Gemeinschaftlich wohnen: So schön leben zwei Familien in einem ökologischen Wohnprojekt!

Jana Tepe hat ihr Leben in der Großstadt gegen ein gemeinschaftliches Wohnprojekt an der Nordsee getauscht.

Zwei Familien, acht Menschen, zwei Holzhäuser, ein Schwimmteich, ganz in der Nähe von der Nordsee. Viele träumen davon, zusammen mit einer befreundeten Familie zu bauen – inklusive Gemeinschaftsflächen. Jana Tepe hat es getan! Mit Anna Kaiser gründete Jana 2013 in Berlin die Jobsharing-Plattform „Tandemploy“. Es folgte eine Software und die Erfolgsgeschichte ging weiter, bis das Unternehmen 2022 verkauft wurde.

Parallel ist Jana vor ein paar Jahren mit ihrer Familie in eine kleine Stadt an die Nordsee gezogen. Mit einer befreundeten Familie haben sie dort ein gemeinschaftliches und ökologisches Wohnprojekt geplant und gebaut. Sie haben sich so das Dorf geschaffen, das viele Familien gerne hätten. Wir haben Jana besucht, uns das tolle Wohnprojekt angeschaut und ihr ein paar Fragen über das gemeinschaftliche Leben gestellt.

Hier gibt es das Meer und viel mehr Platz.

Gemeinschaftlich wohnen: Zwei befreundete Familien leben mit ihren insgesamt vier Kindern in dem ökologischen Holzhaus-Ensemble an der Nordsee.

femtastics: Warum seid ihr vor ein paar Jahren von Berlin in den Norden gezogen?

Jana Tepe: Wie bei richtig vielen Menschen kam auch bei uns die Veränderung durch Corona. Während des ersten große Lockdowns waren wir zufällig an der Ostsee und sind in einem Ferienhaus der Familie gestrandet. Aus zehn Tagen sind vier Monate geworden. Die Familie hat uns in der Zeit bei der Kinderbetreuung unterstützt, damit wir beide weiter arbeiten konnten. 

Das „Tandemploy“-Büro in Berlin war zwar geschlossen, aber die Arbeit ging normal weiter. Diese Zeit hat uns so gut gefallen, dass wir im Anschluss den Sommer im Norden verbracht haben. Die Familie von meinem Mann kommt hierher, wodurch wir einen Bezug zur Region haben. Irgendwann war für uns klar, dass wir nicht mehr nach Berlin zurück wollen. Hier gibt es das Meer und viel mehr Platz. Stück für Stück ist die Entscheidung gereift, dass wir in den Norden ziehen wollen.

Die Inneneinrichtung hat Jana Tepe selbst konzipiert und umgesetzt.

Wir wussten schon immer, dass dieses klassische Einfamilienhaus nicht wirklich zu uns passt.

Wie hast du das mit deinem Job organisiert?

Ein wichtiger Punkt war das Learning, dass ich „Tandemploy“ auch von hier führen kann. Das konnte ich mir vorher nicht so richtig vorstellen. Wir haben unseren Mitarbeitenden zwar immer ermöglicht, von überall auf der Welt zu arbeiten, hatten aber gleichzeitig die komische Vorstellung, dass Anna und ich als Gründerinnen und Geschäftsführerinnen vor Ort sein müssen. Das stimmte aber nicht.

Anna war zu dieser Zeit auch nicht in Berlin und es hat trotzdem alles wunderbar funktioniert. Dadurch war dann klar, dass wir hier super wohnen und arbeiten können. Wir wussten aber noch nicht, wie wir hier leben wollen. Wir wussten nur schon immer, dass dieses klassische Einfamilienhaus nicht wirklich zu uns passt.

Zusätzlich zu den beiden eigenen Hauseingängen, gibt es einen gemeinschaftlich genutzten Eingang in der Mitte.

Ihr habt euch lange damit beschäftigt, wie ihr in Zukunft leben wollt. Wie kam die Entscheidung, dass ihr in einem Projekt gemeinschaftlich wohnen wollt?

