Constanze Lay entführt Hamburg ins Rabbithole

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27. September 2016

Wer „Alice im Wunderland“ gelesen hat, versteht die Anspielung auf den Barnamen sofort. Durch den Hasenbau hat der Weiße Hase Alice ins Wunderland geführt – und wie im Hasenbau sollen sich die Gäste in Constanze Lays Cocktailbar fühlen. Gemütlich, heimelig, dem Alltag entrückt. Die 33-jährige Bartenderin hat sich im Frühling 2016 den Traum von der eigenen Bar erfüllt und in St. Pauli „The Rabbithole“ eröffnet, eine Raucherbar, die Zutritt ab 18 Jahren erlaubt. Im vorderen Teil begrüßt die Gäste der funkelnde Bartresen, im hinteren Teil findet sich eine Zigarren-Lounge mit dunklen Chesterfield-Sesseln. Hier treffen wir Constanze zum Gespräch über Barkultur, ihr besonderes Cocktail-Konzept und die Tücken bei der Eröffnung der eigenen Bar.

 

femtastics: Bist du ein Nachtmensch?

Constanze Lay: (lacht) Ja, definitiv. Schon immer gewesen. Auch während meines Studiums – meine halbe Magisterarbeit wurde nachts geschrieben.

Wann hast du angefangen, dich für Cocktails zu interessieren?

Das ging so 2009, 2010 los. Da hatte ich einen Freund, der eine Bar geleitet hat, das „Blaue Barhaus“ in Ottensen, und der sich sehr gut auskannte. Er hat mich nicht missioniert, aber wenn ich mit ihm unterwegs war, dann bestellte er bestimmte Sachen, die mich neugierig machten. Am Anfang mochte ich die meisten Alkoholika nicht – an Whiskey pur trinkt man sich zum Beispiel eher ran. Irgendwann habe ich angefangen, in seiner Bar mitzuarbeiten. Ich wollte anfangs gar nicht hinter der Bar stehen, aber ich wollte immer genau wissen, was in den Drinks drin ist. Ich finde es furchtbar, im Service zu arbeiten und den Gästen nicht die Karte erklären zu können.

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So hast du dann die Cocktails kennengelernt?

Die Jungs hinter der Bar haben mir irgendwann Bücher über Cocktails in die Hand gedrückt, nach dem Motto: Hier, lies es selbst nach! Eines Tages musste ich hinter der Bar für einen Kollegen einspringen – und danach war für mich klar, dass ich es lernen will. Ich habe von den Jungs aber nicht einfach Rezepte bekommen. Sie haben mir gesagt, ich soll erst nachlesen, was die einzelnen Spirituosen ausmacht und mir ein Grundwissen und Verständnis verschaffen. Anfangs habe ich sie dafür gehasst, aber dann habe ich schnell den Sinn dahinter gesehen. Als ich später einen Job in einer anderen Bar bekommen habe, habe ich gemerkt: Ich muss fast kein Rezept auswendig lernen, weil sich mir komplett erschließt, wie sich die Drinks aufbauen müssen.

Weil bestimmte Zutaten oder Aromen immer zusammengehören?

Weil es ein gewisses Grundwissen dazu gibt, wie Drinkaufbau funktioniert.

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Zu den glänzenden Plättchen an der Teke gibt es eine besondere Geschichte …

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Du hast Soziologie, Gender und Psychologie studiert. Wie kam es, dass du nach dem Studium beschlossen hast, in einem anderen Bereich zu arbeiten?

Nebenbei habe ich immer in Bars oder im Service gearbeitet, mit 16 hatte ich meinen ersten Gastro-Job. Zeitweise habe ich mehr gearbeitet als studiert. Ich habe während meines Studiums sogar noch eine Weiterbildung zum Barmeister gemacht. Da saß ich neben lauter älteren Männer, die alle schon seit zig Jahren in Bars gearbeitet hatten. Aber ich habe gemerkt, dass ich von meinen Kollegen eine Bombengrundausbildung bekommen hatte und bin als Klassenbeste aus der Weiterbildung gegangen. Das war super!

