Karriere Coach Ragnhild Struss: So werden wir glücklich(er) im Job

23. August 2023

Die Studien zu Unzufriedenheit im Job sind erschreckend: Fast jede*r zweite Angestellte in Deutschland ist bereit, den Job zu wechseln, rund ein Drittel denkt an Kündigung – und die Zahlen zu arbeitsbedingten Erkrankungen wie Burnout sind auch alles andere als schön.

Warum Kündigung oder ein Jobwechsel nicht unbedingt die Lösung sind und warum es überhaupt wichtig ist, nach mehr Zufriedenheit im Job zu streben, darüber sprechen wir in der neuen Folge unseres „femtastics Deep Dive“ Podcasts mit Ragnhild Struss, Karriere Coach, Berufsberaterin sowie Partnerin und Inhaberin von “Struss & Claussen Personal Development”.


Ragnhild hat das neue Buch “Wie Sie mit Job Crafting Ihre Arbeit wieder lieben lernen” geschrieben, welches am 12.09.2023 erscheint, und sagt: “Jeder Mensch hat das Recht auf ein erfülltes Leben – und dazu gehört auch die berufliche Zufriedenheit. Der Job sollte zur Persönlichkeit passen, im besten Fall perfekt.“ Sie erzählt, wie man diesen Job finden und gestalten kann.

Ich erlebe viele Menschen, die das Gefühl haben, irgendwie festzustecken, nicht mehr weiterzukommen oder die generell unzufrieden sind.

femtastics: 28 Prozent der deutschen Beschäftigten denkt an eine Kündigung in den kommenden drei bis sechs Monaten – das ergab eine Befragung der Unternehmensberatung “McKinsey” im Dezember 2022. Als Gründe wurden unzureichende Bezahlung, Unzufriedenheit mit den Führungskräften und Mangel an beruflicher Entwicklung und Beförderung genannt. Hat es dich überrascht, dass fast ein Drittel der Arbeitnehmer*innen so unzufrieden mit ihren Jobs sind?

Ragnhild Struss: Ich erlebe in meinen Beratungen und Workshops tagtäglich Menschen, die entweder aktiv oder passiv auf der Suche sind. Aktiv auf der Jobsuche heißt, dass man sich wirklich mit einem Wechsel beschäftigt und Stellenanzeigen studiert und Bewerbungsunterlagen rausschickt. Passiv bereit zum Wechseln zu sein bedeutet, dass man sich abwerben lassen würden, wenn man angesprochen würde.

Ich erlebe viele Menschen, die das Gefühl haben, irgendwie festzustecken, nicht mehr weiterzukommen oder die generell unzufrieden sind. Sie haben aber trotzdem Angst vor dem nächsten Schritt. Die Gründe wie unzureichende Bezahlung, Unzufriedenheit oder ein schlechten Verhältnis zu Führungskräften, sind alles Beispiele dafür, dass die Job-Person-Passung nicht mehr gut aufgestellt ist.

Der Job bietet nicht mehr die Gelegenheit, das zu tun, was man am besten kann oder was man am liebsten macht oder stimmt nicht mehr mit den eigenen Werten überein, berücksichtigt die eigenen Bedürfnisse und Präferenzen nicht. Wünsche werden nicht befriedigt. Man kann sich nicht authentisch ausdrücken oder weiterentwickeln. Oder der Job erfüllt nicht mehr die Erwartungen, die man an ihn hat. Viele denken an Kündigung, weil die Vorstellung davon, dass es irgendwo anders besser sein könnte, Hoffnung gibt.

Man sollte darüber nachdenken, ob man vielleicht Einfluss auf den Job ausüben kann, damit es einem wieder besser geht.

Ja, diese Momente kennen sicherlich viele.

Total. Die Frage ist: Ist das eine kurzzeitige Erschöpfung, weil man vielleicht aus einer anstrengenden Phase kommt? Würde man trotzdem noch ja zu seinem Job sagen? Oder ist das wirklich eine anhaltende Unzufriedenheit, die ein Knirschen innerlich auslöst und auch durch Highlights nicht mehr aufzuwiegen ist? Dann sollte man auf jeden Fall mal darüber nachdenken, ob man nicht vielleicht noch ein bisschen Einfluss auf den Job ausüben kann, damit es einem wieder besser geht.

Ein spannender Impuls, denn viele denken sich vermutlich: Ich muss hier weg!

Genau. Aber dieses „Ich muss hier weg“ trägt als Motivation gar nicht weit genug. Ok, ich finde irgendwie alles Käse, ich habe das Gefühl, jeden Morgen irgendwie die Batterie gar nicht mehr richtig aufgeladen zu bekommen, um neu in den Tag zu starten. Aber wie soll es denn stattdessen sein? Was möchte ich denn stattdessen, damit ich zufriedener bin?

