In der Berliner Inselstraße hat Charissa Chioccarelli eine außergewöhnliche, kreative Insel für Frauen geschaffen. In ihrem Laden“Isla“ wird professionelle Nail Art mit allen erdenklichen Designs kreiert – von Glitzer über Flammen bis zu Animal-Muster. Dazu gibt es eine „Braid Bar“, die neuesten Streetwear-Trends sowie Mode und Accessoires von lokalen Berliner Brands. Außerdem kann man hier an einem DJ-Pult das Auflegen lernen. Insgesamt soll „Isla“ ein inklusiver, sicherer und produktiver Ort für junge Frauen sein, die sich für die Szene interessieren. Mit der 29-jährigen gebürtigen Niederländerin sprechen wir über ihre Liebe zu Nail Art und wie sie Female Empowerment lebt.
Charissa Chioccarelli: Die ganze Idee fing mit der Nail Art an. Ich liebe es, mir meine Nägel machen zu lassen, aber ich konnte in Berlin keinen guten Salon finden, bei dem ich mit dem Ergebnis wirklich zufrieden war. Ich folge all diesen Instagram-Accounts mit der coolsten Nail Art, das ist ein großes Thema für mich. Irgendwann dachte ich mir: Wenn ich diese Leidenschaft habe, geht es anderen Frauen in Berlin bestimmt ähnlich!
Ich wollte kein klassisches Nagelstudio eröffnen, sondern es mit etwas kombinieren, von dem ich mehr Ahnung habe. Da ich vorher in der Modebranche gearbeitet habe, lag es für mich nahe, Mode einzubringen. Ich fing mit Streetwear an, weil ich in Berlin keinen coolen Streetwear-Shop finden konnte, der nicht total männerdominiert ist. Hinzu kam das DJing – die Idee dahinter ist, dass speziell Frauen zu uns in den Shop kommen und üben können. Ich lege selbst auf und es ist super schwer, Equipment zum Üben zu finden.
Ich bin für ein Jobangebot von Zalando nach Berlin gezogen. Ich habe dort vor vier Jahren die Abteilung für Social Media Influencer Marketing mit aufgebaut. Mit Mode hatte ich mich schon in meinem Studium beschäftigt: Ich habe Business am „Amsterdam Fashion Institute“ studiert, mit Mode im Nebenfach.
Wir sind sehr on trend, am Puls der Zeit, richtungsweisend. In letzter Zeit gibt es immer mehr Salons, die Nail Art anbieten – was ich toll finde, weil das die Szene belebt. Als wir starteten gab es diese Szene in Berlin noch nicht. Außerdem haben wir die Erfahrung gemacht, dass viele Leute denken, dass es schlecht für die Nägel sei, Shellac oder Gel-Lack zu verwenden. Wir unterscheiden uns durch die Art und Weise, wie wir den Lack auftragen und entfernen sowie durch die Qualität der Produkte. Wir verwenden nur High-End-Produkte. Zum Entfernen des Nagellacks benutzen wir niemals elektrische Feilen, sondern machen alles von Hand. Es dauert natürlich länger, aber es ist um Welten besser für die Nägel.
Wir versuchen eher, Trends vorzugeben als sie nachzumachen. Wir fokussieren uns auf die „Art“ in Nail Art. Die jungen Ladies, die hier arbeiten, sind viel in der Szene unterwegs, beschäftigen sich mit Trends, Mode und Subkultur. Die wissen, was angesagt ist. (lacht)
So genau weiß ich das nicht. Da ich schon immer einen sportlichen Tomboy-Style hatte, wollte ich meine Nägel gemacht bekommen, als eine Art Kontrast. Ich hatte in den letzten Jahren immer Shellac drauf. Meine Nägel waren immer gemacht, ich liebe den Look. Außerdem ist es so praktisch: Es dauert eine Stunde oder weniger, und dann hast du rund drei Wochen etwas davon und brauchst dich nicht mehr darum zu kümmern. Als ich meine Nägel früher noch selbst lackiert habe, ist schon nach zwei Tagen der Lack abgeplatzt. So bin ich zu Shellac gekommen und dann von Shellac zu Extensions.
In Amsterdam, wo ich vorher gewohnt habe, ist sie leider auch nicht groß, aber auch dort wächst die Szene, genau wie hier in Berlin. Es ist viel beliebter geworden und immer mehr Girls sind süchtig danach, sich die Nägel machen zu lassen, was ich eine tolle Entwicklung finde. In London ist es in den letzten zehn Jahre schon sehr beliebt gewesen. Deshalb habe ich auch Maddy aus London zu „Isla“ geholt, mit ihr habe ich alles gestartet.
