Zwölf Jahre lang schrieb Journalistin Susanne Kaloff ihre wöchentliche Kolumne für das Magazin „Grazia“ – über ihren Alltag, Gedanken, die Liebe und alles, was sie so beschäftigt. Im Mai 2023 kam ihre Print-Kolumne plötzlich zum Ende. Und Suse startete kurzerhand ein eigenes neues Format als digitaler Newsletter.
Wir besuchen die 54-Jährige in ihrer Wohnung mit Ferien-Vibes in Hamburg-Eimsbüttel (ihre erste eigene Wohnung seit Mitte 20!) und sprechen mit ihr über Selbstverwirklichung, das Schreiben, den Wandel der Medienbranche und warum sie kein Fan davon ist, das eigene Alter zu sehr zum Thema zu machen.
Susanne Kaloff: Seit Januar 2023, ich habe die Wohnung tatsächlich über ein Tauschportal gefunden: drei Zimmer gegen zwei. In der vorherigen hatte ich anfangs noch zusammen mit meinem Sohn gelebt. Mittlerweile ist er 26 und schon lange ausgezogen. Das hier ist also meine erste eigene Wohnung seit Mitte 20 und heute bin 54.
Das hier ist meine erste eigene Wohnung seit Mitte 20.
Schön (lacht). Unabhängig, frei und ein bisschen studentisch.
Die Erscheinungsfrequenz der „Grazia“ wurde Anfang des Jahres von wöchentlich auf zweiwöchentlich reduziert und zudem sollte meine Kolumne inhaltlich geändert werden. Da habe ich für mich entschieden, dass ich sie unter diesen Umständen nicht mehr weiterführen möchte und es Zeit für etwas Neues ist. Ich hatte schon länger vorgehabt, mich unabhängiger zu machen. In den zwölf Jahren habe ich mir eine treue Community aufgebaut, für die ich sehr dankbar bin. Das wollte ich gerne für mich nutzen.
Ich hatte schon länger vorgehabt, mich unabhängiger zu machen.
Meine „Grazia“-Kolumne war jahrelang Teil meiner Identität – obwohl ich natürlich auch für andere Magazine geschrieben habe. Deshalb fiel es mir nicht leicht, mich von ihr zu lösen. Aber ich wollte gerne etwas kreieren, das nicht von Verlagsentscheidungen abhängt. Meine „Substack“-Kolumne habe ich dann innerhalb von vier Wochen aufgesetzt und „SIYP“ gelauncht.
Wenn man stehen bleibt und sich Neuem verschließt, wird’s eng.
Bestürzt. Ich habe recht unvermittelt meine Abschiedskolumne in der „Grazia“ veröffentlicht und auch anschließend erst auf „Instagram“ bekannt gegeben, dass die Kolumne endet. Noch nie hatte ich so viele Kommentare. Ich wusste ja, dass ich viele Leser*innen habe, aber das war schön zu sehen.
Ich habe in meiner 25-jährigen Karriere schon viele Magazine schließen sehen und gelernt, dass es hilfreich ist, wenn man breit aufgestellt ist. Es ist natürlich ein großes Glück, dass ich nicht immer nur über ein Thema schreibe, sondern es um meinen Blick auf die Welt geht – nicht nur in Kolumnen – und so kann ich über Tantra-Sex genauso schreiben wie über Stimmtraining, Beziehungen oder Reisen.
Ich glaube daran, dass es sich lohnt, etwas Neues wie beispielsweise meine Newsletter-Kolumne oder einen neuen Social Media-Kanal – auch wenn ich persönlich nicht auf „TikTok“ aktiv bin – auszuprobieren. Wenn man stehen bleibt und sich Neuem verschließt, wird’s eng. Auch in meinen Schreibworkshops geht es darum, sich auszudrücken und sich zu trauen, das zu veräußern.
Mein Alter ist nicht meine Identität.
Ja, das glaube ich schon. Ich habe vor fast einem viertel Jahrhundert beim Magazin „Allegra“ angefangen und damals herrschten noch goldene Zeiten in der Medienbranche. Auch die Honorare – das kann man mit heute gar nicht vergleichen! Ich habe für meinen ersten Text als Praktikantin 1.000 Mark bekommen. Das ist heute anders. Ich freue mich immer noch, für Print-Magazine wie „Cosmopolitan“, „Myself“, „Brigitte“ etc. zu schreiben, aber ich bin froh, mich weiterentwickelt und einen Plan B zu haben.
