Wie Haustiere uns empowern – und was wir ihnen zurückgeben müssen
31. März 2025
geschrieben von Team

Haustiere sind mehr als nur niedliche Begleiter – sie können Trost spenden, Einsamkeit lindern und unser Leben bereichern. Doch was bedeutet es wirklich, einem Tier ein Zuhause zu geben? Und welche Verantwortung tragen wir für unsere tierischen Mitbewohner?
Lisa Williamson ist Tierärztin, Tierschützerin und Gründerin von "Bark Date", einem Vermittlungsprojekt für Hunde aus dem Tierschutz. Sie engagiert sich zudem für die "Fressnapf"-Initiative „tierisch engagiert“, die Tierschutzorganisationen in ihrer Arbeit unterstützt. Im Interview spricht sie mit uns über die wachsende Zahl von Haustieren, die Bedeutung von verantwortungsbewusster Tierhaltung und darüber, warum Tierschutz auch eine feministische Frage ist.
"Mit verschiedenen Haustieren aufzuwachsen, bedeutete nicht nur Freude, sondern auch Verantwortung."
femtastics: Liebe Lisa, wann ist deine Tierliebe entstanden und wann hast du dich entschieden, dich auch beruflich den Tieren zu widmen?
Lisa Williamson: Schon als Kind übten Tiere eine enorme Faszination auf mich aus – ob in Geschichten, Filmen oder bei Ausflügen, ich war stets von ihnen begeistert. Diese Liebe begleitete mich durch mein ganzes Leben. Mit verschiedenen Haustieren aufzuwachsen, bedeutete nicht nur Freude, sondern auch Verantwortung. Ihr Wohlbefinden zu sichern, war mir immer eine Herzensangelegenheit.
Mein Studium der Veterinärmedizin hat mir zudem wertvolle Einblicke in die Mensch-Tier-Beziehung ermöglicht. Ich erkannte, dass ich meine Leidenschaft und mein Wissen ideal nutzen kann, indem ich andere Menschen für das Thema sensibilisiere und Aufklärungsarbeit leiste. Deswegen freut es mich besonders, dass „Fressnapf“ mir die Plattform gibt, über meine Arbeit als Tierärztin hinaus, Menschen dabei zu helfen, eine tiefe und verständnisvolle Beziehung zu Tieren aufzubauen.
In den vergangenen Jahren ist die Zahl der Haustiere in Deutschland (insbesondere Hunde und Katzen) massiv gewachsen. Hast du das auch beruflich gemerkt?
Definitiv. Haustiere erfüllen emotionale Bedürfnisse, insbesondere nach Nähe und bedingungsloser Zuneigung. Während der Corona-Pandemie verstärkte sich dieser Trend, da viele Menschen in Krisenzeiten Trost suchten. Wissenschaftliche Studien belegen, dass Haustiere positive Effekte auf die psychische Gesundheit haben, indem sie Stress reduzieren und Einsamkeit lindern. Allerdings bringt die steigende Zahl an Haustieren auch Herausforderungen mit sich: Eine artgerechte Haltung ist komplex und erfordert Wissen und Engagement. Zudem boomt der Markt für Haustierprodukte - hier ist eine gute Beratung gefragt, um zu entscheiden, was zu den jeweiligen Bedürfnissen des Tieres passt und was nicht.
Was sind die Gründe für diesen Anstieg?
Zum einen spielt das Bedürfnis nach Stabilität und sozialer Bindung in unsicheren Zeiten eine große Rolle. Studien zeigen, dass Menschen in Krisensituationen verstärkt nach emotionalem Halt suchen – Haustiere bieten genau das. Zum anderen wächst die gesellschaftliche Akzeptanz von Haustieren. Sie sind in Cafés, Hotels und am Arbeitsplatz präsenter denn je, damit steigt die Nachfrage
"Das Wohl des Tieres steht an erster Stelle und darf nicht als Mittel gegen Einsamkeit instrumentalisiert werden."
Können Tiere gegen Einsamkeit, die ja auch ein zunehmendes Thema ist, helfen?
