Früher wurden Seemannslieder auf Schiffen während der schweren Arbeit gesungen, damit das Einholen der Segel und Schaufeln der Kohle etwas leichter fiel. Mit dem Zeitalter der Maschinen starb dieses Brauchtum langsam aus und viele Lieder gerieten in Vergessenheit. Zwei Seefrauen sind dabei, das zu ändern. Egal, ob Shanty, Schlager oder Chanson: Franziska Rademacher und Wiebke Kruse alias Franz Albers und Käpt’n Kruse holen fast vergessene Perlen an die Oberfläche, interpretieren sie neu und sind damit ziemlich erfolgreich. Wir treffen die beiden auf St. Pauli zum Frühstück und machen einen gemütlichen Spaziergang zum Hans-Albers-Denkmal – wohin auch sonst?
femtastics: Ich nehme an, ihr habt schon immer gesungen, oder?
Wiebke Kruse: Als Kind habe ich gerne gesungen und im Kinderchor eine Freundin kennengelernt, deren Mutter Sängerin ist. Die hat mich so beeindruckt, dass ich mit zehn Jahren auch Sängerin werden wollte. Ich habe dann Klavierunterricht und später bei besagter Mutter Gesangsunterricht genommen. Irgendwann habe ich mich für den „Landesjugendchor Schleswig-Holstein“ beworben, wo ich wiederum Franzi kennenlernte. Später habe ich dann Gesang in Graz studiert.
Franzi Rademacher: Ich komme aus einer Musiker-Familie, mein Vater ist Geiger und meine Mutter ist Cellistin. Bei uns wurde schon immer sehr viel gesungen. Überall standen Instrumente rum und meine Eltern haben viel unterrichtet. Es war selbstverständlich, dass Musik immer eine große Rolle in meinem Leben spielen würde. Also habe ich Musikpädagogik mit Klavier im Hauptfach in Hamburg studiert.
Und wie habt ihr beide euch kennengelernt?
Franzi: Das war mit siebzehn Jahren im Landesjugendchor Schleswig-Holstein.
Wiebke: Franzi hat Alt und ich Sopran gesungen. Mit achtzehn haben wir mit zwei Freunden ein Vokal-Ensemble gegründet und uns angefreundet. Wir haben dann öfters zusammen gesungen, meistens olle Tonfilmschlager aus dem Sammelband ‚Ich bin von Kopf bis Fuß auf Kino eingestellt‘.
Ich finde es cool, dass junge Leute dieses alte Liedgut lebendig halten.
Wann kam die zündende Idee, derbe maritime Schlagermusik zu machen?
Wiebke: Als ich in Graz studiert habe, lernte ich vier steierische Mädels kennen, die ein A Capella-Quartett haben und richtig alte Volksmusik performen. Ich finde es cool, dass junge Leute dieses alte Liedgut lebendig halten. Dann vererbte mein Großonkel Max, der früher selber als Techniker zur See gefahren ist, mir einen Packen unglaublich schöne vergilbte Notenblätter. Da sind teilweise noch die Bierdeckelabdrücke von Abenden in der Kombüse drauf, wenn er mit Freunden Musik unter Deck gemacht hat. Dann bin ich zurück nach Hamburg gezogen, und habe Franzi in einem rauschigen Moment in der Prinzenbar gefragt, ob wir diese Lieder nicht performen wollen.
Ist der Shanty vom Aussterben bedroht?
Wiebke: Nein, Bands wie Santiano singen ja Shantys. Die Seefahrtsromantik gibt es so natürlich nicht mehr, die Matrosen haben jetzt andere Aufgaben als Taue einzuholen und dabei Shantys zu singen.
Wir geben generell nicht viel auf Geschlechterrollen und zeigen das spielerisch.
Warum sind Shanty-Chöre meistens männlich?
Wiebke: So wie der Job des Seefahrers an sich großteils in Männerhand geblieben ist, ist es die Musik wahrscheinlich auch. Es ist eine unglaublich männerdominierte Musik, deswegen müssen wir da bei den Texten oft eingreifen. Wir ändern sie oder kommentieren sie. Und wir heißen eben der Franz und der Käptn. Wir spielen damit, sind aber trotzdem Wiebke und Franzi auf der Bühne. Wir geben generell nicht viel auf Geschlechterrollen und zeigen das spielerisch.
Jetzt ist eure Musik nicht die trendigste und ich könnte mir vorstellen, dass ihr manchmal auch Stirnrunzeln begegnet, wenn ihr davon erzählt. Was entgegnet ihr den Leuten?
Wiebke: Wir bedienen relativ viel, was für ein Zögern sorgt: Wir kommen aus der klassischen Musik und unsere Lieder sind nicht für jeden was. Deswegen haben wir statt einer CD jetzt erstmal einen Live-Trailer produziert. Bei uns geht es um das Gesamtprodukt.
