Es ist ihr viertes gemeinsames Wohnprojekt – und was für eins! Galeristin Ulla Jahn und ihr Mann Mathias haben vor vier Jahren Hamburg den Rücken gekehrt und ihre außergewöhnliche Neubauwohnung gegen einen Bungalow bei Frankfurt am Main getauscht, den sie im Rahmen einer aufwändigen Sanierung mitten im Lockdown und mittels ihres ausgeklügelten Interior Designs aus den Siebzigerjahren in die Neuzeit katapultiert haben.
Auf 190 qm trifft Naturstein auf Knallfarben, ein japanischer Garten auf kalifornisches Terrassen-Flair und Bauhaus auf Postmoderne. Warum Ulla sich nach zehn Jahren von ihrer Galerie getrennt hat und warum sie und ihr Mann jetzt, wo alles fertig ist, gedanklich schon wieder zum nächsten Projekt driften, erzählt uns Ulla Jahn im Interview.
Ulla Jahn: Nach fünf Jahren am Spritzenplatz in Hamburg waren wir wieder an dem Punkt, dass gefühlt alles fertig war. Es juckte uns in den Fingern, ein neues Projekt anzugehen. Da wir freiberuflich sind, haben wir viele Möglichkeiten.
Wenn wir unser Zuhause neu gestalten, ist es immer eine Gemeinschaftsarbeit zwischen mir und meinem Mann. Der Prozess ist schleichend: Zuerst schauen wir in der Stadt, in der wir gerade leben, Immobilienangebote an. Ich würde eigentlich gern wieder in Berlin leben. Das will mein Mann aber auf keinen Fall. Frankfurt ist es diesmal aufgrund der strategisch guten Lage geworden. Ich fahre viel mit dem Auto zu Kund*innen, oder um für die Galerie etwas einzukaufen. Ich bin schnell in Paris oder Mailand. Mein Mann ist Frankfurter und seine Eltern leben hier. Also sind wir vier Wochen, bevor die Corona-Pandemie begann, von Hamburg nach Frankfurt gezogen.
Als wir uns für Frankfurt entschieden hatten, schauten wir nach Bungalows und fanden diese kleine Siedlung hier. Der Bungalow strahlte die optimale Substanz aus. Es ist ruhig, beschaulich und ich wollte gern wieder einen Garten haben. Der Vorbesitzer war Architekt und hat den Bungalow sowie viele andere in der Siedlung gebaut. Er und seine Frau haben fünfzig Jahre hier gelebt. Vor vierzig Jahren hat die Frau eine kleinen, japanischen Garten angelegt. Der ist wie ein Gemälde, total schön.
Wir haben den Bungalow also gekauft und die Wohnung am Spritzenplatz verkauft. Eigentlich wollten wir dann für längere Zeit durch Europa reisen und einige Einrichtungsgegenstände suchen und erwerben. Parallel sollte die Sanierung laufen, dafür hatten wir ein lokales Architekturbüro beauftragt. Im Februar 2020 sind wir in ein Hotel in Frankfurt gezogen. Eine Reise nach Paris haben wir geschafft – dann war Lockdown. Wir blieben also noch kurz im Hotel und zogen dann in den unrenovierten Bungalow.
Wir haben circa zehn Monate lang saniert und hatten Glück, dass wir trotz der im ersten Pandemie-Jahr knapp gewordenen Baumaterialen alles hinbekommen haben. Ebenso viel Glück hatten wir, dass trotz zweitweise bis zu 15 Bauarbeiter und Handwerker auf der Baustelle wir keinen Corona-Fall hatten. Da hat sich einmal mehr das Architekturbüro bezahlt gemacht, das wir mit der die Bauleitung beauftragt hatten. Die haben dafür gesorgt, dass alle Auflagen eingehalten und alle Materialen rechtzeitig geordert wurden.
Den Preisanstieg der knapp werdenden Baumaterialien haben wir allerdings voll abbekommen. Wir haben so lange wie möglich auf der Baustelle gewohnt, zum Schluss hatten wir nur noch ein Zimmer mit einer Plastikplane davor für uns. Alles andere war im Rohbau-Zustand. Nach sechs Monaten Baustellenleben sind wir dann noch mal für vier Monate in eine möblierte Mietwohnung gezogen. Da wir all unsere Möbel, bis auf ein Sideboard, mit der Wohnung in Hamburg verkauft hatten, sind wir mit leichtem Gepäck gereist. Im Dezember 2020 sind wir dann zurück in den Bungalow gezogen.
Wenn wir unser Zuhause neu gestalten, ist es immer eine Gemeinschaftsarbeit zwischen mir und meinem Mann.
Du musst einziehen, um dann sagen zu können: „Ich lebe jetzt hier, ihr müsst fertig werden!“. Du bist dann ja immer da und dadurch haben Handwerker*innen Druck. Sonst werden die nie fertig! Im Sommer habe ich ein Datum gesetzt, wann alles fertig sein muss. Du musst ganz streng sein und wirklich darauf bestehen.
Was uns großen Spaß macht, ist, Gebäude ins Jetzt und ins Morgen zu holen, sie dabei aber nicht zu vergewaltigen.
Ja. Wir sind mit ganz klaren Vorstellungen zu dem Architekturbüro gegangen. Wir können sehr gut mit dem arbeiten, was schon da ist. Der Bungalow war fünfzig Jahre lang ein liebevolles Zuhause unserer Vorbesitzer. Der Stil war französisches Landhaus mit Holzbalken unter der Decke, rustikalen Fliesen und gusseisernen Details.