Wir haben angefangen, mit einer befreundeten Familie zu sprechen, die von Hamburg ans Meer ziehen wollte. Gemeinsam haben wir Ideen gesponnen und zu Beginn sahen die ganz anders aus. Wir haben nach alten Höfen am Deich geschaut, die wir kaufen und renovieren können. Regelmäßig machten wir gemeinsame Fahrradtouren und haben bei Objekten handgeschriebene Briefe mit Fotos von uns in den Briefkasten eingeworfen.

Wir wurden zwar zum Kaffee eingeladen und alle waren nett, aber niemand wollte uns ein Haus verkaufen. Irgendwann war klar, dass wir neu bauen, wenn wir nichts Altes finden. Wir wollten möglichst nachhaltig bauen und es sollte ein Objekt sein, in dem wir mit zwei Familien gut leben können. So ist die Idee entstanden.

Wir wollten möglichst nachhaltig bauen und es sollte ein Objekt sein, in dem wir mit zwei Familien gut leben können.

War es denn einfach, ein gemeinsames Konzept zu finden, das allen gefällt? Jede Familie hat ja andere Vorstellungen und Bedürfnisse.

Wir hatten von Anfang ziemlich ähnliche Vorstellungen, sonst wäre das Projekt vermutlich recht schnell gestorben. So haben wir viel über alles gesprochen und das Projekt weiter gedacht. Dadurch sind verschiedene Themen entstanden – einiges wollten wir gemeinsam machen und hier und da wollten wir gerne individuelle Lösungen oder mehr Privatsphäre. Auf jeden Fall wollten wir gerne ein gemeinsames Grundstück mit einem großen Garten, den keine*r alleine pflegen muss. Es gibt viele Dinge, bei denen es Sinn macht, dass man sie sich teilt. Beispielsweise eine Luft-Wärmepumpe und eine Photovoltaik Anlage. Zudem war uns wichtig, dass die Kinder gemeinsam aufwachsen und wir uns im Alltag unterstützen können.

Die schönen Holzhäuser hat eine nachhaltige Holzbaufirma gebaut, die direkt nebenan ihren Sitz hat. Ein Hausboot sowie ein Tiny House gehören ebenfalls dazu (rechts im Bild).

Uns war wichtig, dass die Kinder gemeinsam aufwachsen und wir uns im Alltag unterstützen können.

Und wie lebt ihr jetzt genau? Wie nutzt ihr die gemeinschaftlichen Räume der Häuser?

Man kann es sich als Ensemble aus zwei Häusern vorstellen. Es sind zwei Holzhäuser, die erstmal für sich stehen. Also jede Partei hat sich ein Haus nach den eigenen Vorstellungen überlegt, aber die sind durch einen eingeschossigen Zwischenbau verbunden. Das ist unser gemeinsamer Eingang und unser Hauswirtschaftsraum, in dem die gemeinsamen Anlagen – Heizung, Photovoltaik etc. – stehen und auch ein gemeinsamer Kühlschrank mit Getränken sowie eine Tiefkühltruhe.

Von diesem Raum aus geht man dann in die jeweiligen Häuser. Die Kinder und Erwachsenen können einfach hin- und herflitzen wie sie möchten, auch bei schlechtem Wetter. Man kann natürlich die Türen abschließen, aber das haben wir noch nie gemacht. Die Außenanlagen teilen wir auch komplett. Wir haben einen gemeinsame Garten und gemeinsame Nebengebäude. Es gibt noch ein Hausboot und ein Tiny House. Das Hausboot nutzen wir als Gästehaus und Büro und das Tiny House ist ebenfalls ein Büro. Es gibt noch einen Schuppen, Hochbeete und Spielmöglichkeiten für die Kinder. Außerdem dürfen wir den Schwimmteich der benachbarten Naturbau-Firma für immer mit benutzen.

Die Kinder und Erwachsenen können einfach hin- und herflitzen wie sie möchten.

Wie toll! Ihr habt das Haus selbst geplant. Was war euch dabei wichtig?

