Women support Women: Real Talk mit Nora-Vanessa und Susann von Edition F

Vor genau fünf Jahren hatten Nora-Vanessa Wohlert (34) und Susann Hoffmann (36) die Idee, Edition F, ein Karrierenetzwerk für Frauen, aufzubauen. Seitdem ist viel passiert: Das Team ist stark gewachsen, mehrere Finanzierungsrunden sind überwunden, die Female Future Force, ein digitales Coaching, wurde letztes Jahr erfolgreich gelauncht und im Sommer fand zum ersten Mal der Female Future Force Day in Berlin statt. Für unsere Serie “Women support Women”  – powered by Triumph – haben wir die beiden Unternehmerinnen zum Gespräch in Susanns Wohnung und im Edition F Office getroffen und mit ihnen über die Veränderungen und Herausforderungen gesprochen, die mit einem Wachstum einhergehen: Wie hat sich die Beziehung zwischen den beiden verändert? Wie wächst man in die Rolle der Chefin rein? Wie vereinbart man als Mutter ein eigenes Unternehmen mit einem Neugeborenen und welchen Tipp haben sie für andere Jung-Unternehmerinnen?


Mit der neuen Kampagne #TogetherWeTriumph hebt Triumph das Thema Unterstützung auf eine höhere Ebene. Der Leitgedanke: Collective Empowerment. “Wir glauben, dass jede erfolgreiche Frau von einer anderen Frau unterstützt wird. Denn wenn Frauen sich gegenseitig unterstützen – passieren unglaubliche Dinge”, schreibt Triumph in seinem Manifesto zur Kampagne. Unter anderem hat Triumph Fakten dazu gesammelt, wie sich Frauen gegenseitig Mut machen und unterstützen.


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Susann (linkes Bild rechts) lebt mit ihrem Freund und ihrem 2-jährigen Sohn im Winsviertel in Berlin. Wir treffen sie zusammen mit Nora (linkes Bild links) auf einen Kaffee in ihrer Altbauwohnung.

femtastics: Vor genau fünf Jahren entstand eure Idee für Edition F. Mittlerweile ist Edition F seit viereinhalb Jahren online. Was waren eure persönlichen Meilensteine?

Susann Hofmann: Es gab viele Highlights. Die erste Finanzierungsrunde war unser Startschuss! Ein weiteres Highlight waren unsere beiden Crowdfunding-Runden: zu sehen, dass man eine Community aufgebaut hat, die hinter einem steht und Fahrt aufnimmt – das waren emotionale Push-Momente. Dann das erste Mal profitabel zu sein, also aus eigener Kraft zu wachsen – das war letztes Jahr der Fall. Vorher war es nicht unser Geld. Nun war das, was wir einnahmen, auch das, was wir ausgaben, ohne dass etwas anderes involviert war.

Wie habt ihr das erreicht?

Nora-Vanessa Wohlert: Wir standen Anfang 2017 vor einer super schwierigen Situation, irgendetwas musste passieren. Entweder noch eine Finanzierungsrunde oder das Geschäftsmodell schnell so weit entwickeln, dass wir damit profitabel sind. Für eine neue Finanzierungsrunde war der Zeitpunkt nicht optimal, weil das Jahr davor nicht so gut lief. Wir kamen zu dem Schluss, einen Schritt nach vorne zu machen und uns auf das Produkt zu konzentrieren. In dieser „Finanzierungsrunden-Mühle“ passiert es oft, dass man sich viel zu wenig um das Produkt selbst kümmert. Der glückliche Zufall wollte es, dass Susann gerade aus der Elternzeit zurückkam und Luft hatte, intensiver über Edition F nachzudenken und zu überlegen, was zu unserer Zielgruppe passen könnte. Innerhalb weniger Wochen entstand die Idee zur Female Future Force Academy. Es war ein großer Schritt, mit einer Idee ins Crowdfunding zu gehen, und es war toll zu merken, dass unsere Idee auf viel Liebe in der Community gestoßen ist.

