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Wellbeing

Wie Männer* zu Menstruations-Allys werden

16. Mai 2025

geschrieben von Julia Allmann

Wie Männer* zu Menstruations-Allys werden

Erika Eisele hat eine Mission: Dass Männer* und Nicht-Menstruierende die Bedeutung von Frauengesundheit im Privaten und im Arbeitsumfeld verstehen, dass das Thema in der Forschung ernster genommen wird und dass Frauen* ihre Arbeits- und Lebensbedingungen so gestalten können, dass sie ihren Bedürfnissen gerecht werden.

Wie kraftvoll es ist, das Leben nach dem Zyklus auszurichten, weiß Erika Eisele selbst am besten. Sie absolvierte eine Ausbildung zu ganzheitlicher Frauengesundheit und bringt mit „Impact Period“ dieses Wissen in die Welt. Gemeinsam mit ihrer Co-Gründerin hält die 32-Jährige Impulsvorträge, gibt Workshops oder begleitet Privatpersonen. Was man bei ihr lernt: Dass Wissen und Offenheit über Frauengesundheit viel Power bringen, für weniger private Konflikte und mehr Erfolg im Job sorgen. Wie wir das für uns nutzen können und was vor allem Männer* wissen sollten - das erzählt Erika im Interview.

"Sie alle sind Allys, also Verbündete, die Lust haben, gemeinsam ein Tabu zu brechen und sich stärker für Gleichberechtigung einzusetzen."

femtastics: Du hast die Workshop-Reihe „MENstruation – Der Ally-Workshop für Männer* & Nicht-Menstruierende“ konzipiert. Was genau passiert da?

Erika Eisele: Ich schaffe einen Raum für alle Männer* und Nicht-Menstruierenden, die Lust haben, mehr über den weiblichen Zyklus zu erfahren. Männer*, die ihre Partnerin besser unterstützen möchten oder sich mehr Verständnis für die Bedürfnisse ihrer Partnerin oder auch ihrer Tochter wünschen. Es kommen auch Führungskräfte, die ihre Mitarbeiterinnen besser supporten wollen und dafür ein tieferes Verständnis von weiblicher Gesundheit brauchen.

Sie alle sind Allys, also Verbündete, die Lust haben, gemeinsam ein Tabu zu brechen, sich stärker für Gleichberechtigung einzusetzen und eine offene, respektvolle Kommunikation rund um weibliche Gesundheit zu fördern.

"Es geht um die Rolle der Männer* und ihre Fragen: Warum ist es ihnen wichtig, den weiblichen Zyklus besser zu verstehen?"

Kommen die Teilnehmenden aus eigener Motivation heraus oder werden sie von ihrer Partnerin angemeldet?

Bislang waren es tatsächlich immer Männer*, die ein eigenes Interesse an dem Workshop hatten. Zum Beispiel, weil ihre Partnerin selbst starke Beschwerden hatte oder in den Wechseljahren ist, weil sie Frauen* stärker unterstützen möchten oder eine gewisse Verantwortung für sich sehen. Einige Männer* sagen, dass ihre Partnerin nicht viel über ihre Menstruation spricht. Sie wünschten sich einen offeneren Austausch, was ich total schön finde.

Was lernen Teilnehmer bei dir? Können wir es uns wie Biologieunterricht vorstellen?

Natürlich geht es zunächst darum zu verstehen, wie der Zyklus funktioniert, welche verschiedenen Phasen es gibt und welche Stärken jede Zyklusphase hat. Außerdem sprechen wir über Beschwerden, die viele Frauen* haben und über die Erkenntnis, dass starke Beschwerden in der lutealen Phase, also vor und während der Periode, nicht normal sind. Wir sprechen auch über Endometriose, wovon ich selbst betroffen bin und worüber ich viel Wissen mitgeben möchte: Weil Endometriose eine ernstzunehmende Erkrankung ist, die noch immer viel zu wenig ernst genommen wird.