Uns war klar, dass wir so nachhaltig wie möglich bauen wollen, wenn wir schon nichts Altes kaufen und sanieren können. Deswegen haben wir uns für die nachhaltige Holzbaufirma „Naturbau Meldorf“ aus dem Ort entschieden. Die sind tatsächlich nebenan, was sehr praktisch ist. Unsere jeweiligen Häuser haben wir individuell geplant. Von außen ist das Bild einheitlich, aber von innen sind die Häuser unterschiedlich.

Das ist schön, weil die Häuser den jeweiligen Bedürfnissen entsprechen und man auf das eigene Budget achten konnte. Über Fassaden, Fenster und den Außenbereich haben wir gemeinsam entschieden, da waren wir uns schnell einig. Solche Sachen besprechen wir weiterhin gemeinsam. Wir bekommen zum Beispiel bald Rollos, sowas entscheiden wir zusammen.

Für uns war super wichtig, dass die Häuser einen hohen Energiestandard haben und wir uns so gut es geht selbst versorgen können.

Und der Innenbereich?

Alles, was innen ist, haben wir alleine entschieden. Und trotzdem fühlt es sich sehr ähnlich an, von den Materialien und vom Raumklima. Es passt gut zusammen! Wir haben die Küche, Badmöbel und Bücherregale von der lokalen nachhaltigen Möbelmanufaktur „Westküstenholz“ bauen lassen. Es ist deutlich günstiger als Designermöbel und oft auch günstiger als Möbelhäuser oder sogar Individuallösungen aus dem Internet.

Für uns war außerdem super wichtig, dass die Häuser einen hohen Energiestandard haben und wir uns so gut es geht selbst versorgen können. Das klappt mit unserer Photovoltaik-Anlage super gut, im Sommer sowieso. Der Schwimmteich wird mit Regenwasser gefüllt und dieses Wasser wird wiederum abgepumpt und zur Bewässerung der Pflanzen genutzt. Wo es geht, sollte es so nachhaltig wie möglich sein und trotzdem noch erschwinglich.

Naturbau Meldorf hat mit unserem Projekt letztes Jahr sogar den Wettbewerb „Meisterstück 2023“ für das schönste Holzhaus des Jahres gewonnen. 

Jana Tepe ist die Co-Gründerin der Jobsharing Plattform „Tandemploy“ – das Unternehmen hat sie 2022 verkauft.

Was sind die Vorteile dieser Lebensweise? Ihr habt ja das vielbeschworene Dorf, das sich alle Eltern wünschen. Wie zeigt sich das im Alltag?

Das sind oft Kleinigkeiten. Wenn morgens zum Beispiel Stress aufkommt, kann man in die gemeinsame „WhatsApp“-Gruppe schreiben und dann nimmt eine erwachsene Person alle vier Kinder im Lastenrad oder im Auto mit. Oder abends, wenn die Kinder schlafen, muss nur eine*r losfahren und noch kurz etwas einkaufen. Es müssen nicht alle los.

Wir können kurz den anderen das Babyphone in die Hand drücken und abends nochmal los in die örtliche Kneipe oder ins Kino, sogar zusammen. Unsere Kinder haben durch das Zusammenleben vollstes Vertrauen zu den jeweils anderen Eltern. Dadurch funktioniert das, auch dass sie beieinander übernachten. Wir teilen uns die Betreuung auf, wenn die Kita geschlossen ist.

Unsere Kinder haben durch das Zusammenleben vollstes Vertrauen zu den jeweils anderen Eltern.

Oft sind es die kleinen Momente. Dass meine Tochter vielleicht fünf Minuten drüben spielen kann und ich in der Zeit etwas erledige. Diese kleinen To-Dos, die manchmal im Alltag so schwer umzusetzen sind, für die man sich nicht immer einen Babysitter organisieren kann. Das ist am allerschönsten. Und dass wir Erwachsene uns, unabhängig von den Kindern, einfach oft sehen können. Dass wir uns abends unkompliziert mit dem Babyphone und einem Bier auf der Terrasse treffen können. Oder im Zwischenbau, das fühlt sich immer ein bisschen wie Jugend an. Das ist für viele Eltern so spontan oft gar nicht möglich.

