Demokratie an Schulen: Warum Demokratiebildung gerade jetzt so wichtig ist

Von: 
21. Juni 2024

Demokratie an Schulen: Darum müssen Schulen jetzt unbedingt demokratischer werden.

Demokratie basiert auf dem Diskutieren von verschiedenen Standpunkten und dem Aushandeln unterschiedlicher Interessen. Damit wir uns an diesen komplexen Prozessen beteiligen können, brauchen wir das nötige Selbstbewusstsein und zahlreiche Kompetenzen, die wir idealerweise in unserer Kindheit und Jugend erlernen. Dass Schüler*innen Demokratie in der Schule austesten können, ist dabei insbesondere angesichts der aktuellen Situation wichtig, in der demokratische Werte immer wieder angezweifelt werden.

Inwieweit Schulen demokratischer werden können, hat femtastics Autorin Luise Rau mit der Politikwissenschaftlerin Katrin Hahn-Laudenberg besprochen. Hahn-Laudenberg besetzte 2023 die Professur für Bildung und Demokratiepädagogik im Kontext von Migration und Integration an der Uni Leipzig und ist aktuell Professorin der Didaktik für Sozialwissenschaften an der Uni Münster.

Eine demokratische Schule bietet Schüler*innen Möglichkeiten mitzubestimmen und mitzugestalten und ermutigt sie aktiv dazu.

Wie demokratisch kann eine Schule überhaupt sein?

Schüler*innen sollen in der Schule dazu ermuntert werden für Demokratie einzutreten und dazu befähigt werden, sich in unserer demokratischen Gesellschaft orientieren zu können. Demokratiebildung ist dabei als übergeordnetes Ziel aller Schulfächer zu verstehen. Doch inwieweit wird das tatsächlich in der Praxis umgesetzt?

Schüler*innen müssen die Möglichkeiten bekommen, demokratische Prinzipien zu leben und somit selbst erfahren zu können. Das scheint jedoch gerade in der Schule besonders schwierig zu sein. So betont Katrin Hahn-Laudenberg: „Aus meiner Sicht ist Schule zunächst einmal keine Demokratie. Sie ist zwar IN einer Demokratie und kann auf Demokratiebildung ausgerichtet sein. Aber so wie die Schule grundsätzlich aufgebaut ist, zeichnet sie sich vor allem durch sehr starke Hierarchien aus. So vergibt sie etwa Noten – das ist ja ein ganz starkes Machtinstrument. Und das ist ja auch ein Grund dafür, dass Schüler*innen in so hohem Maße von Lehrkräften abhängig sind.“

Der Schlüssel zur Demokratiebildung: Mitbestimmung und Mitgestaltung

Trotzdem kann auch eine Schule eine demokratische Schulkultur etablieren. Das ist nach Hahn-Laudenberg möglich, wenn eine Schule „Schüler*innen sehr viele Möglichkeiten bietet mitzubestimmen und mitzugestalten, sie auch aktiv dazu ermutigt und verschiedene niedrigschwellige Angebote macht.“ Zudem ist eine „Grundatmosphäre der Anerkennung“ ausschlaggebend. Das heißt, „dass Schüler*innen sich in ihrer ganzen Unterschiedlichkeit wertgeschätzt fühlen und auch wissen, dass ihre Stimme gehört wird.“

Besonders bekannt sind Formen der Partizipation wie Klassensprecher*innen oder Schülervertretungen. Doch Partizipation kann auch bedeuten, dass sich Kinder und Jugendliche zum Beispiel in einer Umwelt- oder Party-AG organisieren und eigenständig Prozesse planen und durchführen können. Auch selbstbestimmtes Lernen ist eine Form der Partizipation.

Mehr Partizipation – mehr Ungleichheit?

Laut Hahn-Laudenberg sind all diese Formen von Partizipation ausschlaggebend für eine demokratische Schulkultur: „Ich glaube, es ist wichtig, dass man sehr früh anfängt Partizipation einzuüben und spielerisch zu entwickeln – auch in der Grundschule schon. Und danach ist es wichtig, dass Schüler*innen immer wieder die Möglichkeit bekommen spielerisch projektbezogene Aufgaben übernehmen, auch wenn es kleine Aufgaben sind.“

Ich glaube, es ist wichtig, dass man sehr früh anfängt Partizipation einzuüben und spielerisch zu entwickeln – auch in der Grundschule schon.

Findet das nicht statt, so besteht die Gefahr, dass Partizipation Ungleichheiten verstärkt. Denn wenn die Schule nicht für alle Kinder und Jugendlichen entsprechende Lernmöglichkeiten bietet, sind diejenigen im Vorteil, die außerhalb der Schule Partizipationserfahrungen machen können. Der Soziologe Reinhardt Hedtke betont, dass Personen der Mittelschicht und der „ökonomischen Elite“ grundsätzlich einen erleichterten Zugang zu Partizipation haben. Kinder aus unteren sozialen Schichten werden also potenziell benachteiligt, wenn die Schule die bestehenden Ungleichheiten nicht entsprechend einebnet. Das trifft auch auf Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund zu, die ebenso von strukturellen Ungleichheiten betroffen sind.

Schulen in der Krise: Mehr Partizipation durch externe Unterstützung

Aber auch der Lehrkräfte-Mangel wirkt sich negativ aus, so erläutert Hahn-Laudenberg: „Schulen sind sehr belastet heutzutage. Es gibt Lehrkräfte-Mangel und dann ist es eben die Frage, wo man seine Energie reinsetzt. Partizipation fällt oft hinten runter. Wir haben in Deutschland aktuell wirklich eine dramatische Situation. Es ist wichtig, dass Schulen Unterstützung von außen bekommen.“ Auch Lehrpläne sollten stärker den Aspekt der Partizipation mit einbeziehen und zudem ausreichend Freiräume bieten.

Demokratie unter Druck: Warum Partizipation gerade jetzt wichtig ist

Dass Schulen Möglichkeiten der Mitbestimmung und Mitgestaltung schaffen, ist übrigens nicht als ein Akt der Großzügigkeit der Erwachsenen gegenüber Kindern und Jugendlichen zu verstehen – sondern als ihre Pflicht. Denn Kinder haben das Recht gehört zu werden. Das Recht zur Partizipation ist in Artikel 12 der UN-Kinderrechtskonvention verankert.

Gerade in einer Demokratie, die aktuell unter Druck ist, ist es wichtig, dass sich Schüler*innen in der Schule Gedanken darüber machen, wie wir ein Zusammenleben gestalten können.

Auch für den Erhalt und die Stabilität von Demokratien ist es wichtig, dass Heranwachsende frühzeitig die Chance bekommen demokratische Werte selbst leben. Hahn-Laudenberg konstatiert: „Gerade in einer Demokratie, die aktuell unter Druck ist, ist es wichtig, dass sich Schüler*innen in der Schule Gedanken darüber machen, wie wir ein Zusammenleben gestalten können und wie wir zu gemeinsamen Entscheidungen kommen.“

Und das funktioniert am besten, wenn Kinder und Jugendliche selbst Vorschläge machen, gemeinsam debattieren und diskutieren, eigene Ideen umsetzen, wählen und abstimmen können und sich so selbst als handlungsfähige Personen erfahren.

Foto: „Adobe Stock“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert