Mit Herz und Humor gegen den Pflegenotstand: Pflege-Influencer Rashid Hamid

6. Juni 2024

Pflegeberufe – insbesondere die Altenpflege – haben keinen guten Ruf: die Bezahlung ist nicht optimal, die Arbeitszeiten mit Schichtarbeit sind herausfordernd, die Klient*innen beizeiten anstrengend und danken tut es einer*einem auch niemand. In der Pflege herrscht zweifellos Fachkräftemangel, dabei gibt und wird es perspektivisch immer mehr Menschen mit Pflegebedarf geben. Nach Angaben des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) gab es in der sozialen Pflegeversicherung zum Stichtag 31.12.2023 rund 5,6 Millionen Pflegebedürftige.

Einer, der gerade mit einigen Vorurteilen gegenüber des Pflegeberufs kräftig aufräumt, ist der Hamburger Rashid Hamid. Nach seiner Ausbildung als Altenpfleger hat er zusammen mit seiner Frau den mobilen Pflegedienst „Pflege Smile“ gegründet und gibt auf Social Media täglich Einblicke in seinen Arbeitsalltag mit seinen Patient*innen – und das mit 347.000 Followern auf „Instagram“ und 294.500 Followern auf „TikTok“ extrem erfolgreich. „Oma Lotti“ wird mittlerweile auf der Straße erkannt und „Barbara“ und „Heiko“ haben längst ihre eigenen Fan Clubs. Was an Rashid begeistert, ist sein Umgang mit den Menschen: immer zugewandt und mit einer gesunden Portion Humor. Wir sprechen mit Rashid darüber, was ihn persönlich an seinem Beruf begeistert, wie das mit Social Media eigentlich begonnen hat und welche Rolle er bei der Fußball EM 2024 spielt.

femtastics: Wie bist du zur Pflege gekommen?

Rashid Hamid: Da bin ich tatsächlich reingerutscht. Nach dem Schulabschluss habe ich mehrere Berufe ausprobiert. Zum Beispiel habe ich als Mechatroniker gearbeitet, das war aber nicht mein Ding. Durch eine Empfehlung habe ich dann ein Praktikum im Krankenhaus gemacht. Da ist mir schnell klar geworden, dass mir der Umgang mit den Patient*innen liegt. Also habe ich eine Ausbildung in der Altenpflege angefangen.

Mich begeistert der Austausch mit den älteren Menschen. Ich lerne viel von ihnen, wie es früher war und auch über das heutige Leben.

Was begeistert dich an dem Beruf des Altenpflegers? Was macht ihn für dich so besonders?

Der Austausch mit den älteren Menschen. Ich lerne viel von ihnen, wie es früher war und auch über das heutige Leben. Zum Beispiel, dass wir uns wirklich glücklich schätzen können mit all dem, was wir haben: sei es Technologie, Lebensmittel oder Bildung. Oma Lotti konnte nicht zur Schule gehen. Sie musste die Schule abbrechen, weil der zweite Weltkrieg anfing und sie flüchten musste. Die große Hungersnot hat sie miterlebt.

Vor einigen Jahren hast du deinen eigenen mobilen Pflege Service „Pflege Smile“ gegründet. Wie kam es dazu, dass du dich selbstständig machen wolltest? Du hättest ja auch im Angestelltenverhältnis bleiben können.

Ich bin seit sechzehn Jahren in der Pflege tätig. Ich hatte auch negative Erlebnisse bei meiner Arbeit, wie zum Beispiel ständige Dienstplanänderungen. 2021 haben meine Frau und ich entschlossen, dass wir es selbst mit einem mobilen Pflegedienst versuchen möchten, mit dem wir vieles anders machen werden. Wir haben einfach losgelegt!

Wie teilt ihr beide euch in eurem Unternehmen auf?

Meine Frau und ich sind beide Geschäftsführer*innen. Sie ist im Büro tätig, macht die Abrechnungen, Verwaltung, Struktur und die Planung. Ich mache die Hausbesuche bei den Patient*innen und bin mit den Mitarbeiter*innen in Kontakt. Ich mache die Aufnahmegespräche und die Patient*innen Akquise. Seit zwei Jahren bin ich außerdem aktiv auf Social Media, das wächst gerade immer mehr.  

Mich persönlich hat der Beruf menschlich komplett verändert.

Der Pflegeberuf hat in der Öffentlichkeit eher ein schlechtes Image. Was würdest du dem entgegensetzen?

