Anderen alles recht machen wollen: Hilfe, bin ich ein People Pleaser?

Dinge der Harmonie wegen tun, anderen alles recht machen wollen, schlecht nein sagen können – kommt euch alles bekannt vor? femtastics-Autorin Corinna Mamok ist eigentlich ein Beziehungsmensch, fragt sich aber mittlerweile, ob sie sich vielleicht einfach (nur) gut anpassen kann? Wie sie die wichtigste Beziehung – nämlich die zu sich selbst – Schritt für Schritt stärken und dem People Pleasing ein Ende setzen will, hat sie für uns aufgeschrieben.


Ich bin ein Beziehungsmensch. Das ist nichts Besonderes, Beunruhigendes oder Außergewöhnliches. Wenn man so will, ist es das Normalste der Welt. Denn wir führen alle zwangsläufig irgendeine Art von Beziehung zu irgendwem. Selbst wenn es nur die zu unserer Katze oder dem*der Paketbot*in ist. Als Mensch ist es Teil unserer Natur. Der Grund, warum ich es erwähne, ist, dass ich mich lange Zeit zu den Härtefällen eines Beziehungsmenschen zählte. Also im positiven Sinne.

Ich war bis zu meinem zweiunddreißigsten Lebensjahr noch nie länger als 24 Stunden ohne Freunde und Familie. Und das freiwillig.

In der Vergangenheit war ich gut darin, Herzmenschen um mich zu haben und Beziehungen zu pflegen. Der beste Beweis: Ich war bis zu meinem zweiunddreißigsten Lebensjahr noch nie länger als 24 Stunden ohne Freund*innen und Familie. Und das freiwillig. Ja, Beziehungen zu führen ist mein Ding. Wenn man Horoskopen, Numerologie oder ähnlichem Glauben schenken mag, kann ich gar nichts dafür, es ist schlichtweg Veranlagung/Schicksal/Bestimmung. Keine Ahnung. Feststeht, ich gelte nach dem gesellschaftlichen Maßstab offiziell als beziehungsfähig.

Seit einer Weile frage ich mich aber, zu welchem Preis ich dieser grandiose Beziehungsmensch bin? Und ob ich überhaupt gut darin bin, gesunde Beziehungen zu führen, oder ob ich mich einfach nur gut anpassen kann?


Der Grund für diese Fragen in meinem Kopf ist, dass mir nach wiederholten heftigen Streitigkeiten mit meinem Mann über Care-Arbeit und Co. aufgefallen ist, dass ich in einer Art „Gefallen-Wollen-Modus“ gerutscht bin. Ich konnte die anhaltende negative Reibung zwischen uns nicht mehr ertragen, sodass ich unterbewusst anfing, Dinge der Harmonie wegen zu tun. Und genau das tun People Pleaser. Sie passen ihr Verhalten an und versuchen es so allen anderen Recht zu machen. Doch People Pleasing ist nichts, für das man sich aktiv entscheidet, sondern vielmehr ein unbewusstes, antrainiertes Verhalten. Bestseller Autorin und Psychologin Dr. Nicole Lepera bezeichnet People Pleasing als eine maladaptive Traumabewältigungsstrategie.

Das hört sich im ersten Moment hochdramatisch an, ist es aber nicht. Es bedeutet lediglich, dass wir in unserer Kindheit etwas erlebt haben, das wir zu dem Zeitpunkt nicht angemessen verarbeiten konnten. Bei dem Versuch, unsere innere Balance wieder herzustellen, haben wir unser Verhalten angepasst. Dadurch hat sich kurzfristig unsere Stresssituation gelöst und die Welt war wieder in Ordnung. Unterbewusst haben wir dabei gelernt, dass ein angepasstes Verhalten zu Harmonie und Sicherheit führt. Was als Kind in einem gewissen Rahmen gut funktioniert hat, sollten wir als Erwachsene jedoch überdenken. Doch dafür müssen wir uns erst einmal klar darüber werden, was wir da eigentlich tun. Und das ist gar nicht so einfach.