Mit “Pinterest”-Boards halten wir alles fest, was uns gefällt. Wir haben noch nie selbst gebaut, sondern immer im Bestand. Was uns großen Spaß macht, ist, Gebäude ins Jetzt und ins Morgen zu holen, sie dabei aber nicht zu vergewaltigen. Es ist ein Siebzigerjahre-Bungalow mit einer gewissen Leichtigkeit. Ich wollte zum Beispiel gern einen Terrazzoboden, aber keinen gegossenen, sondern Fliesen – die findet man heute noch bei “Budnikowsky” oder “Müller”.
Bungalow schreit ein bisschen nach Naturstein. Wir hatten total Spaß daran, diesen mit künstlichen Materialien wie Plastik zu mischen. Im Badezimmer haben wir Natursteinfliesen zu einem orangefarbenen Waschtisch kombiniert, der aus fast porenlosem Material von “HIMAC” gefertigt ist. Dies ist ein homogener, völlig durchgefärbter Mineralwerkstoff, der eine puristische Oberfläche hat und grenzenlos verformbar ist. Er besteht aus natürlichen Mineralien, Acryl und Farbpigmenten. Auch die hellblaue Küche besteht aus dem Material. Dazu haben wir eine Marmorplatte kombiniert.
Bungalow schreit nach Naturstein. Wir hatten total Spaß daran, diesen mit künstlichen Materialien wie Plastik zu mischen.
Nein! Das wächst. Voran gehen immer sehr viele Diskussionen, aber wir haben stets eine große Schnittmenge. Es gibt auch mal Vorschläge, bei denen ein klares “Nein” von der anderen Seite kommt und wenn es wirklich so klar ist, dann ist es so. Ich kämpfe natürlich für meine Ideen und setze mich durch, wenn er es sich nicht vorstellen kann. (lacht) Bisher war das immer gut so.
Was übrigens wahnsinnig hilft, sind getrennte Zimmer. Im Zweifel kann jede*r in seinem oder ihrem Zimmer das machen, was der*die andere nicht will.
Ich empfinde zu viel Besitz als Ballast.
Das ist in der Tat ein heikles Thema. Ich empfinde zu viel Besitz als Ballast. Das ist tatsächlich etwas Psychisches. Ich will nicht so viel Ballast haben, weil ich mobil bleiben will. Schöne Dinge mag ich natürlich, aber wir haben unseren Hausstand um circa 30 Prozent reduziert, als wir umgezogen sind. Jedes neue Zuhause bietet die Möglichkeit, neue Möbel auszuprobieren – darauf habe ich Lust! Die alten Möbel werden verkauft und bekommen ein neues Zuhause. Und jobbedingt ist es eh unser täglich Brot, neue Sachen zu finden.
Ja. Der Trend geht dahin, dass man weniger Zeug hat und zukünftige Generationen haben eine fluidere Betrachtung hinsichtlich der Frage, wo der Platz ist, an dem man lebt. Es geht ums Loslassen: Heimat bin ich mir selbst, dafür bedarf es keines bestimmten Ortes. Diese Feststellung – bedingt durch die Pandemie – von überall aus arbeiten zu können und mit wenig auszukommen, hat vielen Menschen geholfen. Entsprechend sollte man auch sein Zuhause gestalten.
Zukünftige Generationen haben eine fluidere Betrachtung hinsichtlich der Frage, wo der Platz ist, an dem man lebt.
Das ist Typsache. Bei uns überwiegt die Neugier. Es gibt so viele fantastische Möglichkeiten: Du kannst in der Stadt leben, auf dem Land, in Südfrankreich, in einem Haus, mit Garten oder ohne und so weiter. Die Tatsache, dass es so viele Optionen gibt und die Freiheit, mehrere davon zu testen, sofern man denn Lust dazu hat, treibt uns um.
Ich gestehe aber, dass es mit zunehmendem Alter schwieriger wird. In Frankfurt Fuß zu fassen, hat gedauert. Ich führe mein Studio von zu Hause aus und genieße es sehr, das Haus nicht verlassen zu müssen. Dementsprechend kenne ich mich wirklich wenig in Frankfurt aus. Jetzt geht es aber schon wieder los mit dem “wir könnten ja vielleicht noch mal …”.
Südfrankreich! Wir sind in der glücklichen Lage, dass wir es ausprobieren können – und dann machen wir es auch. Natürlich ist dies mit einem großen Aufwand verbunden, ein Immobilienverkauf ist immer herausfordernd, aber dafür warten viele neue Erfahrungen auf uns!
Die Galerie in Hamburg habe ich aufgegeben und eine neue in Frankfurt eröffnet. Die Schlüssel bekam ich am ersten Tag des Lockdowns – und hatte dann vierzehn Monate geschlossen. Das brachte mich zum Umdenken. Das lokale Geschäft hat immer nur kostendeckend funktioniert. Das eigentliche Geschäft mache ich über meine Website.
Meine Kund*innen sitzen in den europäischen Metropolen – von Privatleuten bis hin zu Luxusunternehmen – sowie in Amerika und Asien. Mein Wunsch war immer, ein tolles Schaufenster zur Stadt zu haben. Mit der Pandemie wurde es noch schwieriger, die lokalen Kosten durch lokale Umsätze zu decken. Schweren Herzens habe ich entschlossen, die Galerie zu schließen und nur noch ein Lager zu haben. Heute bin sehr froh darüber und vor allem erleichtert.