Über Neustarts und Abschiede: Modedesigner Tim Labenda in seiner Berliner Oase

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2. Januar 2019

Wer an die Berliner Modeszene denkt, dem kommt sicher auch Tim Labenda in den Sinn. Bekanntheit erlangte er durch das TV-Format „Fashion Hero“, bei dem verschiedene Designer die Chance bekamen, ihre Kollektionen an große Warenhäuser  zu verkaufen. Das war 2013. Im gleichen Jahr gründete er seine eigene Marke. Seitdem sind gerade einmal fünf Jahre vergangen und doch ist eine Menge passiert! Warum der Wahlberliner sein gefeiertes Label trotz unzähliger Preise vor zwei Jahren auf Eis gelegt hat, weshalb er den Begriff „Jungdesigner“ unpassend findet und er mit seinem neuen Job als Creative Consultant bei der italienischen Modemarke Missoni absolut happy ist? Das hat er uns bei einer Tasse Kaffee und zwischen spielenden Hunden in seiner traumhaften Kreuzberger Altbauwohnung verraten.

homtastics: Du arbeitest seit zwei Jahren bei dem italienischen Label Missoni und pendelst zwischen Berlin und Mailand. Wie kam es dazu?

Tim Labenda: Über die Ausschreibung von dem Fashion Council x H&M Fellowship Programme. Angela {Missoni} saß in der Jury. Sie kam zu mir und sagte sinngemäß: „Hey, willst du dir den Stress mit einem eigenen Label wirklich antun? Komm doch lieber zu uns“. Ich habe keine Sekunde gezögert!

Lisa Trautmann hat Tim in seiner Berliner Wohnung zum Interview getroffen.

Autorin Lisa Trautmann hat Tim in seiner Berliner Wohnung zwischen 52 Pflanzen zum Interview getroffen.

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Dein eigenes Label hast du auf Eis gelegt, ohne es groß zu kommunizieren.

Das stimmt halb. Ich habe das Label noch etwas weiterlaufen lassen, während ich schon bei Missoni war und diesen Sommer haben wir dann beschlossen, erst mal nicht weiter zu machen. Ich habe ja nie viel verkauft – da wird sich nun keine Kundin fragen, wo sie ihre Tim-Labenda-Hose herbekommt.

Trotzdem kann ich wirklich sagen, dass ich jeglichen Support bekommen habe, den man kriegen kann. Ich habe mich immer riesig gefreut, möchte mich auch nicht beklagen. Doch all die Preise, die ich für mein Label gewonnen habe, haben mir nur dabei geholfen, die nächste Kollektion zu fertigen und der Presse irgendwie gerecht zu werden. Der Sprung in den Retail hat jedoch nicht stattgefunden. Ich war irgendwann genervt von den Einkäufern der großen Stores und der Art, die Ware auszuwählen. Also habe ich mir gesagt „Okay, vielleicht ist dein Produkt nicht kommerziell genug.“ Meine Showteile haben natürlich der Presse gefallen, für den Handel hat es aber nicht gereicht.

Das ist sicher frustrierend …

Ich weiß aber auch nicht, was man anders machen könnte. Ich sehe jetzt bei Missoni, was bei Einkäufern gut ankommt und das ist meist der langweilige Kram (lacht). Da kann die Kollektion noch so toll sein – am Ende hängen die Bestseller und Klassiker im Laden. Aber irgendwie ist es auch angenehm, die gleichen Erfahrungen zu machen, wie damals mit meinen eigenen Label. Ich bin mit diesem Problem nicht alleine. Es geht sogar den größten Häusern so. Mit denen kann man als Jungdesigner wiederum nicht konkurrieren. Man kann die Qualität nicht liefern, denn die gleichen Stoffe kosten doppelt so viel, da die Stückzahlen viel kleiner sind. Und den Kunden muss man erklären, warum sie bei dir für das gleiche Teil mehr bezahlen sollen, als bei einer etablierten Brand. Das ist schade und blöd.

