Nur einen Katzensprung von der deutsch-dänischen Grenze entfernt steht ein Haus, aus dessen hellblauem Garagentor kunterbunte Wildblumen sprießen. Früher lebten dort die Grenzzöllner*innen mit ihren Familien, heute ist es das Zuhause von Nina und Florian Johannsen. Vor einem Jahr wagte das Paar – sie sind nicht verheiratet, tragen als gebürtige Nordfriesländer*innen allerdings schon seit Geburt den gleichen Nachnamen – den Schritt und zog von Nordfriesland in eine kleine Kommune, um sich den Traum vom eigenen Haus in Dänemark zu erfüllen.
Damit starteten die beiden ein Sanierungsprojekt, das sie seitdem ganz schön auf Trab hält. „Ursprünglich dachten wir, wir renovieren nur“, erzählt Nina lachend via „Zoom“. „Aber ich bin super happy mit der Entscheidung, auch wenn wir seit einem Jahr auf einer Baustelle leben.“ Wie das aussieht und mit wie viel Energie die beiden in Eigenregie Wände verputzen, Böden abschleifen und ihren weitläufigen Garten pflegen, kann man auf Ninas „Instagram“-Account @nina_johannsen_ verfolgen. Mit uns hat sie darüber gesprochen, wie es ist, so lange auf einer Baustelle zu leben, wie sie die Finanzierung gestemmt haben und wieso ausgerechnet Dänemark.
Nina Johannsen: Ich sitze in einer ganz kleinen Kammer, unsere kleine „Harry-Potter“-Rumpelkammer, in der ich mir mein Büro eingerichtet habe. Neben mir ist ein kleines Fenster, durch das ich auf den kleinen Wald von unserem Nachbarn schaue.
Ich habe nie damit gerechnet, mal ein Haus in Dänemark zu kaufen. Ich habe eigentlich immer alleine gelebt und könnte mir alleine kein Haus leisten. Aber dann habe ich Florian kennengelernt und er ist relativ schnell bei mir eingezogen. Damals haben wir von Anfang an darüber gesprochen, was wir uns vorstellen, wovon wir träumen. Und Florian wollte schon immer einen eigenen Garten. Daraus hat sich die Idee ergeben, ein Haus zu kaufen und wir haben überlegt, wie das überhaupt möglich wäre. Ich hatte mich erst vor ein paar Jahren selbstständig gemacht, hatte kein Erspartes und auch keine Erbschaft gemacht. Sprich, wir hatten kein Eigenkapital.
Ich habe nie damit gerechnet, mal ein Haus in Dänemark zu kaufen.
Zunächst haben wir in Nordfriesland, wo unsere Eltern leben, nach Häusern geschaut, weil wir gerne in der Nähe von unseren Familien leben wollten. Aber abgesehen davon, dass uns nichts richtig gefallen hat, sind Häuser in Deutschland unfassbar teuer. Weil Florian der dänischen Minderheit in Deutschland angehört und für seine Arbeit jeden Tag über die Grenze nach Dänemark gependelt ist, haben wir relativ schnell angefangen, dort zu suchen. Auf dem Land in Dänemark sind die Häuser um einiges günstiger.
Die meisten Dän*innen leben in den Ballungszentren rund um die Großstädte, weil dort die Arbeitsplätze sind. Die Nordseeseite, auf der wir mittlerweile leben, ist für viele Dän*innen nicht attraktiv. Wenn wir ihnen erzählen, wo wir leben, gibt es manchmal richtige Gesichtsentgleisungen. Entsprechend der niedrigen Nachfrage sind auch die Hauspreise relativ gering.
Auf dem Land in Dänemark sind die Häuser sehr viel günstiger als in Deutschland.
Eigentlich gibt es hier fast nichts, zum Teil ist er richtig verfallen. Es ist eine Straße, an der ein paar Häuser stehen. Ich würde es noch nicht mal Dorf nennen. Für Erledigungen müssen wir nach Tødern, die nächste Kleinstadt, fahren. Das sind nur zehn Minuten Fahrt. Das hat uns aber nicht abgehalten. Wir wollten in die Nähe unserer Familien ziehen und das haben wir geschafft – auch wenn wir dafür über die Grenze fahren müssen.
Das Leben dort fehlt mir, aber ich bereue unseren Umzug nicht. Ich habe einfach gerne in Flensburg gelebt. Hatte meine Ecken, meine Cafés. Ich arbeite ja aus dem Home Office, da tut es zwischendurch gut rauszugehen, sich einen Kaffee zu holen. Hier bin ich alleine. Aber dann gehe ich in unseren Garten, das ist auch schön.
Als Erstes haben wir für die Finanzierung einen Termin mit einer dänischen Bank gemacht. Nachdem sie unsere Unterlagen gesichtet hatten, haben sie uns gesagt, in welchem preislichen Rahmen wir nach Häusern schauen können. Dabei sind wir von meinem und Florians Gehalt ausgegangen. Als die Bank meinte, es klappt alles, haben wir angefangen zu suchen.
