Wann wusstet ihr, dass ihr trans seid, Gazelle und Gialu?
27. Februar 2025
geschrieben von Lisa van Houtem

Warum ist es gerade jetzt so wichtig, über Geschlechtervielfalt zu sprechen? Donald Trump ging gleich mit mehreren Verordnungen gegen die Rechte von Transpersonen vor, Diversity-Programme in Unternehmen werden wieder eingestellt und der allgemeine Rechtsruck, gerade nach der Bundestagswahl, stellt eine Gefahr für die Rechte queerer und Transmenschen dar.
Deswegen ist Repräsentation so wichtig. Die Influencer*innen Gazelle und Gialu sind beide trans und in einer romantischen Paarbeziehung. Jetzt haben sie zusammen das Buch “Never Not Changing” (erschienen im “Leykam Verlag”) über ihren Weg zu sich selbst geschrieben. Genau darüber sprechen wir mit ihnen.
femtastics: Gerade ist euer neues Buch “Never Not Changing”erschienen. Für wen und warum habt ihr es geschrieben?
Gialu: Für alle, die auf dem Weg sind, sich selbst zu finden. Wir erzählen von Momenten, die uns zu den Menschen gemacht haben, die wir heute sind – mit all unseren Veränderungen, auch in unserer queeren Identität. Ich hätte mir gewünscht, dieses Buch mit 16 zu lesen, um zu wissen: “Du bist nicht allein, du bist genau richtig.” Gleichzeitig würde ich es meinen Eltern schenken, um Berührungspunkte zu schaffen und ihnen zu zeigen, dass Veränderung zum Leben gehört – für uns alle.
Welche Rolle spielen Geschlechterrollen noch für euch?
Gazelle: In unserem Buch gibt es ein Kapitel namens “Bohren”, in dem wir uns spielerisch damit auseinandersetzen. Ich habe Gialu als transmaskuline Person das Bohren beigebracht – und plötzlich standen wir vor den eigenen Erwartungen, die wir unbewusst übernommen hatten. Früher bohrte bei mir zuhause immer mein Vater, während meine Mutter den Staubsauger hielt. Und Gialu fragte sich: Müsste ich das jetzt nicht übernehmen? Natürlich können alle Menschen Löcher bohren – aber die Reflexion darüber zeigt, wie tief verankert Geschlechterrollen sind. Uns ist wichtig, dass unsere Beziehung auf Balance basiert, dass wir tun, was sich für uns richtig anfühlt – egal, ob Bohrer oder Staubsauger.
Gialu: Gerade als trans und nicht-binäre Menschen werden wir oft gefragt, wie wir mit Geschlechterrollen umgehen. Dabei betrifft das doch alle. Von Kleidung über Farben bis hin zu Erwartungen – alles ist in binäre Kategorien unterteilt. Manche fühlen sich mit traditionellen Rollenbildern wohl, was völlig okay ist. Aber jede*r sollte sich fragen: “Was mag ich wirklich? Wo werde ich beeinflusst? Was könnte ich neu ausprobieren?”
"Veränderung kann schön, aber auch schmerzhaft sein."
Ihr beschreibt eure Transition als nie abgeschlossen – im positiven Sinne. Welche Chancen liegen in Veränderungen?
Gialu: Für uns bedeutet Transition nicht nur geschlechtliche Veränderung, sondern ganz allgemein persönliche Entwicklung. Was wurde mir vorgegeben? Womit fühle ich mich wohl, womit nicht? Wir lernen täglich dazu, die Welt verändert sich ständig – und das beeinflusst uns. Veränderung kann schön, aber auch schmerzhaft sein. Doch sie bringt uns voran.
Gazelle: Mir hilft es zu wissen, dass es kein festes Ende gibt. Ich bin, wie ich heute bin, aber ich entwickle mich weiter – das gibt mir Gelassenheit und hilft mir, mich anzunehmen.
Ihr hattet zwei Coming-outs: eines vor euch selbst und eines vor eurem Umfeld. Welches war schwieriger?
Gazelle: Beide – aber aus unterschiedlichen Gründen. Mein Coming-out vor mir selbst war schwer, weil ich es lange nicht akzeptieren wollte. Ich hatte Angst, weil ich fast nur Geschichten von Schmerz und Diskriminierung kannte. Ich wollte einfach weitermachen wie bisher – aber ich war unglücklich. Die Erkenntnis war erst schmerzhaft, dann eine Erleichterung. Mit jedem Tag fühlte ich mich wohler in meiner Haut.
Das Coming-out vor der Familie war eine andere Herausforderung – aus Angst vor Ablehnung, vor enttäuschten Erwartungen. Aber letztlich habe ich gelernt: Ich kann nur glücklich sein, wenn ich mich selbst nicht verleugne.
"Ich kann nur glücklich sein, wenn ich mich selbst nicht verleugne."
Gialu: Wir hatten beide unser Coming-out erst, als wir schon unabhängig waren und nicht mehr zuhause bei unseren Eltern gelebt haben. Das machte es leichter weil wir auch finanziell nicht mehr abhängig waren – aber die Angst, Freund*innen oder Familie zu verlieren, blieb. Gleichzeitig wusste ich: Es gibt keine Alternative. Ich kann nicht in einer Rolle leben, die nicht meine ist. Das ist kein Leben.
Und trotzdem bleibt es schwierig. Wenn ich sehe, was gerade in den USA passiert – wie Trump und die Regierung dort aktiv versuchen, die Rechte von trans* Menschen zu beschränken –, ist das einfach schmerzhaft. Und trotzdem wusste ich: Es gab für mich keine Alternative. Ich konnte nicht ein Leben lang eine Rolle spielen, die nicht meine war – das wäre kein echtes Leben gewesen. Wichtig ist, dass auch Außenstehende verstehen: Ein Coming-Out ist keine spontane Entscheidung, sondern ein langer, tiefgehender Prozess. Und trotz aller Herausforderungen ist es am Ende immer der bessere Weg – wenn man die Möglichkeit hat, ihn zu gehen.
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Collage: "Canva", Foto: Sarah Emmerich