Ihr wart vor der Gründung schon jahrelang befreundet. Hat sich eure Freundschaft mit dem gemeinsamen Unternehmen verändert?

Nora: Vor Edition F waren wir zwar befreundet, aber nicht super eng, sondern eher langjährige Bekannte. Wir haben uns gegenseitig zum Geburtstag eingeladen, aber nicht jede Woche gesehen. Durch die gemeinsame Arbeit ist es intensiver geworden. Es herrscht jetzt sogar eher ein familiäres oder geschwisterliches Gefühl vor, weil man in Bezug auf die Arbeit in der gleichen Position ist – das habe ich natürlich mit keiner anderen Freundin wie mit Susann. Wir sehen uns nicht viel privat, trotzdem sind wir auf der Arbeit oft sehr privat.

Susann: Man erlebt gemeinsam Höhen und Tiefen und diese Anspannung. Dann möchte man in der Freizeit nicht auch noch darüber diskutieren.

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Nora (rechts) hat Publizistik- und Kommunikationswissenschaft studiert und vor der Gründung von Edition F über zwei Jahre als Redaktionsleiterin bei der Gründerszene gearbeitet – dort hat sie auch Susann kennengelernt.

Das Thema Offenheit muss man sich erstmal erarbeiten. Manche Themen sind vielleicht unangenehm und man muss einen Modus finden, in dem man miteinander umgehen kann und weiß, dass man den anderen nicht verletzt.

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Wie ergänzt ihr euch im Berufsalltag und was schätzt ihr besonders aneinander?

Susann: Das Thema Offenheit muss man sich erstmal erarbeiten. Manche Themen sind vielleicht unangenehm und man muss einen Modus finden, in dem man miteinander umgehen kann und weiß, dass man den anderen nicht verletzt. Das ist eine Qualität von Offenheit, die erstmal wachsen muss. Da wachsen wir beide noch weiter rein, was ich als extrem positiv empfinde. Die Qualität hat sich sehr verändert über die letzten Jahre. Ansonsten funktioniert der Schlagabtausch miteinander total gut. Wir hätten in der Zusammenarbeit große Probleme gehabt, wenn wir kreativ nicht so gut zusammenarbeiten könnten.

Sind eure Charaktere denn sehr ähnlich oder eher unterschiedlich?

Nora: Wir sind schon unterschiedlich, gleichen uns aber auch in vielen Dingen.

Susann: Bei Werten und Ästhetik sind wir uns ähnlich …

Nora: … auch bei Ansprüchen an Mitarbeiterführung, was sehr hilfreich ist. An anderer Stelle sind wir sehr unterschiedlich, ich bin lauter und manchmal unglücklich direkter. (lacht) Wenn mich etwas stört, sage ich das gleich. Ich finde es anstrengend, wenn etwas tage- oder monatelang schwelt.

Susann: Ich bin weicher. Nora explodiert unmittelbar, bei mir sammeln sich Dinge an. Und wenn dann etwas ist, werde ich richtig sauer.

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Eine Teamführung mit fünf Mitarbeitern ist etwas ganz anderes, als wenn man 23 feste Mitarbeiter hat.

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Mittlerweile habt ihr 23 Festangestellte und fast 30 Mitarbeiter insgesamt. Dadurch verändert sich natürlich eure Rolle im Unternehmen. Wie sieht euer Arbeitsalltag heute aus?

Nora: Im Tagesgeschäft sind wir sehr stark involviert, im redaktionellen gar nicht mehr. Wir haben sehr bewusst entschieden, dass die Redaktion weit weg vom Thema Werbung operiert. Wir haben mit Teresa Bücker früh eine Chefredakteurin geholt, die sehr eigenständig arbeitet. Zusammen mit unserer Redaktionsleiterin Silvia Follmann ist es ein starkes Duo.

Bei mir stehen Sales und Event und in Teilen Marketing auf dem Programm, bei Susann das Produkt Female Future Force und auch Marketing.

Sitzt ihr täglich zusammen oder seid ihr viel unterwegs?