Und danach wolltest du diesen Weg weitergehen?

Danach habe ich zunächst mein Studium zuende gemacht. Was man hat, hat man. Das war letztlich super, weil ich ohne mein abgeschlossenes Studium den Gründerkredit für diesen Laden nie bekommen hätte. Nach dem Studium habe ich mich eine Zeit lang beworben, aber es gab in meiner Fachrichtung wenig Möglichkeiten. Plötzlich kam ein Job-Angebot von der „Clockers“ Bar.

Ich habe gemerkt, dass meine Idee von einer Bar zwar nicht massentauglich ist, aber am Ende doch funktioniert.

Bevor die Bar eröffnet wurde?

Ja, genau. Sie hatten den Raum, hatten eine Idee, aber hatten keine Ahnung von Drinks. Ich hatte mich dort eigentlich nur als Bartenderin beworben, aber sie sagten mir: Wir brauchen jemanden, der eine Karte und ein Konzept aufbaut und hier ein Team hinstellt. Also habe ich das gemacht. Und das hat geklappt. Ich habe gemerkt, dass meine Idee von einer Bar zwar nicht massentauglich ist, aber am Ende doch funktioniert.

Welche Idee steckt hinter deiner Bar?

Bei uns liegt der Fokus nicht auf „Sex on the beach“ oder „Pina Colada“, nicht auf den Cocktails, die jedermann kennt. Ich bin ein Fan von klassischen Drinks: Old Fashioned, Manhattans, Martini-Cocktails, usw. Mir ist klar, dass das erst mal nichts für jemanden ist, der mit Sambuca und Fanta-Martini aufgewachsen ist – womit viele von uns ihre ersten Alkoholerfahrungen gemacht haben. Aber mit getwisteten Klassikern kann man die Leute an solche klassischen Drinks heranführen. Und es gibt immer mehr Menschen, die Lust auf hochwertige Drinks haben.

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In der Karte sind rund ein Drittel Eigenkreationen, ein Drittel Klassiker und ein Drittel Klassiker mit Twist.

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Die Getränkekarte sieht aus wie ein schönes Buch

War es denn schnell dein Traum, eine eigene Bar zu eröffnen?

Die Idee gab es sogar schon vor meiner Arbeit für die „Clockers“-Bar, aber ich bin heilfroh, dass ich zu der Zeit keinen Raum gefunden habe. Ich wäre gnadenlos baden gegangen. Die Erfahrung und die Kontakte, die ich so sammeln konnte, sind heute Gold wert.

Was hat dich daran gereizt, deine eigene Bar zu haben?

Vor allem, dass mir keiner mehr reinredet. Dass ich entscheiden kann: Wenn ich diese Qualität haben möchte, dann nehme ich sie. Die Spirituosen, die wir jetzt führen, sind nicht die günstigsten, aber es sind die, von denen ich überzeugt bin.

Und dann hast du dieses Ladenlokal gefunden!

Ich hatte eigentlich etwas viel Kleineres gesucht. Aber das war nicht zu finden oder wenn, dann viel zu teuer. Diesen Raum habe ich über einen Bekannten gefunden. Als ich den Laden das erste Mal gesehen habe, dachte ich: Nie im Leben kann man das schick machen! Aber dann habe ich weiter überlegt und habe auch Freunde zurate gezogen und dann kam die Idee mit der Zigarren-Lounge … Nach und nach reifte die Idee. Die Getränkekarte stand quasi schon.

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Constanze mixt uns einen Cosmopolitan!

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Hattest du Hilfe bei der Einrichtung?

Ich hatte eine grundsätzliche Idee, aber habe mir Hilfe geholt. Zum Beispiel ist eine Freundin von mir Gewandmeisterin und hat mir die Sitzecken in den Fenstern gebaut. Eine andere Freundin von mir macht Raumausstattung und hat für mich besondere Stücke, wie zum Beispiel die Lampen, gesucht. Es gibt Renovierungsvideos, in denen man sich die Entwicklung von Anfang bis Ende ansehen kann. Ein besonderer Fall war die Tresenfront: Wir haben die Messingplättchen alle einzeln aufgeklebt. Über 17.000 Plättchen innerhalb von zwei Wochen. Und dann haben wir sie zuerst auch noch falsch lackiert …

Das Konzept für die Drinks-Karte stand dagegen schon?

