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Feminismus

Wie die Gynäkologin Diana Joseph gegen Müttersterblichkeit im Südsudan kämpft

14. Juli 2025

geschrieben von Nina Ponath

Gynäkologin Diana Joseph

Die Gynäkologin Diana Joseph kam 2001 für ihr Studium nach Hamburg. Nach dem Studium wollte sie zurück in ihre Heimat, den Südsudan - ein Land, das zu den ärmsten Ländern der Welt zählt. Stattdessen blieb sie und kämpft von hier aus gegen die hohe Müttersterblichkeit im Südsudan. Immer wieder reist die leitende Oberärztin der Station Gynäkologie und Geburtshilfe des Krankenhauses Buchholz mit ihrem Team vom Verein "Health Initiative South Sudan e.V." nach Ostafrika, um vor Ort medizinische Hilfe zu leisten, und sammelt Spenden für dringend benötigtes Material. 

Für ihr Engagement wurde sie mit der Ehrenplakette der niedersächsischen Ärzteschaft ausgezeichnet. Im Interview erzählt sie, wie die medizinische Situation im Südsudan gerade aussieht und wie sie mit ihren Einsätzen Frauen* hilft.

"Ich habe zu meinem Arbeitgeber gesagt, dass ich mich für den Südsudan engagieren will. Der sagte: 'Dann lass uns das zusammen angehen".

femtastics: Sie sind nach Ihrem Medizinstudium in Deutschland geblieben und engagieren sich von hier aus für den Südsudan. Mindestens einmal im Jahr reisen Sie in den afrikanischen Staat, um Mediziner*innen zu schulen und selbst Operationen durchzuführen. Wie kam es dazu?

Diana Joseph: Ich habe in meinem ersten Job zu meinem damaligen Arbeitgeber gesagt, dass ich mich für den Südsudan engagieren will. Der sagte: „Dann lass uns das zusammen angehen“. Wir haben 2015, 2016 und 2018 dort chirurgische Einsätze gemacht. 2018 gründete ich mit anderen Kollegen*innen den Verein "Health Initiative South Sudan e.V." und reise seitdem mindestens einmal im Jahr in den Südsudan. Als ich ans Krankenhaus Buchholz wechselte, konnte ich mein Projekt hierhin mitnehmen.

Zuletzt war ich mit drei weiteren Ärzten und einer Krankenschwester des Krankenhauses Buchholz vor Ort. Das geht nur, weil das Buchholzer Krankenhaus uns in der Zeit freistellt – uns entstehen also keinerlei finanzielle Nachteile oder verminderte Urlaubsansprüche.

"Es gibt sehr wenige Krankenhäuser oder medizinische Einrichtungen. 80 Prozent der Versorgung werden von NGOs getragen, dazu gibt es Personalmangel."

Wie geht man ein solches Projekt an?

Wir sind per Zufall anfangs auf eine NGO gestoßen, die u.a. im Südsudan tätig ist. Die haben die Finanzierung übernommen. Wir haben alles andere organisiert. Die Patient*innen werden von einer Krankenschwester vor Ort vorbereitet. Für die chirurgischen Eingriffe reisen wir an und starten direkt mit den Operationen.

Die Menschen sind unglaublich dankbar. Ich glaube, viele sind beruhigt, dass ich aussehe wie sie und wundern sich vielleicht, dass ich mit den anderen Ärzten die deutsche Sprache spreche.

Wie sieht die medizinische Situation im Südsudan aus?

Viele der Patient*innen waren noch nie in ihrem Leben überhaupt beim Arzt. Die Situation kann man sich hier kaum vorstellen: Es gibt sehr wenige Krankenhäuser oder medizinische Einrichtungen. 80 Prozent der Versorgung werden von NGOs getragen, dazu gibt es Personalmangel. In den ersten zwei Krankenhäusern, in denen wir waren, gab es keinen einzigen Arzt und das Krankenhaus war in einem desolaten Zustand – ein richtiges Busch-Krankenhaus. Wir mussten mit sehr viel Fantasie und Improvisation arbeiten, damit wir überhaupt was schaffen.

