Sängerinnen gibt es viele, diese Hamburgerin wird uns aber ganz bestimmt durch den Sommer begleiten – bzw. tut es schon! Sophia Kennedy zog im Alter von zehn Jahren von Baltimore nach Deutschland und studierte erstmal Film, bevor sie sich ganz ihrer Leidenschaft, dem Komponieren und Schreiben von Songtexten, widmete. Gerade hat die 27-Jährige bei dem Hamburger Plattenlabel Pampa Records ihr selbstbetiteltes Debütalbum „Sophia Kennedy“ veröffentlicht. Wie und mit wem das bereits hoch gefeierte experimentelle Pop-Album entstanden ist und ob und wovor Sophia Angst hat, das hat sie – Premiere! – Christin Elmar Schalko, der ersten Autorin in unserem nigelnagelneuen femtastics-Redaktionsnetzwerk, verraten.
Ich warte immer ab bis irgendwas passiert. Und dann beiß‘ ich zu.
Sophia Kennedy: Ich bin schläfrig wie eine Raubkatze nachdem sie ihre Beute gerissen hat. Auf jeden Fall! Ich bin immer hungrig und dann auch immer müde. Was noch … Abwartend vielleicht? Ich warte immer ab bis irgendwas passiert. Und dann beiß‘ ich zu.
Ich habe den tatsächlich aus einem Sexshop auf der Reeperbahn. Ich war mit einer Freundin, die sich mit Mode und Style auskennt, unterwegs und dann kamen wir auf die Idee, da einfach mal zu schauen. Ich musste mich anfangs sehr überwinden, aber es hilft mir tatsächlich auf der Bühne, dieses Ding anzuhaben.
Ja, doch – sehr. Also das ist schon so richtig brutal. Das waren auch sehr harte Bedingungen, denn es war ja ziemlich heiß an dem Tag und die Klimaanlage war aus. Was nur daran lag, dass wir beim Soundcheck drum gebeten hatten, die Klimaanlage auszumachen, weil die so laut war und dann hat der Typ aber vergessen, die wieder anzumachen. Das war vielleicht ein Fehler für alle. Es waren fast tropische Temperaturen.
Unbedingt! Dadurch war es intensiver und ich kam gerade von so einer „Konzertrutsche“ und war schon körperlich und nervlich bisschen strapaziert. Aber die Hitze hatte dann so etwas Brutales, das macht einen auch aggressiv. Das pusht das Adrenalin. Ich trage das Lackoutfit nicht deswegen, aber manchmal ist das ein positiver Nebeneffekt. Der Lackanzug war danach auf jeden Fall klatschnass. Wenn man ihn auszieht, ist er wie ein benutztes Kondom. Den muss man dann erstmal aufhängen.
Nee, ja, Handwäsche.
Ja, die Zeit einfach. Ich habe lange an dem Ding gesessen und viel ausprobiert. Das ergibt sich einfach. Man entwickelt sich weiter und findet heraus, was einem liegt. Ich habe am Anfang unterschätzt, wie lange es dauert bis man kommunizieren kann, was man eigentlich meint. Als ich vor fünf Jahren auf der Bühne stand, dachte ich, das ist alles vollkommen klar. War es aber nicht!
Ich beschäftige mich weniger mit der Frage, was ich machen will und hinterfrage das nicht. Ich mache einfach. Ich habe mittlerweile generell mehr Kontrolle darüber, wie die Songs sind, die ich schreibe oder was meine Stimme für eine Wirkung hat. Ich will ja auch nichts ausdrücken in dem Sinne, sondern fühle mich einfach wohler mit mir selbst und bin nicht mehr so hin- und hergerissen zwischen so zu vielen Optionen. Ich habe einfach nicht mehr so viel Angst vor bestimmten Dingen oder auch vor mir. Ich fühle mich körperlich und geistig präsenter. Einfach so ein bisschen aufgeräumter, das klingt immer so spießig. Ja, man ist erwachsen geworden und jetzt ist alles irgendwie gut.
Ich habe nicht mehr diesen grundpubertären Konflikt mit mir selber.
Es ist auch total aufregend und ich bin immer noch unsicher, aber ich habe nicht mehr diesen grundpubertären Konflikt mit mir selber, der einen so lange verfolgt und der so brutal sein kann. Wenn man Anfang zwanzig ist – ich bin 27 – weiß man gar nicht, was der Körper bedeutet. Man weiß nicht, wie man damit umgehen soll. Man weiß nicht, wie man sich darstellt. Man weiß nicht, wie man aussieht. Man hat kein Gefühl dafür, wie und wer man ist, weil man sich noch ausprobiert. Und dann nimmt man sich viel zu viel vor, weil man denkt, ich muss jetzt was richtig Krasses machen. Aber ich glaube, dass man immer viel zu viel macht und dann übers Ziel hinausschießt. Man bekommt Angst, die einen lähmt. Dann macht man gar nichts mehr und will sich in sein Zimmer zurückziehen und ins Bett gehen. Mit der Erfahrung ändert sich das.