Ich hatte schon im Kopf, welche Drinks ich gerne abwandeln würde. Zum Beispiel einen Champagner-Cocktail mit Lavendel, Gin und Zitrone, unseren „French Rabbit“, der jetzt einer unserer Signature-Drinks ist. In der Karte sind rund ein Drittel Eigenkreationen, ein Drittel Klassiker und ein Drittel Klassiker mit Twist.

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Ich finde es schwierig, wenn Barkeeper ihr Kennertum so unfassbar raushängen lassen. Dann denke ich: Ach, Kerl, es will hier keiner belehrt werden, in erster Linie wollen die Leute etwas trinken.

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Das Motto der Bar findet sich auch in der Einrichtung wieder.

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Du stellst viele Zutaten selbst her, richtig?

Mein Lieblingsspielzeug ist die Cold Drip-Anlage. Mit dem Verfahren gewinnt man schonend Aromen aus verschiedenen Zutaten. Damit machen wir zum Beispiel unseren Kaffee-Vodka. Der Vodka läuft erst durch Kaffeebohnen und dann durch Kaffeepulver. Dadurch ist der Vodka recht süß und wir müssen beim „White Russian“ kaum noch mit Zucker arbeiten. Das Gleiche machen wir mit Lavendel und Gin. „Lavendel Gin Sour“ haben wir schon in der „Clockers“ Bar mit großem Erfolg angeboten. Grapefruit-Likör, Chocolate-Bitter und Rooisbos-Rum stelle ich auch mit der Anlage her.

Ist das für dich eine Spielwiese zum Experimentieren?

Klar, ich habe da hinten Pumpernickel-Rum stehen. Ich habe noch keine Ahnung, was ich damit mache.

 

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„The Rabbithole“ liegt sehr nah an der Reeperbahn. Aber das übliche Partypublikum stolpert hier wahrscheinlich selten rein, oder?

Ganz selten kommt hier mal eine Party-Truppe rein. Und dann schauen sie sich entweder um und gehen sofort wieder raus. Oder sie trauen sich an den Tresen und gehen, weil es keine Mexikaner für 1 Euro gibt. Oder aber sie setzen sich, bestellen „Caipi“, wir erklären ihnen, was wir hier machen und sie bestellen trotzdem etwas. Wir können ja für jeden Geschmack etwas empfehlen. Und dann kommen sie wieder. Das ist ja genau die Idee, dass wir den Leuten Cocktails näherbringen. Man kann hier auch reinkommen und sagen: „Ich trinke normalerweise Fanta-Korn. Was könnte mir hier schmecken?“. Und dann finden wir etwas.

Manchmal bekommt man den Eindruck, dass in der Barkultur, die sich besonders in den letzten Jahren entwickelt hat, viele Kenner unterwegs sind …

Es macht auch Spaß, Gäste, die Kenner sind, zu haben und mit ihnen zu fachsimpeln. Ich finde es schwierig, wenn Barkeeper ihr Kennertum so unfassbar raushängen lassen. Dann denke ich: Ach, Kerl, es will hier keiner belehrt werden, in erster Linie wollen die Leute etwas trinken. Wenn jemand nachfragt, ist es ja kein Problem, etwas zu erzählen. Aber jemandem ungefragt 15 Ginsorten um die Ohren zu hauen, obwohl er einfach einen Gin Tonic trinken will … Natürlich frage ich auch, ob jemand spezielle Wünscht hat, aber es gibt ja Barkeeper, die beten einem das komplette Portfolio vor … Dann sagt der Gast am Ende: Ich glaube, ich nehme einfach ein Bier.

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Constanze hat einige Spirituosen für ihre Bar von Reisen mitgebracht – oder sich mitbringen lassen.