Niemand ist zu alt für irgendwas! Natürlich habe ich Antennen dafür, wenn irgendwo Ageism, also Altersdiskriminierung, auftaucht. Gleichzeitig denke ich, dass man sich selbst zum Opfer macht, wenn man immer sein Alter vor sich herträgt. Es soll niemand das Gefühl haben, sich über bestimmte Themen – seien das die Wechseljahre oder das Älterwerden – nicht austauschen zu dürfen. Gut, dass diese Themen mehr in der Öffentlichkeit stattfinden. Aber mir persönlich gibt es nichts, mit wildfremden Menschen über meine glücklicherweise kaum vorhandenen Malaisen zu sprechen. Ich fokussiere mich lieber auf das Positive und auf das Privileg, reifer zu sein.
Grundsätzlich finde ich Alter nicht so relevant. Auf „Instagram“ folge ich zum Beispiel Frauen*, die wesentlich älter sind als ich, ebenso wie wesentlich jüngeren – wichtig ist mir, dass ich sie inhaltlich relevant oder interessant finde. Ich habe zum Beispiel auch viele jüngere Freund*innen – nicht, weil ich zwanghaft jugendlich sein will, sondern weil ich diese Menschen gerne mag und weil es mir gut tut, mich nicht immer in den selben Themen zu bewegen. Mein Alter ist nicht meine Identität.
Stimmt. So Sätze à la: „30, willkommen im Club!“. Das kann man mal sagen, aber man sollte sich nicht über sein Alter definieren. Das ist nicht alles. Und man kann auch über weitaus interessantere Themen mit anderen Menschen in Kontakt kommen.
Außerdem: Wenn ich mir vorstelle, ich wäre jetzt Mitte 30, dann würde ich mir auch wünschen, dass es eine positive Aussicht auf die kommenden Jahre gibt und dass es inspirierende Beispiele dazu gibt, wie das Älterwerden auch sein kann.
Vor dem Schreiben steht erstmal, dass du an deine Gefühle und Gedanken herankommen musst.
Vor dem Schreiben steht erstmal, dass du an deine Gefühle und Gedanken herankommen musst. Das kennt man vom Tagebuchschreiben oder heute „Journaling“, aber im Grunde ist es das Gleiche. Ich führe Tagebücher seitdem ich dreizehn bin. Wenn man schreibt, gibt es erstmal keine Zensur. Du versuchst, an dein Unterbewusstsein heranzukommen und dich zu trauen, Verborgenes herauszulassen. Dadurch lernst du dich kennen. Und du kannst nur authentisch schreiben, wenn du weißt, was in dir los ist. Manche sagen ja: „Schreiben ist Therapie“ – das ist vielleicht zu viel gesagt, aber das Schreiben hat mir schon oft in meinem Leben den Arsch gerettet. Mit dir selbst in Kontakt zu sein, das ist Wellness, das ist für mentale Gesundheit zu sorgen.
Viele Menschen haben ja Angst vor dem ersten Satz. In meinen Schreibkursen sage ich immer: Wenn man nicht weiß, wie man anfangen soll oder sich nicht traut, dann nimmt man am besten eine Sprachmemo an sich selbst auf und redet einfach drauf los. Anschließend kann man diese abhören und Gesagtes kommentieren. Das ist wie Selbsttherapie. Wenn du am Computer schreibst, ist mein Rat immer: Schreib‘ und scrolle auf keinen Fall zurück nach oben. Schreib‘ einfach weiter und es kommen Dinge zum Vorschein, die dich vielleicht selbst überraschen.
Ich vertraue mir selbst total. Ich sage mir: „Du hast es bislang immer geschafft.“ Und das hilft mir.
Ja, aber ich vertraue mir selbst total. Ich sage mir dann: „Du hast es bislang immer geschafft.“ Und das hilft mir. Selbst wenn ich heute nicht produktiv bin, weil nicht der Tag dafür ist, dann arbeitet es in mir schon, ich denke über das Thema nach, ordne es ein, und wenn ich mich dann zum Schreiben hinsetze, haue ich es im besten Fall nur noch heraus.
2 Kommentare
Vielen lieben Dank für dass schöne Interview mit tollen Fotos ❤️
Sehr schönes Interview, ich bin schon lange ein Fan von Susanne und ihrem ganz eigenen, feinen Stil, der wirklich unverwechselbar ist und sich wohltuend von vielen anderen Kolumnen unterscheidet. Weiterhin alles alles Gute und viel Erfolg und Freude beim Schreiben!