Melly Schütze hat eine klare Vision: Mehr Weiblichkeit in der Wirtschaft. 2023 feiert ihr Frauennetzwerk „nushu“ seinen fünfjährigen Geburtstag. Gegründet hat Melly damals aus ihrem eigenen Wunsch heraus, mehr Frauen* zu vernetzen.
Melly Schütze brennt für Social Entrepreneurship: Mit nützlichen Dingen Geld verdienen. In ihrem Netzwerk stehen die Frauen* an erster Stelle. Wir haben sie im neuen „nushu“-Office am Münchner Viktualienmarkt getroffen, einem hübschen Hinterhof-Gebäude mitten in der Innenstadt. Ein Gespräch über Female Empowerment und warum vor allem Frauen* in Festanstellungen sich vernetzen sollten.
Melly Schütze: Mehr Weiblichkeit in der Wirtschaft.
In jedem Unternehmen arbeiten Frauen* und die arbeiten da freiwillig. Diese Unternehmen haben sehr viel Macht. Wenn wir Frauen* auch Macht haben, bringen wir eine neue Perspektive mit. Das heißt nicht immer, dass es unbedingt besser ist. Mehr Blickwinkel an einem Tisch bedeutet immer, dass sich etwas verändert.
Mehr Blickwinkel an einem Tisch bedeutet immer, dass sich etwas verändert.
Wir sind natürlich alle seit der Kindheit geprägt. In den Auslagen von Kinderspielwarenläden gibt es immer noch Puppen für Mädchen und Autos für Jungs. Ich will, dass sich das ändert. Wir befinden uns in Deutschland oft in der Ursachenforschung, über diesen Status sollten wir längst hinweg sein. So kommen wir nicht voran.
Fakt ist, wir Frauen* sind noch nicht gleichberechtigt. Wir bekommen weniger Rente, weniger Löhne, es gibt weniger Gründerinnen und sie bekommen weniger Risikokapital. Da müssen wir ran. Ich will machen. Ich weiß, wie viel Potenzial da ist und dass Unternehmen es sich nicht leisten können, dauerhaft auf uns Frauen* zu verzichten. Das ist grob fahrlässig. Frauen* sind besser ausgebildet, es gibt mehr weibliche Abiturientinnen.
Fakt ist, wir Frauen* sind noch nicht gleichberechtigt. Wir bekommen weniger Rente, weniger Löhne, es gibt weniger Gründerinnen und sie bekommen weniger Risikokapital.
Das Thema Job ist sehr relevant. Viele sind in ihrer eigenen Konzern-Blase und vernetzen sich nur nach innen. Ab dem Moment, in dem sie aus der Rolle rauswachsen und den Job und das Unternehmen hinter sich lassen wollen, wissen sie nicht wohin. Und es geht um weibliche Vorbilder. Wenige Frauen* können ein weibliches Vorbild benennen.
Es geht um Mütter, die Karriere machen oder Gründerinnen, Karrieren im Tech-Bereich und natürlich um den regelmäßigen Austausch. Wer immer in der eigenen Blase ist, dem oder der fällt es schwer mal auszubrechen, größer zu denken, die eigene Vision für sich zu entdecken. Manchmal geht es auch um Nischenthemen, wie die Suche nach einer Co-Founderin.
Bei uns sind wirklich alle Branchen vertreten. Ich finde es toll, wenn wir Frauen* in Festanstellungen erreichen. Für Selbstständige und Gründerinnen ist Austausch Teil ihres Jobs. Sie sind darauf angewiesen. Festangestellten Frauen* verschwinden manchmal ein bisschen in ihrem Unternehmen. Wenn sich dann etwas verändert, finden sie niemanden, mit dem sie sich austauschen können. Egal, ob Karriere oder Privatleben – dafür ist „nushu“ da, positionsübergreifend und unabhängig von der Branche.
Gleiche Chancen. Wir müssen bei Entscheidungen mit an den Tisch.
Gleiche Chancen. Wir müssen bei Entscheidungen mit an den Tisch.
Es gab nicht wirklich den einen Punkt. Ich wollte nie „einfach nur gründen“. Es geht bei diesem Netzwerk nicht um mich, es geht um eine Sache, die größer ist.
Ich habe meinen Job schon davor gekündigt. Ich fand ihn ganz gruselig. Es war mein erster Job nach dem Studium. Danach habe ich mich mit meinem heutigen Mann und einer kleinen Kommunikationsagentur selbständig gemacht. Das war aber eher eine logische Konsequenz aus der Frage: Was können wir?
Als es um meine eigene Weiterentwicklung ging, habe ich festgestellt: Ich kann mich mit niemandem austauschen. Ich wollte mich mit anderen Frauen* vernetzen.
Ich habe angefangen mit der „Alster-Loge“, einem kleinen regionalen Netzwerk in Hamburg. Ich habe Events gemacht und es wurde immer größer. Irgendwann haben mich die Frauen* angesprochen und gefragt: „Willst du nicht mal Geld verlangen?“. Und ich so: „Nein.“ Das war ein krasser Imposter-Moment, weil ich mir damals dachte: Ich mache es ja aus der inneren Motivation etwas Gutes zu tun.
Dass das natürlich völlig falsch ist und man auch mit guten Dingen Geld verdienen kann, habe ich damals nicht verstanden. Das war ein Schutzverhalten. Wenn ich kein Geld verlange, dann gebe ich auch kein Leistungsversprechen.
