Quiet Quitting, Minimum Monday und jetzt Job Ghosting. Die Arbeitswelt steckt in einer Findungsphase und macht mit immer neuen Buzzwords auf einen sich anbahnenden Strukturwandel aufmerksam. Einige dieser Begriffe sind Trends, die zu mehr Work-Life-Balance aufrufen, andere, wie Job Speeddating oder Job Ghosting, sorgen eher für gemischte Gefühle und bauen (Leistungs-)Druck auf. Warum der erste Eindruck – auf beiden Seiten – wichtig ist und Job Ghosting eine klare Hiring-Red-Flag ist, erklärt unsere Autorin in ihrem Kommentar.
Meiner Generation – Gen Z – wird oft nachgesagt, dass wir eine fehlende Arbeitsmoral hätten. Oder um es in Kim Kardashians berühmten Worten zu sagen: „It seems nobody wants to work these days“. Dass mit dieser sehr generalisierenden Aussage natürlich not all gemeint sind, ist klar. Getroffen wird sie dennoch, als wäre die Gen Z und alle, die danach kommen, ein Monolith. Und das eigentliche Problem – dass der Arbeitsmarkt in vielerlei Hinsicht nicht mehr zeitgemäß funktioniert, sich die Bedürfnisse und Anforderungen auf allen Seiten verändert haben – wird einfach außer Acht gelassen. Irgendwo hat schließlich jede*r Arbeitgeber*in eine New Work-Strategie in petto, die oftmals noch work in progress ist.
Stichwort: Imagine. Denn was viele, die sich in langjährigen Anstellungsverhältnissen befinden und noch nie so wirklich auf Jobsuche gehen mussten, gerne vergessen: wie einnehmend und mental anstrengend Bewerbungsprozesse, Kennenlerngespräche und Aufgaben in sogenannten Assesment Centern sein können. Was dabei oft auf der Strecke bleibt, ist die Kommunikation. Vor allem die nach außen, also mit Bewerber*innen. Nicht selten befindet man sich also als arbeitssuchende Person in langen Phasen des Wartens, Nachhakens, Nichtshörens, Vertröstetwerdens oder einer stillschweigenden Funkstille. Besser bekannt als Job Ghosting.
Während Ghosting im Privaten oft frustrierend, enttäuschend oder verletzend ist, kommen im Job Ghosting noch weitere Ebenen dazu: Existenzängste, Mental Load und Selbstzweifel.
Mittlerweile hat es der Begriff Ghosting schon in den „Duden“ geschafft und wird nicht mehr nur im Dating-Kontext verwendet. Definiert als „überraschender völliger Kontaktabbruch (ohne erkennbaren Grund), einseitige Einstellung jeglicher Kommunikation ohne Ankündigung“, passt er in vielen Situationen, wo das Gegenüber oder man selbst die Funkstille initiiert. Während das im Privaten oft frustrierend, enttäuschend oder verletzend ist, kommen im neusten Kontext von Ghosting, dem Job Ghosting, noch weitere Ebenen dazu: Existenzängste, Mental Load und Selbstzweifel am eigenen Können.
Denn vor allem im Hiring-Prozess, in dem Professionalität und eine offene bzw. direkte Feedbackkultur erstrebens-, sogar wünschenswert ist, befindet man sich auf einmal in einer ganz komischen Machtspirale, in der man schnell in eine passive Rolle rutscht. Dem Prozess ausgeliefert. Sofern man nicht in einer privilegierten Suchposition ist, in der zum Beispiel Zeitdruck keine Rolle spielt oder ohnehin mehrere Angebote auf dem Tisch liegen. Andernfalls ist man gefühlstechnisch als Bewerber*in zunächst auf das Wohlwollen von Recruiter*innen angewiesen, die hier über die eigene Finanz- und Karrieresituation entscheiden.
Eine*r von fünf Befragten hat bereits Erfahrungen mit Job Ghosting gemacht und Angst davor.
