Beyoncé und ihre Tochter Blue Ivy tragen es, die weibliche, afroamerikanische Cast von „Orange ist he New Black“ sowieso und das Berliner Model und Bloggerin Julia Dalia, 25, sieht man auch nie ohne: Natural Hair ist endlich in aller Munde und wird immer mehr in der Medienlandschaft visualisiert. Warum das gerade für die Selbstakzeptanz junger, afrikanisch abstämmiger Mädchen so wichtig ist und warum sie ganz fest an einen nachhaltigen Effekt jenseits des Trendphänomens glaubt, das erzählt Julia uns im Berliner Soho House.
femtastics: Das Thema “Natural Hair” in Bezug auf afrikanisches Haar wird endlich prominent diskutiert – warum hat es so lange gedauert?
Julia Dalia: Für mich wurde Natural Hair zum ersten Mal zum Thema, als es aus Amerika rüberschwappte. Ich habe Natural Hair-Blogger auf Instagram entdeckt. Was die mir erzählt haben, wie ich meine Haare pflegen soll, das war eine ziemliche Offenbarung. In Deutschland wird – außer in den Afroshops – weder das Know-how vermittelt, noch bekommst du die richtigen Produkte. Es wurde einfach nicht drüber gesprochen.
Den Afro hat man in der Vergangenheit eher bei Männern gesehen. Wird von Frauen noch mehr Anpassung verlangt?
Der Unterschied zwischen Männern und Frauen ist mir noch nicht so aufgefallen. Ich glaube aber, dass Frauen in Amerika sich schon mehr mit ihren Haaren anpassen müssen. Einer Bekannten wurde gesagt, sie müsse sich die Haare glätten, um den Job zu bekommen. Mir wurde sowas in Deutschland noch nie gesagt.
Die Natural Hair-Bewegung hat ganz viel mit Identität zu tun. Die Mädels, die das gerade sehr pushen, werden sich ihrer Identität bewusst und wollen sich so ausleben, wie Gott sie geschaffen hat.
Es wird mittlerweile mehr akzeptiert, seine natürlichen Haare zu tragen.
Gehört Natural Hair denn zum gängigen Schönheitsbild in der afro(amerikanischen) Community dazu?
Ich glaube, es wird mittlerweile mehr akzeptiert, seine natürlichen Haare zu tragen. Ich habe mich letztens mit einem komplett dunkelhäutigen Mädchen darüber unterhalten. Sie meinte, dass ihre europäischen Freundinnen ihre natürlichen Haare schön finden. Ihre Tanten aber gehen zu ihrer Mutter und sagen, sie solle was mit ihren Haaren machen, einen protective Style drüberhauen oder Braids flechten lassen. Ich glaube, so ein Feedback kann genauso gut von Amerikanern, Europäern oder eben aus den eigenen Reihen kommen.
Mangelt es an Vorbildern?
Es gibt viele Vorbilder, aber die werden nicht genügend kommuniziert. Wenn Mütter ihren afroamerikanischen oder dunkelhäutigen Töchtern Vorbilder wie Rosa Parks geben würden, dann hätte das Kind eher die Möglichkeit, sich damit zu identifizieren und sich selbst so zu akzeptieren.
Ich akzeptiere meine Haare als einen Teil von mir und finde sie schön.
Hast du deine Haare früher viel geglättet?
Ich habe meine Haare noch nie chemisch geglättet. Ich habe einmal das Glätteisen meiner Schwester benutzt, fand aber, das sah nicht schön aus. Ich sehe bei chemisch geglätteten Haaren einfach, dass das nicht natürlich ist und mir gefällt das nur ganz, ganz selten. Es sieht meist strohig aus und die Haare gehen davon kaputt. Ich finde, Natur sieht immer schöner aus. Das ist aber mein persönliches Empfinden.
Das heißt, du trägst dein Haar aus einem ästhetischen Empfinden heraus so. Oder wird es mittlerweile als Protestzeichen gesehen?
Aus Protest trage ich es auf jeden Fall nicht. Ich habe meine Haare aber eine Weile nicht natürlich getragen, da mir die ganze Aufmerksamkeit, die damit einherging – Leute, die dir permanent ins Haar fassen – einfach zu viel war. Mittlerweile akzeptiere ich meine Haare als einen Teil von mir und finde sie schön. Man bietet mit dem Afro anderen Menschen immer Interpretationsmöglichkeiten, klar. Davon versuche ich mich freizumachen.