Nora: Räumlich sitzen wir uns gegenüber, aber teilweise sehen wir uns den ganzen Tag nicht. Wenn ich Susann wiedersehe, habe ich immer einen riesengroßen Fragenkatalog, den ich dann schnell mit ihr abarbeite.

Susann: Das unterscheidet uns auch: Wenn ich reinkomme, sage ich kurz etwas Persönliches, setze mich hin und bin ruhig und Nora rattert direkt mit ihrem Fragenkatalog los (beide lachen). Wenn wir nicht zusammensitzen, telefonieren wir viel.

Ein Team lebt sehr stark von unterschiedlichen Talenten und diversen Charakteren.

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Susann hat Theaterwissenschaften und Germanistik studiert und vor der Gründung von Edition F beim Film und für Agenturen und digitale Medien gearbeitet.

Ihr habt eine große Personalverantwortung. Habt ihr dafür selbst Coachings in Anspruch genommen oder seid ihr in die Rolle hineingewachsen?

Nora: Wir sind noch dabei, hineinzuwachsen. Eine Teamführung mit fünf Mitarbeitern ist etwas ganz anderes, als wenn man 23 feste Mitarbeiter hat. Viele begleiten uns seit Beginn und haben besondere Bedürfnisse wie zum Beispiel Weiterentwicklung. Viele sind über 30, da verändert sich die Anforderung an einen Job. Ich habe in diesem Jahr verstanden, dass man sich für gewisse Dinge kein Coaching heranholen kann. Es ist immer sinnvoll, sich mit anderen auszutauschen, aber das Thema „Wie wollen wir im Unternehmen führen, was wollen wir an unsere Führungskräfte weitergeben?“ muss ganz stark von Susann und mir kommen.

Susann: Das wird von vielen Coaches auch propagiert. Als wäre das möglich, als gäbe es Standard-Tools: Du machst 6 Wochen lang ein Coaching, kommst da raus und bist eine top Führungskraft. Aber so funktioniert das nicht, es gibt keinen Reality-Check. Da merkt man, dass Führung viel mit Unternehmensorganisation und -struktur zu tun hat. Da sehen wir einen hohen Bedarf, uns Gedanken zu machen und mit dem Team zusammen eine für uns gut funktionierende Organisationsform zu finden. Am Anfang sind alle gleichgestellt, inzwischen gibt es bei Edition F größere einzelne Teams, die untereinander und von uns losgelöst arbeiten. Im Team entsteht dann die Sehnsucht nach persönlichem Wachstum, sowohl inhaltlich als auch nach oben, gleichzeitig schreien alle nach neuer Arbeit. Sich in einem klassischen Konstrukt von Hierarchien, Jobtiteln und Gehaltskorridoren zu bewegen, gleichzeitig aber alles super flexibel und auf Augenhöhe im Work-Kosmos liegen zu lassen, ist nicht leicht. Wir stecken in intensiven Gesprächen miteinander und mit externen Coaches als Sparringspartnern, um auszuloten, was für das Team, aber auch für einen selbst, tragbar ist, wie wir Ideen aus dem Team in eine Form bringen können.

Was müssen Frauen und Männer unbedingt mitbringen, die für euch arbeiten wollen?

Susann: Einen kritischen Blick und Mut. Gerade, wenn jemand neu startet, ist es toll, dass er/sie eine neue Perspektive mitbringt. Ich mag es, wenn Leute es schaffen, mich aufzuwecken und immer wieder anpieksen, um neu zu denken und Altes zu hinterfragen.
Nora: Jeder sollte sein wie er ist. Ein Team lebt sehr stark von unterschiedlichen Talenten und diversen Charakteren. Was jeder braucht ist eine große Leidenschaft für Edition F und den Job, den er beziehungsweise sie macht.

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Wie wollt ihr als Chefinnen am liebsten von euren Mitarbeitern wahrgenommen werden? Ihr wart ja selbst mal festangestellt und plötzlich ist da der Perspektivenwechsel.