Es muss viel an der Infrastruktur geändert werden und wir müssen die Menschen aufklären, aber langsam tut sich etwas. Wir fahren inzwischen seit vier Jahren in den Südsudan, um zu helfen. Anfangs haben wir noch regelmäßig einen Schock bekommen, jetzt hat sich schon ein bisschen was getan. Wir haben zum Beispiel einen Kreißsaal gebaut, schaffen gynäkologische Stühle und weiteres Mobiliar an und bilden Hebammen und Geburtshelfer*innen aus.

"Im Südsudan ist die Sterblichkeitsrate von Frauen* bei der Geburt immer noch am höchsten, obwohl die Mehrheit der Sterbefälle vermeidbar wäre."

Was können wir tun, um die medizinische Lage der Frauen* im Südsudan zu verbessern?

Dafür braucht es viel Aufklärung. Über das Thema zu sprechen, sowohl hier als auch vor Ort, hilft. Viele wissen gar nicht, wie die Lage im Südsudan ist. Im Südsudan ist die Sterblichkeitsrate von Frauen* bei der Geburt immer noch am höchsten, obwohl die Mehrheit der Sterbefälle vermeidbar wäre.

Die Frauen* im Südsudan wiederum müssen aufgeklärt werden über Verhütung und Schwangerschaftsvorsorge. Sie müssen wissen, dass sie in einer Klinik gebären sollten, weil so das Sterberisiko immens verringert wird. Wer uns helfen will, kann per „PayPal“ oder Überweisung spenden – die Gelder kommen zu hundert Prozent an. (Anm. d. Red.: Spendeninfos findet ihr unten.)

"HISS e.V." Einsatz im Suedsudan

Diana Joseph und das Team vom "Health Initiative South Sudan e.V." bei einem Einsatz im Südsudan.

Sie wurden vor 40 Jahren im damaligen Sudan, heute Südsudan, geboren. Wie können wir uns Ihre Kindheit vorstellen?

Ich bin als eines von fünf Kindern aufgewachsen. Ich habe zwei ältere Brüder, einen Zwillingsbruder und eine Adoptivschwester. Mein Vater starb als ich ein Baby war und meine Mutter wurde von jetzt auf gleich alleinerziehend. Das war natürlich nicht einfach, deshalb sind wir erst mal vom Sudan weg nach England zur Familie meiner Mutter gezogen. Dort haben wir drei Jahre bei meinen Großeltern gelebt.

Danach sind wir in den Sudan zurückgekehrt. Die Situation für meine Mutter war dort nicht einfach. Mein Vater war Diplomat und sie hatte während ihrer Ehe nicht gearbeitet. Jetzt war sie alleinerziehend, ohne ein Einkommen, ohne Rente in einem Land wie dem Sudan. Sie musste sich durchboxen.

Wie sieht die Rolle von alleinerziehenden Frauen im Sudan aus?

Wir waren tatsächlich ein exotischer Fall und wurden immer mit großen Augen angeguckt. Die meisten erwarten, dass sich die Frauen* einen neuen Partner suchen, um nicht allein dazustehen, aber meine Mutter wollte nicht noch mal heiraten. Mein Vater war von jetzt auf gleich bei einem Autounfall gestorben, sodass sie ziemlich traumatisiert war.

Meiner ganzen Familie war Bildung immer sehr wichtig, deshalb wurden wir zur Privatschule geschickt. Der Bruder meiner Mutter war auch Arzt und hat mich zum Medizinstudium inspiriert. Mir war es wichtig, anderen Menschen zu helfen.

"Meine Mutter ist ein sehr starkes Vorbild. Die Situation war nicht einfach für meine Mutter, aber sie hat das Beste daraus gemacht."

Haben Frauen* im Südsudan grundsätzlich Zugang zu Bildung?

