Wie schafft man es, bei der Auswahl von Einrichtungsgegenständen bei sich und seinem persönlichen Stil zu bleiben – gerade in Zeiten nie endender Inspirationsflut in den Sozialen Medien? Dies haben wir die Hamburgerin Kristina Ströh gefragt, die uns in ihre schöne Maisonette-Wohnung in Hamburg-Ottensen eingeladen hat, die einige eventuell kennen. Woher? Von Instagram natürlich! Hier hat Kristina sich mit ihrem Account @kristina.ahoi eine Fangemeinde aufgebaut, die genau wie wir die persönliche Note an ihrem Interior-Geschmack schätzen. Das Ästhetische und Visuelle spielt auch in ihrem Beruf eine große Rolle. Gelernt hat die 31-Jährige Visuelles Marketing und ist vor acht Jahren in das Familienunternehmen mit eingestiegen. Für „Ahoi Retail“ setzt sie Retail Design Konzepte und POS Consulting für große Modekunden im norddeutschen Raum um.
Kristina Ströh: Ich habe zwei Ausbildungen gemacht. Die erste war eine Ausbildung zur Goldschmiedin, die zweite als Gestalterin für visuelles Marketing – mit dem Hintergedanken, dass ich irgendwann in das Unternehmen meiner Eltern einsteige. 2012 war es dann soweit. Meine Eltern hatten eine Agentur für visuelles Marketing und haben Unternehmen beraten, Konzepte geschrieben und mit Ladenbausystemen, Dekoartikeln und Schaufensterfiguren gehandelt.
Mein Vater ist damals krankheitsbedingt ausgestiegen, deswegen bin ich so früh mit an Bord gegangen. Meine Mutter macht mittlerweile das Back Office und unterstützt mich. Wir haben die Firma umstrukturiert und ihr mit „Ahoi Retail“ einen neuen Namen gegeben. Wir setzen jetzt mehr auf Ladenbau. Ich sitze oben in meinem Home Office und betreue im Außendienst meine Kund*innen zwischen Hamburg, Köln und Berlin.
Wenn du durch die Innenstadt läufst und dir ein Schaufenster anschaust, dann ist im besten Fall alles in diesem Fenster von mir.
Anfangs überhaupt nicht, die Zweifel kamen erst mittendrin. Es war ein längerer Prozess. Meine Mutter musste loslassen und ich musste gleichzeitig die Verantwortung übernehmen. Das hat gut geklappt und seitdem arbeiten wir auf Augenhöhe zusammen.
Um es greifbar zu machen: Wenn du durch die Innenstadt läufst und dir ein Schaufenster anschaust, dann ist im besten Fall alles in diesem Fenster von mir. Ich habe dabei kein eigenes Lager und kaufe nichts direkt ein – stattdessen arbeite ich mit verschiedenen Firmen zusammen, die quer über Deutschland verteilt sind, und vertrete sie. Eine Firma macht beispielsweise Ladenbau und Sonderanfertigungen, eine andere Firma macht saisonale Dekokollektionen. Mit diesem Potpourri an der Hand hat der Kunde trotzdem nur eine Ansprechpartnerin mit mir. Freitag ist mein fester Bürotag, ansonsten richte ich mich ganz nach den Bedürfnissen meiner Kund*innen. Im Januar war ich in Frankfurt auf der Messe “Christmas World” und habe mich mit Weihnachtsdeko beschäftigt, bis April sollten die Weihnachtsbestellungen der Kund*innen bei uns eingetroffen sein.
Das stimmt! Von der Blumenvase über Ladenbau bis hin zur Figur kümmere ich mich so gut wie um alles!
Das sind zum Beispiel die Nord-Gruppe von Peek & Cloppenburg, Lengermann & Trieschmann und die Leffers Gruppe.