Susann: Als ich festangestellt war, war ich noch so jung und hatte einen verklärten Blick auf die Chefetage. Ich erwartete gar nicht, dass sie nahbar sind. Das erlebe ich heute natürlich anders, man will nahbar und ansprechbar für alle Themen sein. Ich wünsche mir, Mentor und Sparringspartner für meine Mitarbeiter sein zu können. Unsere Mitarbeiter wissen ganz klar, was ihr Verantwortungsbereich ist, sie treiben ihre Projekte voran und holen sich inhaltlich aber auch immer wieder Noras und meine Kompetenz ab. Das finde ich ein schönes Format.

Nora: Wir machen viel, was ich mir früher gewünscht hätte. Trotzdem habe ich oft das Gefühl, dass es nicht genug ist. Ich hätte gerne, dass das Team über uns sagt: Wir sind ansprechbar, konkret und verlässlich. Auch wenn das Team vieles so nicht sieht, machen wir im Vergleich zu früher vieles schon sehr gut. Wenngleich ich auch sagen würde, dass es noch viel Potenzial gibt – wir können noch sehr viel lernen und unser Team hat große Ansprüche.

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Die Frage kommt in der Medienbranche immer wieder auf: Wie kann man mit einem Online-Medienprodukt Geld verdienen? Ihr habt bisher ganz unterschiedliche Finanzierungswege gewählt, von Crowdinvesting, Crowdfunding, Investoren, Webinaren, Jobbörsen bis zu Native Advertising. Welchen Weg wollt ihr in Zukunft gehen?

Nora: In die Jobbörse haben wir wahnsinnig viel Energie gesteckt, irgendwann aber festgestellt, dass es niemandem richtig Spaß macht. Um eine Jobbörse aufzuziehen brauchst du ein richtiges Sales-Team, das die ganze Zeit Akquise macht. Das könnte man machen, spiegelt aber nicht das wider, was wir wirklich machen wollen. Deshalb hat sich das erledigt.

Wir machen jetzt vor allem Native Advertising, Content-Geschichten, Events und Partnerschaften, auf der anderen Seite das B2C-Modell. Vielen Unternehmen geht es darum, mehr weibliche Bewerberinnen zu haben, und da ist Edition F eine gute Anlaufstelle, weil wir viele Karrierethemen auf der Seite haben. Das werden wir sicherlich noch weiter in den nächsten Jahren ausbauen, also zum Beispiel das Thema Beratung von Unternehmen.

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In der Kreativbranche machen sich gerade die Frauen mit dem Anspruch kaputt, immer alles möglich machen zu wollen. Das geht aber nicht, wenn man den Anspruch hat, gegenüber dem Team und auch gegenüber sich selbst fair zu sein.

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Die Female Future Force Academy, euer digitales Coaching-Programm, feiert gerade sein Einjähriges. Ursprünglich war das Coaching für 52 Wochen ausgelegt. Wie geht es damit weiter?

Susann: Es wird eine App geben und die Female Future Force wird flexibler werden! Die Female Future Force ist ein recht stringentes Programm. Wir begleiten dich ein Jahr lang, jede Woche bekommst du von einem neuen Coach zu einem neuen Thema deine Inhalte. Das war gut, aber natürlich wenig flexibel. Wenn du in Woche 22 warst, und Woche 23, 24 und 25 haben dir nicht gefallen, musstest du bis Woche 26 warten. Entweder weil das Thema für dich nicht relevant war oder du eine Woche hattest, in der du sehr viel arbeiten musstest. Dann hattest du das Gefühl, viel aufholen zu müssen. Da möchten wir den Druck rausnehmen und die Flexibilität erhöhen, das heißt, wir setzen in Zukunft nicht mehr auf jährliche Programme, sondern zukünftig gibt eine Datenbank: Du entscheidest dich am Anfang, ob du dich um deine persönliche oder berufliche Weiterentwicklung kümmern möchtest, und dann gibt es einzelne Module.

