Wedding ist vorbei! Das Soho House in Berlin ist soooo lame! Kimchiiiiiii! Wer Wana Limars Video „Shit Berlin Fashion Hipsters Say“ für MTV Style nicht kennt, sollte sich dies vielleicht kurz anschauen, bevor er jetzt weiterliest. Das vor lauter Lachen Bauchkrämpfe verursachende Video wurde letztes Jahr ein Viralhit – warum? Weil Redakteurin und Videohost Wana über beneidenswert viel Selbstironie verfügt und nicht nur sich selbst, sondern vor allem uns charmant den Spiegel vorhält. Spätestens seit dem Video sind wir Fans der 25-jährigen Hamburgerin, die zwischen ihrer Heimat und Berlin pendelt, eine innige Beziehung zu Make-up führt und sich Photoshop beigebracht hat, indem sie Model(bilder) „schminkt“. Alle zwei Wochen ist Wana, die sich selbst übrigens liebevoll Werner nennt, in Hamburg, um ihre Familie in dem Viertel zu besuchen, in dem zufällig auch unsere Lisa aufgewachsen ist. Natürlich treffen sie sich also am Langenhorner Markt im Imbiss und sprechen über Assi-Viertel, Wanas Erfolgsgeheimnis und über ihr ehrenamtliches Engagement in der Flüchtlingshilfe.
femtastics: Langenhorn ist total down to earth, strukturell gut durchmischt und ein bisschen assi – liebst du es auch so sehr wie ich?
Wana Limar: Ich teile deine Begeisterung und bin ebenso froh, dass ich in so einer Gegend aufgewachsen bin. Hier wohnt eine gesunde Mischung aus Verrückten aus der Psychiatrie Ochsenzoll, Assis und Jugendlichen. Zum Ausgehen oder einfach so treffen habe ich mich hier aber nie aufgehalten – und würde das auch heute nie tun.
Eigentlich ist es für jedes Kind wünschenswert, in einer Gegend aufzuwachsen, in der es nicht zu schick ist.
Trotzdem fühlt es sich wie Heimat an.
Definitiv, Langenhorn ist meine Heimat. Ich würde mich auch eher als Langenhornerin und nicht als Hamburgerin bezeichnen, Langenhorn ist einfach meine Hood. Es ist für mich ein beruhigender Ort, gerade wenn ich aus Berlin komme, wo ich mittlerweile lebe. Langenhorn ist authentisch und geerdet. Schön ist es nicht gerade, aber sehr grün mit einer gewissen Tristesse. Eigentlich ist es für jedes Kind wünschenswert, in so einer Gegend aufzuwachsen, in der es nicht zu schick ist.
Eigentlich wollte ich Astronautin werden, war aber schlecht in Mathe.
Man wird sozialisiert und auf die große weite Welt vorbereitet. Du pendelst mittlerweile zwischen Hamburg und Berlin, wo du Redakteurin und Videohost bei MTV Style bist. Wie war der Weg dahin?
Nach dem Abi war ich unsicher, was ich machen wollte. Ich hatte eine Affinität zur Mode, aber nicht unbedingt zum Journalismus, eher zu Design und Fotografie. Eigentlich wollte ich Astronautin werden, war aber nicht gut genug in Mathe. Jura, Lehramt und Psychologie standen auch im Raum, aber irgendwann bin ich auf die AMD Akademie Mode & Design aufmerksam geworden und fand den breitgefächerten Studiengang Modejournalismus und Medienkommunikation interessant – mit PR, Kostüm-, Kunst- und Mode-Geschichte. Aus dem Studium heraus hat sich damals eine freie Mitarbeit bei District MTV entwickelt und daraus entstand dann die Videocontent-Produktion.
Kommen die Ideen für die Videos eigentlich von dir?
Ja, ich bin Redakteurin und VJ in einem. Ich bin verantwortlich für die Inhalte und decke den Online-Videocontent für Style & Beauty-Themen bei MTV ab. Die Beauty-Tutorials ziehe ich mir so aus dem Ärmel, da geht es um Basics, aber auch strobing trends. Nach einem Jahr habe ich mir eine kleine Community aufgebaut, die fragen mich viele Sachen, die ich in den Videos aufgreife.
Am Anfang wollte ich jeden glücklich machen, das hat aber nicht funktioniert.
Das heißt, der Beauty-Bereich fällt dir leicht.
Das ist easy für mich und entwickelt sich spontan. Wo ich mich wirklich hinsetzen und überlegen muss, sind die sehr entertainigen oder konzeptionellen Formate, wie das viral erfolgreiche „Shit Berlin Fashion Hipsters Say“ oder „Wie Deutsche sich schminken“. Diese Ideen kommen aber meistens aus dem Leben und basieren auf Beobachtungen. Je unverkrampfter und entspannter ich vor der Kamera bin, desto besser sind die Ideen, denn desto näher sind sie an mir dran. Am Anfang wollte ich jeden glücklich machen, das hat aber nicht funktioniert.
Weil es nicht authentisch ist.
Am erfolgreichsten sind die Videos, in denen ich zum Teil improvisiere.
Was begeistert dich an Beauty und Mode?
Mir geht es nicht unbedingt um die Mode an sich oder bestimmte Keypieces, sondern eher um die Ästhetik. Ich bin ein sehr visueller Mensch. Ich beschäftige mich auch nicht so viel mit Texten oder einzelnen Personen, sondern schaue mir schöne Bilder an. Der Stil, den ich habe, hat sich über die Jahre auch gar nicht geändert. Früher habe ich die gleichen Bilder auf dem Rechner gespeichert wie heute. Damals waren es Mary-Kate und Ashley Olsen oder Jennifer Lopez, die mich in Sachen Make-up immer sehr inspiriert hat. Ihretwegen habe ich mir mit 12 Jahren goldenen Lidschatten ins Gesicht geklatscht, weil es keine Highlighter gab. Ich wollte auch immer Modedesignerin werden und hatte schon eine Kollektion entworfen, die unter dem Namen WOW herauskommen sollte: World of Wana.
Super Name!
Ich habe mir die Runwaybilder auf Style.com abgespeichert und in mein Photoshop geladen, wo ich dann die Models geschminkt habe.
Krass, darauf bin ich damals nicht gekommen …
… so habe ich mir Photoshop beigebracht! Alle haben braunen Lidschatten und Lippen in Nude bekommen. Die könnten so schön aussehen!, habe ich gedacht.
Was ist dein Anspruch an deine Videos für MTV?
Dem Thema Style eine Leichtigkeit zu verpassen und die Ernsthaftigkeit rauszunehmen. Die Modeszene ist sehr elitär, hochnäsig und eindimensional …
… und weitestgehend humorbefreit.
Oft sind die einzigen Lustigen die Schwulen. (Lacht.) Die Gesprächskultur ist komplett oberflächlich, es geht nur um Namedropping und die neuesten heißen Teile. Auf den Modejournalismus bezogen gefallen mir die Sachen von Leandra Medine von Manrepeller gut. Ich respektiere sie, Leandra ist lustig und smart. Ihre Herangehensweise an Mode & Stilthemen ist cool, ohne dabei elitär zu sein. Davon kann man sich auf jeden Fall eine Scheibe abschneiden.
Das heißt, du beschäftigst dich gar nicht viel mit Mode?
Ich glaube, ich beschäftige mich nicht so sehr mit Konsum und Trendpieces – aber Mode an sich, also Kollektionen und Editorials, interessieren mich nach wie vor sehr stark, ich befasse mich leider aus zeitlichen Gründen nur nicht mehr so intensiv damit wie vielleicht mit 14. Ich schaue mir zurzeit mehr Bilder an als mich wirklich mit Inhalten zu befassen.
Musst du dich beim Dreh eigentlich nicht die ganze Zeit totlachen?
Schon immer mal wieder, aber es geht eigentlich. Dadurch, dass wir alles zu zweit drehen, ich und mein Kameramann Arturo, kommt auch keine Verlegenheit auf wie vielleicht mit einem großen Team.
Das Video „Shit Berlin Fashion Hipsters Say“ haben unter anderem genau die Leute abgefeiert, die du parodierst. Haben die wirklich so viel Selbstironie?
Klar, ich parodiere ja auch mich selbst damit. Vieles ist aus meinem eigenen Leben: Die ständige Frage nach dem Wlan, oder ob es auch Sojamilch oder Quinoasalat gibt – das sind alles Dinge, die oft auch aus meinem Mund kommen.
Dann erst mal Hut ab für so viel Selbstreflektion, das können nicht viele!
Danke schön! Ich dachte auch wirklich, dass nur die Leute das Video lustig finden, die diese Sprüche auch selber sagen. Für das Video habe ich eine Stunde überlegt und den Rest improvisiert, ich dachte, dass das vielleicht hundert Leute gut finden.
Aber es ging voll durch die Decke!
Wir dachten, nur die Berliner Szene versteht das, aber alle anderen haben ebenso darüber gelacht – auch die, die nicht in dieser Bubble leben.
Was ist dein großes Ziel – vielleicht auch für eine Zeit nach MTV Style?
Ich möchte finanziell unabhängig sein. Wobei Geld zwar immer eine Motivation, aber auch eine Herausforderung ist, weil Geld meistens bedeutet, dass Inhalte massenkompatibel sein müssen – die Kreativität bleibt da leider manchmal auf der Strecke. Ich würde zum Beispiel gern mehr Musikinterviews machen, die werden aber eben nicht so oft geschaut. Ansonsten hätte ich total Bock darauf, Modefilme zu produzieren. Styling und Make-up bei Produktionen mache ich auch gern. Was mir aber besonderns wichtig ist, ist Visions for Children e.V., wo ich ehrenamtlich mitarbeite. Ich möchte noch mehr Projekte starten und Aufmerksamkeit dafür generieren.
Und was ist mit Moderation?
Ganz vergessen, klar! Das auch! Wobei es mir immer um die Inhalte und die Konzeption geht. Nur moderieren wäre nicht mein Ding.
Meine Wurzeln liegen in Afghanistan, wo Frauen fast gar keine Rechte haben und ihnen kaum Wert beigemessen wird. Für dieses Land bin ich mit meinem Lebensstil wahrscheinlich eine krasse Feministin.
Jetzt zur femtastics-Pflichtfrage: Bist du Feministin?
Ich wusste, dass diese Frage kommt! (Lacht.)
Ich muss sie (fast immer) stellen!
Ich mag Schubladen nicht so gerne, ich bin aber auf jeden Fall Humanistin. Ich bin für die Rechte und die Freiheit jedes Menschen. Meine Wurzeln liegen in Afghanistan, wo Frauen fast gar keine Rechte haben und ihnen kaum Wert beigemessen wird. Für dieses Land bin ich mit meinem Lebensstil wahrscheinlich eine krasse Feministin. Aber hier in Deutschland weiß ich nicht, ob ich mich als Feministin sehe. Es gibt natürlich ein paar Dinge, die haben sich so bei mir eingeschlichen.
Zum Beispiel?
Das Thema Schönheit ist etwas, woran ich total Spaß habe. Ich mag es, mich und andere zu schminken, auch wenn es nur fürs Zuhause ist. Was ich total rückständig finde, ist, dass man in Deutschland schnell als Tussi und als umemanzipiert abgestempelt wird, sobald man Mascara, Gloss und Heels trägt. Man wird automatisch unterschätzt und in eine Schublade gesteckt, und hat man dann doch was auf dem Kasten, sind alle überrascht. Das ist total rückständig und hat mit Fortschritt oder Feminismus nichts zu tun.
Wenn ich mich hübsch mache, dann vor allem für mich selbst und mein eigenes Körpergefühl – und nicht um irgendwelchen Typen zu gefallen.
Was einem aber oft unterstellt wird.
Genau. Natürlich merke ich an einigen Stellen, dass man sich anders verhält, um Männern zu gefallen.
Weil es erwartet wird?
Bis zu einem gewissen Grad ist es okay, und ich habe da glaube ich ein gutes Gleichgewicht. Man muss sich außerdem fragen, was ist der Typ Mann, auf den ich stehe und inwiefern will ich dem gerecht werden. Es geht um die richtige Balance.
Jede von uns hatte in der Pubertät das Bedürfnis, dem anderen Geschlecht zu gefallen, aber wir haben es nicht so öffentlich gemacht wie die 16-Jährigen heute.
Man macht es für sich, damit es einem gut geht. Darüber muss man eigentlich gar nicht mehr reden.
Doch, das Gefühl hab ich schon! Wenn ich sehe, wie die Mädels auf Instagram abgehen und von Frauen wir Kylie Jenner oder Kim Kardashian geprägt werden, die ein vermeintlich perfektes Schönheitsideal verkörpern, dann ist das total auf Männer bezogen. Es ist total sexualisiert. Es geht nicht um das Gesicht, sondern um den Körper. Da sind 16-jährige Mädels, die ihr Instagramprofil auf öffentlich stellen und wie die Stars posen, das geht in eine falsche Richtung.
Vielleicht merken sie gar nicht, dass sie sich so sexualisieren?
Wahrscheinlich nicht. Jede von uns hatte in der Pubertät das Bedürfnis, dem anderen Geschlecht zu gefallen, aber wir haben es nicht so öffentlich gemacht. Das ist noch mal eine andere Dimension.
Wie bist du nach Deutschland gekommen?
Wir sind nach Deutschland geflohen, da war ich wenige Monate alt. Die ersten fünf Jahre haben wir in einer Asylbewerberunterkunft in Langenhorn gelebt.
Kannst du dich noch an die Zeit erinnern?
Wenn ich jetzt zurückdenke, wird mir erst klar, unter welchen Bedingungen wir da gewohnt haben, aber wir hatten es warm und irgendwann zwei Zimmer für uns. Außerdem haben Tanten, Onkel und andere Verwandte ebenfalls dort gewohnt. Es war wie eine kleine Siedlung mit vielen anderen Kindern, es war nicht schlimm für mich.
Mittlerweile unterstützt du selber Flüchtlinge, was genau machst du?
Ich bin Mitglied bei Visions for Children e.V., ein kleiner Verein in Hamburg. Wir sind junge Menschen, viele Studenten und Absolventen, die sich eigentlich verstärkt für einen chancengleichen Zugang zu Bildung einsetzen, dort, wo dieser nicht gegeben ist. Wir haben Schulen saniert und ausgestattet, zum Beispiel in Afghanistan oder Sri Lanka. In Togo haben wir einen Schulbus eingeführt, damit die Kinder nicht jeden Morgen zehn Kilometer zur Schule laufen müssen. Aufgrund der Flüchtlingskrise setzen wir uns seit einigen Jahren aber auch punktuell durch Veranstaltungen und Sammel-Aktionen für Flüchtlinge ein, haben anfangs auch noch verstärkt Einzelbetreuung angeboten, was sich aktuell jedoch als etwas schwieriger erweist. Der Verein wurde 2006 gegründet und seit 2012 bin ich Mitglied, da mich meine Schwester, die seit circa sechs Jahren Vorstandsvorsitzende ist, dazu überredet hat mitzumachen.
Was hat dich dazu bewogen, mitzumachen?
Ich kannte den Verein natürlich, hab mir aber am Anfang nicht zugetraut, die Verantwortung zu übernehmen. In 2012 ging es mir aus verschiedenen Gründen nicht so gut und ich habe Halt gesucht. Meine Schwester hat mich dann zu einer Vereinssitzung geschleppt, bei der ich mich dann die ganze Zeit eingebracht habe. Danach war klar, da machst du auf jeden Fall mit! Seitdem ich Mitglied bin, kümmere ich mich um die Öffentlichkeitsarbeit und betreue die Social Media Kanäle.
Und du hast die die Patenschaft für einen geflüchteten Jungen übernommen.
Hamid ist ein Afghane, der im Iran groß geworden ist und aus dem Iran nach Deutschland geflohen ist. Mit ihm habe ich Behördengänge gemacht, gedolmetscht und helfe ihm bei den Hausaufgaben.
Was würdest du sagen, wie kann jeder einfach helfen?
Ganz simpel erstmal googeln oder bei Facebook schauen, was für Netzwerke es gibt – und die gibt es wirklich in jeder Großstadt – und wie man sich einbringen kann. Die Berliner sollten unbedingt dem Netzwerk Berlin hilft folgen, das hat ein Mitglied von unserem Verein gegründet. Hier werden alle Flüchtlingsunterkünfte in Berlin mit dem jeweiligen Bedarf aufgelistet.
Danke für den guten Tipp und für den netten Talk, liebe Wana!
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Wanas Schminkvideos auf YouTube sind die BESTEN!