Produkte für Frauen sollten auch von Frauen entwickelt werden: Mit dieser Einstellung treffen die Schwestern Lina, 31, und Eva Wüller, 29, einen Nerv. Zwei Jahre nach der Gründung ihres Unternehmens „Ovy“ haben sie nicht nur erfolgreiche Hard- und Software-Items wie eine Zyklus-App, Bio-Tampons und ganz neu ein Bluetooth-Basalthermometer auf den Markt gebracht, sondern mit ihren Produkten auch das Privatleben vieler Frauen positiv beeinflusst.
Ihr Gefühl für Trends und Bedürfnisse auf dem Femtech-Markt rührt aus eigenen Erfahrungen: Weil die klassische „Zettel und Stift“-Methode zur natürlichen Verhütung für beide nicht funktionierte, Lina vor drei Jahren sogar ungewollt schwanger wurde, wollten die beiden Lösungen für Frauen mit ähnlichen Problemen anbieten. Gleichzeitig wuchs der Wunsch, die Female-Empowerment-Bewegung voranzutreiben. Wie sie dabei vorgehen und warum es wichtig ist, mit einem Partner zu gründen und Support aus der eigenen Familie zu erhalten? Für unsere Serie “Women support Women” – powered by Triumph – haben uns die Schwestern all das beim Interview in ihren Hamburger Büroräumen verraten.
Mit der neuen Kampagne #TogetherWeTriumph hebt Triumph das Thema Unterstützung auf eine höhere Ebene. Der Leitgedanke: Collective Empowerment. “Wir glauben, dass jede erfolgreiche Frau von einer anderen Frau unterstützt wird. Denn wenn Frauen sich gegenseitig unterstützen – passieren unglaubliche Dinge”, schreibt Triumph in seinem Manifesto zur Kampagne. Unter anderem hat Triumph Fakten dazu gesammelt, wie sich Frauen gegenseitig Mut machen und unterstützen.
Eva Wüller: Ich habe nach meinem BWL- und Psychologiestudium zunächst im Produktmarketing bei einer großen Kosmetikfirma gearbeitet. Da habe ich festgestellt, dass Konzernstrukturen nicht das sind, was ich wollte. Lina kommt aus dem Bereich Journalismus und war damals mit ihrer eigenen Agentur in der Aufbauphase und ich habe kurz mitgeholfen. Zu der Zeit wurde Lina gerade auf den Fertility- und Femtech-Markt aufmerksam, fand ihn spannend – und wir haben beschlossen, gemeinsam zu gründen.
Eva: Mein Hintergrund war der, dass ich die Pille nicht vertragen habe. Als ich sie testete, musste ich sie schnell wieder absetzen, das war wirklich schlimm. Ich hatte depressive Phasen und hätte mir Hilfe suchen müssen. Das war mein einziger Versuch mit der Pille. Ich dachte eh schon an natürliche Familienplanung; es gab aber nur Ideen auf dem Papier, keine Lösung, die zufriedenstellend war. So ist schließlich „Ovy“ entstanden.
Lina Wüller: Wir sind mit „Ovy“ in ein für uns ganz neues Feld geprescht und waren dabei ziemlich naiv – dadurch sind wir Risiken eingegangen, die andere vielleicht gescheut hätten. Außerdem ist der Bereich medizinischer Produkte sehr speziell und es müssen Zertifizierungen her. Das war uns bewusst, wir hatten uns ja im Vorfeld informiert. Wie lange es aber dauern würde, einen Partner dafür zu finden, hat uns etwas überrascht. Wir hatten keine Probleme, einen Produzenten in China zu finden, aber haben sehr viele schlechte Erfahrungen machen müssen mit gefälschten Zertifikaten.
Eva: Wir haben einen medizinischen Produkthersteller in Deutschland gesucht, der uns hilft, in China zu produzieren. Am Ende haben wir zum Glück die Beurer GmbH, einen Hersteller von Health- & Well-being Produkten gefunden, die dann auch zu unserem Investor wurde. Zusammen konnten wir das Produkt auf den Markt bringen. Bis dahin hat es aber zwei Jahre gedauert! Das liegt aber auch daran, dass es in Deutschland sehr schwer ist, medizinische Produkte auf den Markt zu bringen, weil die Stellen, die diese zertifizieren, überlastet sind.
