Im Mai 2020 wurde der Afroamerikaner George Floyd von Polizisten ermordet, was zu einer Welle an Protesten rund um die Welt und dem Wiederaufleben der „Black Lives Matter“-Bewegung führte. Der gewaltsame Tod von George Floyd wurde zum Symbol von Unterdrückung, Diskriminierung und systematischem Versagen. Etwas, dessen sich Schwarze Menschen schon längst bewusst waren.
Was daraufhin folgte, war ein Sommer voller Aufklärung, Allyship-Bekundungen und dem Wunsch nach tiefgreifender Veränderung. Vor allem die Lifestylebranche bezog laut Stellung und gelobte Besserung in Sachen Diversity. Aber wo stehen wir nun eigentlich fast drei Jahre später? femtastics-Autorin Blessing Adejoro lässt die letzten drei Jahre Revue passieren und fragt: Do Black Lives still Matter?
Nur wenige prominente Schwarze Figuren prägen seit Jahren die deutsche Medienlandschaft mit. Und es scheint, als sei kaum ein Interesse mehr da.
Die Mode- und Kosmetikindustrien sind bekannterweise Branchen, die Exklusivität zelebrieren. Wir alle kennen die „Nur-ein-Modell-von-einem-Typ-Castings“ für Modeshows und inkognito Vetternwirtschaft. Die Bewegung von 2020 zwang viele Marken dazu, eine Vielfaltsaudit durchzuführen und sich einzugestehen, dass es ihnen an vielfältigen Stimmen fehlte und sie Nachholbedarf beim Thema Diversity haben.
Viele fühlten sich gezwungen, etwas zu dem Vorfall zu sagen oder genauer zu zeigen: Das schwarze Quadrat. Ein Zeichen, das sich drei Jahre später wie ein Cop-Out anfühlt und weniger wie tatsächliche Veränderung.
Die Lifestylebranche ist ein Club, in den man ohne Ressourcen nur schwierig reinkommt. Weshalb die Bekundungen rund um Vielfalt, Inklusion und gerechte Equity-Verteilung wie ein Segen wirkten, den sich viele Schwarze Menschen und POC schon lange wünschten.
Die „New York Times“ stellte bereits im Jahr 2021 fest, dass die Versprechen von Fortschritt in den USA stagnierten und, dass von den 69 Designlabels, die unter die Lupe genommen wurden, nur vier Schwarze Menschen exekutive Positionen besetzen. In Deutschland sehen die Zahlen noch schlechter aus.
Auch die mediale Repräsentation ist hier nicht besser. So sind es nur wenige prominente Schwarze Figuren, die seit Jahren die deutsche Medienlandschaft mitprägen. Und es scheint, als sei kaum ein Interesse mehr da.
Jede*r braucht es, sich selbst zu sehen. Deshalb versuchen Kindersendungen so vielfältig wie möglich darzustellen, mit dem Ziel, dass sich jedes Kind in seiner Einzigartigkeit repräsentiert fühlt. Die systematische Veränderung endet jedoch nicht mit der Bildsprache.
Der einfachere Weg scheint aber auch heute noch zu sein, zwar mehr Schwarze Menschen vor die Kamera zu stellen, aber hinter den Kulissen bleibt alles wie gehabt.
Was oft vielleicht noch mehr zählt, ist die Vielfalt hinter den Kulissen. Ist die*der Diversitätsbeauftrage überhaupt marginalisiert? Wer sind die Menschen in der beratenden Position? Wer sind die Publizist*innen, wer sind die Creative Director*innen? Diese Menschen sorgen durch eine einmalige Kombination aus Marginalisierung und beruflicher Expertise für eine abgerundete Darstellung vielfältiger Lebensrealitäten und könnten Marken nachhaltig dabei helfen, Tokenism und Stereotype zu vermeiden, um breitere Zielgruppen anzusprechen. Denn auch wenn es manchmal scheint, als würde dies in Vergessenheit geraten: Keine Gruppe ist ein Monolith.
Der einfachere Weg scheint aber auch heute noch zu sein, zwar mehr Schwarze Menschen vor die Kamera zu stellen, aber hinter den Kulissen bleibt alles wie gehabt. Es wirkt wie ein Schleier, der über das eigentliche Problem geworfen wird. Etwas, was ich auch in meiner Arbeit als PR-Beraterin für Diversity Equity & Branding oft beobachte.
Auch nach Jahren edukativer Arbeit ist noch viel Unwissenheit in unserer Gesellschaft vorhanden. Deutschland ist ein diverses Land, ja, aber bis zur tatsächlichen Gleichbehandlung muss das Thema Rassismus enttabuisiert werden. Dies ist der erste und wichtigste Schritt. Es ist wichtig, Betroffene nicht nur anzuhören, sondern mit an den Tisch zu holen und ihre Forderungen nicht zu entschleunigen, sondern mit Ressourcen und Rückenwind zu betanken.
Deutschland ist ein diverses Land, ja, aber bis zur tatsächlichen Gleichbehandlung muss das Thema Rassismus enttabuisiert werden.
Oft schauen wir in die USA, nach Großbritannien oder sogar Frankreich, wenn es um die kolonialistische Vergangenheit geht, dabei könnten wir genauso gut die deutsche Vergangenheit mehr beleuchten. Das Problem beginnt bereits in der Bildung, quasi der Foundation einer jeden Person, und gerät von dort aus immer mehr in Vergessenheit. Es wird zu einem Problem exklusiv für Betroffene. Dort sollten wir idealerweise eben auch ansetzen.
Da dies aber nicht die einzige Baustelle ist, sollte es von dort aus weiter zu Bias-Trainings und Fortbildungen gehen, um sicherzustellen, dass jede*r sich mit dem Thema und den eigenen Unwissen konfrontiert sieht. Wenn wir dazu noch mehr systematische Verbindlichkeit etablieren wollen, sollte dies auch gesetzlich verankert werden.
Natürlich haben wir Artikel 3 des Grundgesetzes, aber dieses Gesetz deckt nur das Gröbste ab. Schützen tut es Betroffene (noch) nicht. Hier kämen beispielsweise die so heiß diskutierten Quoten ins Spiel, die sicherstellen, dass bestimmte Stimmen vertreten und wertgeschätzt werden. (Letzteres macht den feinen, aber wichtigen Unterschied.)
Die Wahrheit ist: Auch wenn die Lifestyleindustrie ihren Mangel an Vielfalt sieht, passiert noch nicht genug. Das Bewusstsein ist zwar wichtig, das folgende Handeln aber umso mehr. Wie wollen wir zukünftig also sicherstellen, dass unsere Industrien sich tatsächlich und nachhaltig verändern? Dieser Wunsch nach Veränderung ist nicht mit dem Dezember 2020 geendet.
Foto: Adobe Stock