Über 100 Portraits von weiblichen Musikerinnen und DJs hat die Hamburger Fotografin Katja Ruge in den vergangenen 25 Jahren fotografiert, darunter befinden sich Ikonen wie Björk, Robyn und M.I.A. Die Bilder zeigt sie nun in ihrer neuen Ausstellung „Ladyflash“ (inklusive Neunziger-Ecke!) vom 22.9.- 26.10.2016 in der Galerie Kulturreich in Hamburg – eine Kooperation mit dem Reeperbahn Festival 2016. Wir treffen Katja vorab in der Galerie beim Bilder Arrangieren und sprechen über Generationen kreativer und selbstbestimmter Musikerinnen, Shootings auf dem Grünstreifen und fast verloren gegangenen Goldschmuck.
Mir ist wichtig, dass jedes Bild eine bestimmte Seite der Künstlerin beinhaltet.
femtastics: Welches Shooting ist dir besonders in Erinnerung geblieben?
Katja Ruge: Das Shooting mit Björk 1993 auf dem Grünstreifen beim Bernhard-Nocht-Krankenhaus war meine erste Session mit einer Frau. Damals wusste man natürlich nicht, dass Björk mal so abgehen würde. M.I.A. habe ich schon zweimal fotografiert, so kennt man sich schon bisschen und es wird entspannter. Das letzte Mal musste sie allerdings kurzfristig zum Flughafen, weil ihr Kind in London krank geworden ist. Sie ist dann fast mit dem super teuren Schmuck abgehauen, den ich extra ausgeliehen hatte. (Lacht) Ich bin dann hinterhergerannt und konnte sie so eben gerade aufhalten!
Wonach suchst du deine Protagonistinnen aus?
Schon nach meinem eigenen Geschmack. An viele Leute bin ich auch nicht rangekommen, weil das Management abgeblockt hat. Manchmal hilft es, über Facebook zu gehen. Ich schaue, wer gerade auf Tour ist und schreibe die Künstler dann an.
Hast du mit den Frauen, die vor deiner Kamera stehen, immer sofort eine Connection?
Ich kann mich an keine Foto-Session erinnern, die komisch gelaufen ist. Gerade die Amerikanerinnen sind sehr professionell und trennen zwischen Job und Privatem. Janelle Monáe zum Beispiel war mega im Stress und hatte eigentlich gar keine Zeit, funktionierte aber vor der Kamera sofort. Für das Bild kann eine Unnahbarkeit total toll sein. Aber jedes Shooting ist anders. Mir ist wichtig, dass jedes Bild eine bestimmte Seite der Künstlerin beinhaltet.
Hast du vor dem Shooting eine bestimmte Bildidee im Kopf?
Ich versuche immer, die Idee mit der Künstlerin vor Ort zu entwickeln. Mir ist es immer wichtig, frei und offen arbeiten zu können.
Es sind Frauen, die ihren Mann stehen und eigenverantwortlich arbeiten.
Die Frauen wirken auf deinen Bildern sehr stark.
Das ist mir total wichtig, weil es ja auch Frauen sind, die ihren Mann stehen und eigenverantwortlich arbeiten. Sie organisieren sich vieles selber – so wie Noveller zum Beispiel. Das respektiere ich und finde es sehr bewundernswert. Außerdem ist das Touren und unterwegs Sein echt anstrengend …
… und in diesem Kontext triffst du die Frauen.
Ich will einfach nur eine gute Zeit haben und einen guten Vibe erzeugen. Ich versuche, auf die Situation einzugehen und nehme mich zurück. Ich komme nicht an und sage: I’m the fucking popstar!
Diese Fotografen soll es ja auch geben …
… und das hat auch seine Berechtigung. Aber dann würden bei einem halbstündigen Fototermin Egos aufeinander prallen und das wäre nicht hilfreich.
Wenn du nicht mehr aufgeregt bist, kannst du auch gleich aufhören.
Bist du aufgeregt vor einem Shooting?
Ich bin immer total aufgeregt. Das geht meistens schon einen Tag vorher los, dann mache ich mir voll viele Gedanken. Am Tag selbst dann geht es. Miss Kittin wollte ich seit sechs Jahren fotografieren, ich war dann so aufgeregt und habe ihr das auch gesagt. Das Eis war aber schnell gebrochen, weil ihre Managerin mich vorher anrief und fragte, ob ich ein Glätteisen organisieren kann. Ich bin dann nach Eimsbüttel geheizt und hab so ein Teil bei einer Freundin ausgeliehen. (Lacht) Generell denke ich, wenn du nicht mehr aufgeregt bist, kannst du auch gleich aufhören. Ein kleines Kribbeln muss schon sein.
Früher kamen dazu noch Gedanken wie: Habe ich scharf gestellt? Habe ich richtig belichtet? Ist die Linse richtig? Das habe ich natürlich nicht mehr. Das kann ich komplett ausblenden und mich voll auf die Leute einschießen.
Außerdem gehören Fehler dazu und können gerade in der Fotografie manchmal sogar ganz sinnvoll ein.
Ich glaube an learning by doing. Viele Praktikanten von mir wollen immer gleich ein perfektes Bild machen. Ich sage immer, der Weg ist das Ziel. Das Bild muss erarbeitet werden, auch, indem du Fehler machst.
Du zeigst Bilder aus 25 Jahren – welche Veränderungen hast du bei den Künstlerinnen in der Zeit beobachtet?
Viele Künstlerinnen machen natürlich eine Metamorphose durch und sind ganz anders drauf. Beim zweiten Shooting sind die Künstlerinnen oft warmherziger und zugänglicher.
Heute werden Künstler generell viel mehr fotografiert – auch von sich selbst – als noch vor zwanzig Jahren. Hat das einen Einfluss auf deine Arbeit?
Nicht wirklich, aber natürlich sind Künstlerinnen heute viel präsenter und machen auch selbst viele Fotos.
Wird die Bildsprache vom Management klarer definiert, sodass Künstlerinnen nicht mehr so offen sind?
Generell hat das Management heute wahnsinnig oft den Finger drauf. Bei Robyn habe ich das Management hundertfach kontaktiert und nie zurück gehört. Irgendwann bin ich dann mit einem befreundeten Journalisten zum Interview mitgekommen und habe ihr einfach von dem Projekt erzählt. Sie wollte sofort mitmachen! Der Manager war natürlich stocksauer. (Lacht)
Hast du dich irgendwann bewusst dazu entschieden, vorrangig Musiker zu fotografieren?
Das hat sich eigentlich so ergeben, weil Musik meine große Leidenschaft ist und ich, seit ich denken kann, ständig auf Konzerten bin, selber auflege und auch Partys veranstalte. Außerdem finde ich die Musikszene noch relativ entspannt. Du begegnest zwar vielen Egos, aber irgendwie geht es noch. Ich hatte auch großes Glück, dass es in der Zeit, in der ich losgelegt habe, noch einen großen Musikzeitschriften-Boom gab – mit Intro, Groove, Frontpage & Co.
Du liebst es einfach!
Voll! Die Musik, die der Künstler macht, in einem Bild weiterzutragen und zu verbinden, finde ich einfach wahnsinnig aufregend. Das macht mich an.
Das merkt man! Vielen Dank für das Gespräch – wir freuen uns auf die Ausstellung!
PS: Am 1. Oktober feiert Katja mit einer Special Edition ihrer Party-Reihe „Kann denn Liebe Synthie sein?“ ihre Fotoausstellung im Golem. Come along!
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