Jessie Weiß ist, das würde sie sicher selbst so unterschreiben, ein Blog- bzw. Influencer-Urgestein in Deutschland. Ab 2007 war sie die eine Hälfte des Modeblogs “LesMads”, das sie verließ, um für das deutsche “Interview”-Magazin zu arbeiten, bevor sie 2012 ihr Blogazine “Journelles” gründete. Daneben moderierte Jessie die Sendung “It’s Fashion” und co-gründete das Modelabel “Jouur”. Heute ist die dreifache Mama erfolgreiche Influencerin und – zusammen mit ihrem Mann Johan – Podcasterin mit “Maison Journelles” rund um ihren Hausbau in Berlin. Jessie Weiß hat geschafft, wovon viele träumen.
Wir wollen von ihr wissen: Wie ist es ihr gelungen, so erfolgreich zu werden? Wie geht sie mit ihrem Erfolg und mit Neid um? Und welche Wünsche hat sie eigentlich noch für die Zukunft?
Jessie Weiß: Bei mir hat sich die Definition über die Jahre komplett verändert. Vor zehn Jahren wäre es gewesen, dass ich ein sehr großes, beliebtes, viel gelesenes Modeblog habe, von dem ich leben kann. Damals ging es viel um Leser*innen- und die Follower*innenzahlen. Das Prinzip war: höher, schneller, weiter. Ich war sehr schnell gelangweilt und habe immer gedacht: Okay, jetzt habe ich diesen Meilenstein erreicht, was kann ich als nächstes erreichen? Ich habe vom Pop-up Shop übers Modelabel immer einfach weitergemacht, weil es so viel Spaß gemacht hat.
Meine heutige Definition von Erfolg ist eine ganz andere, nämlich mit sich im Reinen zu sein, zufrieden zu sein mit dem, was man hat – und vor allen Dingen eine gesunde und glückliche Familie zu haben. Nicht nur meine Bedürfnisse stehen an erster Stelle, sondern natürlich die von meinen drei kleinen Kindern. Das dreht sich einfach um 180 Grad. Ich kann sagen, dass ich glücklich bin. Und das ist für mich die größte Definition von Erfolg und allem, was man eigentlich so erreichen kann im Leben.
Nein. Wenn man im Altern von 20 beginnt, was zu machen, wofür das Herz schlägt und sich daraus auf eine sehr natürliche und ungeplante Art und Weise ein Beruf entwickelt, dann macht man einfach mit. Wir haben damals mit dem Bloggen ein Berufsfeld erschaffen, was es ja de facto gar nicht gab. Es gab noch keine Influencer*innen.
Wir haben einfach mitgemacht und uns über die Jahre weiterentwickelt und professionalisiert. Ich konnte in dieser Zeit damals manchmal selber gar nicht glauben, was einem da widerfährt und wie wahnsinnig toll das ist. Dann kam noch die finanzielle Unabhängigkeit durch die Selbstständigkeit dazu und ich habe gemerkt, es funktioniert ja wirklich! Ich habe mich vor zwölf Jahren selbstständig gemacht und war da schon auf einem Niveau, wo man sagt, das ist schon recht erfolgreich gelaufen bis hierher. Ich war mir gar nicht sicher, ob ich daraus mein eigenes Business aufbauen kann. Glücklicherweise hat es funktioniert!
Heute könnte ich mich gar nicht mehr so lange konzentrieren! (Lacht.) Schnelligkeit war das Oberste, also dass wir die News zuerst haben. Es gab kein „Instagram“, die Marken konnten noch nicht selber kommunizieren. Wir waren das Sprachrohr und es natürlich darum, wer hat die News zuerst? Das hat aber auch unheimlich viel Spaß gemacht! Diese Aufregung, ja, die vermisse ich manchmal ein bisschen.
Ja, es ist nicht einfach easy gekommen. Im Gegenteil: Man sieht die heutigen Influencer*innen, wie sie da stehen und Millionen von Follower*innen haben – aber man muss echt mal den Weg dorthin sehen. Ich mache das inzwischen seit 17 Jahren. Das war schon irre, was wir da damals gemacht haben. Ich blicke unheimlich gerne auf die Zeit zurück.
Ganz ehrlich: Mit Anfang 20, Mitte 20 hat man eine andere Power. Ich musste keine acht Stunden schlafen. Vier Stunden haben manchmal auch gereicht. Wir sind super früh aufgestanden, haben viel den Tag über gemacht. Ich hatte ein anderes Energielevel. Dieses Pensum könnte ich jetzt mit 38, also fast 40, heute auch nicht mehr durchhalten.
Diese Aufregung, dieses Kribbeln, nicht zu wissen, was nächste Woche passiert – das ist ein Motor und das war bei mir immer Fluch und Segen zugleich. Ich wusste nie, wann ich eine Pause benötige. Ich habe immer einfach weitergemacht. Ich hatte keine Wochenenden, jahrelang keinen Urlaub. Das steckte so in mir drin und war gleichzeitig der Grund, warum alles so gut funktioniert hat. Ich hatte einfach viel Energie und habe diese zum richtigen Zeitpunkt umgesetzt.
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Foto: Alicia Minkwitz