Jessica Haas vom „Instagram“-Account @dekorationswut wollte eigentlich nie am Stadtrand wohnen, tauschte ihr Leben im „Big Apple“ aber schließlich gegen ein Haus am Wald mit Garten am Rande Hamburgs. Das Haus von 1936 war früher das Wohnhaus einer Musikerfamilie. Der Anbau, der heute Jessicas Werkstatt ist, war früher das Musizierzimmer. Im Gespräch mit femtastics erzählt sie, wie schwer es ihr fiel, die Millionen-Metropole New York zu verlassen und wie sie schöne und günstige Möbel für ihre Upcycling-Projekte findet.
Jessica Haas: Vor dem Hauskauf haben mein Mann und ich direkt in der Hamburger Innenstadt gewohnt. Eigentlich wollte ich nie ganz raus aus der Stadt. Davor haben wir zwei Jahre in New York gewohnt, von 2013 bis 2015. Dort ist unsere Tochter Greta zur Welt gekommen. An diese tolle Zeit denke ich gerne zurück.
Wir haben in der Upper West Side gewohnt, drei Schritte vom Central Park entfernt. Das war wirklich ein Traum.
Mein Mann wurde aufgrund seines Jobs dorthin versetzt, darum war unser Aufenthalt dort auf eine bestimmte Zeit begrenzt. Wir hätten zwar die Möglichkeit gehabt, länger in New York zu bleiben, aber das wollte mein Mann nicht. Ich wäre sofort dort geblieben. Wir haben in der Upper West Side gewohnt, drei Schritte vom Central Park entfernt. Das war wirklich ein Traum. Im Vergleich zu unserer jetzigen Wohnsituation ist das natürlich ein krasser Unterschied.
Ich wollte eigentlich in der Stadt bleiben und habe immer gesagt: „Ich ziehe niemals raus.“ Nur dieses eine Haus hatte es mir angetan. Es war Liebe auf den ersten Blick.
Dass wir das Haus hier gefunden haben, war reiner Zufall!
Nein. Dass wir das Haus hier gefunden haben, war reiner Zufall. Mein Mann lag krank im Bett und hat aus Spaß auf Immobilien-Websites nach Häusern geguckt. Als er das Haus hier zeigte, dachte ich sofort: Wow, ist das schön. Ich will das.
Vorher hat in diesem Haus ein Architektenpaar gewohnt. Sie wollten es umbauen, haben dann allerdings in der Nachbarschaft ein Grundstück entdeckt. Es war ihr Traum, einmal ein Haus von Grund auf selbst zu bauen und zu entwerfen. Daraufhin haben sie dieses Haus verkauft.
Ja, wir mussten an diesem Haus nur noch Restarbeiten machen. Komplett fertig war es noch nicht. Die vorherigen Besitzer haben sich ganz ihrem neuen Projekt gewidmet. Aber es hat Spaß gemacht. Wir haben die Architektenplanung quasi umsonst dazu bekommen.
Ich finde Erdtöne und gedeckte Farben toll. Ich mag es ruhig und sanft – das gibt mir innere Ruhe.
Ja, ein paar gab es schon. Am Anfang hatten wir große Probleme mit der Heizungsanlage. In den ersten zwei Jahren saß ich mehr im Keller als hier oben, manchmal stundenlang, um das Haus irgendwie warm zu bekommen. Teilweise hatten wir auch nur noch kaltes Wasser. Die ersten beiden Winter waren echt frostig.
Letztes Jahr haben wir dann die ganze Heizungsanlage ersetzen müssen, das war übel und hat uns viel, viel Geld gekostet. Sonst ging es eigentlich. Wir hatten noch etwas Schimmel im Keller aber sonst war es das auch.
Das Haus ist teilfinanziert und wir haben vorher einen großen Teil an Geld gespart.
Ich finde vor allem Erdtöne und gedeckte Farben toll. Ich mag es ruhig und sanft. Das gibt mir innere Ruhe. Auch dieses Alt und Neu zusammen gefällt mir. Vieles hier haben wir erhalten können, den Fußboden und ein paar Fenster. In Kombination mit den neuen Möbeln harmoniert das sehr gut. Als Inspiration blättere ich gerne durch dänische Interior-Zeitschriften.
Meistens bei „Ebay Kleinanzeigen“ und online bei „Connox“ oder „Geliebtes Zuhause“. Mein Lieblingsladen in Hamburg ist „Lys-Vintage“. Oft bin ich auf Flohmärkten im Hamburger Umland unterwegs, die in der Stadt sind leider sehr teuer.
Auf jeden Fall Geduld. Ich habe immer mehrere Suchaufträge für bestimmte Teile laufen und schaue wirklich jeden Tag nach, ob etwas Neues dabei ist. Ich suche immer konkret nach dem Möbelstück und nicht nach dem Stil. Zum Beispiel: „Sideboard alt“. Wenn man „Vintage“ oder „Mid Century“ eingibt, dann kommen meist nur überteuerte Teile.
Irgendwann hatte ich die Idee, dass man in unserem schönen Anbau ja eine Werkstatt einrichten könnte, in der ich Möbel bauen kann.
Die Dielen oben sind nicht versiegelt, wir haben sie damals nur geölt, dadurch sind sie super empfindlich. Das hätte ich im Nachhinein gerne anders gemacht, aber das wäre jetzt einfach zu aufwändig. Auch der Fußboden in Küche und Flur ist eigentlich viel zu empfindlich. Und ich würde in der Küche keine Betonarbeitsplatte mehr wählen, auch zu empfindlich.
