In den 30ern verändern sich viele Dinge – Jobs, Beziehungen, vielleicht sogar der Wohnort. Doch was ist mit Freundschaften? Während spontane Treffen früher an der Tagesordnung waren, braucht es heute oft mehr Planung. Wie können wir Freundschaften halten, wenn der Alltag immer voller wird? Sue Fengler gibt in ihrem neuen Buch „Less Stress in your 30s“ wertvolle Tipps, wie wir enge Verbindungen bewusst pflegen und vertiefen können. Das Buch beschäftigt sich mit effektivem Stressmanagement in den 30ern – von Karriere und Mental Load bis hin zu Freundschaften, die uns langfristig guttun. Hier bekommt ihr exklusiv einen Auszug daraus.
Manchmal ist Loslassen in Freundschaften wichtig, manchmal Aktiv werden, aber immer radikale Ehrlichkeit.
BFF – best friends forever. Das ultimative Ziel. Als ich Teenagerin war, da gab es diese unglaublich engen Freundschaften, bei denen wir uns so ähnlich waren und diese Gemeinsamkeiten feierten. Ich war nicht die, die ständig mit ihrer „besten Freundin“ verwechselt wurde. Aber dieses „immer zusammen sein und sehr viel Zeit miteinander verbringen“, das hat sich bei mir damals auch als die Essenz wahrer Freundschaft eingebrannt. Bis ins Erwachsenenalter.
Schließlich sah ich meine Kommilitoninnen jeden Tag in der Vorlesung oder spätestens beim gemeinsamen Mittagessen in der von uns favorisierten kleineren Mensa. Abends standen oft Unipartys oder Treffen in einer der vielen WGs an. Wir waren einfach ständig zusammen und machten sehr ähnliche Erfahrungen. Daneben gab es noch meine „Basketball-Freundschaften“. Mein halbes Leben schien ich in Sporthallen zu verbringen. Training, Spiele selbst spielen, bei anderen Spielen zuschauen. Später sogar als Nebenjob neben der Uni über Basketballspiele für die Lokalzeitung schreiben.
Jede Woche zig Gelegenheiten, an denen wir uns ohnehin alle (im wahrsten Sinne des Wortes) spielend leicht sahen. Und ganz automatisch Zeit miteinander verbrachten, weil wir eine gemeinsame Leidenschaft teilten. Freund*innen nehmen nach dem ersten Schulabschluss und dann während der Ausbildungs- oder Unizeit oft die Rolle einer Ersatzfamilie ein. Wir leben meist nicht mehr bei den Eltern, sondern sind zum ersten Mal auf uns allein gestellt. Und die Freund*innen geben dabei Halt. Sind immer da und dieses Zusammensein schafft ein so gutes Gefühl von Sicherheit.
Zum ersten Mal in meinem Leben merkte ich: „Nebeneinanderher leben“, das gibt es auch in richtig guten Freundschaften.
Ich weiß noch, wie ich zu Unizeiten im Sommer auf dem Balkon meiner Mini-Wohnung stand und zu meiner Freundin hoch rief: „Hast du Milch?“ Natürlich war sie da und lernte und war meine Cornflakes-Rettung in dem Moment. Freund*innen schienen in unseren 20ern einfach immer Zeit zuhaben – und das fühlte sich so gut an. Außerdem gab es damals noch nicht diese „Erwachsenenverpflichtungen“, stattdessen so viele gemeinsame Orte, an denen wir uns ohnehin immer trafen. Deshalb schien für das Zusammensein auch immer genug Zeit zu sein.
Als alle nach und nach 30 wurden, veränderten wir uns plötzlich und realisierten mit der Zeit teilweise unterschiedliche Lebenspläne. Während die eine Freundin beim Anblick eines Kinderwagens leuchtende Augen bekam, zog die andere wegen eines Jobs mal eben ans andere Ende der Welt. (Das ist keine Übertreibung, die erwähnte Uni-Freundin mit der Milch wanderte tatsächlich nach Neuseeland aus.) Ich bastelte an meiner journalistischen Karriere, gab bei einer Zeitschrift in der Online-Redaktion alles und versuchte, meinen Blog plus Social Media zu etablieren.