Lina: Wir wollten, dass die Frau am Morgen keinen Stress hat. Der herkömmliche Weg wäre, dass du morgens deine Temperatur auf dem normalen Stabthermometer misst, die App aufmachst und deine Temperatur manuell einträgst. Das nimmt alles Zeit in Anspruch – mit unserem Thermometer musst du aber nur drei Dinge tun: Du nimmst es vom Nachttisch, schaltest es mit einem Knopfdruck an, hältst es unter die Zunge oder führst es vaginal ein, es misst drei Minuten und anschließend musst du nichts mehr machen, wenn deine App im Hintergrund geöffnet ist. Du musst nicht erst dein Handy nehmen und die App öffnen, sondern die Übertragung geschieht automatisch. Nachher siehst du anhand einer Push-Notification, ob die Temperatur übertragen wurde – es leuchtet kurz blau auf, du kannst aber auch eine Vibration oder einen Signalton einstellen. Wir haben auch mit der Kritik gearbeitet, die wir von Userinnen zu anderen Thermometern bekommen haben. Unter anderem wurde der laute Signalton kritisiert: Der Partner wird jeden Morgen wach und hat da gar keinen Bock mehr drauf. (beide lachen). Das haben wir geändert.
Eva: Es gibt ein Regelwerk, welches für die natürliche Familienplanung bzw. Temperaturmethode geschrieben und erforscht wurde. Es besagt, dass man mindestens drei Minuten messen muss, deshalb haben wir unser Thermometer auch so eingestellt.
Wir sind viele Risiken eingegangen, die andere vielleicht gescheut hätten.
Eva: Uns ging es darum, den Markt und unsere Kunden weiter bedienen und jetzt schon helfen können – und so kamen wir zu dem Schluss, unsere Zyklus-App schon vor dem Thermometer zu launchen. Sie war fertig und funktioniert auch mit einem Standard-Basalthermometer. Außerdem haben wir basierend auf Nutzerdaten festgestellt, dass es eine Nachfrage nach organischen Tampons gab und während des Zyklus der Wunsch nach natürlichen Mitteln, anstatt Medikamenten, bestand. So haben wir aus den Daten unser Produktportfolio aufgebaut. Das war sehr spannend, weil wir alle Produkte ganz nah an unseren Kundinnen ausrichten konnten.
Lina: Als Start-up reagierst du einfach auf die Situationen, die sich ergeben. Wir hatten immer die Idee, das Thermometer mit der App zu verbinden und sehen das nach wie vor als unser „Hero Produkt“. Auch die anderen Produkte funktionieren am besten mit der App: Sie zeigt an, wo im Zyklus du gerade bist und dementsprechend weißt du dann, welches Hardware-Produkt du anwenden solltest.
Lina: Wir wollten „Made in Germany“ machen, also hier zertifizierte Produkte. Dafür waren wir auf Messen und haben Gespräche geführt, haben unsere Produkte zusammen mit Wissenschaftlern und Ärzten konzipiert, und sie dann zusammen mit dem Hersteller auf den Markt gebracht.
Es ist es gut, wenn man in schwierigen Situationen nicht alleine ist. Deswegen ist ein Co-Founder, auf den man sich verlassen kann, so wichtig.
Eva: Das größte Learning war, gute Expertise und Partner zu finden. Wenn man als Gründer einen Markt betritt, mit dem man sich nicht auskennt, ist es sehr sinnvoll, sich vorher und rechtzeitig mit einem Partner zusammenzutun, der schon geschäftsfähig ist, um sich das bestehende Know-how zu holen. Das muss kein Investor sein. Ansonsten macht man viele Fehler – die sind teuer und das Geld ist knapp.