Sonst bin ich froh, dass wir das Haus haben und dass wir alles so gemacht haben, wie wir es gemacht haben. Mich kriegt man hier nicht mehr weg. Außer nach New York. Da würde ich wirklich gerne wieder hin.
Selbstständig war ich schon, als wir noch in der Stadt gewohnt haben. Damals habe ich alte Möbel auf „Ebay Kleinanzeigen“ oder bei Haushaltsauflösungen gekauft, die im Vergleich zu heute noch sehr günstig waren. Die habe ich auf unserem Balkon wieder hübsch gemacht und regelmäßig unsere Nachbarn mit der Schleifmaschine genervt. Dann habe ich sie weiterverkauft. Das lief eine Zeit lang wirklich gut. Mittlerweile geht das gar nicht mehr. Alles ist so teuer geworden.
Irgendwann hatte ich die Idee, dass man in unserem schönen Anbau ja eine Werkstatt einrichten könnte, in der ich Möbel bauen kann. Mir kam der Gedanke: Warum baue ich nicht einfach selber etwas? Mein Mann ist glücklicherweise handwerklich sehr begabt, er hat mir dann einige Dinge gezeigt und beigebracht. Irgendwann fing ich an, Möbel und Kisten selbst zu bauen und zu verkaufen.
Ich liebe den Geruch von Holz einfach und ich finde es so schön, damit zu arbeiten!
Kreativ war ich schon immer, würde ich behaupten. So richtig handwerklich ist es erst in den letzten Jahren geworden. Ich liebe den Geruch von Holz einfach und ich finde es so schön, damit zu arbeiten!
Ich habe vorher 18 Jahre als Assistentin im HR-Bereich in einer Wirtschaftskanzlei gearbeitet. Als unsere Tochter Greta zur Welt kam, habe ich die Arbeitszeit auf 20 Stunden in der Woche reduziert. Aber als wir hier rausgezogen sind, hat mich die Fahrt in die Stadt nur noch genervt. Durch dieses Hin- und Herfahren ist so viel Zeit verloren gegangen.
Jeden Tag sieht man perfekte Wohnungen und Häuser. Ich muss mich selbst oft stoppen, damit ich nicht in Selbstzweifeln versinke. Der ständige Vergleich ist sehr anstrengend.
Ich habe damit eigentlich erst angefangen, als wir hierhergezogen sind und mit der Renovierung des Hauses angefangen haben. Ich habe „Instagram“ vorher als Inspiration genutzt, aber wenn ich ehrlich bin, kann man da ganz schön verrückt werden! Jeden Tag sieht man perfekte Wohnungen und Häuser. Das finde ich manchmal richtig schlimm und muss mich selbst oft stoppen, damit ich nicht in Selbstzweifeln versinke. Der ständige Vergleich ist sehr anstrengend.
Momentan verdiene ich über 70 Prozent mit Marken-Kooperationen auf „Instagram“ und 30 Prozent mit dem Verkauf meiner Möbel. Ehrlicherweise läuft das Möbelgeschäft momentan nicht so gut. Ich musste meine Preise anziehen und gerade jetzt kaufen sich die Menschen eher weniger kleine Dinge und Möbelstücke in der Preisklasse.
Manchmal habe ich ehrlicherweise das Gefühl, dass ich kurz vor dem Burnout bin. Eine Strategie dagegen habe ich leider noch nicht gefunden.
Das finde ich momentan super schwierig und ich muss daran tatsächlich noch viel arbeiten. Letztendlich bin ich hiermit sieben Tage die Woche beschäftigt. Ich bin auch im Urlaub immer online. Seit vier Jahren habe ich keine „Instagram“-Pause gemacht. Natürlich macht mir das alles ganz viel Spaß, aber ich habe immer den Druck, abliefern zu müssen, um nicht im Algorithmus verloren zu gehen. Ich muss in Zukunft echt aufpassen. Manchmal habe ich ehrlicherweise das Gefühl, dass ich kurz vor dem Burnout bin. Eine Strategie dagegen habe ich leider noch nicht gefunden.
Da kann ich mich gar nicht so richtig entscheiden. Ich brauche die Kombination aus beidem. Zwischendurch brauche ich den Trubel der Stadt und viele Menschen um mich herum. Hier im Haus hat man viel Ruhe, man kann besser nachdenken und alles verarbeiten. Wenn wir nicht aus der Stadt gezogen wären, dann wäre es nie in diesem Ausmaß zu dem „Instagram“-Account und den Möbeln gekommen. Dann würde ich jetzt immer noch im Büro sitzen. Und das meine ich jetzt gar nicht negativ. Es fehlt mir auch, meine Arbeit hat mir immer sehr viel Spaß gemacht. Vor allem die Kolleg*innen vermisse ich, hier ist es manchmal ganz schön einsam. Zwar habe ich meine „Instagram“-Kolleg*innen, mit denen ich täglich in Kontakt bis, aber das ist irgendwie etwas anderes.
Ich würde raten langsam anzufangen und nicht gleich zu sagen: “So, ich kündige jetzt meinen Job und mache nur noch das.” Man sollte das Ganze erstmal parallel laufen lassen. Wenn ich mir jetzt vorstelle, ich wäre die Alleinverdienerin und müsste meine Familie ernähren, wäre das einfach zu unbeständig. Als Alleinverdiener*in muss man sich meiner Ansicht nach Hilfe holen. Alleine kann man das kaum schaffen. Es gibt Gründer- oder Künstler-Kredite, die man in Anspruch nehmen kann und sollte.
Layout: Kaja Paradiek