Was steckt eigentlich hinter dem Lymphdrainage-Trend?

7. Dezember 2024

Lymphdrainagen trenden aktuell in Massagestudios. Physiotherapeutin Hannah Liebendörfer erklärt, worauf man achten muss.

Der Lymphdrainage-Trend ist omnipräsent – zahlreiche Massagestudios bieten neuerdings Lymphdrainagen an, komplette Studios werden gar nur zu diesem Zweck eröffnet. Auch auf Social Media werden Vorher-Nachher-Fotos und -Videos von Körpern gepostet, die angeblich durch Lymphdrainagen wohlgeformter sein sollen. Massagestudios werben damit, dass es durch das Ausstreichen von Flüssigkeitseinlagerungen zu einem Umfangverlust kommt und man sich entspannter, leichter und energiegeladener fühlen soll. Was verbirgt sich genau hinter diesem Trend – und für wen ist diese spezielle medizinische Massage eigentlich gedacht? Das haben wir die Würzburger Physiotherapeutin Hannah Liebendörfer gefragt.

femtastics: Was genau passiert bei einer Lymphdrainage?

Hannah Liebendörfer: Die Manuelle Lymphdrainage ist eine therapeutische Maßnahme, durch die der Transport der Lymphflüssigkeit und Rücktransport der Ablagerungen (wie Eiweiße) in den Lymphgefäßen angeregt wird. Die Haupt-Lymphknoten sitzen am Hals, in der Achsel, in der Leiste und im Bauchraum. Bei der Lymphdrainage wird von „körpernah“ zu „körperfern“ gearbeitet, bei einer Fuß OP beispielsweise wird am Hals angefangen, dann geht es weiter über den Bauch bis zur Leiste und zum Fuß. Am Hals beginnend werden die Wege frei gemacht und die Flüssigkeit und Ablagerungen können abtransportiert werden. Die Durchführung einer Lymphdrainage soll immer schmerzfrei sein.

Das Lymphsystem liegt überall unter unserer Haut und fließt „längs“. Wenn wir eine Schnittverletzung, eine OP hinter uns haben oder wir uns tätowieren lassen, wird der Fluss der Lymphbahn an dieser Stelle dauerhaft unterbrochen. Deswegen wird bei OP´s wenn möglich nicht quer geschnitten, sondern längs (der Kaiserschnitt ist hier eine Ausnahme), damit die Lymphbahnen nicht durchtrennt werden, was nicht reaktivierbar wäre.

Die Durchführung einer Lymphdrainage soll immer schmerzfrei sein.

Woran erkennt man eine gute Lymphdrainage?

Eine Lymphdrainage ist gefühlt ähnlich wie eine Wellness Massage, das kann im Grunde jede*r anbieten. Die medizinische Behandlung – wie die manuelle Lymphdrainage – allerdings nicht. Diese gehört zur physikalischen Entstauungstherapie und darf nur von Physiotherapeut*innen, ausgebildeten Masseur*innen und medizinischen Bademeister*innen durchgeführt werden. 

Bei der Lymphdrainage muss großflächig mit beiden Handflächen in kreisenden Bewegungen gearbeitet werden, dazu kommt ein sogenannter „Pumpgriff“. Auf „Instagram“ kursieren Videos, in denen teilweise nur mit den Fingerspitzen zwischen den Rippen eher „getippelt“ wird – hier befinden sich allerdings keine Hauptlymphknoten, das hat keinen wirklichen Effekt. Als Physiotherapeut*in darf man eine manuelle Lymphdrainage übrigens nur abrechnen, wenn man eine vierwöchige Fortbildung absolviert hat.

Die Lymphdrainage wirkt entstauend, kann schmerzlindernd sein und ist eine Entlastung für den Körper, wenn er es nicht schafft, Lymphflüssigkeit zurück zu transportieren.

Was ist das Ziel der Behandlung?

Die Lymphdrainage wirkt entstauend, kann schmerzlindernd sein und ist eine Entlastung für den Körper, wenn er es selbst nicht schafft, Lymphflüssigkeit zurück zu transportieren. Bei einem Lymphödem sammeln sich vor allem Proteine im Zwischengewebe an und in der Folge auch Wasser, das zurück transportiert werden muss. Damit die Lymphdrainage wirklich wirkt, ist zusätzlich Bewegung, Kompression (meist in Form von Kompressionsstrümpfen) und Ernährungsberatung als Therapie notwendig. Zusätzlich gibt es die Option einer speziellen Reha.

Für wen ist die Lymphdrainage geeignet?

Sie ist gedacht für Menschen, die ein Lymph- oder Lipödem, eine OP oder eine andere Art von Trauma mit Schwellung haben. Zum Beispiel kann man nach einer Brustkrebs OP prophylaktisch „lymphen“, um ein Lymphödem und eventuell einhergehende Schmerzen zu vermeiden. Außerdem kann sie bestehende Schmerzen bei einem Lymph- oder Lipödem lindern. Die manuelle Lymphdrainage wird ärztlich verordnet und von Fachpersonen behandelt.

Gibt es Menschen, für die diese Art der Massage nicht geeignet ist?

Es gibt Kontraindikationen, bei denen von einer Lymphdrainage abgesehen wird, zum Beispiel akute Herzinsuffizienz, eine Entzündung der Blutgefäße (Phlebitis), Gefäßverschluss (Thrombose / Embolie) aber auch Infektionen und Fieber bzw. Entzündungsprozesse, die im Körper im Gange sind.

Die Lymphdrainage allein hat einen begrenzten Effekt

Neue Lymphdrainage Studios werben unter anderem mit „wohlgeformteren“ Körperpartien und energiegeladenem Wohlbefinden. Wie schätzt du das ein? Gibt es diese Effekte – und wie nachhaltig sind sie?

Eine seriöse manuelle Lymphdrainage kann wohlformend sein, wenn man starke Ödeme hat. Dass eine Lymphdrainage beispielsweise gegen Cellulite helfen kann, ist nicht bewiesen. Der Effekt einer Lymphdrainage hält im besten Fall ein paar Tage an. Menschen mit Wassereinlagerungen bzw. Ödemen merken nach mehreren Behandlungen oft eine Minderung des Umfangs der betroffenen Körperregion, sodass die Schmerzen dadurch reduziert werden. Durch die entwässernde Behandlung kann es zu vermehrtem Wasserlassen kommen.

Die Lymphdrainage allein hat einen begrenzten Effekt, es muss zusätzlich mit Kompressionsstrümpfen / Bandagen, Bewegung und Ernährung gearbeitet werden. Das ist ähnlich wie bei „normalen“ Massagen, der Effekt ist hier begrenzt. Auch wenn die Aufmerksamkeit, die körperliche Zuwendung und die Ruhe natürlich auch einen zusätzlichen Effekt haben.

Foto: „Canva“, privat

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