Ich habe viel am Theater gearbeitet, für das Theater Musik geschrieben und bin da so ein bisschen durch meine persönliche Hölle gegangen. Das ist eine Realität, mit der man erstmal klarkommen muss. Man muss pünktlich und aufgeräumt sein. Man muss in einem festgelegten Zeitraum abliefern. Man muss mit Leuten kommunizieren und hat eine bestimmte Verantwortung, da kann man es sich auch nicht erlauben, immer wieder den Schwanz einzuziehen. Ich musste konzentriert sein und habe die Erfahrung gemacht, dass das auch geht. Das war wichtig.
Mense hat einen großen Anteil an meiner musikalischen Entwicklung. Ich hatte immer schon viele Ideen und habe auch immer schon viel produziert, aber ich wusste nicht genau, was das eigentlich bedeutet. Mit Mense lernte ich dann jemanden kennen, mit dem ich sehr gut über Musik sprechen kann. Er hat mir Feedback zur Wirkung und Intention von Stücken gegeben. Das war total hilfreich. Wir haben auch oft gestritten. Aber so kommt man in ein Gespräch über die Songs und reflektiert gemeinsam, was es bedeutet, wenn man in eine Richtung geht oder eben in eine andere.
Mit Carsten habe ich auch viel gelernt. Meine erste Single habe ich mit ihm gemacht. Das hat mir total viel gebracht und Spaß gemacht. Er hat eine eigene musikalische Welt, mit der ich mich verbunden fühle. Aber mir war auch klar, dass es das nicht für immer sein wird. Ich brauchte diese Single, aber ich wusste auch, dass da was Anderes ist. Ich wusste nur nicht, was. Das habe ich dann eher mit Mense im Studio rausgefunden.
Die Arbeit am Album hat zwei Jahre gedauert. Wir wollten uns Zeit lassen, was natürlich nicht leicht war. Irgendwann muss das auch mal fertig werden. Zu dem Zeitpunkt hatten wir noch kein Label. Ich habe einfach gewartet, bis ich mich gut fühle oder jemand auf mich zukommt.
Genau. Mense sagte, was er darin sieht, dann sagte ich, was ich darin sehe und dann haben wir das erstmal aufgenommen. Mense hat alles auf Timing gebracht. Das war für mich die größte Herausforderung. Ich habe total unterschätzt, wie wichtig es ist, dass Dinge ein Tempo haben. Mense hat Beats programmiert und mit mir über das Arrangement gesprochen. Dann hat er manchmal einen Bass eingespielt oder Trompeten drübergespielt, so wie ich das dann halt wollte. Mit Mense hatte ich viel Glück, weil er einfach ein toller Mischer und ein toller Tontechniker ist. Irgendwann kam das immer näher an meine Vorstellung heran. Ich habe mich mehr getraut und dann kam alles so zusammen.
Aus meiner Sicht ist es eine Pop-Platte, aber ohne schnöde Musik-Gesetze.
Für ein Label wie Pampa, deren Veröffentlichungen sehr cluborientert, elektronisch und technoid sind, ist das natürlich schon abwegig. Ich verstehe schon, warum das teilweise die Sicht ist. Aus meiner Sicht ist es eine Pop-Platte, aber ohne schnöde Musik-Gesetze. Ich würde mich auch selber nicht als Singer/Songwriter bezeichnen. Ich schreibe natürlich und komme überhaupt nicht aus so dem DJ/Elektronik-Rahmen. Ich bin Sängerin, komponiere gern und war noch nie auf einem Rave. Diese Welt checke ich jetzt erst nach und nach ab.
Ich habe mal Judo gemacht, aber nicht ambitioniert.
Das kommt dadurch, dass ich selber von Musik gelangweilt bin. Mir würde es persönlich nicht reichen, einfach nur einen Song mit schönen Akkorden und Gesang drüber zu machen. Das ist mir nicht genug, ich brauche mehr, weil ich einfach mehr fühle. Ich will andere Leute nicht langweilen mit meinem Zeug.
Das wäre „Super Rich Kids“ von Frank Ocean. Daran kann ich mich nicht satthören und das wird mich niemals langweilen. Das Klavier ist so toll und mir wird für immer das Herz aufgehen, wenn ich das Stück höre.