Das ist ein sehr komplexes Thema. Es gibt sehr arme Familien, die trotz ihrer finanziellen Situation viel Geld für die Bildung der Kinder aufbringen. Andere verheiraten ihre Töchter aus dieser Notlage heraus.

Hat Ihre Mutter Sie als Vorbild beeinflusst?

Meine Mutter ist ein sehr starkes Vorbild. Die Situation war nicht einfach für meine Mutter, aber sie hat das Beste daraus gemacht. Ihr war unsere Bildung immer wichtig, deshalb hat sie uns in Privatschulen geschickt. Sie selbst war selbstständig mit vielen verschiedenen Dingen. Eine Zeit lang hat sie Frauenmode von außerhalb gekauft und sie im Sudan weiterverkauft.

Ende der Achtzigerjahre kam die islamistische National Congress Party (NCP) an die Macht, wodurch Frauen* von jetzt auf gleich weniger Recht hatten. Frauen* durften nicht mehr arbeiten oder verreisen. In unseren Schulen wurde die Sprache von Englisch auf Arabisch umgestellt. Also verließ meine Mutter mit uns das Land. Nach England, wo ich die ersten drei Jahre meines Lebens verbracht habe, konnten wir nicht wieder zurück, weil so viele Menschen dem Sudan den Rücken kehrten und so sind wir in Ägypten gelandet.

Wie kamen Sie dann nach Deutschland?

Meine Geschwister und ich sind von Kairo aus getrennte Wege gegangen. Mein ältester Bruder hat ein Basketball-Stipendium in den USA bekommen, die anderen Brüder sind nach Rumänien gegangen, weil man da kostengünstig und auf Englisch studieren kann. Ich bin 2001 nach Deutschland gegangen, weil es dort keine Studiengebühren gab. Ich hatte einen Nebenjob in einer deutschen Firma und hatte daher einen Bezug. Damals dachte ich, ich würde nach dem Studium in den Sudan zurückkehren.

Wie schwierig war es für Sie nach Deutschland einzuwandern?

Das Schwierigste war für mich natürlich, die deutsche Sprache zu lernen. Das war die größte Hürde, aber das war eben der Preis, den ich für meinen Traum zahlen musste.

Meine Familie hat die Entscheidung sehr unterstützt. Mein Opa, der früher Freiheitskämpfer im Sudan war, war regelrecht sauer auf mich, als ich 2005 während meines Studiums schwanger wurde. Er befürchtete, ich würde mein Studium nicht beenden.

"Dass man das schafft – ein Medizinstudium, gleichzeitig ein Kind bekommen und jobben ohne jegliche familiäre Unterstützung - geht überhaupt nur in Deutschland."

Aber Sie haben das Studium beendet. Wie haben Sie Studium und Muttersein mit 25 Jahren, noch dazu in einem fremden Land, unter einen Hut gekriegt?

Wenn ich heute dran denke, weiß ich das manchmal selber nicht. Dazu war ich auch noch von Beginn an alleinerziehend. Ich habe meine Tochter zum ersten Mal mit in die Uni genommen, als sie 16 Tage alt war. Zum Glück darf man in Deutschland Babys mit in die Vorlesung nehmen. Ich bin sehr dankbar für all die Unterstützung, die man dafür in Deutschland bekommt, dass es Kinderbetreuung gibt und Frauen* geholfen wird. Dass man das schafft – ein Medizinstudium, gleichzeitig ein Kind bekommen und jobben ohne jegliche familiäre Unterstützung - geht überhaupt nur in Deutschland.

So könnt ihr spenden:

Via "Paypal": an HISSeV

Per Banküberweisung: IBAN DE04 8306 5408 0004 1956 12 bei der "Deutschen Skatbank", Stichwort: Rumbek

Hier findet ihr den "Health Initiative South Sudan e.V.":

Foto/Collage: Krankenhaus Buchholz, "Canva"