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Martha und Putin on fire!

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Hast du das Gefühl, dass viele Designer aus Deutschland das Label „Jungdesigner“ nie loswerden?

Ich mache das alles schon ewig, bin nun seit zwei Jahren bei Missoni. Ich kann von mir sagen, dass ich kein Jungdesigner mehr bin. Aber das ist auch so ein deutsches Ding, ich habe das Gefühl, das gibt es in anderen Ländern nicht. Die Engländer und die Amerikaner sagen zum Beispiel einfach New Talents. Und das macht Sinn, weil sie neu sind. Aber nur die ersten zwei Jahre, dann haben sich die meisten Talente etabliert. Und ab dem Moment sollte man auch damit aufhören! 

Wie kann man es schaffen, junge Designer*innen mehr in die Öffentlichkeit zu holen? Die TV-Show „Fashion Hero“ etwa war ein Versuch, das Thema zugänglicher zu machen.

„Fashion Hero“ hat mega viel Spaß gemacht. Das waren fünf gute Wochen. Aber es gab nur eine Staffel und dann ist es abgesetzt worden. Daran siehst du, wie viel Interesse Deutschland an Mode hat. Ich muss aber auch dazu sagen, dass das, was im Endeffekt gezeigt wurde, ein bisschen langweilig war. Es hätte spannender geschnitten und erzählt werden können. Aber ich habe dort so viel verkauft, dass ich mit dem Geld am Ende mein Label realisieren konnte. Das war für mich richtig, richtig gut.

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Das war im im Jahr 2013. Wie bist du weiter vorgegangen?

Das Label hatte ich vorher schon. Aber danach hatte ich das Kapital, um auch Leute einzustellen und richtig was machen zu können. Doch um richtig populär zu werden, war es auch nicht das Richtige. Wenn du „Fashion Hero“ mit „Germany’s Next Topmodel“ vergleichst und siehst, wie viele Follower die Teilnehmerinnen nach so einer Sendung haben – das war bei „Fashion Hero“ nicht der Fall. Nach den sieben Sendungen hatte ich 4.000 Likes auf Facebook, Instagram gab es ja zu der Zeit noch nicht wirklich. Und an dieser Zahl siehst du, wie es um das Interesse der Öffentlichkeit bestellt war.

Ist dir die Entscheidung, dein eigenes Label erstmal ruhen zu lassen, schwer gefallen?

(Ganz entschieden) Nein. Ich bin ohnehin ein sehr pragmatischer Mensch. Missoni macht so viel Spaß und es ist so ein geiler Job, dass ich mich gerade frage, was da Besseres kommen soll. Es war die richtige Entscheidung. Und das Schöne bei Missoni ist, dass ich wieder die Zeit habe, mich um eigene Herzensprojekte zu kümmern. Ich habe zum Beispiel zusammen mit KPM eine Tellerkollektion herausgebracht, die auch an meiner Wohnzimmerwand hängt. Dann hatte ich ein tolles Projekt mit dem Möbelbausystem USM Haller. Gerade arbeite ich an einer Home-Linie mit einem großen Hersteller, den ich noch nicht nennen darf.

Es hat aber sehr lange gedauert, bis es hier so grün war. Wir haben das Glück, dass unser Wohnzimmer zur Südseite liegt, daher haben wir mega viel Licht und alles wächst wunderbar.

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In deiner Mode haben Naturmaterialien und Nachhaltigkeit immer eine wichtigen Rolle gespielt. Inwiefern setzt du diese Vorliebe in deiner Wohnung um?

Das ist einfach in mir drin und ich denke da gar nicht aktiv drüber nach. Wir fahren jedes Wochenende mit unserem Hund Putin raus an den See, sind auch oft in Lüneburg bei Hannes Eltern. Man ist von hier auch relativ schnell oben an der Ostsee. Ich würde jetzt nicht behaupten, dass wir totale Naturburschen sind, aber wir sind sehr gerne und viel draußen.