Im Moment stehen die Leute total auf „Jelly-Nails“, das sind durchsichtige, bunte Nägel. Besonders mit Extensions sehen sie echt cool aus und sie passen super zum Sommer. Auch das Flammen-Design ist erfolgreich.
Wenn du dich fürs Auflegen interessierst und anfangen möchtest, ist es ziemlich teuer, dir gleich ein eigenes Set zu kaufen. Wir bieten eine gute Möglichkeit für Frauen, hereinzukommen und zu üben und so herauszufinden, ob das Auflegen überhaupt etwas für sie ist. Die andere Möglichkeit zu üben, wäre in einem Club mit anderen Leuten. Aber natürlich ist es besser, sich vor einem Club-Auftritt wohl und sicher zu fühlen, denn es ist in der Regel eine sehr männerdominierte Atmosphäre, die meisten DJs sind weiße Typen. Daher ist es für Frauen sehr schwer, überhaupt in die Szene hinein zu kommen. Nicht unmöglich, aber im Allgemeinen ist es für Frauen auf jeden Fall schwieriger als für Männer.
Die anderen Events, die wir hier machen, sind thematisch breit gefächert – von Kunst über Musik bis zu Kristallen und moderner „Hexerei“. Gerade planen wir ein Pop-Up mit einem Beauty-Kollektiv aus dem Ausland. Ich informiere mich viel darüber, was in anderen coolen Städten in Europa grade angesagt ist und bin immer offen zu kooperieren oder andere Künstlerkollektive nach Berlin zu holen. Es ist mein Anliegen, Brücken überall hin zu bauen, damit ein reger Austausch stattfinden kann.
Ja, wir haben einen Raum für Frauen von Frauen geschaffen. Wir verkaufen auch Herrenbekleidung, aber normalerweise in kleineren Größen für Frauen; und wenn wir DJs oder Fotografinnen buchen, versuchen wir, mit Frauen zu arbeiten. Es ist aber nicht so, dass wir Männer kategorisch ausschließen.
Als Fremder ein Business zu gründen, ist nicht leicht, vor allem nicht mit deutscher Bürokratie. (lacht) Zum Glück habe ich sehr viel Hilfe bekommen. Ich habe eine Art Business Mentor, er ist auch Niederländer, aber spricht besser Deutsch als ich. Er hat mir viel mit der Administration geholfen und mich beispielsweise bei Terminen und Behördengängen unterstützt. Was schwierig war: „Isla“ passt nicht in eine genaue Kategorie. Wir sind weder auschließlich Nagel-Salon noch nur Shop. Das Konzept musste ich den Behörden erst einmal erklären.
Wir hatten total Glück. Wir teilen uns die Räume mit „Obey“. Ich habe da Bekannte und als ich mit ihnen über das Konzept von „Isla“ sprach, haben sie uns unterstützt und boten mir an, den vorderen Teil ihres Büros zu mieten. Wir verkaufen auch Mode von „Obey“ im Shop und so unterstützen wir uns gegenseitig und arbeiten eng zusammen.
Es läuft sogar besser als ich es mir vorgestellt hatte. Wir haben so viel tolles Feedback bekommen und sogar Leute aus dem Ausland buchen Termine bei uns. Also ja: Insgesamt übertrifft es meine Erwartungen, vor allem in nur zwei Jahren, das macht mich wirklich glücklich.
Das klingt so leicht, aber: Just do it! Versuch‘ es einfach und hol‘ dir soviel Hilfe von deinem Umfeld wie möglich. Tausche dich viel mit anderen Entrepreneurs aus. Zögere nicht, um Hilfe zu bitten. Man kann nicht alles alleine schaffen! Und man muss sich bewusst sein, dass es eine super toughe Zeit wird, gerade in der Anfangsphase. Aber das ist es sowas von Wert!
Ich würde gerne weltweit „Isla“ Shops eröffnen. Wir werden im September ein Pop-Up in New York machen, um zu sehen, wie die Leute dort auf „Isla“ reagieren. Irgendwann würde ich gerne Ableger von „Isla“ in den coolen Städten auf der ganzen Welt eröffnen!
Wir arbeiten viel mit jungen, talentierten Frauen auf der ganzen Welt zusammen und ich hoffe, dies auch weiterhin tun zu können, unabhängig davon, wie viel wir potenziell wachsen. Ich würde gerne einmal an Rihannas Nail Art-Konzept für eines ihrer Musikvideos arbeiten! (lacht)
Inselstraße 13, Berlin
Fotos: Sophia Lukasch
Interview: Marie Freise
Layout: Kaja Paradiek
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