Mich persönlich hat der Beruf menschlich komplett verändert. Ich lebe bewusster und gesünder und lerne durch die Patient*innen die Lebenszeit viel mehr wertzuschätzen. Sie erzählen mir, wie schnell die Zeit für sie verfliegt – da geht es um verpasste Momente, mit der Familie noch mal einen alten Streit auszudiskutieren, oder Frieden mit bestimmten Dingen zu schließen.

Außerdem ist der Beruf sehr vielseitig. Es gibt verschiedene Weiterbildungsmöglichkeiten. Man kann in der Altenpflege im Pflegeheim arbeiten, in der ambulanten Pflege, im Krankenhaus oder sogar in der JVA arbeiten. Man kann als Praktikant*in anfangen und später in eine Leitungsposition aufsteigen.

In den Medien wird hauptsächlich der Personalmangel gepusht. Dabei herrscht auch in vielen anderen Branchen Fachkräftemangel. Schwierige Arbeitszeiten gibt es auch in anderen Berufen. Komischerweise wird das oft anhand des Pflegeberufs thematisiert, in der öffentlichen Wahrnehmung läuft es in diesem Sektor immer schlecht.

Dabei kann gerade der Fachkräftemangel für Interessierte eine Chance sein, in die Branche einzusteigen und sich weiterzubilden. Du sagtest gerade, du lebst dank deines Berufes bewusster und gesünder. Durch die Impulse deiner Patient*innen – oder weil der Beruf es erfordert, körperlich fit zu sein?

Ich muss auf jeden Fall auf meine eigene körperliche Gesundheit achten. Im Laufe meiner Berufserfahrung sehe ich aber auch einen Unterschied zwischen gesunden und nicht gesunden Patient*innen. Menschen, die mit 93 noch fit sind wie Oma Lotti zum Beispiel, haben auf jeden Fall viel Sport gemacht. Oma Lotti macht Gymnastik und achtet bei ihrer Ernährung darauf, dass sie dreimal täglich gesunde Mahlzeiten isst.

Oma Lotti wird mittlerweile sogar beim Spazierengehen erkannt!

Lass uns über deine Social Media Aktivitäten sprechen. Hast du einfach irgendwann entschieden: „Ich leg jetzt mal los!“ oder wie kam es dazu?

Als wir mit dem Pflegedienst gestartet sind mussten wir die Voraussetzung erfüllen, fünf Fachkräfte anzustellen – diese mussten wir aber erstmal finden. Wir hatten laufende Kosten für das Büro und Autos. Die ersten sechs Monate war allerdings tote Hose, es gab weder Patient*innen, noch Anfragen von weiteren Mitarbeiter*innen. Tatsächlich hatten wir nicht genügend Geld für Stellenanzeigen. Langsam bekamen wir Existenzsorgen.

Meine Frau ist dann auf die Idee gekommen, Social Media auszutesten, um mehr Menschen zu erreichen. Anfang 2022 fing ich an, Videos zu drehen und von meinem Arbeitsalltag zu berichten. Ich fragte Patient*innen, mit denen ich mich gut verstehe, ob sie mitmachen wollten. So nahm es seinen Lauf.

Das heißt, Lotti, Heiko, Barbara und Co. musstest du nicht lange überreden, sondern die hatten sofort Lust dazu?

Ich habe ihnen natürlich erklärt, was genau da im Internet passiert und dass es Werbung für meine Firma ist. Sie wollten mich gern unterstützen – Oma Lotti wird mittlerweile sogar beim Spazierengehen erkannt!

Gerade bei Oma Lotti fällt in deinen Videos auf, wie sehr ihre Augen leuchten und wie viel Freude sie dabei hat.

Anfangs habe ich Kritik dafür bekommen, dass meine Patient*innen teilweise in den Videos zu sehen sind. Das ist aber weniger geworden und die meisten haben verstanden, was ich vermitteln will. In meinen Videos sind verschiedene Charaktere zu sehen. Ich möchte den Leuten zeigen, dass es nicht nur die unglaublich nette, ältere Dame gibt, sondern auch Patient*innen wie Barbara, die ihre Sprüche raushaut. Und das ist noch harmlos, es gibt auch Fälle von weiblichen oder männlichen Patient*innen, die übergriffiger sind.

Das ist insbesondere für weibliches Pflegepersonal problematisch.

Absolut. Viele bedanken sich bei mir, dass ich auch diese negativen Seiten des Berufs ab und an zeige.

Laufe der Zeit ist mir klar geworden, dass die Patient*innen gerne wissen wollen, mit wem sie da überhaupt den ganzen Tag verbringen.