People Pleasing ist nichts, für das man sich aktiv entscheidet, sondern vielmehr ein unbewusstes, antrainiertes Verhalten.

In meinem Fall hat das Monate gedauert. Und das, obwohl ich normalerweise superschnell in Sachen Konfliktlösung bin. Wenn sich meine Emotionen erst mal durch einen langen Spaziergang abgekühlt haben, bin ich gut darin zu erkennen, was mich eigentlich so aufregt. Hier war es anders. Ich war so darauf fokussiert, die offensichtlichen Streitigkeiten über Care-Arbeit und Co. zu lösen, dass ich nicht verstand, dass nicht die Care-Arbeit, sondern mein angepasstes Verhalten das Problem war. Durch mein People Pleasing und die damit verbundene regelmäßige Unterdrückung meiner eigenen Bedürfnisse bekam die wichtigste Beziehung in meinem Leben zu wenig Aufmerksamkeit. Die Beziehung zu mir selbst.

Das, was also in Wirklichkeit die Streitigkeiten auslöste, war mein innerer, rebellierender Kompass. Er hatte mir etwas zu sagen und ich wollte nicht zuhören. Also tat mein Unterbewusstsein das, was in der Vergangenheit super funktionierte, um Aufmerksamkeit zu bekommen: Drama. Dabei war es so „leicht“, die Rolle im Drama meines Lebens wieder aufzunehmen. Ich fiel in den Verteidigungsmodus und wehrte mich mit „Du hast aber …“-Sätzen. Das war auch einfacher als mir einzugestehen, dass ich gerade Mist mache. Doch irgendwann kommt immer der Punkt, an dem der Schmerz unerträglich ist und dann schaut man hin.

Dabei hatte ich folgende Erkenntnisse:

1. Beziehungen sind mir wichtig, aber ich will nicht mehr behaupten, ich wäre gut darin.

Beziehungen sind und waren schon immer das Wichtigste in meinem Leben. Und ich investiere gern viel Zeit und Liebe in sie, aber ich will nicht mehr sagen, dass ich gut darin bin, Beziehungen zu führen. Das ist nicht mehr zielführend für mich. Ich habe einfach gemerkt, dass mir die Haltung richtig gut darin zu sein, die Chance nimmt, noch besser zu werden. Ähnlich wie beim Fahrrad Fahren. Ab dem Zeitpunkt, wenn ich mir sicher war, dass ich Fahrrad fahren kann, hat sich meine Leistung und mein Können nicht mehr großartig verbessert. Ich fahre noch genauso wie vor 20 Jahren. Und das ist etwas, was ich für meine Beziehungen nicht will. Ich will in 20 Jahren noch bessere Beziehungen führen können als heute.

Ich will in 20 Jahren noch bessere Beziehungen führen können als heute.

2. Ich war in der Vergangenheit oft ein People Pleaser.

Trotz meiner ganzen Bemühungen, das Gegenteil zu tun, neige ich immer noch dazu, meine eigenen Bedürfnisse zu verdrängen und lieber die der anderen zu erfüllen. Nicht immer. Nicht durchgängig. Aber People Pleasing scheint eine unterbewusste Konfliktlösungsstrategie von mir zu sein. Immer dann, wenn mir die Herausforderung oder der Konflikt zu groß erscheint und ich mich überfordert oder verängstigt fühle, verwandele ich mich in einen People Pleaser. Und das, obwohl „Nein.“ einer meiner Lieblingssätze ist.

3. Wenn ich versuche zu gefallen, gefalle ich am Ende niemanden mehr.

Bei den Streitereien mit meinem Mann dachte ich irgendwann, dass wir nur streiten, weil ihm XY an mir nicht gefällt. Dabei war der eigentliche Grund, dass ihm mein Versuch zu gefallen, nicht gefiel. Anstatt vorhandene Konflikte lösen zu wollen, fing ich an, sie zu vermeiden.

