Kauft lokal: Slow Fashion mit Thekla Wilkening

Zusammen mit Pola Fendel gründete Thekla Wilkening die Kleiderei, Deutschlands erste Leihbibliothek für Mode, eroberte ein Jahr später mit der Online-Kleiderei das Netz und macht sich nun für einen nachhaltigen Modekonsum stark. Einen ganzen Monat lang dreht sich im Hamburger Mercedes Me Store alles um das Thema „Slow Fashion“ – mit Vintage Sales, Filmvorführungen und spannenden Panel-Diskussionen. An einem Sommernachmittag trinken wir mit der 27-Jährigen einen Smoothie und sprechen über die Frage: Wie funktioniert entschleunigter Konsum?

femtastics: Wie viele neue Kleidungsstücke hast du in den letzten vier Wochen gekauft?

Thekla Wilkening: Gar keine!

Sehr gut!

Vielleicht mal was auf dem Flohmarkt, aber sonst nichts. Da müsste ich wirklich lange überlegen, wann das war.

Das war bestimmt nicht immer so. Kam das mit der Kleiderei, weil du jetzt auf einen riesigen Kleiderschrank zurückgreifen kannst?

Bestimmt. Ich habe aber schon immer wenig neue Sachen gekauft, und wenn, dann gern Second Hand. Ich fand es schon immer super nervig, die gleichen Sachen zu haben, die alle haben. Es sammelt sich natürlich trotzdem eine Menge über die Zeit an.

Ich teile mir meinen Kleiderschrank mit vielen anderen Menschen.

Ich kaufe auch sehr viel Second Hand und habe ein besseres Gewissen dabei.

Die Kleider haben einfach eine Geschichte. Ich freue mich, wenn ich zum Beispiel eine Haarklammer in einem Second-Hand-Blazer finde. Alles was ich trage, kommt aus oder in die Kleiderei. Da ist es dann im Umlauf, ich komme aber auch jederzeit dran. Ich teile mir meinen Kleiderschrank mit vielen anderen Menschen.

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Trotzdem möchte man vielleicht manchmal etwas haben, was gerade Trend ist. Inwieweit kann man sich davon frei machen?

Klar, das passiert und das finde ich auch nicht schlimm. Was man wirklich haben will und was einen begeistert, das hat ja seine Berechtigung. Ich finde diese unüberlegten Käufe schlimm. Teile, die man einfach schnell kauft und in den Kleiderschrank stopft.

Weil man sie nicht wertschätzt?

Genau. Die Kleiderei ist auch deswegen wichtig, weil man sich hier ausprobieren kann und so zum Beispiel testet, ob einem der rote Blazer wirklich steht.

Manchmal möchte man sich auch einfach mit einem neuen Kleidungsstück belohnen.

Das kenne ich nicht mehr, dafür ist das Gewissen schon zu stark. Dafür weiß ich zuviel über die prekären Produktionsbedingungen. Der Effekt ist auch ein sehr kurzweiliger. Ich überlege mir lieber, was ich wirklich haben möchte und spare dann drei Monate darauf.

Das ist dann slow fashion.

Ja. Und wenn man sich das dann wirklich gönnt, dann schätzt man es auch wert.

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Je wohler man sich mit sich, seinem Körper, seinem Sozialleben, Job und seiner Liebe fühlt, desto weniger hat man das Bedürfnis, sich mit fast fashion zu belohnen.

Viele Frauen hätten bestimmt gern einen anderen, nachhaltigeren Konsum. Wie erreicht man den?

Indem man sich zum Beispiel den Film „The True Cost of Fashion“ anschaut und sich mit dem Thema der fragwürdigen Produktions- und Arbeitsbedingungen auseinandersetzt. Vieles ist einfach auch Sublimation. Du bist nur ein kleiner Spielball im Konsumtempel. Eigentlich wollen die Marken und Shops dir nur Sachen verkaufen – aber nicht, damit du glücklich bist, sondern damit du noch mehr kaufst. Für die eigene Unabhängigkeit sollte man sich davon frei machen. Das ist eine Falle. Je wohler man sich mit sich, seinem Körper, seinem Sozialleben, Job und seiner Liebe fühlt, desto weniger hat man das Bedürfnis, sich mit fast fashion zu belohnen.

Die Medien tragen auch dazu bei, dass uns immer suggeriert wird, wir bräuchten neue Kleidung. Was können Medien anders machen?

Leider beruht ja die ganze Gesellschaft auf Konsum. Mädels, die ihre Outfits auf Instagram posten, bezwecken im Grunde auch nur, dass die Mode gekauft wird. Wenn die alle im gleichen Kleid auf der Fashion Week rumlaufen, weil eine Brand dafür bezahlt, sind wir beim gleichen Thema. Ich glaube nicht, dass sich das groß ändern wird. Da steckt einfach auch unfassbar viel Geld hinter. Wenn, muss vielleicht eher der Staat etwas tun. Aufklärung ist wichtig – vor allem hinsichtlich der Produktionsbedingungen.

Dass immer mehr Zwischensaisons erfunden werden, ist vermutlich auch nicht hilfreich.

Generell ist es für Labels halt viel günstiger, just in time zu produzieren. Also Kleidung herzustellen und so schnell wie möglich abzuverkaufen, um Lagerkosten zu sparen.

Was kann man also tun?

Lokal kaufen! Wenn du bei Zara kaufst, bekommt der Chef von Inditex das ganze Geld und es kommt nie wieder hierher zurück. Das ist wie eine Auslandsüberweisung. Es ist viel cooler, etwas von hier ansässigen Designern zu kaufen. Wenn ich bei einer ortsansässigen Bierbrauerei ein Bier kaufe, dann kaufen die vielleicht ein Teil vom Hamburger Label Ethel Vaughn. Klar, du kannst nicht alles lokal kaufen, aber das ist ein erster Schritt.

Total! Vielen Dank für das Gespräch.

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Unser Tipp: Panel Diskussion am 16. Juli 2015 über Ausdruck durch (Mode)Konsum, Identität/Individualität und soziales Bewusstsein (Verantwortung) – wo endet das Ich, wo beginnt das Wir ? Mit Kirsten Brodde, Philipp Glöckler, Melanie-Jasmin Jeske und Heike-Melba Fendel. Mercedes me Store, Ballindamm 17.

Hier findet ihr Thekla:

Fotos: Pelle Buys

4 Kommentare

  • laura sagt:

    Was die Kleiderei-Mädels machen ist toll. Und ich werfe ihnen nicht vor, dass sie genickt haben, als sich anbot, Mercedes als Koop-Partner zu bekommen. Auch sie müssen schauen, wie sie ihre Idee und Marke ausbauen.

    Aber weniger nachhaltig als die Autobranche ist kaum eine Industrie. Dass seit Jahrzehnten die Pläne und Möglichkeiten für umweltfreundlichere Autos bereit liegen, diese aber aus wirtschaftlichen Gründen nie umgesetzt werden, ist ja bekannt. Insofern macht diese Kooperation das Anliegen von Thekla und Pola leider unglaubwürdig.

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