Zumal ein neuer Job nicht immer ein Garant dafür ist, dass dann wirklich alle Rahmenbedingungen stimmen. Du sagst: „Jeder Mensch hat das Recht auf ein erfülltes Leben und dazu gehört auch die berufliche Zufriedenheit. Der Job sollte zur Persönlichkeit passen, im besten Fall perfekt.“ Das klingt sehr gut, aber muss man dafür nicht erstmal die eigene Persönlichkeit richtig kennen und wissen, was man überhaupt will?

In psychologischen Studien wurde herausgefunden, dass die Zufriedenheit im Job sich nicht unbedingt ändert, wenn man viele Jobwechsel hinlegt. Das erlebe ich immer wieder in meinen Beratungen und Workshops, dass Leute eine ähnliche Stelle suchen, vielleicht eine quasi Stufe weiter, sich in einem anderen Unternehmen bewerben und dann die Hoffnung haben, dass durch das neue Umfeld alles besser wird.

Am Anfang ist eine Euphorie da. Man fuchst sich neu ein, man bekommt neues Feedback. Irgendwie sind die ausgetretenen Pfade mal verlassen und das allein motiviert. Aber die Probleme, die man bereits im alten Job hatte, wiederholen sich. Man läuft quasi immer wieder gegen die gleichen Wände.

Vieles liegt im Innen begründet bzw. in der mangelnden Auseinandersetzung mit dem Job. Deshalb ist meine Meinung, dass die Basis für eine berufliche Zufriedenheit eine richtige Persönlichkeitsanalyse bildet.

Aber wie finde ich denn heraus, wer ich bin und was ich gut kann? Was macht mich letztlich beruflich glücklich? Nicht alles, was mir Spaß macht oder was ich gut kann, muss sich ja zwingen im Beruflichen wiederfinden, oder?

Nein, genau. Es geht darum, deine Erwartungen an den Job herauszufinden. Eine Persönlichkeitsanalyse ist kein gelerntes Konzept, sie braucht Zeit. Die meisten Leute wissen gar nicht, wo man da eigentlich anfängt. Die stehen vor einem riesengroßen Berg und wissen nur: Ich müsste mich mal mit mir auseinandersetzen, um rauszufinden, was meine beruflichen Kompetenzen sind, welches Umfeld ich brauche, mit welchen Inhalten ich am liebsten arbeiten möchte, welche Verantwortlichkeiten zu mir passen.

Vieles liegt auch im Unbewussten der Persönlichkeit. Das heißt, überhaupt die Bereitschaft aufzubringen, sich damit zeitlich auseinanderzusetzen, ist der erste Schritt. Dann gibt es verschiedene Herangehensweisen. Man kann natürlich zu einem Coach oder einer Coachin gehen oder zu einem Therapeuten oder einer Therapeutin. Man kann Persönlichkeitstests absolvieren, vielleicht ein Fremdbild einholen von Freund*innen, Bekannten oder auch Arbeitskolleg*innen.

Es gibt für jede Persönlichkeit die passenden beruflichen Kompetenzen.

Welche Tools gibt es noch?

Es gibt die Möglichkeit, in die angeleitete Selbstbeobachtung einzusteigen, um herauszufinden, was meine Stärken, meine Präferenzen, überhaupt meine Eigenschaften, meine Werte, meine Visionen, meine Einstellung sind. In meinem neuen Buch habe ich dafür eine detaillierte Anleitung gegeben. Man wird richtig an die Hand genommen, um die eigenen Charaktereigenschaften dezidiert aufzuschreiben, um daraus dann berufliche Anforderungen abzuleiten.

Wenn zum Beispiel jemand total kommunikativ, super flexibel und kreativ ist, dann ist ja klar, dass die berufliche Kompetenz eher im Bereich von Brainstorming, Ideenfindung, konzeptioneller Arbeit liegt und eine eher redundante Tätigkeit mit „Excel“-Tabellen nicht das Richtige ist. Umgekehrt gibt es Leute, für die die Arbeit mit Listen, mit Tabellen, mit Dingen, die man abhaken kann, total erfüllend ist, weil sie super gewissenhaft sind und es sie motiviert, Feedback im Prozess zu erfahren. Also: Wo stehe ich gerade, wie lange brauche ich noch? Es gibt für jede Persönlichkeit die passenden beruflichen Kompetenzen.

Das ganze Interview mit Ragnhild Struss hört ihr in unserer Podcast-Episode!

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Illustration: Adobe Stock

Porträtfoto: Florian Janssen

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