Ja, und das ist auch wissenschaftlich belegt. Haustiere bieten emotionale Unterstützung, verringern das Gefühl der Isolation und fördern soziale Interaktionen. Hundehalter*innen kommen beispielsweise häufiger mit anderen Menschen ins Gespräch. Gleichzeitig ist es wichtig, dass das Wohl des Tieres an erster Stelle steht und nicht als Mittel gegen Einsamkeit instrumentalisiert wird.
Welche positiven Auswirkungen können Tiere auf unsere mentale Gesundheit haben?
Die positiven Effekte von Tieren auf die mentale Gesundheit sind vielfältig und wissenschaftlich gut belegt. Haustiere können Stresshormone wie Cortisol senken und gleichzeitig die Produktion von Oxytocin, dem sogenannten „Kuschelhormon“, steigern. Dies führt zu einer verbesserten emotionalen Stabilität und einem gesteigerten Wohlbefinden.
Darüber hinaus fördern Tiere das Gefühl von Selbstwirksamkeit, da ihre Versorgung eine sinnvolle Aufgabe darstellt. Besonders Hunde motivieren ihre Halter*innen zu regelmäßiger Bewegung an der frischen Luft, was nicht nur die körperliche Gesundheit verbessert, sondern auch das Risiko für Depressionen und Angstzustände verringert. In therapeutischen Kontexten kommen Tiere gezielt zum Einsatz, sei es als Begleittiere für Menschen mit besonderen Bedürfnissen oder als Schulhunde zur Unterstützung des sozialen Lernens. Studien zeigen zudem, dass die Bindung zu einem Tier soziale Isolation mindern kann, indem sie emotionale Nähe und ein Gefühl von Geborgenheit vermittelt.
Auch die Förderung von Empathie ist ein wichtiger Aspekt: Der Umgang mit einem Tier erfordert Rücksichtnahme und Sensibilität für seine Bedürfnisse. Dies kann insbesondere bei Kindern und Jugendlichen positive Effekte auf die soziale und emotionale Entwicklung haben. Durch diese vielfältigen Einflüsse leisten Tiere einen bedeutenden Beitrag zur mentalen Gesundheit und zum allgemeinen Wohlbefinden ihrer Halter*innen.
Über "tierisch engagiert"
Die Initiative "tierisch engagiert" vereint das soziale und gesellschaftliche Engagement des Unternehmens "Fressnapf" und der Kundschaft. Gemeinnützige und geprüfte Projekte werden über eine digitale Plattform und die Märkte vor Ort mit Geld- und Sachspenden unterstützt. Jahr für Jahr fließen Waren und Geldbeträge in Millionenhöhe. Allein im letzten Jahr konnten 1,5 Mio. EUR für Tierschutz- und Assistenzhundeprojekte bereitgestellt werden. Darüber hinaus hat "Fressnapf" im Rahmen der Initiative im vergangenen Jahr europaweit mit über 4.000 Spendenpaletten mehr als 1.300 Tierschutzvereine unterstützt.
Wenn man überlegt, sich ein Tier anzuschaffen, wie findet man sein perfektes Match unter Hund und Katze?
Die wichtigste Regel: Bedürfnisse und Lebensumstände müssen mit denen des Tieres harmonieren. Eine gründliche Auseinandersetzung mit den Eigenschaften und Anforderungen der Tierart bzw. der Rasse, dem Alter, Geschlecht und Herkunft ist essenziell. Idealerweise führt der Weg zum passenden Tier über den Tierschutz. Dort warten zahlreiche Tiere mit unterschiedlichsten Charakteren auf ein liebevolles Zuhause. Ein Kennenlernen im Vorfeld hilft, Fehlentscheidungen zu vermeiden.
Es ist sehr zu empfehlen, mit mehreren Tierschutzvereinen in der Nähe Kontakt aufzunehmen und zu schildern, wonach man etwa sucht. So kann der Verein sich melden, sobald ein passendes Tier bei ihnen abgegeben wird. Auch im Internet und auf diversen Plattformen gibt es Anzeigen zu Tieren, die ein Zuhause suchen. Hier kann man häufig schon im Vorfeld filtern. Zu empfehlen ist es immer, das Tier vor einer Adoption kennenzulernen und zu überprüfen, ob man seine Bedürfnisse wirklich vollumfänglich erfüllen kann. Es sollte nicht um das Aussehen des Tieres gehen, sondern darum, ob man wirklich gut zusammenpasst. Im „Fressnapf Magazin“ finden alle, die ein Tier adoptieren wollen, passende Infos. Hier erhalten zum Beispiel potentielle Hundebesitzer*innen wertvolle Tipps zu Auswahl, Erziehung und Zusammenleben. Alle, die mit einer Tierheim-Katze liebäugeln, finden Ratschläge, welche Voraussetzungen zu beachten sind und welche Kosten einzuplanen sind.