Diese werden sich immer noch Stück für Stück erweitern, du kannst sie dann aber beispielsweise über drei Wochen wie ein Curriculum einteilen und Informationen darüber bekommen. Außerdem kannst du jeden Tag einsteigen und wechseln. Heute interessierst du dich für Führungsthemen, morgen für Life-Balance oder Meditation – dann kannst du es einfach machen. Dazu kommen Gruppenfunktionen auf der Seite, es wird einen Chat geben und ein Programm, das „Mentor me Mentor you“ heißt: Jeder kann angeben, worin er schon richtig gut ist und Mentor sein möchte. Viele unserer User haben sich ein noch mehr angeleitetes Networking gewünscht, und diesen Leuten wollen wir digital eine Brücke bauen. Das ist unser Ziel, als Desktop-Variante, und dann auch mit einer App.

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Susann, du hast vor knapp einem Jahr einen Essay zum Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf auf Edition F veröffentlicht. Und schreibst dort unter anderem „Das letzte Jahr ist der bisher größte Spagat meines Lebens“ gewesen. Wie habt ihr das Thema Vereinbarkeit von Familie und eigenes Unternehmen umgesetzt?

Nora: Das ist tatsächlich gar nicht so leicht. Susann hatte das Gefühl, sie macht einen totalen Spagat und kommt nicht weiter. Ich hatte immer das Gefühl, sie ist nicht genug da, nicht genug an meiner Seite. Da braucht man sich nichts vormachen, alle stark lebensverändernden Situationen führen zu Gesprächsbedarf. Es ist ein krasser Prozess. Seit ein paar Monaten haben wir es geschafft, dass es zwischen uns besser funktioniert. Susann arbeitet wieder ein bisschen mehr und ich habe dadurch das Gefühl, dass sie wieder mehr an meiner Seite ist. Aber der Spagat hat es nicht unbedingt besser gemacht für Susann.

Susann: Das hat etwas mit Toleranz und Akzeptanz zu tun. Das fand bei mir, nachgelagert aber auch bei Nora statt. Man hat ja, bevor man ein Kind hat, keine Ahnung, was das bedeutet. Man weiß nicht, wie das Kind sein wird, ich konnte meinen Sohn nie einfach ablegen und arbeiten. Es verändert sich auch das eigene Verständnis, wie man Sachen machen will, das ändert sich auch mit der Selbstständigkeit des Kindes. Es dauert zwei Jahre, bis sich alles gesetzt und man einen Rhythmus gefunden hat. Der wird sich auch immer wieder verschieben, durch Schule usw. – man muss immer ein Stück weit mit dem gehen, was von außen kommt. Dem anderen Toleranz und Freiraum zu geben in Phasen, in denen Druck herrscht, ist nicht einfach. Bei Edition F lief zu der Zeit nicht alles easy, wir waren nicht hochprofitabel und hatten nicht alle Zeit der Welt. Meine Kraft und mein Kopf waren mitgefragt.

Konntest du dich trotzdem nach der Geburt für ein paar Wochen aus dem Geschäftlichen herausziehen?

Susann: Ich war im Wochenbett zu Hause, aber weil die Lage nicht optimal war, haben Nora und ich viel telefoniert und Investorengespräche gehabt. Richtig zurück im Büro war ich nach acht Wochen, für drei Tage die Woche. Jetzt bin ich jeden Tag im Büro, an zwei Tagen lange, an den anderen Tagen hole ich mein Kind selbst um halb vier aus der Kita ab. Zum Glück ist alles in der Nähe – das ist ein riesengroßer Vorteil. So versuche ich das zu managen, aber ohne Hilfe von meinem Mann, der Babysitterin und meiner Mutter würde es kaum gehen.

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Hattet ihr beide schon mal Tage, an denen ihr dachtet: Wir schmeißen alles hin?

Nora: „Hinschmeißen“ ist extrem formuliert, aber manchmal stellt sich ein ähnliches Gefühl ein. Mich trifft es immer hart, wenn Kritik aus der Community kommt. Das, was man wirklich besser gemacht hat als versprochen, wird gar nicht so wahrgenommen. Sondern das, was noch nicht gut genug ist – und das trifft uns sehr, wenn man an Projekten intensiv gearbeitet hat.