Zeitgleich bekamen einige meiner Freundinnen ihr erstes Baby und waren plötzlich Mütter. Und ich „Tante Sue“. Wir merkten zum ersten Mal, dass wir für gemeinsame Zeit die Terminkalender zücken mussten. Dass Zeit richtig zu planen wichtig wurde, weil sie uns sonst bei all den Aufgaben und all den Verpflichtungen einfach davonlief. Zum ersten Mal in meinem Leben merkte ich: „Nebeneinanderher leben“, das gibt es auch in richtig guten Freundschaften. Wir sind ab 30 nicht mehr ständig am selben Ort wie zuvor. Durch Umzüge – meist wegen neuer Jobs oder der Liebe. Aber selbst, wenn wir in derselben Stadt wohnen, ändern sich die Orte. Die Freund*innen mit Familienwunsch ziehen eher an den Stadtrand. Spielplätze lösen Cafés als „Hangouts“ ab.
Während wir kinderlosen Frauen* teilweise wirklich dieses Meme leben, das vor einer Weile so oder so ähnlich bei „Instagram“ zu sehen war: „Freund*innen ohne Kinder so: Wollen wir Freitag nach LA?“. Okay, so spontan und weit jetzt vielleicht nicht. Aber die Message stimmt: Plötzlich sind wir ab 30 Freund*innen mit und ohne Kinder und haben deshalb häufig einen vollkommen unterschiedlichen Alltag.
Schon allein mein Tagesablauf ist völlig anders als der meiner Freundin mit Baby. Wenn ich ihr um 20 Uhr schreibe, dass ich gerade mit dem Kochen fertig bin, ernte ich regelmäßig einen Lachanfall und ein „Gute Nacht“. Einer Freundin mit zwei Kids habe ich beispielsweise vorgeschlagen, dass sie zum Frühstück (meine Frühstückszeit, nicht ihre) nachdem „Kita-Drop-Off“ bei mir auf einen Tee reinschauen kann. Nicht das „typische Freundinnen-Date“ wie früher, aber ein Zeitfenster, für das wir uns beide nicht stressen müssen und das wir für unseren Austausch nutzen können.
Ehrlicherweise klappt aber selbst solch ein Date nicht regelmäßig, wenn wir nicht stark hinterher sind. Wir sollten das schlechte Gewissen, uns nicht so viel wie früher zu sehen, nicht damit lösen, gegenseitig aneinander zu ziehen und um Zeit zu ringen, sondern mit etwas mehr Gelassenheit, dass wir uns trotz weniger gemeinsam verbrachter Alltagsmomente weiterhin wichtig sind.
Wir verändern uns in unseren 30ern – und hoffentlich ein Leben lang weiter – und die Freundschaft als Folge natürlich auch.
„Du hast dich ja ganz schön verändert“ ist etwas, das du vielleicht schon einmal als Vorwurf von einer Freundin gehört hast. Aber ist das nicht der falsche Ansatz, zu erwarten, dass die Freundin so bleibt, wie sie ist, nur damit wir uns nah bleiben?
Autorin Dolly Alderton sprach in einem Interview ganz offen darüber, dass es nicht die Aufgabe von Freund*innen sei, immer präsent zu sein und unsere Bedürfnisse zu erfüllen. Sie habe zunächst gedacht, dass Beständigkeit eine gute Freundschaft ausmachen würde, und setzte eine Freundin unter Druck, sich nicht zu verändern. Die Freundschaft solle schließlich „dieselbe Dynamik“ behalten. Das kommt dir vielleicht auch irgendwie bekannt vor, oder? Wir verändern uns in unseren 30ern – und hoffentlich ein Leben lang weiter – und die Freundschaft als Folge natürlich auch. Auf „Immer ganz automatisch zusammen“ folgt dann ein Suchen nach gemeinsamer Zeit und manchmal ehrlicherweise nach verbliebenen Gemeinsamkeiten.
Collage/Foto: „Canva“/Sophie Wolter