Und auch die anderen Aufgaben teilen wir: Abends muss eben nur eine Person den Garten wässern oder den Müll rausstellen. All die kleinen Aufgaben und Dinge, die sich aber ganz schön summieren, sind bei uns auf vier Schultern verteilt.

Viele der Einbauten und Holzmöbel im Innenbereich haben Tischler*innen und Holzmanufakuren gefertigt.

Es verbessert definitiv die Vereinbarkeit. Das kann im Berufsalltag einen großen Unterschied machen.

Das wirkt sich bestimmt positiv auf die Vereinbarkeit aus.

Ja, absolut. Wir sind alle berufstätig. Es gibt sogar eine Ärztin im Schichtdienst. Klar, müssen wir da manchmal viel koordinieren und absprechen, aber das macht es uns allen leichter. Wenn beispielsweise eine*r alle Kinder in der Kita abholt und sie noch eine halbe Stunde bei sich spielen lässt, gewinnen die anderen dadurch locker eine Stunde. Es verbessert definitiv die Vereinbarkeit. Das kann im Berufsalltag einen großen Unterschied machen.

Perfekt für Sonnenuntergänge: Die Terrasse und der Garten grenzen direkt an Maisfelder an.

Und gibt es auch Nachteile? Oder vermisst ihr etwas von eurem Leben in der Stadt?

Ich vermisse nur die kulinarische Vielfalt Berlins. Wenn man in eine Kleinstadt zieht, muss man sich eben selbst versorgen – mit leckerem Essen und gutem Kaffee. Es ist toll, dass wir in einer Stunde in Hamburg sind.

Nachteile bei der Lebensweise sehe ich nicht. Der Sommer ist ohnehin die tollste Jahreszeit. Wir versuchen unseren Tag nach dem Hochwasser zu richten und fahren mit den Kindern nach der Kita ans Meer. Und wir haben oft Besuch! Alle, die wir kennen, finden unser Wohnmodell richtig toll. Wir haben viele gemeinsame Freund*innen und das Hausboot ist quasi durchgehend belegt. Das ist total schön, denn das war ein Wunsch von uns. Wenn wir schon so weit rausziehen, dann wollten wir einen Ort schaffen, an dem viele Menschen gerne zu Besuch sind.

Wir haben uns ein Konzept überlegt, wie ein Bioladen genossenschaftlich organisiert und mit einem Mitgliedssystem funktionieren könnte.

Und jetzt habt ihr noch mehr gemeinschaftliche Pläne: Ihr baut gerade einen genossenschaftlich organisierten Bioladen auf!

In den letzten Jahren konnte man beobachten, dass immer mehr junge Familien herziehen. Familien, die aus der Stadt wegwollen und am Meer leben möchten. Dadurch hat sich die Gegend hier verändert. Letztes Jahr hat der Bioladen aus gesundheitlichen Gründen geschlossen. Das fanden wir total schade. Meldorf bemüht sich nämlich sehr um nachhaltigen Tourismus, ist Fairtrade City und Cittaslow Stadt.

Hier findet sehr viel Kultur und viel zum Thema Nachhaltigkeit statt. Mein Mann und ich haben uns ein Konzept überlegt, wie ein Bioladen genossenschaftlich organisiert und mit einem Mitgliedssystem funktionieren könnte. So kannten wir es schon aus Berlin aus einigen Supermärkten. Wie man das als Berliner Start-up Gründerin wahrscheinlich so macht, haben wir Slides vorbereitet, einen Infoabend veranstaltet und unsere Idee vorgestellt.

Der Abend war ein großer Erfolg. Wir haben jetzt ein tolles Ladenlokal gefunden, was wir gerade sanieren – es machen mittlerweile über 60 Menschen mit. Die Genossenschaft ist gegründet und unser toller Laden soll ein Begegnungsort für die Stadt werden.

Das klingt großartig! Vielen Dank, liebe Jana.


Hier findet ihr Jana Tepe:

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