Berlinale-Kuratorin Maike Mia Höhne wählt die besten Kurzfilme

9. Februar 2017

Die Hamburger Regisseurin, Produzentin und Autorin Maike Mia Höhne schaut bis zu 1.000 Filme im Jahr und reist zu Filmfestivals auf der ganzen Welt. Ihr wichtigstes Event? Die Berlinale Shorts! Seit zehn Jahren kuratiert sie die Auswahl aus Kurzfilmen, die vom 9.-19. Februar in Berlin dem Berlinale-Publikum präsentiert wird. Dieses Jahr mit dabei: 24 Filme aus 19 Ländern – allesamt mutig, verspielt und fernab klassischer Produktionsbedingungen entstanden. Kurz bevor Maike in den Zug gen Berlin springt, treffen wir sie zum Interview und sprechen über ihre größte Leidenschaft: den Kurzfilm.

femtastics: Verrätst du uns, welcher Kurzfilm aus deiner Auswahl für die Berlinale dich dieses Jahr besonders beeindruckt hat?

Maike Mia Höhne: Die Auswahl steht als Auswahl, weil ich sie wirklich allesamt toll finde. Es gibt Filme, die mir näher stehen, weil sie mir ästhetisch näher sind.

Gibt es dieses Jahr einen Trend – bezüglich des Inhalts oder der Form?

Was ganz lustig ist: Meine Tochter ist zehn Jahre alt und filmt manchmal gern mit dem iPhone. Sie filmt immer Hochkant und denkt gar nicht mehr im Querformat. Das gibt es als Stilmittel manchmal auch, aber weil es gewollt ist, nicht, weil der oder die Regisseurin damit aufgewachsen ist. Insgesamt sind sich alle Filme ihrer Bilderwelt sehr bewusst. Nichts wurde einfach hingerockt. Und das Computerspiel hält in drei Filmen Einzug – es wird in die filmische Form eingewoben.

Du schaust bis zu 1.000 Filme im Jahr. Wie kann man sich das vorstellen? Verbringst du unendliche Nächte auf der Couch?

Dieses Jahr habe ich das tatsächlich mal wieder mit meiner Kollegin Anna Henckel-Donnersmarck gemacht – mit Beamer. In der Regel ist es aber völlig unromantisch und strukturiert im Berlinale Office am Potsdamer Platz. Wir sind immer in Zweiergruppen unterwegs und arbeiten die Listen ab.

Die Avantgarde muss nicht zu teuren Mitteln greifen.

Wonach suchst du die Filme für den Wettbewerb aus? Welche Kriterien müssen sie erfüllen?

Zwei Punkte müssen erfüllt sein: Die Geschichte muss originär und technisch muss es richtig toll sein. Da sind richtige Nerds dabei, die ein besonderes technisches Interesse haben und sich verdammt gut auskennen. Für „Martin Pleure“ zum Beispiel wurde ein komplettes Arbeitstool entwickelt, um Bilder aus dem Spiel Grand Theft Auto nachzubilden.

Die neueste Technik ist aber bestimmt auch ein großer Kostenfaktor?

Eben nicht! Die Avantgarde muss nicht zu teuren Mitteln greifen. Ganz im Gegenteil: das digitale Material erlaubt ein anderes Arbeiten und Denken und erleichtert die Umsetzung. Es ist möglich geworden, aufwendige Trickarbeiten jenseits großer Studios oder Schulen umzusetzen. Das bedeutet eine Demokratisierung und größere Vielfalt. Darüber bin ich froh.

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Kannst du noch frei und unbeschwert Filme schauen oder ziehst du ständig Vergleiche? Denkst du manchmal: Jetzt habe ich wirklich alles gesehen?

Ich habe schon viele Referenzen im Kopf, ja. Aber das ist auch die Herausforderung, nicht immer herumzunörgeln. Interessant wird es, wenn im Bekannten etwas Neues addiert wird und ein neuer Blickwinkel dazu kommt. Mich interessiert, wenn mir neue Perspektiven eröffnet werden oder auch etwas zwischen den Zeilen erzählt wird.