Komplett neue Konzepte gibt es jeweils für die Frühjahr/Sommer- und die Herbst/Winter-Saison. Dazwischen gibt es Themenwochen, das betrifft meistens Sonderanfertigungen für den Point of Sale. Die meisten Unternehmen erstellen ihre Konzepte inzwischen selbst. Je größer der Konzern, desto geringer mein kreativer Input. Bei kleinen Unternehmen ist das anders, die haben Interesse an Konzepten. Die Mischung ist perfekt.
Ich beginne eine Ausbildung zur Yogalehrerin. Mal sehen, wohin mich dieser Weg führt.
Ich beginne bald eine Ausbildung zur Yogalehrerin. Mal sehen, wohin mich dieser Weg führt. Ich muss mich auf jeden Fall nach der Prüfung im Dezember neu sortieren. Viele Jahre habe ich mich vor der Ausbildung gescheut bis ich einen Aha-Moment hatte: Es geht nicht darum, wie perfekt du eine bestimmte Yogapose kannst, sondern wie gut du sie vermitteln kannst. Es geht um den Kern des Yogas. Ich habe mich vor allem für meine persönliche Entwicklung für die Ausbildung angemeldet.
Ich gehe Instagram überhaupt nicht strategisch an. Umso schöner, dass es dennoch oder gerade deswegen so groß geworden ist!
Dieses Jahr habe ich gemerkt, dass es ein Beruf ist. Angefangen hat es als Leidenschaft und ich behalte mir vor, das immer noch recht zwanglos zu gestalten. Zwischendurch hatte ich Phasen, in denen mich der Algorithmus verschluckt hat. Das hat mich geärgert und ich habe versucht, dagegen anzusteuern. Momentan ist es eigentlich noch schlimmer, aber es interessiert mich nicht sonderlich. Ich gehe Instagram überhaupt nicht strategisch an. Ich mache keine A/B-Tests oder sowas. Umso schöner, dass es dennoch oder gerade deswegen so groß geworden ist!
Ich kann gar nicht sagen, woher ich Inspiration beziehe, das passiert bei mir einfach random.
Ich kann gar nicht sagen, woher ich Inspiration beziehe, das passiert bei mir einfach random. Ich sehe etwas, eine Farbkombination, und zwei Monate später ploppt das irgendwo auf. Aktuell ist es die Kombi aus Flieder und Grün, die jetzt in der Mode auftaucht. Die liebe ich schon länger, aber ich kann auch nicht mehr sagen, wo mir das das erste Mal aufgefallen ist. Ich bin tatsächlich relativ unstrukturiert. Für mein Business schreibe ich Konzepte, bin aber selbst relativ konzeptlos – zum Beispiel bei meinem eigenen Einrichtungsstil. Ich wünschte manchmal, das wäre anders.
Du weißt irgendwann nicht mehr, ob eine Kaufentscheidung auf Input von außen beruht, oder ob das wirklich aus deinem eigenen Wunsch heraus resultiert.
Vermutlich ist es genau deswegen so persönlich, weil es kein Konzept gibt – vielmehr lasse ich mich von innen leiten ohne ein Konzept von außen zu haben. Das hat sich mit dem Umzug noch stärker herausgestellt und dafür bin ich sehr dankbar. Bei der Einrichtung meiner alten Wohnung habe ich mich sehr von Instagram beeinflussen lassen. Vieles passiert unbewusst, du siehst zum Beispiel gewisse Farbkombinationen immer wieder oder auch Couchtische. Du kaufst den runden Couchtisch und merkst irgendwann: Das bin ich gar nicht.
Du weißt irgendwann nicht mehr, ob eine Kaufentscheidung auf Input von außen beruht, oder ob das wirklich aus deinem eigenen Wunsch heraus resultiert. In unserer jetzigen Wohnung sind wirklich nur Dinge, die wir beide absolut mögen.