Wie gehst du mit Cultural Appropiation um?
Man kann sich auf jeden Fall von anderen Kulturen inspirieren lassen. Ich habe viele Freunde mit einem Migrationshintergrund und das inspiriert mich. Wenn aber eine Kultur ausgenutzt wird, um damit Geld zu machen und sich nicht damit auseinandergesetzt wird, dann finde ich das schwierig. Man sollte sich die Problemstellung, die damit einhergeht, bewusst machen.
Ist der Afro für dich als Model von Vorteil?
Ich habe letztens eine schöne Message auf Instagram von einem Mädchen bekommen. Sie hat sich total gefreut, dass ich so viel gebucht werde und meinte, sie habe das Gefühl, dass die Medienlandschaft in Deutschland langsam bunter wird. Für bestimmte Produkte wird eben der kaukasische Typ gebucht und ich kann da auch die Marketing Manager verstehen. Das Produkt muss eben die Zielgruppe ansprechen und sich verkaufen. Bei manchen Produkten passt es eben noch nicht. Für mich persönlich ist der Afro von Vorteil und ich werde viel deswegen gebucht. Dafür bin ich dankbar.
Ich glaube, dass es ein Umdenken in der Gesellschaft geben muss.
Ist Natural Hair nur ein Trend oder wird es ein nachhaltiges Umdenken bewirken?
Ich glaube, dass es ein Umdenken in der Gesellschaft geben muss, weil wir einfach so viele Migranten in Deutschland haben und die Gesellschaft sich immer mehr durchmischt. Das Wort Ausländer ist auch so unsinnig, weil wir alle Ausländer sind – außer in dem Land, in dem wir geboren wurden. Ich sehe mich als Weltenbürger. Ich bin da zu Hause, wo meine geliebten Menschen sind.
Diversität findet auf Laufstegen und in Werbekampagnen immer noch nicht wirklich statt. Wie ist deine Empfindung?
Ich fände es schön, wenn mehr Natürlichkeit auf Laufstegen gepusht werden würde. Also echte Körper und natürliche Haare. Die Fashion Szene mit ihren geairbrushten Models ist sowieso sehr unecht – selbst die Beine werden für den Laufsteg konturiert. Das ist irgendwo auch eine Kunstform und Designer wollen damit was ausdrücken, auch, wenn sie nur kaukasische Models nehmen.
Geht es nicht einfach nur um Abverkauf beziehungsweise um Anpassung an die Käuferschaft?
Eine Freundin hat eine Kollektion entwickelt, die darauf basiert, dass wir in einer Wegwerfgesellschaft leben. Dafür hat sie nur kaukasische Models genommen, weil sie wollte, dass nichts von der Kollektion ablenkt. Die Kollektion sollte laut sprechen.
Wobei das natürlich genau die Krux ist, dass dunkelhäutige Models vermeintlich ablenken, weil sie eben ansonsten in den Medien nicht genügen sichtbar sind.
Aber ich sehe eben auch auf der Straße mehr blonde Frauen als Frauen mit einem Afro. Es spiegelt die Verhältnismäßigkeit in der Bevölkerung wieder.
Die Flüchtlinge werden sich in der Gesellschaft widerspiegeln – da kann man nicht mit einem eingeschränkten Horizont rumlaufen und Pegida wählen.
Was kann noch für mehr Selbstakzeptanz bei jungen Mädchen getan werden?
Man sollte sich mit dem Thema mehr auseinandersetzen, denn unsere Gesellschaft wird nun mal immer mehr vermischt und man kann das nicht ignorieren. Man sieht immer mehr Menschen auf der Straße, die zu einem Viertel Ghanaischer, einem Viertel Tschechischer und vielleicht noch einem Viertel jamaikanischer Herkunft sind. Ich finde diese Diversität wunderschön. Auch die vielen neuen Flüchtlinge werden sich in der Gesellschaft widerspiegeln und da kann man einfach nicht mit einem eingeschränkten Horizont rumlaufen und Pegida wählen.
Wir sind absolut deiner Meinung! Vielen Dank für das Gespräch, liebe Julia.
2 Kommentare
Ich finde Julia einfach toll.. ich habe selber afro und meine Tochter auch..