Mit ihrem Mann und Regiepartner Jonathan Dayton dreht sie Musikvideos für die Red Hot Chili Peppers, Janet Jackson und Oasis, inszeniert Werbespots für IKEA und Apple und feierte vor über zehn Jahren ihr Spielfilmdebüt mit „Little Miss Sunshine“ – wir treffen die bekannte Hollywood-Regisseurin Valerie Faris (59) im Side Hotel in Hamburg zum 15-Minuten-Interview und sprechen über ihren neuen Film „Battle of the Sexes“ und über Gleichberechtigung von Männern und Frauen im Filmbusiness.
„Battle of the Sexes“ erzählt einen berühmten Geschlechterkampf nach einer wahren Begebenheit. Im Zuge der sexuellen Revolution und dem Aufschwung der Frauenbewegung wird 1973 in den USA der Schaukampf zwischen der weltweiten Nummer 1 des Frauentennis, Billie Jean King (gespielt von Emma Stone), und dem Ex-Tennis Champion Bobby Riggs (Steve Carell) als „Battle of the Sexes“ angekündigt und mit weltweit 90 Millionen Zuschauern zum meist gesehenen Sportevent der Fernsehgeschichte. Während sich die beiden Rivalen inmitten der medialen Hysterie auf das Match vorbereiten, müssen sie privat weit komplexere Kämpfe mit sich selbst ausfechten.
Valerie Faris: Da ich seit Beginn mit meinem Mann Jonathan zusammenarbeite, habe ich viele Erfahrungen, denen sich Frauen aus meiner Branche stellen mussten, nicht gemacht. Am Anfang dachten die Crew-Mitglieder Jonathan wäre die erste Ansprechperson am Set und ignorierten mich, zum Beispiel wenn es um den Sound oder die Kamera ging – also alles, was mit dem Equipment zu tun hat. Da wir mittlerweile immer mit den gleichen Leuten zusammenarbeiten, die wir schätzen, habe ich das in den letzten fünfzehn Jahren nicht mehr erlebt. Ich bin aber sehr empfindlich, wenn ich höre, was Kolleginnen aus der Branche erleben. Das ist ein sehr aktuelles Thema.
Wir arbeiten schon unsere ganze Karriere lang zusammen, seit dem College. Wir teilen uns die Arbeit nicht wirklich auf, wir arbeiten immer als Team und machen alles zusammen. Es gibt einen konstanten Dialog zwischen uns beiden. Wir funktionieren mittlerweile fast wie eine Person, wenn wir zusammenarbeiten.
Sie braucht nicht viel. Sie ist so gut! Eine Sache haben wir ihr gesagt: „Du musst Billy Jean nicht imitieren.“ Was wir an Emma lieben, ist, dass sie auch ganz viel Emma mit einbringt. Sie ist Billy Jean sehr ähnlich – sie ist sehr großherzig, offen und interessiert sich für andere Menschen – den Spirit wollten wir unbedingt auch für den Film haben.
Aber sie hat Billy Jean viel studiert, sie war sehr daran interessiert, ihre Körpersprache zu erfassen – wie sie sich bewegt und läuft. Sie hat vier Monate trainiert, damit ihre Arme und Beine so aussehen wie bei Billy Jean. Emma ist so natürlich und liebt es hart zu arbeiten. Wenn du die richtige Person für einen Film castest, ist das extrem viel wert!
Mein Ziel ist es, so wenig wie möglich am Set zu sprechen.
Einer der Vorteile, einen Regiepartner zu haben, ist, dass wir die Szenen vorab zusammen durchgehen können. Manchmal lesen wir die Szenen zusammen oder spielen sie zusammen, um eine Idee davon zu bekommen, wie das Gefühl in der Szene ist und was man erreichen will. Mit den Schauspielern können wir nur sehr kurz gemeinsam proben.
Am Set haben wir ein Gefühl, wie die Szene am Ende sein soll. Wir besprechen vorab aber nicht viel, sondern lassen die Schauspieler erstmal intuitiv handeln. Wenn es nicht funktioniert, zeigen wir ihnen den einfachsten Weg auf, wie sie etwas ändern können – ohne alles kaputt zu besprechen. Mein Ziel ist es, so wenig wie möglich am Set zu sprechen. Das Wichtigste ist, die Spannung zu halten, eine gewisse Energie einzufangen, egal, ob es dramatisch oder lustig sein soll – wenn diese Energie fehlt, merkt das auch der Zuschauer.
Wir haben das Drehbuch das erste Mal im Februar 2015 gelesen, dann haben wir sofort Emma Stone und Steve Carell gecastet. Danach haben wir mit Simon Beaufoy etwa eineinhalb Jahre am Screenplay gearbeitet und es immer wieder geändert. Außerdem haben wir Billy Jean Fragen gestellt. Da wir die Geschichte nicht geschrieben haben, ist dieser Part sehr wichtig. Selbst am Drehort haben wir noch an dem Drehbuch gearbeitet. Ganz viel passiert aber tatsächlich erst im Schnitt, da machen wir ganz viel Storytelling – wir lieben diesen Part!
Wir wussten von Anfang an, dass die Szene im Friseursalon eine der wichtigsten Szenen im ganzen Film wird. Wir wollten, dass sich die Zuschauer so fühlen, als würden sie in dem Friseurstuhl sitzen. Die Kamera war ganz nah an Billy und Marylin dran. Der Friseursalon ist ein Ort, wo dir jemand ganz nah kommt, dich berührt und deine private Mauer durchbricht. Wir wollten das visuell einfangen, haben aber auch viel mit Sound Design gearbeitet, da man Geräusche beim Friseur oder zum Beispiel auch beim Zahnarzt ganz anders wahrnimmt. Wir haben zum Beispiel Marylins Stimme ganz nah am Mikro aufgenommen, alle anderen Geräusche im Salon haben wir in den Hintergrund gestellt – deshalb fühlst du dich als Zuschauer hoffentlich so, als würde Marylin in dein Ohr sprechen. Wir wollten eine Intimität mit den Charakteren schaffen, damit man sich so fühlt als würde man auf eine Reise mit ihnen beiden gehen.