Das stimmt. Die Texte haben oft abgründige Charaktere. Ich weiß nicht, woher genau das kommt. Ich fühle mich einfach angezogen von dieser surrealen Welt und fühle mich da auch heimisch. Ich habe einfach angefangen mit Worten rumzuspielen, die was hermachen, die gut klingen und im Mund liegen. So ist „Dizzy Izzy“ entstanden.
Ich weiß auf Kunstausstellungen nie, wie ich mich zu verhalten habe.
Ja.
Ich bin einfach keine bildende Künstlerin. Ich weiß auf Kunstausstellungen nie, wie ich mich zu verhalten habe und finde die auch immer langweilig. Das liegt wahrscheinlich nicht an der Kunst, sondern eher an mir. Ich habe einfach nicht so den intellektuellen, theoretischen Ansatz. Aber der ist in der bildenden Kunst schon wichtig. Mir war einfach klar, dass ich nie eine Installation mit einem Tonball in einer Galerie machen werde und dann sage, das ist der G20-Gipfel! (lacht) So einen Zugang zu Kunst habe ich einfach nicht.
Ich bin immer sehr aggressiv geworden und wusste nicht, ob das was mit mir zu tun hat, weil ich zu doof bin, oder weil die Leute zu doof sind oder weil mir dieses theoretische Gelaber auf den Sack geht. Musik ist einfacher für mich. Es ist einfacher für mich, das zu fühlen und es schockt mich, es greift mich total an. Ich gehe auch auf Ausstellungen und interessante Bilder schocken mich auch, aber eben nicht so wie Musik. Ich sehe mich einfach nicht in New York auf einer coolen Vernissage, wo alle cool sind und dann alle ihre geilen Drahtseile an der Wand ausstellen.
Ja klar. Logo!
Wenn alle Angst haben, dann können wir ja alle zusammen Angst haben!
Ich habe eigentlich vor allen Sachen Angst. Aber ich bin cooler geworden mit der Angst, weil ich gemerkt habe, dass alle Angst haben. Manche haben mehr Angst und manche merken es nicht, was toll ist. Aber die meisten Leute, die ich kenne, haben total Angst und dann denke ich: Gut, wenn alle Angst haben, dann können wir ja alle zusammen Angst haben!
Ich habe keine Angst vor Terror und auch nicht vor der Zukunft im Sinne von beruflichen Ängsten. Natürlich kriege ich Angst, wenn ich pleite bin, aber das ist nicht die Angst, die mich am meisten lähmt. Das sind eher diese emotionalen Geschichten. Man muss ja was machen, leider. Also alle müssen irgendwas machen, irgendwas anfangen mit ihrem Leben. Ich finde es manchmal schwierig, dass man so einen Titel braucht. Und immer selbstbewusst sein muss, um frei leben zu können. Wobei mir eben schon wichtig ist, selbstbestimmt zu leben. Ich habe ein großes Privileg, dass ich Musik machen kann. Ich bin nicht total bekannt und kann nicht extrem gut davon leben, aber irgendwie schon. Ich habe manchmal Angst. Weil das so ein Kraftaufwand ist, so ein innerlicher, dass man daran scheitern könnte, den immer wieder aufzubringen.
Nee, habe ich nicht. Ich freue mich auf die nächste Platte und habe Bock. Ich habe eher Angst vor zwischenmenschlichen Beziehungen. Dass sich Dinge verstricken. Wenn alles so eng, so intensiv ist, wenn man Musik macht und dann auch in dem Business unterwegs ist, dass ich paranoid werden könnte vielleicht. Dass man den Leuten nicht vertrauen kann oder dass zu viele Egos auf einem Fleck sind. Vor Psychosen habe ich Angst. Allgemein. Aber sonst ist eigentlich alles ok.
3 Kommentare
Hallo zusammen,
wenn man denkt, kommt alles anders.
Deshalb mache ich es auch so, wie Sophia und schreibe jetzt gleich, nachdem ich den Artikle grad quergelesen habe und mir noch nichts angehört habe. Das mache ich dann später in Ruhe. Mach selbst auch Musik.
Das Thema `Angst´ hat mich lange beschäftigt und ich habe in meinem Blog auch darüber berichtet.
Den `Katzenvergleich´ finde ich super, weil der auch zu mir passt.
„Ich habe nicht mehr diesen grundpubertären Konflikt mit mir selber“, ist für mich das entscheidende Fazit.
Hauptsache bissig bleiben!!!
All the best
Jürgen aus Loy (PJP)
P.S. Ich hab mal was zur Katze geschrieben, was passt. wem`s passt:
https://4alle.wordpress.com/2015/12/07/leslie-jamison-achtsamkeit/