Das hat viel damit zu tun, das Konsumverhalten zu überdenken und in Frage zu stellen. Meinen Freund betrifft das weniger, er ruht sehr in sich. Ich bin eher empfänglicher für Ablenkungen, die den Geschmack und Kaufentscheidungen betreffen. Gestern stand ich im Blumenladen und sah wieder Trockenblumen, die ich zwar überall schön finde – mir persönlich für meine eigenen vier Wände aber nicht gefallen. Diesen Trend rund um Naturtöne generell finde ich zwar auf Instagram schön, am Ende weiß ich aber nie, wessen Wohnung das nun gerade ist. Ich bin einfach nicht mehr so begeisterungsfähig bzw. kaum etwas haut mich vom Hocker. Das kommt natürlich auch durch meinen Beruf, bei dem ich mich tagtäglich mit Interior und Deko beschäftige. Bei mir hat sich eher „Slow Interior“ durchgesetzt.
Das Gefühl habe ich auch und diese Entwicklung finde ich ebenfalls schwierig. Wenn du bei dir bist, bist du gegen sowas weitestgehend immun. Wen man mich nach meinem Stil fragen würde, könnte ich diese Frage allerdings auch nicht beantworten. Ich orientiere mich nicht nach solchen Schubladen oder Labels. Und ich bin wenig empfänglich für Deko-Artikel, das hilft in dem Kontext. Oft werde ich gefragt, wo denn unsere ganzen Sachen verstaut sind? Meine Antwort: Wir haben genau das, was ihr sehen könnt. Keinen zusätzlichen, unnützen Schnickschnack. Es gibt eine Kiste mit Weihnachtsdeko – weil das meinem Freund wichtig ist. Das war’s.
Schritt für Schritt haben wir in Möbel investiert, die uns wirklich gut gefallen.
Schwer zu sagen. Bei Instagram sind Wohnungen, in denen schneller Trends umgesetzt werden natürlich spannender für die Follower*innen. Sie bekommen mehr Input. Wenn ich wollen würde, könnte ich mehr zeigen und viel mehr machen. Aber nach diesen Anforderungen richte ich mich nicht.
Als mein Freund und ich zusammengezogen sind, haben wir uns komplett neu eingerichtet. Er hatte seine Möbel schon viele, viele Jahre und meine entsprachen eher dem Single-Dasein. Also haben wir einen Cut gemacht und meine Nachmieterin hat viele meiner Sachen übernommen. Schritt für Schritt haben wir in Möbel investiert, die uns wirklich gut gefallen.
Wir haben nichts gekauft, was wir nicht vorher live gesehen haben. Nur das Regal im Essbereich haben wir ungesehen online gekauft. Ich bin immer pro stationärem Handel, gerade bei Tischen und Stühlen finde ich es enorm wichtig, vor dem Kauf Probe zu sitzen. Wir haben uns in Berlin und Hamburg umgesehen. Dieses Vorgehen hatte zur Folge, dass wir drei Monate lang keinen Esstisch hatten. Aber es hat sich gelohnt: Es gibt kein einziges Teil in der Wohnung, von dem der jeweils andere überzeugt werden musste. Die Stühle aus recyceltem Kunststoff und Hanffaser von Philippe Starck hatten wir zuerst, die vertreibt ein Partner von mir und sie standen seit vielen Jahren auf meiner Wunschliste.
Das stimmt, ich konnte es einfach nicht mehr sehen. Gerade diesen Trend, das eine einzelne Wand kontrastreich gestrichen ist, ertrage ich nicht mehr. Ganz weiß ist es aber auch nicht, im Flur oben und die Wand im Essbereich haben wir in einem sehr hellen, wärmeren Apricotton gestrichen. Dies ist eine helle Wohnung und das soll auch so bleiben.
Layout: Kaja Paradiek
3 Kommentare
Ihr Lieben, darf man wissen, woher die Kommode im Schlafzimmer ist. Merci!
Hey, das ist Besta von IKEA mit Füßen und Knöpfen von Prettypegs 🤍
So toll, einen kleinen (Ein)Blick in/“auf“ die Persönlichkeit hinter dem Instagram-Account zu erhaschen, Kristina wirkt ja unheimlich sympathisch! Und macht definitiv Lust darauf, sich die Arme weiter tätowieren zu lassen, haha! 😉
Liebe Grüße und bleibt gesund!