Es geht um die Rolle der Männer* und ihre Fragen: Warum ist es ihnen wichtig, den weiblichen Zyklus besser zu verstehen? Was macht es für sie vielleicht herausfordernd, über dieses Tabuthema zu sprechen? Wie kann man empathisch mit Frauen* über den Zyklus sprechen, ohne zu sehr in ihren Space einzudringen? Am Ende gibt es viel Raum für Fragen und gegenseitigen Austausch. Beim letzten Mal haben wir völlig den zeitlichen Rahmen gesprengt, weil die Teilnehmenden so viel fragen oder erzählen wollen. Es besteht einfach Gesprächsbedarf.

Aus meiner persönlichen Erfahrung hätte ich eher gedacht, dass Männer* beim Thema Menstruation schnell abblocken, vielleicht auch aus Unsicherheit heraus. Wie erlebst du das?

Es ist extrem wichtig, einen möglichst geschützten Rahmen für solche Gespräche zu schaffen. Ein Rahmen, in dem man unter sich ist und alles fragen kann. Mir haben Teilnehmer erzählt, dass sie vor dem Workshop selbst zur Menstruation recherchiert haben, weil sie Angst hatten, mit zu wenig Vorwissen zu kommen, sich zu blamieren, wenn sie sich überhaupt noch nicht auskennen. Dabei ist der Workshop ein Ort, um sich dieses Wissen zu holen – niemand braucht Vorkenntnisse.

Ich habe auch mit Männern* gesprochen, die den Workshop zwar spannend finden, aber die trotzdem nicht teilgenommen haben. Sie sagten, sie seien noch nicht so weit. Das Thema läge noch zu weit außerhalb ihrer Komfortzone.

"Erst, wenn wir den Dialog öffnen und wirklich darüber sprechen können, was wir wann brauchen, kann sich etwas bewegen – und dann werden wir alle davon profitieren."

Warum ist es dir so wichtig, dass Männer* Wissen über den weiblichen Zyklus haben? Warum geht das Thema uns alle an?

Meine Mission ist es, dass Männer* und Nicht-Menstruierende die Bedeutung von Frauengesundheit im Arbeitsumfeld und im Privaten überhaupt verstehen, dass das Thema in der Forschung ernster genommen wird und dass wir am Ende unsere Arbeits- und Lebensbedingungen so gestalten können, dass sie auch den Bedürfnissen von Frauen* gerecht werden. Erst, wenn wir den Dialog öffnen und wirklich darüber sprechen können, was wir wann brauchen, kann sich etwas bewegen – und dann werden wir alle davon profitieren.

Inwiefern können alle im Arbeitsumfeld davon profitieren? Geht es nur darum, dass wir an unseren Zyklus angepasst mehr Pausen machen und unsere Grenzen besser wahren können oder geht es auch um Leistungssteigerung?

Es geht um beides. Wir können die Power, die der Zyklus mit sich bringt, viel besser nutzen, wenn wir ihn in die Arbeit integrieren. Frauen* können gesünder durch den Alltag gehen, Unternehmen hätten weniger Krankheitstage und eine insgesamt höhere Produktivität, weil wir unsere Energie viel gezielter einsetzen können, und weil Beschwerden frühzeitig erkannt werden und wir entgegen steuern können. Ich sage zu den Männern* immer, dass niemand von uns dauerhaft 120 Prozent geben kann, auch sie nicht. Wir Frauen* auch nicht, aber wenn wir uns von einer zyklusorientierten Arbeitsweise inspirieren lassen, macht das einen Riesenunterschied.

Wenn wir im Team eine offene Kommunikation zum Zyklus leben, könnte es irgendwann so aussehen, dass eine Kollegin sagt: „Ich bin gerade in meinem Eisprung, ich kann den Pitch total gerne übernehmen, ich sprudele eh vor Energie.“ In dieser Zeit kann die Kollegin, die gerade in der Lutealphase ist, vielleicht eher Follow-ups mit Kunden machen, strategisch am Schreibtisch arbeiten und die nächste aktive Zyklusphase vorbereiten, die dann von Präsentationen oder Akquise geprägt ist. Davon könnten wir alle wahnsinnig stark profitieren.

Was muss in Unternehmen passieren, damit wir irgendwann an diesem Punkt ankommen?

