen.

Wie habt ihr das Thema Nachhaltigkeit bei der Verpackung umgesetzt?

Wir benutzen kein Plastik, kein Seidenpapier und legen auch keine Rechnungen oder Lieferscheine mit ins Paket. Wir haben tatsächlich bei jedem Schritt geschaut, was wir reduzieren können.

Wie führst du deine Kinder an Themen wie Nachhaltigkeit und Umweltschutz heran?

Ich kaufe fast nichts an Kleidung für meine Kinder, wir bekommen eigentlich alles von Freund*innen oder gehen manchmal in einen Second Hand Laden. Die Kinder kriegen das mit und finden es voll okay. Und ich zeige ihnen, dass man ganz viel reparieren kann – anstatt es reflexhaft neu zu kaufen. Ich versuche ihnen beim Einkaufen zu vermitteln, dass weniger Müll entsteht, je weniger Plastik wir kaufen. Wir verbieten kein Plastikspielzeug, möchten aber ein Bewusstsein dafür schaffen, dass Plastik auf der Welt bleibt und schädlich ist. Wir kaufen gern auf Höfen hier im Umland ein und erklären, dass die Bananen im Supermarkt einen ziemlich weiten Weg hinter sich haben. Wir versuchen, eine gute Balance zu finden.

Die „Inaska“ Produkte werden aus recyceltem Polyamid hergestellt.

Wie hast du es mit deinem Label bisher durch die Corona-Krise geschafft?

Im März hatten wir – wie so viele – den Oberschock, in dem Monat launchen wir immer die neue Kollektion und schießen unsere ganze Energie rein. Mit diesen Zahlen, also den getätigten Bestellungen, planen wir das komplette Jahr. Wir hatten 90 Prozent Umsatzeinbruch und waren in Schockstarre. Wir verkaufen über unseren Onlineshop und über Händler.

Was waren die Hauptfaktoren für den Umsatzeinbruch?

Die Kund*innen waren geschockt von der neuen Situation, es gab plötzlich Reisebeschränkungen und die Schwimmbäder und Sportstudios wurden geschlossen. Einen neuen Bikini brauchte da erstmal niemand. Erst später ging es mit Home Workouts & Co los.

Welche unternehmerischen Schritte hast du aufgrund der ungewissen wirtschaftlichen Situation in die Wege geleitet?

Ich habe sofort eine Neuplanung gemacht. Den Finanzplan habe ich komplett runtergefahren, für die nächsten drei bis sechs Monate auf -80 Prozent. Die Hoffnung war, dass sich alles sukzessive erholt. Wir haben Marketingmaßnahmen heruntergefahren, ich habe mich aber nicht von unserer PR Agentur getrennt. Ich wusste, wir müssen weiterhin präsent sein und dürfen hier keinen Druck verlieren. Wenn uns keiner mehr auf dem Radar hat, gehen wir spätestens unter, wenn es wieder losgeht. Wir wollen auf den Moment vorbereitet sein, wenn die Situation sich verbessert. Ich habe außerdem mein Gehalt runtergeschraubt und für eine Mitarbeiterin Kurzarbeit angemeldet.

Haben diese Maßnahmen gereicht?

Nein. Ich habe gesehen, wie groß die Lücke ist und dass wir ohne Fremdkapital nicht weiterkommen. Wir haben die Soforthilfe bekommen und zusätzlich habe ich einen Kredit aufgenommen.

Du bist also voll ins Risiko gegangen.

Genau, denn der Kredit muss natürlich abbezahlt werden. Im Nachhinein war das aber die richtige Entscheidung. Wir sehen jetzt wirtschaftlich die Folgen der ersten Corona-Welle plus Saisontief plus zweite Corona-Welle, wieder sind die Schwimmbäder und Sportstudios geschlossen und reisen möchte gerade auch kaum jemand. Diesen erneuten Einbruch hätten wir ohne den Kredit nicht geschafft. Jetzt müssen wir wieder neu planen, ich habe gerade erneut Eigenkapital in das Unternehmen gepumpt. Ich hoffe, dass das Geschäft ab März wieder anzieht.

Ich versuche, optimistisch ins neue Jahr zu blicken, aber es ist extrem herausfordernd, die Motivation nicht zu verlieren und vor allem kreativ zu bleiben.

Wie lief es im Sommer für euch, als die Situation sich kurz etwas beruhigt hatte?

Nach dem Kompletteinsturz im März ging es im April tatsächlich bergauf – unser Sommer lief trotz Corona richtig gut. Das Wetter war gut, die Leute waren draußen, im Garten und haben sich was gegönnt, zum Beispiel neue Swimwear und später auch Leggings. Wir haben zum Glück unsere Produktion nicht gekürzt und haben die geplanten Mengen vom Produzenten abgenommen. Das hat uns sehr geholfen. Das für 2020 eigentlich geplante Unternehmenswachstum haben wir aber dennoch nicht erreicht.

Wie wirkt sich die Situation auf deine Arbeitsmoral aus?

Ich versuche die ganze Zeit zu arbeiten, als wenn nichts wäre. Damit meine ich, dass ich versuche meine Wahrnehmung so selektiv zu steuern, dass ich mich nicht zu sehr runterziehen lasse und meinen Fokus behalte. Ich versuche, optimistisch ins neue Jahr zu blicken, aber es ist extrem herausfordernd, die Motivation nicht zu verlieren und vor allem kreativ zu bleiben.

Momentan hat man den Eindruck, dass die Themen Nachhaltigkeit und Umweltschutz in Zeiten einer weltweiten Pandemie in den Hintergrund geraten. Nimmst du das auch so wahr? Warum ist das so fatal?

Die Menschen haben momentan in erster Linie ein extremes Sicherheitsbedürfnis, sie haben für andere Themen außer Corona kaum Ressourcen übrig. Gleichzeitig ist in der Krise das Bedürfnis da, sich was zu gönnen. Das Thema Nachhaltigkeit kann schnell wie eine zusätzliche Belastung empfunden werden. Die Menschen haben andere Sorgen und sind eh schon genug gestresst. Die Unternehmen, die eh schon nachhaltig agieren, werden dies sicherlich weiterhin so handhaben aber in vielen anderen Betrieben werden gerade die Budgets für nachhaltige Projekte gekürzt. Alle sind im Rettungsmodus, aber nicht unbedingt was die Umwelt betrifft.

Wohin geht die Reise mit „Inaska“? Welche Produkte möchtest du als nächstes entwickeln?

Wir haben aus der Krise gelernt, dass wir uns breiter aufstellen müssen. Wir wollen aus der Saisonabhängigkeit raus, werden uns aber weiter auf Bademode und Leggings fokussieren. Wir werden neue Produkte aus neuen Kategorien ergänzen, zum Beispiel überlegen wir gerade in die Richtung Kindermode. Und beim Material interessieren wir uns für Stoffe, die noch weniger Mikroplastikabrieb haben bzw. im Idealfall sich komplett biologisch abbauen. Und wir wollen “Inaska” eine komplett neue, zweite Säule geben mit Angeboten rund um Consulting, Nachhaltigkeits-Coachings und Workshops. Was bedeutet Nachhaltigkeit und wie kann ich nachhaltig leben? Diese Fragen sind für Erwachsene ebenso spannend wie für Kinder.

Ihr habt viel vor, super! Vielen Dank für den spannenden Einblick, liebe Franzi!

Hier findet ihr „Inaska“:

Layout: Kaja Paradiek

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert