Kaffee vor vier und dann ein (Craft) Bier: Willkommen bei den Brews Brothers!

Brühkunst trifft auf Braukunst: Bei den „Brews Brothers“ auf Hamburg-St. Pauli gibt es kein Craft Beer vor vier – stattdessen leckeren Kaffee vom Barista. Erst abends wird die Kaffeetheke gegen zwölf Zapfhähne ausgetauscht, die mit verschiedenen und allesamt spannenden Craft Bieren belegt sind. Hinter dem Konzept stecken Dominik Großefeld, Betreiber des legendären „Silbersacks“, und Oliver Wesseloh, seines Zeichens Bier-Sommelier und Bierbrauer – ihm gehört die „Kehrwieder Brauerei“ in Harburg. Warum die beiden das perfekte Team sind, warum jeder Gastro-Gründer mal einen Marathon laufen sollte und was das leckerste Craft Beer im Sommer ist, erzählen Oliver und Dominik uns in ihrem neuen Lokal in der Talstraße 29.

 

Wir haben uns unser eigenes Wohnzimmer geschaffen!

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Die Kaffee & Bier Bar „Brews Brothers“ hat gerade frisch auf Hamburg-St. Pauli eröffnet!

homtastics: Warum passen Bier und Kaffee in eurem Fall so gut zusammen?

Oliver Wesseloh: Unser Konzept war tatsächlich von Anfang an, ausgewählte Biere und Bier-Cocktails zusammen mit tollem Kaffee von dem Rösterei-Kollektiv Quichote anzubieten. Mit denen haben wir bei Kehrwieder schon öfters zusammengearbeitet und Biere entwickelt. Jetzt wird gegen Abend die Kaffee-Bar gegen zwölf Zapfhähne getauscht. Eigentlich haben wir uns hier unser eigenes Wohnzimmer geschaffen!

Dominik Großefeld: Wenn es nicht läuft, sitzen wir einfach selber hier rum. (Lacht)

Noch mal für die Spätzünder: Warum ist Craft Bier das bessere Bier?

Oliver: Es ist auf jeden Fall das spannendere Bier! Ich kenne es von meinem Freundeskreis in den USA, dass sich dort viele vom Bier abgewandt haben, weil es ihnen zu langweilig war. Viele Biere sind austauschbar, kaum zu unterscheiden und nicht wirklich spannend bei einer Verköstigung. Viele haben einfach Wein getrunken und entdecken jetzt mit dem Craft Beer, dass Bier durchaus Charakter und unterschiedliche Geschmäcker haben kann.

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Wir treffen Gastronom Dominik Großefeld und Biersommelier-Weltmeister Oliver Wesseloh zum Interview.

Das ist das eigentlich Schöne am Craft Beer, dass du eine Geschichte dazu erzählen kannst.

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Könnt ihr verstehen, dass manchen Craft Beer zu schickimicki ist?

Oliver: Craft Beer hat immer noch die Etiketten nerdig, snobistisch und teuer – das wollen wir aufbrechen. Ein normales Bier kostet bei uns 3,50 Euro, das ist absolut moderat. Raritäten haben wir natürlich auch da. Ein im Holzfass gereiftes Stout mit 14 Prozent Alkohol kostet dann eben 12 Euro.

Die Fraktion, die lieber ein ehrliches Holsten oder Astra will, wird es vermutlich dennoch immer geben.

Dominik: Mit dem Silbersack bin ich ein bisschen näher dran an der Thematik, das Fofftein Craft Beer, was wir zusammen mit Kehrwieder entwickelt haben, geht eben nicht immer. Am Wochenende, wenn das Aufgebot der Gäste eher touristischer Natur ist und meist zum Saufen auf den Kiez kommt, ist Bier für die Masse gefragt. Das muss günstig sein und wirken. Dann gibt es aber noch das Thema Genuss und mit den Gästen, die unter der Woche kommen, kann ich auch in Ruhe über Craft Beer sprechen. Das ist ja das eigentlich Schöne am Craft Beer, dass du eine Geschichte dazu erzählen kannst.

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Zu uns kommen die Leute zum Genießen.

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Wo steht das Craft Beer gerade – werden die Leute experimentierfreudiger?

Dominik: Das Craft Beer steckt immer noch in den Kinderschuhen, es hat noch lange nicht seinen Zenit erreicht. Die großen Brauereien versuchen mittlerweile ebenfalls, in diese kleine Nische vorzudringen. Sie tun so, als würden sie sich spezielle Biere ausdenken, die sie in ganz kleinen Margen brauen. Auf einmal haben sie dunkle Biere mit im Sortiment, was gar nicht ihr Fachbereich ist. In Wirklichkeit wurde nur Farbstoff hinzugefügt, was mit dem Reinheitsgebot konform geht.

Auf der einen Seite wird hier also etwas gemauschelt, auf der anderen Seite wird so der Markt geöffnet, was für uns keine schlechte Sache ist. Grundsätzlich wird den Leuten gezeigt, dass es noch mehr Biere außer dem Pils gibt. Wenn die Leute gemerkt haben, was es so alles gibt, können sie gern zu uns kommen und die richtig guten Biere aus dem Bereich probieren. Die Missionarsarbeit machen an der Stelle aber tatsächlich die Großen.