Lina: Ein großes Learning ist auch, dass man sich immer einen Co-Founder dazuholen sollte. Ich hatte vorher alleine eine Agentur und ich würde nie wieder ein Unternehmen alleine gründen! Du durchläufst so viele Phasen, in denen du den Kopf in den Sand stecken willst, weil nichts mehr geht, weil dir das Geld ausgeht, du Leute verlierst, Deals nicht zustande kommen, Produkte nicht performen, du verklagt wirst, weil Wettbewerber sich auf den Schlips getreten fühlen … Was auch immer, es passieren jeden Tag irgendwelche Sachen – und mit einem Partner fängt dich immer jemand auf. Es ist es gut, wenn man in schwierigen Situationen nicht alleine ist. Deswegen ist ein Co-Founder, auf den man sich verlassen kann, so wichtig. Aber auch, um eine gewisse Leichtigkeit beizubehalten. Als Gründer kann man sich gedanklich leicht in Dinge verrennen, aber wenn man die Leichtigkeit behält, funktioniert alles besser. Das mussten wir lernen, wir sind sehr ehrgeizig und sehr von Effizienz getrieben; da müssen aber alle mitspielen.
Mit der „Ovy“-App können Frauen auch unabhängig vom Thermometer ihren Zyklus natürlich verfolgen oder eine Schwangerschaft planen.
Eva: Man kennt sich sehr gut, man kann Kritik und Ehrlichkeit üben, ohne dass der andere einem das übel nimmt, wie das vielleicht bei einer Freundin der Fall wäre. Das ist sehr hilfreich, wir gleichen uns gut aus. Viele, die als Freunde gründen, zerstreiten sich, aber als Geschwister bist du tief verbunden. Wir haben früher auch oft gestritten, aber unser Versöhnungsprozess ist total etabliert und dadurch wissen wir: Wenn mal die Fetzen fliegen oder wir unterschiedlicher Meinung sind, wird es wieder gut.
Lina: Es ist natürlich sehr intensiv, mit der Familie zu gründen, weil es überall Schnittstellen gibt. Man sieht sich von morgens bis abends, am Wochenende, wenn etwas ansteht … Wir sind sowieso sehr eng und haben gleiche Freundeskreise, die Arbeit ist also immer ein Thema. Es vergeht kein Tag oder Abend, an dem wir nicht über die Firma reden. Das ist am Anfang total normal und das Gute ist, wenn man das in der Familie macht, dass es von beiden auch getragen wird und die gleiche Relevanz hat. Wir fahren auch zusammen in den Urlaub. Dann müssen wir darauf achten, dass jede von uns ihre Auszeiten findet; auch, um sich mal woanders Inspiration zu holen. Sonst befruchtet man sich immer nur gegenseitig.
Eva: Man passt sich der Gedankenstruktur des anderen sehr an. Wenn man sich keine Auszeiten nimmt, nutzt man die Diversität, die man eigentlich hat, nicht aus.
Lina: Es weiß auch jeder, dass man sich mit der Familie einfach nicht verkracht. Darum ist es auch für Investoren attraktiv, die wissen: Das ist Familie, die halten zusammen und gehen durch dick und dünn, egal was ist.
Wir wollten beide etwas Wertvolles auf den Markt bringen, was Frauen hilft und gebraucht wird.
Eva: Wenn uns das früher jemand gefragt hätte, hätten wir bestimmt mit Nein geantwortet. (beide lachen) Vorstellen konnten wir es uns schon, hatten es aber nicht konkret vor. Dann hat sich einfach durch die Situation ergeben. Wir hatten früher sehr unterschiedliche Lebenswege, waren beide im Ausland, aber in unterschiedlichen Ländern, haben nie zusammen an einem Ort gelebt. Als ich nach Hamburg kam, ging es auch schon in die Gründungsphase von „Ovy“. Wir wollten beide etwas Wertvolles auf den Markt bringen, was Frauen hilft und gebraucht wird. Unsere Familie ist in Medizin-Bereichen tätig und wir hatten immer ein Interesse daran, in diesem Bereich etwas beizutragen – selbst wenn wir keine Ärzte geworden sind.
Eva: Lina ist primär für Finanzen, HR, Marketing und PR zuständig. Ich habe zum Beispiel die Zertifizierung von Hardware und App betreut, dazu die Logistik.
Wir bekommen täglich viele lange, tolle E-Mails von Kundinnen, mit persönlichen Details zu hormonellen Problemen oder ihren Erfahrung zum Absetzen der Pille.