Weißt du, wie viele Pflanzen du besitzt?

Ja, ich musste sie letzte Woche zählen, weil der Berliner Laden Plant Circle ein Special über meine Pflanzen gemacht hat. Deswegen weiß ich es ganz genau: es sind 52. Es hat aber sehr lange gedauert, bis es hier so grün war. Wir haben das Glück, dass unser Wohnzimmer zur Südseite liegt, daher haben wir mega viel Licht und alles wächst wunderbar.

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Ich bin keines von den cool kids, die dauernd unter Leuten sein müssen. Diese Wohnung ist eine Oase, in der ich meine Batterien wieder auflade.

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Gibt es eine Pflanze, die du unbedingt noch haben möchtest?

Ich hätte unheimlich gerne einen Philodendron melanochrysum. Sie hat eine samtige Oberfläche und herzförmige Blätter, wirklich unheimlich schön! Leider ist sie sehr schwer zu bekommen. Ich bin schon mehrere Male mit einem Messer bewaffnet in den Botanischen Garten marschiert, aber ich habe mich nie getraut, da was abzuschneiden (lacht). Wenn also jemand so eine Pflanze übrig hat, gerne an mich schicken.

Wie bist du an diese tolle Wohnung hier in Kreuzberg gekommen?

Das ist eine total irre Geschichte. Mein Freund und ich haben beschlossen, dass wir nach Berlin ziehen. Wir waren an dem Tag bei seinen Eltern in Lüneburg. Wir haben spontan mit der Wohnungssuche begonnen und sind über diese Wohnung gestolpert. Ich habe direkt zu Hannes gesagt: „Die will ich!“ Dann habe ich beim Vermieter angerufen, der uns sagte, dass wir reichlich spät dran sind, denn die Besichtigung sei in zwei Stunden. Wir haben uns sofort ins Auto gesetzt und sind innerhalb von drei Stunden in einem Ford Ka nach Berlin gerast (lacht). Wir waren natürlich viel zu spät, doch der Vermieter hat tatsächlich auf uns gewartet und war wahrscheinlich so begeistert von unserem Einsatz, dass er uns die Zusage gegeben hat.

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Die hübschen Teller stammen aus Tims Kollektion mit der Königlichen Porzellan-Manufaktur Berlin (KPM).

Durch deinen Job bei Missoni pendelst du mittlerweile zwischen Berlin in Mailand. Wie kommst du zur Ruhe?

Am liebsten bin ich zu Hause und komme hier auch zur Ruhe. Wir sind echt totale Stubenhocker und ich gehe eigentlich nie aus. Ich bin da auch ganz ehrlich, ich bin keines von den cool kids, die dauernd unter Leuten sein müssen. Wir haben es hier so schön und ich fühle mich sehr wohl. Diese Wohnung ist eine Oase, in der ich meine Batterien auflade. Das klingt jetzt dumm, aber man kommt ja auch in ein Alter, wo man merkt, dass es noch andere Sachen außer Feiern gibt. Und wenn man in einer Beziehung ist, wird man sowieso noch etwas ruhiger. Es gibt dann irgendwie auch keinen Grund mehr auszugehen! (lacht)

Wie und wo lebst du, wenn du für Missoni in Italien bist?

Das kann man sich nicht ganz so schön vorstellen wie hier. Ich habe eine Firmenwohnung in Mailand und einen eigenen Firmenwagen. Missoni hat seinen Sitz in einem Vorort von Mailand. Wie lange ich da bin, hängt immer davon ab, wie viel zu tun ist. Wenn wir in einer Show-Phase sind, bin ich auch mal eine Woche am Stück da. In den ruhigeren Phasen sind es immer so ein bis zwei Tage die Woche.