Oliver: Zu uns kommen die Leute zum Genießen. Bei uns ist um 23 Uhr dicht, wir wollen hier nicht die ganzen Junggesellenabschiede haben. Die Leute sollen hier entspannt Spaß haben, manchmal lassen wir auch locker bis 1 oder 2 Uhr laufen. Es ist ein angenehmes Publikum da, ohne Ausfallerscheinungen. Zum Abschießen gibt es genug Läden drumherum. Hier treffen sich Freunde und Nachbarn.

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Welches Craft Beer sollte jeder mal probiert haben?

Oliver: Das spannendste Bier und bestgehendste Bier bei Kehrwieder ist tatsächlich ein alkoholfreies IPA.

Dominik: Im Sommer finde ich die Grisette von Zeebrugge bezaubernd, mit nur 3,8 Prozent Alkohol. Das Bier wurde ursprünglich für belgische Minenarbeiter gebraut, die graue Bekleidung trugen. Es hat keine Restsüße und ist sommerlich leicht und verspielt, aber eben nicht langweilig.

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Barista Matt Roebuck hat direkt bei Kaffeebauern in Ecuador gearbeitet.

Wenn wir gegeneinander arbeiten, dann gewinnen am Ende die Konzerne.

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Wie ist der Zusammenhalt unter den Bierbrauern? Gibt es viel Konkurrenz?

Oliver: Nein, stattdessen gibt es einen regen Austausch. Es gibt den Gedanken der Gemeinsamkeit. Bei uns ist die Hälfte der Zapfhähne von befreundeten Brauereien belegt. Wir waren letztens mit Kehrwieder als Tap Takeover bei Landgang zu Gast. Also ja, wir tauschen uns aus und haben das Grundverständnis, dass wir nur gemeinsam gewinnen können. Wenn wir gegeneinander arbeiten, dann gewinnen am Ende die Konzerne.

Was hat euch bei der Planungsphase eures Lokals am Leben gehalten?

Dominik: Der Kaffee!

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Oliver Wesseloh ist Gründer der Hamburger „Kreativbrauerei Kehrwieder“, einer der Pioniere der deutschen Craft Beer Szene!

Ohne Blaupause an den Start zu gehen, ist ein reiner Blindflug.

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Brews Brothers ist der erste Ort in Hamburg, an dem man fernab der Rösterei „Quijote“ Kaffee kaufen kann.

Was waren die Herausforderungen?

Oliver: So viel Zeit hast du nicht! (Lacht)

Dominik: Die Idee hatten wir vor einem Jahr, da haben wir das Objekt, was wir gern gehabt hätten, aber leider nicht bekommen. Wenn sich eine Immobilie auf St. Pauli auftut, musst du schnell sein. Und genau so haben wir es diesmal gemacht. Aber ab dem Moment, wenn du die Zusage für die Immobilie hast, bist du permanent im Dauerstress. Ich habe mal innerhalb von elf Tagen ein Lokal saniert und aufgemacht, aber das war die Ausnahme.

Wie lange hat es hier gedauert?

Oliver: Fast ein halbes Jahr, was damit zusammenhing, dass die zentrale Abwasserleitung im Keller beschädigt war und die Rohre über drei Monate lang erneuert werden mussten.

Wie habt ihr die Zeit finanziell überbrückt?

Dominik: Das war eine Herausforderung, keine Frage. Ohne Blaupause an den Start zu gehen, ist sowieso immer ein reiner Blindflug. Du musst das Konzept schnell darstellen können um zu wissen, ob die Nummer funktioniert.

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Bei den „Brews Brothers“ soll nach Möglichkeit kein Müll entstehen – ganz nach dem Zero-Waste-Ansatz.

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Marathon laufen ist eine mentale Schärfung.

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Was ist euer ultimativer unternehmerischer Tipp?

Dominik: Mein Tipp für jeden, der Ähnliches plant, wäre, einen Marathon zu laufen. Ich kenne diesen Moment, wenn du denkst, dass du deine absolute Grenze erreicht hast, aber dann spürst du plötzlich einen nächsten Moment, eine Restenergie, mit der du die letzten zwölf Kilometer schaffst. Vielleicht musst du dich übergeben oder pinkelst dich ein, aber du schaffst es. Marathon laufen ist eine mentale Schärfung.

Gab es irgendwas in der Fertigstellungsphase, was leichter ging als gedacht?

Oliver: Ausnahmslos nichts.

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Was macht ihr, wenn euer Konzept nicht aufgeht?

Oliver: Unser Konzept ist nicht in Stein gemeißelt und wir können an verschiedenen Stellschrauben drehen. Beispielsweise können wir die Öffnungszeiten noch ausdehnen, oder die Karte variieren. Wir haben extra Bier-Cocktails entwickelt, da sind wir tatsächlich missionarisch unterwegs. Künftig wollen wir auch noch Kleinigkeiten zum Essen anbieten. Tastings machen wir bereits. Kleine Events wie Weihnachtsfeiern können wir hier ausrichten.

Klingt super, viel Erfolg und vielen Dank für das nette Gespräch!

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Hier findet ihr die „Brews Brothers“:

Talstraße 29, 20359 Hamburg

Fotos: Sarah Buth

Layout: Kaja Paradiek

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