Es fällt extrem positiv auf, wie du all deinen Klient*innen auf Augenhöhe begegnest. Du bist immer respektvoll, und wertschätzend. War das eine bewusste Entscheidung, wie du den Menschen begegnen willst? Aufgrund der stressigen Arbeitsbedingungen ist es natürlich auch verständlich, wenn Pfleger*innen nicht immer die nötige Kraft haben, geduldig und zugewandt zu sein …

Tatsächlich war ich, bevor ich angefangen habe in dem Job zu arbeiten, eine ziemlich in sich gekehrte Person. Mit der Zeit habe ich halt gemerkt, dass die Patient*innen offen sind. Sie sind direkt auf mich zugekommen und wollten wissen wie ich heiße, woher ich komme, was ich gerne mache. Im Laufe der Zeit ist mir klar geworden, dass sie gerne wissen wollen, mit wem sie da überhaupt den ganzen Tag verbringen.

Dadurch bin ich auch selbst offener geworden. In der Ausbildung lernt man, dass man Distanz bewahren soll, aber persönlich habe ich andere Erfahrungen gemacht. Die Patient*innen sagen: „Hey, du kommst in meine Häuslichkeit, ich möchte nicht so eine große Distanz haben, dass du für mich fremd bist. Du willst mich ja bis ans Lebensende begleiten, also möchte ich dich besser kennenlernen und eine freundschaftliche Basis aufbauen“. Ich habe dadurch eigentlich nur gute Erfahrungen gemacht. Natürlich gibt es auch einige, die das nicht wollen. Das respektiere ich selbstverständlich.

Hast du auch schon Rassismus in deinem Beruf erfahren?

Ja, während der Ausbildungszeit. Es gab Patient*innen, die dahingehend auffällig waren. Ich bin dann trotzdem ruhig geblieben, habe meine Hilfe angeboten und die Menschen trotzdem versorgt. In den meisten Fällen ist den Menschen dann selber klar geworden, dass ihr Verhalten unangebracht war. Manchmal kommen Sprüche wie „Du bist eben eine Ausnahme, du bist einer von den wenigen, die anders sind.“ Zur Not wird das im Team kommuniziert, dass jemand anderes zu diesen Menschen geht.

Mittlerweile ist es echt lustig. Vor Kurzem habe ich eine Patient*innenanfrage bekommen, ein Ehepaar um die 70. Die Frau schrieb, wir haben dich kontaktiert, weil wir dich aus dem Fernsehen kennen. Ihr Mann wollte bei mir Patient werden, um mit mir gemeinsam Videos drehen.

Die wollen mit deiner Hilfe eine Influencer-Karriere starten! Aber im Ernst: Es wünschen sich bestimmt viele Angehörige von Menschen mit Pflegebedarf Pflegepersonal, das ihren Angehörigen auf Augenhöhe gegenübertritt – Menschen eben wie du und deine Mitarbeiter*innen. Wie findest du deine Mitarbeiter*innen?

Meine Mitarbeiter*innen melden sich direkt über „Facebook“, „Instagram“ via E-Mail oder kommen einfach bei uns im Büro vorbei. Wir mussten noch nie Stellenanzeigen schalten.

Was muss sich deiner Meinung nach dringend im Pflege Sektor ändern, damit mehr Menschen den Beruf des*der Pfleger*in ergreifen wollen? Der Bedarf ist ja zweifelsohne da.

Ja, die Zahl der Pflegebedürftigen steigt. Ich würde die schönen Aspekte des Pflegeberufs mehr hervorheben. Viele Schüler*innen bedanken sich bei mir für die Eindrücke aus meinem Alltag. Sie schreiben mir, dass sie Lust haben, ein Praktikum oder eine Ausbildung im Pflegesektor zu machen. Das ist toll! Ein Herr, der Berufssoldat war, schrieb mir vor Kurzem, dass er sich umorientieren möchte, nachdem er meine Videos gesehen hat. Ich bin sehr dankbar, wenn viele andere auch diesen Weg gehen wollen.

Ich bin sehr dankbar, wenn viele andere auch diesen Weg gehen wollen.

Du bist seit Kurzem Teil der „DFB“ Medien Influencer Kampagne anlässlich der Fußball EM 2024. Wie kam es dazu?

Jemand aus dem Social Media-Bereich des „DFB“ hat sich direkt bei mir gemeldet und mir von der Kampagne erzählt. Ich fand es cool, dass sie sagten, dass die Pflege ein wichtiger Teil Deutschlands ist. Ich freue mich sehr, Teil der Kampagne zu sein!


Hier findet ihr Rashid Hamid:

Fotos: @pflege.smile

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