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Hast du Tricks, durch die du dich in Mailand mehr zuhause fühlst?

Das ist mir völlig egal, denn es ist ja nicht mein Zuhause. Der Gedanke an meine Wohnung reicht mir. Ich telefoniere sehr viel mit Hannes und dann ist es, als würde man nebeneinander auf der Couch sitzen.

Was beinhaltet deine Arbeit für Missoni und mit wem arbeitest du zusammen?

Meine offizielle Bezeichnung ist Creative Consultant. Das bedeutet im Grunde genommen, dass ich hauptsächlich mit Alberto, dem Head Designer von der Womenswear Kollektion, zusammenarbeite. Mit ihm entwickle ich das Konzept für die Kollektion, wir bestimmen gemeinsam die Farben und ich helfe ihm dabei zu entscheiden, in welche Richtung alles geht. Mittlerweile bin ich auch bei den ganzen Fittings dabei. Alberto trägt jedoch die hundertprozentige Verantwortung. Ich gebe meinen Senf dazu. Oftmals arbeite ich aber auch mit Angela {Missoni} zusammen und mit Vanessa, unserer Stylistin. Wir vier betreuen das Styling für die Show, bis hin zur Konzeption der Kampagne. Mein Hauptjob ist es, das, was Alberto sich vorstellt, umzusetzen.

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Und die Zusammenarbeit läuft gut?

Ja! Alberto ist mein Hero, er ist der Beste! Er ist wie ein Lexikon, ein Elefant, das alles, was in der Modegeschichte passiert ist, weiß. Außerdem hat er Kunst studiert und ist hier sehr bewandert. Diese Kombination ist einfach irre. Ich habe einen Heidenrespekt vor ihm! 

Juckt es dich manchmal in den Fingern, wieder mehr für dein eigenes Label zu arbeiten, oder bist du gerade zufrieden?

Ich würde sagen, ich bin zu 98 Prozent fein. Dann kommen aber so Momente, wie vor drei Wochen, als ich bei Swarovski in Wattens in Österreich war. Da hatte ich kurz diese Sehnsucht, was eigenes zu machen und mit den ganzen neuen Technologien zu arbeiten. Auf der anderen Seite machen wir jetzt für Missoni auch was mit Swarovski. Ich finde also schon Mittel und Wege um das, worauf ich Lust habe, in irgendeiner Form umsetzen zu können.

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Ich habe nichts von dem, was ich gemacht habe, jemals geplant oder bereut.

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Wenn du einen Wunsch frei hättest, mit wem würdest du gerne einmal zusammenarbeiten?

Es gibt so viele spannende Marken. Die Kooperation mit KPM war ein Herzenswunsch, den ich mir erfüllt habe. Es wäre natürlich schön irgendwann mal wieder die volle Verantwortung für eine Brand zu haben. Welche das am Ende ist, ist im Grunde genommen nicht so wichtig. Heutzutage bringen die Designer so viel von sich selbst in eine Brand mit ein. Wie Hedi Slimane früher für Céline oder Alessandro Michele bei Gucci. Man ist nicht mehr so abhängig von der Marke. Ich hätte ja auch nie gedacht, dass ich mal bei Missoni lande. Ich habe das Glück, dass ich mich ganz gut überall reindenken kann. Wenn morgen jemand sagt, du arbeitest jetzt für Jil Sander, wäre das auch in Ordnung. 

Manchmal ist es eben besser, sich ein bisschen treiben zu lassen.

Absolut. Ich habe auch nichts von dem, was ich gemacht habe, jemals geplant oder bereut. Das ist immer irgendwie passiert. Wenn man so verbissen ist, dann spiegelt das sich auch so in einem wider, das mag ich nicht. 

Danke für dieses schöne Gespräch, lieber Tim!

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Hier findet ihr Tim Labenda:

Fotos: Sophia Lukasch

Text: Lisa Trautmann

Layout: Carolina Moscato

 

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