Wir haben die App „Boligsiden“ genutzt. Man kann filtern, in welchem Radius, in welchem Preisrahmen und in welcher Gegend man nach Häusern suchen möchte. Das Tolle ist, dass ich in der App die Inserate von allen Immobilienfirmen sehen konnte. Es war wie Online-Shopping. Ich bin jeden Abend durch die neuen Inserate gescrollt und Florian musste dann anrufen, weil er dänisch spricht. So haben wir unser aktuelles Haus in Dänemark gefunden.
Ich hab den ganzen Tag Banken abgeklappert und sogar bei deutschen Bank angerufen.
Das dachten wir zumindest. Aber als wir wieder zu unserer Ansprechpartnerin bei der Bank gegangen sind, um ein Angebot für unser Haus abzugeben, meinte sie auf einmal, es sei doch nicht möglich. Dabei lag unser Haus weit unter dem Budget, das uns die Bank gesagt hatte. Bei unserem letzten Gespräch war uns ein Kredit von etwa einer Millionen Kronen, also ungefähr 130.000 Euro, zugesichert worden. Unser Haus war für 90.000 Euro inseriert. Wir mussten also noch mal alles einreichen, komplett die Hosen runterlassen. Am Ende hat die Bank trotzdem abgelehnt.
Anscheinend konnten sie mein Gehalt doch nicht in die Berechnungen miteinbeziehen, weil ich selbstständig bin, sprich keinen festen Arbeitsvertrag habe, und weil meine Konten in Deutschland sind. Sie konnten dort nichts einsehen und sie nicht pfänden, sollte die Ratenzahlung mal ausbleiben. Wir hatten also ein Haus, aber kein Geld. Das war richtig stressig, weil wir ein Angebot abgeben mussten.
Ich habe den ganzen Tag Banken abgeklappert, sogar bei deutschen Banken angerufen, aber die finanzieren nur in seltenen Fällen länderübergreifend. Am Ende hatten wir Glück, weil die Maklerin uns eine kleine Dorfbank im Nachbarort empfohlen hat. Da haben wir uns wieder mit der Beraterin hingesetzt und unsere Unterlagen ausgebreitet. Am Ende hat alles geklappt und wir konnten alles über Florians Namen regeln. Das war aber nur möglich, weil er schon eine CPR-Nummer, eine persönliche Registrierungsnummer, hatte, über die in Dänemark alles läuft. Ich weiß leider nicht, wie es ist, wenn man diese Nummer nicht hat. Wahrscheinlich muss man dann einen Koffer voll Geld haben. Auf jeden Fall konnten wir ein Angebot abgeben, sogar noch ein bisschen handeln und unser Haus für 74.000 Euro kaufen.
Es wurde 1923 erbaut, wir haben dieses Jahr also 100-Jähriges. Früher haben hier die Grenzzöllner*innen mit ihren Familien gelebt. Es hat 190 Quadratmeter und ist von einem 900 Quadratmeter großem Grundstück umgeben. Wir möchten noch mal genauer recherchieren, wer hier gelebt hat. Mich beschäftigt sehr, was hier während des zweiten Weltkriegs passiert ist. Die Menschen müssen hautnah miterlebt haben, wie die Deutschen über die Grenze gekommen sind.
Wir hätten auch so in unserem Haus leben können, aber es ist alles super alt. Seitdem leben wir auf der Baustelle.
Einen guten Zustand. In Dänemark müssen Hausverkäufer*innen immer ein Gutachten erstellen und in einem Ampelsystem festhalten, was an dem Objekt gemacht werden muss und was noch in Ordnung ist. In unserem Gutachten war sehr wenig Rot. Nur die alten Holzfenster waren total morsch, die mussten wir auf jeden Fall austauschen. Also haben wir unsere Wohnung in Flensburg gekündigt und sind im Juni 2022 nach Dänemark gezogen. Wir dachten, wir renovieren ja nur ein bisschen.
Eigentlich wollten wir nur den Boden etwas aufarbeiten, die Küche und die Elektrik austauschen. Aber als wir eingezogen sind, wurde uns ziemlich schnell klar: Ey, wir müssen hier echt sanieren. Wir müssen den alten Putz von den Wänden nehmen, die Wasserrohre austauschen. Oder besser gesagt: Wir möchten das. Wir hätten auch so in unserem Haus leben können, aber es ist alles sehr alt. Seitdem leben wir eben auf der Baustelle.
Wir wussten nicht, was der nächste Schritt ist, wie man anfängt, wie man überhaupt saniert. Aber dann haben wir einfach angefangen. Wir wollten es so machen und es bringt so viel Spaß.
Eigentlich war es gar nicht so schlimm. Natürlich macht es erst mal Angst. Ich stand in dem Haus in Dänemark und dachte mir: „Scheiße“. Wir wussten nicht, was der nächste Schritt ist, wie man anfängt, wie man überhaupt saniert. Aber dann haben wir einfach losgelegt. Wir wollten es so machen und es bringt enorm viel Spaß. Wir haben auch immer wieder mit Fachleuten gesprochen. Zum Beispiel, als es im Wohnzimmer darum ging, den Putz von den Wänden zu nehmen. Das war gut. Natürlich geht auch viel schief. Wir müssen manche Dinge doppelt machen, weil wir keine Ahnung haben und etwas falsch machen. Dann ärgern wir uns, aber wenn man fertig ist, denkt man sich: Geil, das haben wir selber gemacht.