Dass das Phänomen Job Ghosting eine gelebte Realität vieler Suchender ist, bestätigt eine „LinkedIn“-Umfrage. Eine*r von fünf Befragten hat demnach bereits Erfahrungen mit Job Ghosting gemacht und Angst davor. Viele empfinden bereits die Stellensuche an sich als sehr frustrierend und fühlen sich von dem Prozess gestresst. Auch eine Erhebung des Job-Portals „Indeed“ und des Marktforschers „Appinion“ bestätigt den Trend. Und alle, die schon mal aktiv auf dem Arbeitsmarkt unterwegs waren, kennen das Spiel aus eigenen Erfahrungen: Job Ghosting ist eine ganz schön nervenzehrende Angelegenheit.
Dabei sind Bewerbungsprozesse ohnehin schon zeitintensiv und fühlen sich neben dem eigentlichen Job ganz schnell nach Zusatzbelastung an. Das liegt vor allem an den vielen Schleifen, unterschiedlichen Kommunikationswegen und undurchsichtigen Prozessen. Kaum hat man eine Rückmeldung oder sogar eine Einladung für ein Bewerbungsgespräch bekommen, fängt auch schon das Warten an. Terminkoordination, Abwesenheiten im Team, interne Besprechungen – „wir melden uns bei Ihnen“. Blöd nur, wenn aus dem Melden dann wochenlange Funkstille wird und selbst die Follow-Up-Mails ignoriert werden. Das nicht nur einmal, sondern mehrmals.
Kaum hat man eine Rückmeldung bekommen, fängt auch schon das Warten an. Terminkoordination, Abwesenheiten im Team, interne Besprechungen – „wir melden uns bei Ihnen“.
Ein klassischer Fall von Job Ghosting. Der, kommt es wiederholt zu ähnlichen Vorfällen, dazu führt, dass man natürlich beginnt die klassischen Hiring-Methoden zu hinterfragen, nach Gründen und Erklärungen sucht und schnell auch an sich selbst zweifelt – dem eigenen Können und Auftreten. Wie gatekeepend Bewerbungsprozesse aber auch sein können, wird dagegen weniger debattiert. Auch wenn viel erstmal für alle ausgeschrieben wird, kämpft man wie in vielen Lebenssituationen mit unterschiedlichen Ausgangssituationen. Nicht selten muss man Learnings machen, die wie folgt klingen: Nicht jede ausgeschriebene Stelle soll automatisch besetzt werden.
Manchmal sitzt man monatelang in Prozessen, führt Gespräche, fragt nach Feedback und Rückmeldungen, wird hingehalten, nur um dann mit einem freundlichen „Interne Umstrukturierungen, wir nehmen Sie in den Talentpool auf“ abgespeist zu werden. Auch interne Bewerbungen können ein Feedback in die Länge ziehen, ebenso Konkurrenz mit Vitamin B oder keine Rückmeldung auf irgendwas, nur um dieselbe Stelle kurz darauf wieder auszuschreiben.
Das ist kein Einzelfall und nicht nur auf große Unternehmen mit komplexen Strukturen und Führungspolitiken zu münzen. Auch in Fällen, in denen man aktiv angesprochen wurde, oder in kleineren Companys kann Job Ghosting passieren. Was Bewerber*innen mit einem Fragezeichen zurücklässt – wie soll man so einen Job finden?
Wenn diese Hiring-Attitüde weiterhin so bleibt, ist es kaum verwunderlich, dass viele junge Menschen zögern, den Schritt in die Arbeitswelt zu wagen.