Konstruktive Kritik ist total wichtig, aber manchmal wird doch sehr viel verlangt, zum Beispiel einmal einen Jahresbeitrag für die Female Future Force zu zahlen und für immer freien Zugang zu allem haben. Das ist aber gar nicht machbar, weil wir faire Gehälter zahlen wollen, damit das Team wachsen und gute Produkte für die Community angeboten werden können. Es geht nicht kostenfrei, so gerne wir das auch machen würden. In der Kreativbranche machen sich gerade die Frauen mit dem Anspruch kaputt, immer alles möglich machen zu wollen. Das geht aber nicht, wenn man den Anspruch hat, gegenüber dem Team und auch gegenüber sich selbst fair zu sein.

Susann: Es wir oft vergessen, dass eine Wirtschaftlichkeit essentiell ist, um Edition F überhaupt machen zu können. Alles soll immer für Null Euro möglich sein, was schwierig ist, weil du diesem Anspruch nicht gerecht werden kannst. Tatsächlich verletzend ist, losgelöst davon, dass man sich natürlich konstruktiv damit auseinandersetzen kann, dass es eine Art Verrohung in der Kommunikation gibt. Leute haben keine Probleme mehr damit, im Netz eine Welle loszutreten, ohne den direkten Dialog zu suchen oder ohne auch verstehen zu wollen, was die Gründe für bestimmte Entscheidungen waren. Das finde ich total schade.

Du sprichst das Feedback zum Female Future Force Day an …

Nora: 85 Prozent des Feedbacks zum Female Future Force Day war sehr positiv, 10 Prozent sehr kritisch – und das, was beim Team hängenbleibt und nachhallt, ist die Kritik und die Art der Kritik. Das hatten wir noch nie so stark wie dieses Jahr. Einerseits trägt einen das tolle Feedback aus der Community, andererseits kann es auch sehr schwer sein, wenn das Feedback nicht so ist, wie man sich das gewünscht hat.

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Wird es denn einen Female Future Force Day 2019 geben?

Nora: Vom Feedback her auf jeden Fall, es hängt aber sehr von unseren finanziellen Ressourcen ab. Dieses Jahr landen wir bei plusminus Null, für das erste Jahr mit Event ist das schon ganz gut. Trotzdem hat es sehr viele Ressourcen gebunden, an anderer Stelle fehlt uns jetzt Geld. Wir müssen genau kalkulieren, ob wir das nochmal machen können.

Wie motiviert ihr beide euch als Gründerinnen in Momenten, wenn Kritik auf euch einprasselt?

Susann: Ich versuche mich und mein Ego weitestgehend rauszulassen und in erster Linie den Mehrwert des Feedbacks zu sehen. Etwas zu machen, das keiner cool findet oder braucht ist nicht unser Ziel. Deshalb hilft Kritik, das eigene Projekt oder Produkt immer besser und relevanter für die Zielgruppe zu machen. Ich bin aber auch nicht frei davon, verletzt zu werden – wenn ich das Gefühl habe, es wird nur das gesehen, was noch nicht optimal ist und Kritik nicht unbedingt konstruktiv angebracht wird, dann kostet es mich vteilweise viel Kraft, das Gute in ihr zu sehen. Aber: Ich übe und werde immer besser darin. 
Nora: Es gibt selten Momente, in denen nur Kritik kommt, deshalb hilft es immer auch positives Feedback zu gewichten. Oft haben wenige negative Stimmen mehr Gewicht als hunderte Stimmen, die positives und konstruktives Feedback geben. Da muss man selbst etwas drehen. Und am Ende sage ich mir immer, dass wir nur Gutes tun wollen. Und das Team, Suse und Familie motivieren mich jeden Tag.

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Mit Nora (links) und Susann auf dem Weg in eines der beiden Edition-F-Büros im Prenzlauer Berg.

Wie sieht es mit dem Thema Work-Life-Balance aus? Wie schaltet ihr ab? Habt ihr bestimmte Regeln?