Was macht einen guten Kurzfilm noch für dich aus?

Er muss mich überraschen! Ein Kurzfilm hat ja keine 90 Minuten, er muss mich in zehn Minuten bannen. Das ist die Kunst.

Ich will an ein bestimmtes Gefühl ran.

Mir sind Filme als Medium zu explizit – ich schlafe leider ständig beim Filme Schauen ein. Bücher regen meine Fantasie mehr an, da ich mir alles selbst vorstellen muss. Schaue ich die falschen Filme?

Interessante These! Fiktion ist tatsächlich der schwierigste Part. Wie willst du heute was erzählen, damit es überrascht und niemand einschläft, weil er es schon tausende Male gesehen hat? Was mich immer interessiert, ist das Gefühl – beim Zuschauer und bei mir selbst als Regisseurin. Ich will an ein bestimmtes Gefühl ran.

Kannst du dich erinnern, wann dich die Leidenschaft für den Film gepackt hat?

Anfang der Neunziger habe ich “Verhängnis” mit Juliette Binoche und Jeremy Irons im Hamburger Holi-Kino gesehen. Der Film hat mich total übers Gefühl gekickt. Ich bin damals aus dem Kino raus und wusste, ich will Filme machen.

Du hast dann dein Medizinstudium abgebrochen und an der Hochschule für Bildende Künste in Hamburg und später in Havanna studiert.

Ich fand New York langweilig, deswegen habe ich mich für Havanna entschieden. In Havanna hat sich Lateinamerika für mich aufgemacht. Ich bin dann weiter nach Argentinien gereist. Die Zeit hat mich in meiner Arbeit sehr geprägt.

Warum sind Regisseurinnen in der Filmwelt immer noch so stark unterrepräsentiert?

Das Nerdtum ist eher ein männliches Phänomen, es gibt nach wie vor wenige weibliche Nerds. Das hat auch damit zu tun, welche Filme gezeigt werden und welche Filme im Kanon enthalten sind. Es muss auch viel mehr über Filme von Frauen geschrieben werden. Es fehlt an Vorbildern.

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Dieses Jahr werden bei den Berlinale Shorts unter anderem gezeigt: „Avant l’envol“ von Laurence Bonvin, „Monangambeee“ von Sarah Maldoror und „Martin Pleure“ von Jonathan Vinel.

Achtest du persönlich darauf, ob ein Film von einem Regisseur oder einer Regisseurin stammt?

Nein, erst mal schauen wir uns die Arbeit an. Aber ganz unbefangen ist man natürlich nie. Das finde ich auch nicht schlimm, solange man weiß, dass man nicht unbefangen ist. Dann kann man das zur Disposition stellen und einen Zweiten noch mal schauen lassen.

Wie ist es dieses Jahr mit dem Frauenanteil beim Kurzfilm-Wettbewerb?

Schlechter als im Vorjahr. Aber das läuft immer wellenförmig.

Heute nun startet die Berlinale endlich. Wie kommst du mit dem ganzen Glitzer und Glamour klar?

I love it! Bei der Eröffnung liegt da der Teppich, alles glimmert, alles glänzt, der Champagner ist da – und dafür hat man gearbeitet. Dann gibt es Momente, da fängst du um 16 Uhr an, Kurzfilme zu schauen und nach dem dritten Film mit Patti Smith sagt die Moderatorin: Please welcome on stage Patti Smith! Hat es alles schon gegeben und das macht es so besonders. Die Berlinale hat ein großartiges Publikum, das sehr offen ist.

Wir wünschen dir eine tolle Berlinale, liebe Maike und bedanken uns für das Gespräch!

Hier findet ihr Maike Mia Höhne und die Berlinale Shorts:

Fotos: Sarah Bernhard

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