Es macht zunächst einen Riesenunterschied, wenn das Bewusstsein für weibliche Gesundheit vorhanden ist, wenn ich als Frau* über meine Bedürfnisse sprechen kann – vorausgesetzt, ich möchte das. Es braucht wahnsinnig viel Mut, über die eigenen Bedürfnisse zu sprechen – und hier kann eine wertschätzend und mutmachende Atmosphäre den Unterschied machen.

Bei mir hat mein Engagement so angefangen, dass ich begonnen habe, bei meinem Arbeitgeber über meine Menstruationsbeschwerden zu sprechen. Ich habe mich wegen der Endometriose manchmal mit starken Schmerzen durch den Tag gequält. Teilweise habe ich durch all den Stress gar nicht mehr menstruiert. Ich fing an, mit anderen Frauen* darüber zu sprechen und habe festgestellt, dass es vielen so geht. Also habe ich mit meinen männlichen Vorgesetzten darüber gesprochen und die waren erst überrascht, dann aber dankbar, weil sie das überhaupt nicht auf dem Schirm hatten.

Mir wurde klar: Es braucht eine Person, die mutig genug ist, sich hinzustellen und das Thema sichtbar zu machen, auch in der Arbeitswelt – und diese Person bin ich. Aus dieser Situation heraus habe ich vor anderthalb Jahren „Impact Period“ gegründet, mittlerweile mit einer Co-Gründerin an meiner Seite. Wir geben Workshops für Privatpersonen, begleiten Frauen* 1:1 und beraten Unternehmen mit Blick auf weibliche Gesundheit, bieten dort Impulsvorträge oder Workshops an.

Wie sind bislang die Reaktionen? Gibt es Vorbehalte?

Manche Personen oder auch Teams sind noch nicht so weit, sich dem Thema zu stellen. Aber wenn Menschen dabei sind, ist ihr Feedback danach großartig: Ein Teilnehmer berichtete später, dass er nach dem Workshop ein total wertschätzendes Gespräch mit seiner Tochter geführt hat. Eine Frau* sagte mir, dass mein Workshop in ihrem Unternehmen ihr komplett die Augen geöffnet und ihr ein ganz neues Verständnis für ihren Körper vermittelt hat.

Natürlich gibt es Vorbehalte: Viele Menschen sind skeptisch, dass zyklusorientiertes Arbeiten in der Realität funktionieren kann. Es gibt viele negative Glaubenssätze um das Thema und viele Frauen* glauben, es sei ein Zeichen von Schwäche, wenn sie während der Menstruation einen Gang herunterschalten. Dabei zeigen Studien mit Profisportlerinnen, dass sie viel leistungsfähiger sind, wenn sie bewusst mit ihrem Zyklus arbeiten und aktive Regenerationsphasen nutzen.

"Sie würden mit Stolz darüber sprechen und vielleicht mit ihrer Menstruation prahlen – schließlich hat Blut auch etwas Kämpferisches an sich."

Eine rhetorische Frage: Glaubst du, die Situation wäre anders, wenn Männer* menstruieren würden?

Auf jeden Fall. Einerseits gibt es in der medizinischen Forschung noch eine riesige Gender Health Gap, es wird zu wenig Geld in Frauengesundheit investiert – und oft sind es Männer*, die in Entscheidungsgremien sitzen. Für viele von ihnen ist der weibliche Zyklus ein Tabuthema. Ihnen ist die Relevanz und das Potenzial nicht klar – das wäre natürlich anders, wenn sie es selbst erleben würden.

Meine Co-Gründerin und ich haben letztens einen Pitch mit einem Sketch begonnen: Wir haben uns vorgestellt, wie es wäre, wenn Männer* menstruieren würden. Sie würden mit Stolz darüber sprechen und vielleicht mit ihrer Menstruation prahlen – schließlich hat Blut auch etwas Kämpferisches an sich. Sie würden offen teilen, dass sie gerade menstruieren und der Kollege würde sagen: „Komm, ich gebe dir erstmal einen Kaffee aus, dann chillst du und ich über nehme die Präsentation – ich habe gerade meinen Eisprung und werde das rocken.“

Hier findet ihr Erika Eisele und "Impact Period":

Foto: Erika Eisele
Collage: "Canva"