Ich fing an, Dinge der Harmonie wegen zu tun. Das Problem war nur, dass ich eigentlich keinen Bock drauf hatte und innerlich dadurch in eine „Das mache ich alles nur für dich“-Haltung verfiel. Das führte wiederum dazu, dass ich unterbewusst eine Gegenleistung von ihm erwartete. Ich wollte eine große Portion Wertschätzung für meine „selbstlosen Taten“. Erhielt ich diese nicht, nagte das an meinem Selbstwert. Und der schwindende Selbstwert führte dann wieder zu noch mehr Anpassung und Erwartungshaltung und dementsprechend auch zu Streitigkeiten. Ein Teufelskreis. Der erst aufhörte als ich aufhörte, ihm gefallen zu wollen.

Ich habe in den letzten Jahren viel dazu gelernt und darauf bin ich auch sehr stolz.

4. Ehrlich zu sich selbst zu sein, ist manchmal ganz schön schwer.

Das war das Schwierigste überhaupt: Mir ehrlich einzugestehen, dass ich noch nicht so erleuchtet/bewusst/emotional reif bin wie ich es gerne wäre. Und das ich manchmal ein People Pleaser bin. Im Prinzip hätte ich auch früher drauf kommen können, denn laut Autorin Mel Robbins ist „Nicht genug“ einer der Kernglaubenssatz hinter People Pleasing. Und das ist definitiv immer noch mein persönliches Thema.

Ich habe in den letzten Jahren viel dazu gelernt und darauf bin ich auch sehr stolz. Doch je mehr ich lerne, desto mehr wird mir bewusst wie wenig ich weiß. Mein Ego findet diese Erkenntnis ziemlich blöd, auch die Ehrlichkeit zu mir selbst. Doch mein Herz freut sich darüber. Es ist ein weiterer Schritt in Richtung Selbstfindung und authentisches Ich.

5. Ich will üben, mit mir allein klarzukommen.

Es fühlt sich lächerlich und beschämend an diesen Satz als 36-jährige Frau, die mit beiden Beinen im Leben steht, zu schreiben. Dennoch ist es die Wahrheit. Ich kann es noch nicht. Ich muss erst lernen, selbst für meine innere emotionale Balance zu sorgen, ganz egal, was für ein Orkan draußen tobt. Meinen Selbstwert will ich nicht länger von der Reaktion und der Meinung anderer abhängig machen, auch nicht von der meiner Herzmenschen. Und gleichzeitig will ich lernen, meine eigenen Bedürfnisse noch besser wahrzunehmen, sie zu benennen und dann auch für sie einzustehen. Und das nicht nur unter Tränen, wenn das Fass übergelaufen ist.

Ich will noch bessere Beziehungen führen. Und um dieses Ziel zu erreichen, muss ich, glaube ich, erst eine noch bessere Beziehung zu mir selbst führen. Deshalb ist mein erster Ansatz noch mehr Zeit, mit mir allein zu verbringen. Seit Januar lade ich mich jeden Monat selbst auf Dates ein. Denn meine Freizeit mit mir allein zu verbringen, ist definitiv außerhalb meiner Wohlfühlzone. Also genau da, wo Wachstum stattfindet.

Meine Freizeit mit mir allein zu verbringen, ist definitiv außerhalb meiner Wohlfühlzone. Also genau da, wo Wachstum stattfindet.

Wenn du jetzt den Text gelesen hast und dir denkst, das Thema People Pleasing kommt mir definitiv bekannt vor, dann habe ich noch ein paar Fragen, die dir beim Reflektieren helfen können:

• Wann war das letzte Mal, dass ich mich selbst an erste Stelle gestellt habe? Was kann ich aus dieser Situation lernen?

• In welchen Situationen neige ich dazu, anderen gefallen zu wollen? Wie fühle ich mich dabei? Wie fühle ich mich dabei, wenn ich trotz meines angepassten Verhaltens immer noch nicht gefalle?

• Was erhoffe ich mir von meinem angepassten Verhalten? Welcher tiefere Wunsch steckt hinter dem „gefallen wollen“? Und wie kann ich diesen auf eine gesündere Art in mein Leben holen?

• Wenn ich Ja zu anderen sage, zu welchem meiner Bedürfnisse sage ich dann in dem Moment Nein? Und ist es das wert?

Foto: Adobe Stock

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