Franzi: Und wir bedienen nicht den Schlager à la Helene Fischer oder Andrea Berg, sondern eben die alten Tonfilmklassiker. Das geht eher in die Chanson-Richtung. Bei den Seemannsliedern wiederum singt das Publikum meistens mit. Und hier ist die Thematik: raus in die Welt, frei sein, Neues ausprobieren und gleichzeitig die Suche nach Heimat und Identität. Mit diesen Themen können viele Menschen etwas anfangen.
Wer ist euer Publikum?
Franzi: Wir schätzen es sehr, dass unser Publikum von jung bis alt reicht und auch die Spielstätten total divers sind. Kneipen, Festivals, wie zum Beispiel die Festsspiele Mecklenburg-Vorpommern, das wunderschöne Hansa-Theater am Steindamm, Barkassenfahrten mit den Leuten von „A Wall is a Screen“, die super Bühne der „Sargfabrik“ in Wien und auch eine Reeperbahnmottoparty in Neuss waren unter anderem dabei. Wir sprechen ganz unterschiedliche Menschen an und catchen sie mit den Stücken. Oft lösen wir etwas aus, die Menschen erinnern sich an bestimmte Momente. Das ist eigentlich das Schönste für einen Musiker, wenn man es schafft, Menschen zu berühren.
Wir haben auch Stücke von Element of Crime oder von Das Bo mit dabei.
Wonach stellt ihr euer Repertoire zusammen?
Wiebke: Wir haben mit den alten Notenblättern von meinem Großonkel und den Tonfilmschlagern angefangen – das haben wir noch lange nicht erschöpft.
Franzi: Ansonsten alles, was uns gefällt und inspiriert. Wir haben auch Stücke von Element of Crime oder von Das Bo mit dabei.
Und dann entwickelt ihr eine eigene Interpretation?
Franzi: Wir müssen die Stücke immer für uns arrangieren. Wir treffen uns und entwickeln das zusammen in der Probe.
Wiebke: Ich gehe auch oft über die Texte rüber, inhaltlich geht es oft um Seemänner, die in jedem Hafen ’ne andere haben. Da haben wir als Frauen natürlich auch nicht so Bock drauf, das zu singen.
Ihr seid ja schon gut gebucht – wo würdet ihr gern mal spielen?
Wiebke: Mein großer Traum war immer, als Vorband von Udo Jürgens aufzutreten. Daraus wird leider nichts mehr. Jetzt träume ich davon, als Vorband von Ulrich Tukur aufzutreten.
Was macht ihr, wenn ihr nicht singt?
Wiebke: Abgammeln.
Franzi: Chillen und Playstation.
Und daily jobs habt ihr wahrscheinlich auch noch, oder?
Wiebke: Klar, wir haben Nebenjobs. Ich unterrichte Gesangspädagogik und leite Kinderchöre in Rostock. Manchmal kellnere ich auch.
Franzi: Ich arbeite auch in Cafés, unterrichte nebenbei oder mache Projektmanagement im Kulturmanagement.
Was steht als Nächstes an?
Wiebke: Worauf wir uns wirklich sehr freuen, ist die Produktion von Moritz Matzmoor und Marcel Reimanns Film „Kiel holen“, in dem es um einen älteren Seemann in Schleswig-Holstein geht, bei dessen Schiff leider der Kiel kaputt geht. Er muss sich auf den Weg nach Finnland machen, wo dieser repariert werden kann und macht auf diesem Törn viele interessante Begegnungen. Ein Film, der FAKK wie auf den Leib geschneidert ist. Wir freuen uns tierisch drauf, Musik beisteuern zu dürfen!
Wir sind gespannt, vielen Dank für das Gespräch!
8 Kommentare
Toll, große Klasse, Mädels und darum haben wir einen Wunsch, eine Frage:
„Würden Sie, würdet Ihr, bei uns, am Sam. d. 26.08.2017, auf unserer goldenen Hochzeuit, im alten Land Hotel „Altes Land“ in Jork oder im „Grand Elysee“ oder im Übersee-Club-Hambur (Wir müssen uns noch entscheiden) …so gegen 15:00Uhr?.. so für 15 oder ? min, für uns singen? Info: Die Feier umfasst ca. 50 x Personen.
Wenn –> JA <– , dann bitte RA mit Kosten. (-:
Wenn NEIN, bitte auch eine RA. )-:
Ihr Henning Münster
Lieber Herr Münster,
die Mädels lesen hier nicht immer mit. 😉 Wir leiten ihre Anfrage aber gern weiter.
Herzliche Grüße!
Lieber und Mitleser,
zuerst einmal „DANKE?“ für die Weiterleitung, doch haben die „Beiden“ sich noch nicht hören lassen. Soll ich die „Beiden“ als nicht buchbar a‘ Akta legen?
MfG
Henning Münster