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Kennst du die anderen Barkeeper aus der Szene hier in Hamburg?

Ja, in Hamburg kennen sich eigentlich alle.

Als wir ein Interview mit Vera Heimsoth, der Besitzerin der Luba Luft Bar, gemacht haben, sagte sie, dass sie es anfangs schwierig fand als Frau in dieser Branche. Siehst du das auch so?

Ja, du wirst am Anfang überhaupt nicht ernst genommen. Ja, gut, da muss man durch …

In der Regel hast du es mit einem Männerverein zu tun – und derbe Sprüche ist man eh gewohnt.

Mit dem richtigen Selbstbewusstsein klappt es?

Ich muss da ein bisschen drüber grinsen. Ich hatte hier ganz zu Beginn einen Vertreter von Carlsberg zu Gast. Er lief hier durch und wollte mir erklären, wie ich meine Bar zu führen habe. Ich dachte nur: Du kennst mein Konzept doch gar nicht. So etwas ist immer wieder passiert. Die meisten Vertreter der Getränkemarken sind Männer. Natürlich waren die nicht alle unsympathisch, ich habe auch coole Vertreter kennengelernt, mit denen ich sehr gerne zusammenarbeite. So oder so hast du es in der Regel aber mit einem Männerverein zu tun – und derbe Sprüche ist man eh gewohnt.

Du meinst generell aus der Gastronomie?

Ja, Küchen- und Barjargon ist in der Regel hart.

Was braucht man, um damit klar zu kommen?

Viel Humor ist nicht schlecht. Selbstvertrauen ist natürlich auch nicht verkehrt. Es kommt aber definitiv auch aufs Umfeld an. In vielen Restaurants hat der Gast immer Recht, egal, wie schlimm er sich verhält. Er darf pöbeln, dich beleidigen und du musst noch Danke, Bitte und Entschuldigung sagen. Im „Blauen Barhaus“ habe ich es das erste Mal so erlebt, dass Gäste, die sich daneben benommen haben, rausgeschmissen wurden. Das haben meine Kollegen da auch wirklich gut gemacht, zum Beispiel haben sie gesagt: „Entweder du findest dein Benehmen wieder oder die Tür ist da vorne!“ oder sie haben einfach gesagt: „Ich glaube, wir finden heute Abend nicht zusammen.“ Aber das beste ist natürlich, wenn du deinen Humor behältst, einen Spruch bringst und am Ende beide – du und der Gast – darüber lachen können. Das sind meistens auch Gäste, die gerne wiederkommen.

Im Ernst?

Ja, meine liebsten Stammgäste sind fast solche, mit denen ich am Anfang derbe zusammengerasselt bin. Ich habe zum Beispiel einen Gast, der kurz nach Eröffnung versucht hat, mir eine Getränkekarte zu klauen. Ich habe das mitbekommen, wie er die Karte eingesteckt hat. Aber anstatt sauer zu werden, habe ich ihm und seiner Gruppe einfach ihre Getränke gebracht und habe gesagt: „Und jetzt hätte ich gerne noch meine Karte zurück!“. Sie haben ihre Getränke sehr schnell ausgetrunken. Aber dann stand er ein paar Wochen später wieder hier und hat sich entschuldigt und wir hatten ein nettes Gespräch. Es kommt eben immer darauf an, wie man selbst reagiert.

In welche Bars gehst du selbst gerne?

Was ich nach wie vor sehr mag, ist die „Boilerman Bar“ in Eppendorf, der Laden ist so schön entspannt. Im „Chug Club“ sind wir nach Feierabend gerne mal. „Good Old Days“ mag ich auch gerne. Da kann ich sogar noch morgens um 8 reinstolpern und werde nett empfangen. Ins „Roschinksky’s“ gehe ich nach Feierabend auch gerne, wenn es spät genug ist, sonst ist der Laden zu voll. Und die „Dripbar“ finde ich auch gut.

Vielen Dank für das Gespräch!

 

Hier findet ihr Constanze:

Fotos: Lena Jürgensen

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