Lina: Wir nutzen unsere Mutter als medizinische Beraterin – als Ärztin kann sie uns mit ihren Erfahrungen gut helfen. Uns war wichtig, unseren Nutzerinnen wertvolle Informationen zur Verfügung stellen, weil wir mit Begriffen arbeiten, die vielleicht nicht jedem geläufig sind. Dazu hat unsere Mutter viel beigetragen.
Eva: Wir beziehen außerdem von Anfang an Ärzte von extern mit ein.
Lina: Design und App-Entwicklung machen wir intern. 2019 möchten wir unser Team weiter ausbauen. Im Start-up musst du erstmal beweisen, dass deine Idee funktioniert, das machst du mit einem kleinen Team und einer kleinen Anzahl an Produkten. Wenn du siehst, dass die Produkte gekauft werden und du den Umsatz machst, den du dir vorgenommen hast, wenn zusätzlich das Team oder die Struktur funktioniert, dann kannst du den nächsten Schritt gehen. Dann nimmst du neues Funding auf, um richtig zu wachsen. An dieser Stelle sind wir jetzt gerade. Unsere Produkte sind am Markt und performen, wir sind seit ein paar Monaten profitabel, das heißt, das Unternehmen trägt sich jetzt. Das ist ein Zeichen für Investoren, mit uns zusammenzuarbeiten. Wir haben vor, auch in den USA an den Markt zu gehen, aber das erfordert wieder andere Zertifizierungen. (lacht)
Eva: Der Trend geht definitiv von hormoneller Verhütung weg. Wir bekommen täglich viele lange, tolle E-Mails von Kundinnen, mit persönlichen Details zu hormonellen Problemen oder ihren Erfahrung zum Absetzen der Pille. Viele Frauen haben aber auch Anwendungsfragen zur natürlichen Familienplanung. Wir denken daher, dass man die Methode an sich noch mehr erklären und noch mehr aufklären muss, wie man bestimmte hormonelle Probleme auf natürliche Art und Weise lösen kann. Andere Frauen schreiben uns, dass sie mithilfe unserer App gleich im nächsten Zyklus schwanger wurden, nachdem sie es über ein Jahr versucht hatten. Das ist toll!
Wir merken, wie die Female-Empowerment-Bewegung immer mehr wächst. Das ist total spannend und dazu wollen wir weiter beitragen!
Lina: Beim Lesen denken wir oft: Krass, welche Erfahrungen nach Absetzen der Pille gemacht werden oder wie schwierig es manche Frauen haben, schwanger zu werden! Das ist ein akutes Problem, aber keiner spricht darüber. Wir möchten auch in Zukunft Feedback geben, was vielleicht hilft, diese Probleme zu lösen, und wenn es nur bei einer Frau ist. Wir werden im nächsten Jahr auch noch mehr Community-Events organisieren. Kürzlich haben wir ein Panel zum Launch unseres Bluetooth-Basalthermoteters veranstaltet, auf dem drei Frauen zu diesen Themen offen gesprochen haben – und dadurch haben sich andere Frauen untereinander auch geöffnet. Man muss einfach anfangen und mit gutem Beispiel vorangehen. So wie Eva, die die Pille nicht verträgt und kurz davor war, sich Hilfe zu suchen, geht es ja vielen Frauen! Ich bin damals ungewollt schwanger geworden, als ich begonnen habe, die Temperaturmethode zu nutzen. Über solche Themen spricht bislang niemand. Aber wenn man sich dafür öffnet, bekommt man Feedback von anderen, denen es genauso ging, zurück, und man merkt: Man ist nicht alleine damit, das ist normal.
Eva: Unsere Vision ist es, eine Art Woman-Care-Brand zu werden, die verschiedenste Probleme und Bedürfnisse sowohl Software- aber eben auch Hardware-Lösungen anbietet. Deswegen haben wir unser Produktspektrum aufgebaut. Wir möchten Tabus brechen und dabei helfen, über Themen wie die Menstruation oder Probleme beim Absetzen der Pille zu sprechen. Wir merken, wie die Female-Empowerment-Bewegung immer mehr wächst und was für eine starke Kraft entsteht, wenn bei unseren Events so viele Frauen im Raum sind und sich austauschen. Das ist total spannend und dazu wollen wir weiter beitragen!
Fotos: Sarah Buth
– Werbung: in Zusammenarbeit mit Triumph –
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