Susann: Wochenende ist Wochenende. Für das Team gibt es nach besonders anstrengenden Projekten immer Ausgleichstage oder flexible Arbeitszeiten. Für mich ist es Ausgleich, alleine mit meinem Kind zu sein, draußen auf dem Spielplatz.

Nora: Ich habe sehr viel gearbeitet dieses Jahr, aber auch viel Urlaub gemacht. Das funktioniert gut für mich, in den ersten Jahren gab es das aber natürlich nicht. Ich habe dieses Jahr tatsächlich im Urlaub auch alle E-Mails von meinem Handy gelöscht, das kann ich sehr empfehlen.

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Das Edition F Office – die Keimzelle der Female Future Force Academy.

Mach dir  bewusst, was Erfolg für dich persönlich bedeuten soll und welche Werte dir wichtig sind. Diese zwei Dinge sind ein guter Kompass, um ein Unternehmen aufzubauen.

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Viele Gründer bauen ein Unternehmen auf, um es irgendwann gewinnbringend zu verkaufen. Wäre der Verkauf, zum Beispiel an einen großen Verlag, irgendwann eine Option für euch?

Nora: Es wäre fatal zu sagen, man macht das jetzt bis zum Lebensende. Es gibt bestimmt in 10 bis 15 Jahren andere, die Edition F besser machen. Ich will es nicht ausschließen, aber wir haben nie gegründet, um zu verkaufen.

Was war bisher euer größtes Learning und was ist euer Tipp für andere Jung-Unternehmerinnen?

Susann: Schnell wachsen, doppelte Umsätze von Jahr zu Jahr, neue Geschäftsmodelle, Internationalisierung und dann ein guter Exit. Diese Schlagworte sind in der Startup-Welt oft und gern gebraucht. Das ist ein Stressfaktor, dem man sich aber nicht absolut beugen muss. Wenn man das erstmal verstanden hat, macht einen das ungemein frei. Mach dir bewusst, was Erfolg für dich persönlich bedeuten soll und welche Werte dir wichtig sind. Diese zwei Dinge sind ein guter Kompass, um ein Unternehmen aufzubauen.

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Und zum Abschluss: Von welchen Frauen können wir noch viel lernen? Wer hat euch in den letzten Jahren Edition F besonders beeindruckt?

Nora: Jemand, der uns schon länger begleitet, ist Heidi Stopper [Anm. d. Red.: Heidi Stopper war Personalvorstand bei ProSiebenSat.1 und ist jetzt selbstständiger Coach], die sich entschieden hat, Coaching zum Vollzeit-Job zu machen. Was sie sagt, ist sehr eingängig, sie holt oft abstrakte Themen wieder zurück ins Praktische. Das ist für viele junge Frauen eine große Inspiration. Weil ich mich schon viele Jahre lang für Politik interessiere und Themen mag, die einen Impact haben, ist die Fernsehjournalistin Düzen Tekkal jemand, der mich sehr inspiriert, weil sie eine wahnsinnig tolle Arbeit leistet.

Susann: Ich finde die Psychoanalytikerin Inge Missmahl toll, die ein Therapieverfahren für Geflüchtete und im Krieg Verfolgte entwickelt hat. Und ich finde Verena Pausder, Gründerin und Geschäftsführerin von der Haba Digitalwerkstatt, total toll. Alles, was sie sagt, klingt so, als wäre es total gesetzt  – von der Kindererziehung, wie viel sie arbeitet, wann sie Urlaub nimmt, wie sie ihr Unternehmen führt – dazu steht sie zu 100 Prozent und es findet nicht so viel innere Verhandlungsreibung statt. Das finde ich sehr bemerkenswert.

Vielen Dank für das sehr offene Interview!

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Hier findet ihr Edition F:

Hier findet ihr alle Infos zur Female Future Force.

Hier geht’s zu allen Stories unter dem Titel „Women support Women“.

Fotos: Julia Novy

Layout: Carolina Moscato

– Werbung: in Zusammenarbeit mit Triumph –

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