Sie ist alles! Wir kreieren als Regisseure eine Welt – wir wollen, dass es so immersiv wie möglich ist. Farben spielen eine große Rolle, zum Beispiel die softe und blushy Farbpalette im Salon im Kontrast zum dunklen und harten Bad bei den Männern. Du hast als Regie alle Möglichkeiten einen Film zu gestalten. Wir sprechen viel mit Linus Sandgren, unserem Director of Photography (Anm. der Redaktion: war auch DP bei „La La Land“): Welche Linsen benutzen wir, welchen Look soll der Film haben? Mit unseren Production Designer sprechen wir über die Farbpalette, mit dem Set-Design über die Ausstattung – bei der Szene im Salon wollten wir zum Beispiel unbedingt ganz große Spiegel haben, damit wir filmen konnten, wie sie sich im Spiegel gegenseitig anschauen.
Gleichberechtigte Bezahlung ist in unserer Branche leider immer noch nicht üblich.
Ja (lacht). Zum einen waren die Drehorte oft sehr klein, die Spiegel haben uns geholfen zwei Charaktere auf einmal zu filmen. Zum anderen nutzen wir den Spiegel als Metapher. Es macht Spaß, wenn all diese Elemente zusammentreffen: Sound Design, Musik, Farben, Texturen. Wir haben „Battle of the Sexes“ auf einem Film gedreht und Vintage-Linsen benutzt, was ein großer Luxus war – ich glaube, das fängt die Zeit toll ein.
Ich hoffe, der Film zeigt, dass Billy Jean immer respektvoll mit anderen umgegangen ist – auch mit Männern, die Frauen nicht immer gleichberechtigt behandelt haben. Sie hatte immer die richtigen Argumente parat und hat letztendlich die Argumentation gewonnen. Sie hat viel riskiert und hatte am meisten zu verlieren – sie war die Anführerin ihrer Generation. Das Battle hat dem Frauensport viel Aufmerksamkeit verschafft und dem Frauensport in den letzten vierzig Jahren eine Plattform gegeben.
Emma gehört zum Beispiel zu den bestbezahltesten Schauspielerinnen und sie bekommt das gleiche Honorar wie ihre männlichen Co-Partner in den Filmen – das ist schon mal ein guter Anfang. Gleichberechtigte Bezahlung ist in unserer Branche aber leider immer noch nicht üblich.
Regisseurinnen bekommen deutlich weniger Geld als ihre männlichen Kollegen – bei Kinofilmen ist das sogar noch stärker als bei TV-Produktionen. In meinem Fall ist es eine Ausnahme, Jonathan und ich bekommen immer das gleiche Honorar. Es muss also in diese Richtung noch viel passieren. Aber es war ein gutes Jahr: Der Film „Wonder Woman“ von Patty Jenkins ist herausgekommen und sehr gut angekommen. Patty zählt zu den bestbezahltesten Regisseurinnen weltweit. Eines Tages wird es eine Frau geben, die die bestbezahlteste Regisseurin unter Frauen und Männern ist. Es frustriert mich auch, dass bei uns Regisseure „Directors“ genannt werden und Regisseurinnen „Women Directors“. Ich will einfach ein „Director“ sein – das ist für mich ein starkes Zeichen dafür, dass wir immer noch nicht gleichberechtigt sind.
In Hollywood gibt es deutlich mehr Regisseure als Regisseurinnen und die Konkurrenz ist groß. Wie hast du deinen Weg gefunden und was ist dein Ratschlag an alle Jung-Regisseure und – Regisseurinnen?
Jonathan und ich arbeiten schon seit dem College als Duo zusammen, daher habe ich nicht die typischen Erfahrungen gemacht, die eine Regisseurin in unserem Business macht, wenn sie alleine startet. Aber unsere Tochter ist 24 Jahre alt und auch Regisseurin. Ich beobachte sie ganz genau und überlege, wie ich ihr helfen kann. Nicht, weil sie eine Frau ist, sondern, weil sie alleine ist. Es hilft auf jeden Fall eine Partnerin oder einen Partner zu haben und eine Community um sich herum aufzubauen. Es hilft, wenn du jemanden findest, der dich stärker macht und dich unterstützt. Das Business ist total männerdominiert – es gibt auch viele Frauen in dem Business, aber die arbeiten dann mehr im Office und sind nicht Teil der Filmcrew. Die Vergangenheit zeigt: Filme, die Frauen über Frauen machen oder generell Filme von Frauen performen oft besser. Das hilft natürlich, ein Umdenken in der Branche anzuregen.
Na klar! Wie kann jemand „Nein“ auf diese Frage antworten? Gibt es Leute, die das sagen?
Das ist lustig. Billy Jean hat auf die Frage in den Siebzigern ebenfalls mit Nein geantwortet. Sie würde sagen: „Ich bin für Gleichberechtigung von Frauen, ich bin für die Befreiung von Frauen, aber ich würde mich nicht als Feministin bezeichnen, weil es negativ besetzt ist.“ Ich denke aber, dass es seitdem deutlich besser geworden ist.
Vielen Dank für das Interview, liebe Valerie! Ich wünsche euch einen erfolgreichen Filmstart in Deutschland!