Irgendwann ist es mir über den Kopf gewachsen. Damals habe ich mich mit den ganzen Frauen* auch noch persönlich getroffen. Ich habe mit ihnen über ihre Erfahrungen gesprochen, gefragt, wo sie Unterstützung brauchen. Wenn ich eines kann, dann ist es netzwerken und Menschen verbinden. Ich habe zwar viel bewirkt, aber wollte es weiterentwickeln.
Dann wurde ich von einer Frau* aus dem Netzwerk angesprochen. Sie würde gerne bei mir einsteigen. Das war der Moment, in dem ich dachte: Das ergibt Sinn. Als nächstes gab es einen Termin mit möglichen Investor*innen. Bei mir war klar, dass ich mit meinen eigenen Mittel nicht weit komme. Wir haben gepitcht, direkt gewonnen und das war der Beginn einer fünfjährigen Reise.
Jede Menge Vernetzung: Connect, Learn, Empowerment. „nushu“ ist eine aktive Plattform, auf der genau das passiert und jede ihren individuellen Mehrwert herausziehen kann. Unsere App „nushu“ wird konsequent weiterentwickelt. Das ist unser digitales Zuhause. Wir bieten bis zu 180 Events im Jahr an. Wir machen Learning-Journeys zu ganz unterschiedlichen Themen, wie Visibilität oder Leadership. Das bekommt man sonst nicht.
Es ist wie eine kuratierte Karrierebegleitung. Du kannst dir aus unserem Programm aussuchen, was gerade für dich passt. Bedürfnisse verändern sich. Das Angebot wächst also mit. So bleiben wir im aktiven Austausch mit der Community.
Die Sache ist: Wo willst du hin? Was ist deine Motivation? Was willst du teilen?
Gar keins. Wir haben auch Frauen* mit Junior-Titeln. Es geht um die Motivation. Meine Erfahrung damals, als ich gegründet habe, war: Es gibt super viele Angebote für Frauen* in der Führungsebene, aber keine Angebote für Frauen*, die sich auf den Weg gemacht haben. Die vielleicht noch gar nicht so genau wissen, wo die Reise hingehen soll, aber voller Ambitionen sind und was machen wollen. Da versuchen wir offener zu sein.
Es gibt den Spruch: Bau dir ein Netzwerk auf, bevor du es brauchst. Ja, witzig, aber wie soll ich denn eines aufbauen, wenn ich nicht weiß, wo ich anfragen soll? Es geht nicht um Know-how. Wie soll ich beurteilen, wie gut du als Wirtschaftsprüferin bist? Die Sache ist: Wo willst du hin? Was ist deine Motivation? Was willst du teilen?
Wir sind die Brückenbauerinnen. Rüber gehen musst du selber. Netzwerken können wir nicht für dich.
Du kannst einfach einen Antrag auf eine „nushu“-Mitgliedschaft stellen, manchmal fordern wir dann noch weitere Infos. Nach unserer Rückmeldung und Zusage folgt ein Onboarding-Workshop, in dem sich unterschiedliche Frauen* aus dem Netzwerk kennenlernen und Kontakte geknüpft werden.
Wir besprechen falsche Glaubenssätze und Vorurteile, denn es ist wichtig, eine allgemeine Grundlage zu schaffen. Anschließend kann man sich die Themen nach den eigenen Wünschen raussuchen. Ob Digital Events oder kleinere After-Work-Veranstaltungen bis zu großen Panels mit Top-Speakerinnen. Wir sagen immer: Wir sind die Brückenbauerinnen. Rüber gehen musst du selber. Netzwerken können wir nicht für dich.
Kann man ja auch.
Wenn du das Ziel hast, weit nach oben zu kommen, dann bleibt dir ja nichts anderes übrig. Es tut ja auch nicht weh. Es gibt wundervolle Männer da draußen, auch viele, die unsere Mission unterstützen. Die schicken alle ihre Mitarbeiterinnen zu uns.
Genau. Es kritisiert ja auch niemand Männernetzwerke. Es gibt Studien, die sagen, Frauennetzwerke seien nicht so wirksam. Aber worauf schauen die? Schauen die wirklich, wo die Macht jetzt gerade liegt und ob es sinnvoll ist, sich als Frau* zu vernetzen? Sich mit Männern zu vernetzen ändert dahingehend ja nichts.
Es ist nicht meine Aufgabe, die Leute davon zu überzeugen. Das habe ich am Anfang gemacht und werde ich nicht mehr tun. Jede*r, die oder der mitmachen will, ist gerne willkommen. Ich werde keinen Vorständen mehr erklären, warum Diversity wichtig ist.
Das ist auch eine Frage, die man einem Männernetzwerk nie stellen würde. Irgendwie müssen auch wir uns finanzieren. Es gibt diesen allgemeinen Trugschluss, dass man mit guten Dingen kein Geld verdienen kann …
Ich würde nicht sagen, dass es mir leicht fällt. Ich bin zwar in meiner Stärke, aber ich habe in den letzten Jahren auf sehr viel verzichtet. Freundschaften, Familie, keinen Urlaub. Das, was ich hier aufgebaut habe, ist das Resultat von sehr viel Arbeit.
Es war eher alternativlos. Ich glaube nicht daran, dass man alles haben kann im Leben. Man muss sich fokussieren. Ich habe von Anfang an meinen Liebsten klar kommuniziert: Ihr werdet mich wenig sehen die nächsten Jahre. Umso schöner, dass es jetzt funktioniert hat.
Fotos: Barbara Hibler