Ich hätte nie gedacht, dass wir nach einem Jahr noch keinen Raum außer die Speisekammer fertig haben.
Ich glaube, sonst wird man unglücklich. Natürlich sind wir auch öfters frustriert. Ich hätte nie gedacht, dass wir nach einem Jahr noch keinen Raum außer die Speisekammer fertig haben. Man hat seine Tiefs. Aber eigentlich nehmen wir alles mit Gelassenheit und sind noch immer richtig motiviert, weil wir wissen, wie es aussehen wird. Das treibt uns an und hält uns über Wasser.
Wir sind noch immer richtig motiviert, weil wir wissen, wie es aussehen wird. Das treibt uns an und hält uns über Wasser.
Dadurch, dass die Raten von unserem Haus in Dänemark relativ niedrig sind, war der eigentliche Plan, monatlich etwas zurückzulegen, um die Renovierung davon zu bezahlen. Aber dann mussten wir halt sanieren. Wir hatten 10.000 Euro gespart, das war unser Pott und wir haben geschaut, wie lange wir damit auskommen. Deshalb haben wir auch kein Komplettangebot von einem*einer Handwerker*in eingeholt, sondern alles selber bestellt: den Lehm zum Verputzen der Wände, die Rohre für die Wandheizung. Nach einem Jahr war unser Budget weg. Wir hatten uns von Anfang an vorgenommen, für die Sanierung keinen Baukredit zu beantragen und stattdessen viel selber machen. Dementsprechend langsam geht es bei uns voran.
Gar nicht. Null. Mein Vater ist handwerklich begabt, deswegen frage ich ihn oft, aber es gibt niemanden, auf den wir uns komplett verlassen können. Die Handwerker*innen haben uns immer weitergeholfen und uns gesagt, was die nächsten Schritte sind, was wir brauchen, wen wir als Nächstes anrufen sollen und so geht das immer weiter. Und dann auch einfach viel learning by doing.
Wir haben uns während des Lockdowns viele Videos über Altbausanierungen angeschaut und viele haben Lehm verwendet, um ihre Wände zu verputzen. Damals haben wir bemerkt, was Lehm für ein toller Baustoff ist. Er reguliert die Luftfeuchtigkeit, ist leicht zu verarbeiten und verzeiht auch Fehler. Ist man nicht zufrieden, macht man ihn einfach nass und formt ihn neu. Seitdem wussten wir: Wenn wir etwas verputzen müssen, dann mit Lehm. Wir haben dann bei einem Lehmbauer aus der Gegend angerufen, aber er meinte, er sei total überlastet und könne das bei uns nicht machen. Aber er hat uns angeboten, einen Workshop mit uns zu machen, damit wir die Wände selber verputzen können. Das war genau, was wir wollten.
Damit haben wir angefangen und seitdem versuchen wir möglichst viel Naturmaterialien zu verwenden, weil es für uns keinen Sinn mehr hat, noch mit konventionellen Materialien zu arbeiten. Für die Dämmung an den Fenstern haben wir zum Beispiel Hanf verwendet. Statt Bauschaum verwenden wir eine Alternative aus Kork und zum Streichen verwenden wir Kalkfarbe. Es klappt aber nicht immer: Bei unseren Stuckleisten mussten wir auf Styropor zurückgreifen, weil unsere Wände so krumm und schief sind. Dafür brauchten wir ein Material, das sich mitbewegt. Manchmal kommt man einfach an seine Grenzen.
Es war manchmal ein Kampf mit Handwerker*innen aus dem konventionellen Bau. Sie schütteln die Köpfe, verstehen nicht, warum wir das so machen oder stempeln uns als Super-Ökos ab. Aber manche lassen sich auch darauf ein und haben uns tolle Alternativen aufgezeigt. Das war echt cool.
Im oberen Bereich des Hauses haben wir viele kleine Räume. Da wollen wir alles ändern und drei große Räume schaffen. Im Sommer fangen wir an, die Wände wegzunehmen und bereiten alles vor, damit die Heizungen eingesetzt werden können. Mehr schaffen wir dieses Jahr wahrscheinlich gar nicht. Früher oder später soll unsere Energieversorgung auch autark werden. Aber das ist noch Zukunftsmusik. Bisher sind wir einfach richtig stolz, was wir schon alles hinbekommen haben.
Ein Haus in Dänemark kann man nur kaufen, wenn es der Erstwohnsitz ist. Man muss also auf jeden Fall umziehen. Und um eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis zu bekommen, musste ich ein Vermögen von 10.000 Euro vorweisen, weil ich selbstständig bin. Das muss als eine Art Pfand dauerhaft auf einem Konto liegen. Es gibt also ein paar Hürden, aber in jeder Kommune gibt es Ansprechpartner*innen, die Auswander*innen unterstützen.
Fotos: Privat, Daniela Lilienthal (Porträtfoto)