"Wichtig ist auch die Frage: Was passiert mit dem Tier bei unvorhergesehenen Veränderungen in meinem Leben?"
Welche Faktoren sollte man vor der Anschaffung bzw. bei der Wahl bedenken?
Neben persönlichen Vorlieben spielen Zeit, Wohnsituation, finanzielle Möglichkeiten und langfristige Lebensplanung eine Rolle. Während Welpen viel Zeit und Erziehung erfordern, sind ältere Tiere oft ruhiger und bereits stubenrein. Ältere Menschen könnten daher besser mit einem gesetzteren Tier harmonieren. Wichtig ist auch die Frage: Was passiert mit dem Tier bei unvorhergesehenen Veränderungen in meinem Leben?
Woher weiß ich, welches Hunde-/Katzen-Alter und welche Rasse zu meinem Lifestyle passt?
Je besser man sich mit den unterschiedlichen Rassen und ihren Bedürfnissen auseinandersetzt, desto gezielter kann man das richtige Tier auswählen. Ein Jagdhund, der viel Bewegung und jagdliche Aufgaben braucht, ist für eine Stadtwohnung oft ungeeignet. Wer einen eher entspannten Begleiter sucht, sollte gezielt nach ruhigen Rassen oder älteren Tieren suchen. Dennoch ist jedes Tier individuell – Kompromisse und Anpassungen gehören zur Beziehung dazu.
Was spricht dafür, nicht nur einen Welpen oder eine Baby-Katze, sondern auch ältere Tiere in Betracht zu ziehen?
Ältere Tiere haben oft einen gefestigten Charakter, sind meist stubenrein und benötigen weniger intensive Erziehung. Zudem sind ihre Bedürfnisse besser einzuschätzen. Gerade für Menschen mit weniger Zeit oder Erfahrung kann ein älteres Tier eine wunderbare Wahl sein. Hinzu kommt der ethische Aspekt: Ältere Tiere haben oft geringere Vermittlungschancen und verdienen ebenso ein liebevolles Zuhause. Zudem kann ein älteres Tier gut für Menschen passen, die nicht über die gesamte Lebensdauer eines jungen Tieres Verantwortung übernehmen können oder möchten.
Worauf sollte man achten, wenn man einen älteren Hund oder eine ältere Katze adoptieren möchte?
Eine sanfte Eingewöhnung ist entscheidend. Bestehende Routinen und Futtergewohnheiten sollten anfangs beibehalten werden, um dem Tier Sicherheit zu geben. Vorab sollte man so viele Informationen wie möglich über das Tier einholen – insbesondere zu seiner Verträglichkeit mit Kindern, anderen Tieren und Alltagssituationen wie Autofahrten. Ein vorheriges Kennenlernen erleichtert den Übergang.
Du bist Gründerin des Tierschutzprojektes „Bark Date“. Worum geht es da?
„Bark Date“ ist ein Live-Event für Hunde aus dem Tierschutz, die ein Zuhause suchen. Menschen haben die Möglichkeit, in entspannter Atmosphäre etwa 30 Hunde kennenzulernen. Jeder Hund trägt ein rotes Halstuch mit der Aufschrift „Adopt me“, um ihn erkennbar zu machen. Die Pflegestellen stellen die Hunde vor, und bei Interesse kann man im Nachgang weitere Treffen arrangieren. Mittlerweile gibt es „Bark Date“ an über 20 Standorten in Deutschland. Über 150 seriöse Tierschutzvereine nehmen daran teil. Ziel ist es, dass Hunde nicht nur aufgrund ihres Äußeren, sondern vor allem wegen ihres Charakters wahrgenommen werden – für eine nachhaltige und glückliche Vermittlung.
Hier findet ihr Lisa Williamson:
Foto:
Collage: "Canva"