Wenn diese von Job Ghosting durchzogene Hiring-Attitüde weiterhin so bleibt, ist es kaum verwunderlich, dass viele junge Menschen zögern, den Schritt in die Arbeitswelt zu wagen. Denn die mangelnde Transparenz und Nicht-Kommunikation am Anfang ist kein gutes Aushängeschild oder eine gute Grundlage zu sagen: Hier möchte ich arbeiten! Wenn schon der Einstellungsprozess so kompliziert und überhaupt nicht smooth läuft, wie wahrscheinlich ist es, dass dies auch innerhalb der Work Culture weitergeführt wird? Was sagt genau das vielleicht schon vor Jobbeginn über das Unternehmensklima aus? Wie viel wird für Mitarbeiter*innenzufriedenheit, ihre individuellen Wünsche wie Vereinbarkeit wirklich getan?
Was entsteht, ist ein Geschäft mit der Hoffnung, in der die Idee von maximal drei Monaten Bewährungszeit deutlich überschritten wird, die Hemmschwelle sich einen neuen Job zu suchen, auch wenn man im alten vielleicht unglücklich ist, ziemlich hoch wird. Oder man sich nach alternativen Anstellungsverhältnissen umsieht, die nicht selten darin enden, dass man sich selbstständig macht und eigenen Strukturen erschafft.
Vor allem im Hinblick auf die große Angst vorm Fachkräftemangel setzt Job Ghosting als klare Hiring-Red-Flag ein Zeichen dafür, dass es doch nicht so dringend sein kann mit dem Defizit. Oder wie dringend das Konzept Bewerben neu gedacht werden müsste. In Zahlen gerechnet waren laut „Statista“ Stellen in allen Wirtschaftszweigen von August 2023 bis Juli 2024 rund 156 Tage unbesetzt. Vielleicht hätte dieser Zeitraum in einigen Fällen verkürzt werden können, wenn der Kommunikationsprozess mit potentiellen Anwärter*innen smoother geregelt würde.
Der Ton macht eben die Musik und gute Arbeitskräfte, die ihren Wert kennen und eine ungefähre Vorstellung davon haben, wie sie sich das eigene Arbeitsumfeld vorstellen, haben wenig Kapazität und Lust, sich ghosten zu lassen. Die Frage, die dabei unterschwellig im Raum steht, ist nämlich immer folgende: Wird hier gerade aktiv in eine gemeinsame (Arbeits-)Zukunft investiert oder verschwende ich als jobsuchende Person gerade meine Zeit und Energie in einen weiteren in die Leere führenden Bewerbungsprozess?
Klar ist: Man möchte dort arbeiten, wo man wertgeschätzt wird, der Umgang respektvoll und transparent ist. Dem steht Job Ghosting als klares Warnsignal im Weg.
Zurück zum Anfang. Denn: It doesn’t seem anybody wants to work these days. Sondern: It seems nobody wants to be treated like a fool. Also niemand hat Lust sich schon am Anfang eines Arbeitsverhältnisses schlecht bzw. nicht respektvoll behandeln zu lassen. Hier lässt sich nämlich der Bogen zum Ursprung des Begriffs Ghosting spannen. Dem urplötzlichen Kontaktabbruch, ohne das Nennen eines Grundes. Eine klare Red Flag für persönliche Beziehungen, aber auch Arbeitsverhältnisse.
Die Hiring-Dynamik, in der die Bewerber*innen in der devoten Position sind, ist einfach nicht mehr zeitgemäß. Bewerben ist eine Zweirichtungsstraße, in der man sich natürlich bei jedem Schritt des Prozesses immer wieder fragen sollte: Passe ich zum Job und passt der Job zu mir? Und dabei geht es nicht nur um das Thema Qualifikation, sondern auch: Wie funktional und transparent ist das vorhandene Arbeitsumfeld? Klar ist: Man möchte dort arbeiten, wo man wertgeschätzt wird, der Umgang respektvoll und transparent ist. Dem steht Job Ghosting als klares Warnsignal im Weg und wird somit zu einer Work Boundary, die man sich selbst auf der „Was will ich von meinem Job und zukünftigen Arbeitgeber*innen?“-Checkliste setzen sollte.
Foto: Philip Hamburger, Collage: Canva