Vor sieben Jahren eröffnete die Französin Diane-Sophie Durigon „Le Pop Lingerie“ – einen feministischen Concept-Store in Köln-Ehrenfeld. Hier verkauft die 36-Jährige nicht nur Dessous und die neuesten Sextoys, sie hat einen Ort kreiert, an dem sich Frauen austauschen und ausprobieren können – beim Shoppen oder in Vulva-Massage-Workshops. Außerdem gibt sie hier Masturbationskurse für Frauen. Wir besuchen Diane in ihrer 2-Zimmer-Wohnung und in ihrem Store und sprechen mit ihr über veraltete Sichtweisen auf Sex und Selbstbefriedigung, ihre Workshops, die sie mit einer Sexualtherapeutin entwickelt hat, und die Neuheiten auf dem Sextoy-Markt.
Mein Store ist „body positive“ und „sex positive“, das ist mir sehr wichtig.
Diane-Sophie Durigon: Ich wollte einen Shop eröffnen, in dem der Fokus auf superschöner, cooler, bequemer und möglichst nachhaltiger Wäsche liegt. Mein Store ist „body positive“ und „sex positive“, das ist mir sehr wichtig. Hier soll man Spaß haben, auch mal ein Konzert besuchen und sich rund um Sex weiterbilden. Mein Store ist ein lebendiger Ort – nicht einfach ein Shop, in dem Höschen und BHs verkauft werden.
Wir wissen alle so wenig über Sexualität, das will ich ändern. Es gibt den knappen Sexkunde-Unterricht in der Schule, außerdem die Filmindustrie, die dir eigentlich nichts beibringt – außer klischeehaftem Denken und Prüderie. Und dann die Pornoindustrie, die ein total falsches Image von Sexualität zeigt. Wenn das die einzigen Informationsquellen sind, dann hält man das alles für die Normalität. Mein Programm habe ich zusammen mit der Sexualtherapeutin Susanne Schütze entwickelt.
Bei uns sitzt man in einer kleinen Gruppe zusammen und übt an einer übergroßen Silikonpussy, da kann man schön die verschiedenen Massagegriffe lernen.
Zum Beispiel geben wir Masturbationskurse für Frauen – es war mir total wichtig, dieses Thema anzusprechen. Darüber redet man viel zu wenig. Gerade als Mädchen bekommt man immer gesagt: „Lass das, das macht man nicht, das ist schmutzig.“ Bei Jungs ist es völlig okay, wenn sie immer an sich herumspielen.
Ich möchte Frauen ermutigen, sich selbst besser kennenzulernen. Beim Sex erwarten viele, dass der Mann oder die andere Frau auf die magischen Knöpfe drückt. Und sonst heißt es nachher schnell: Das war scheiße, ich hatte nur einen Fake-Orgasmus. Aber es ist deine Verantwortung, zu wissen, wie du zum Orgasmus kommen kannst – und das dem Partner oder der Partnerin zu erklären.
In Berlin gibt es Kurse, in denen man auch tatsächlich masturbiert, zum Beispiel von Laura Méritt. Sie ist totale Vorreiterin und wir verkaufen ihr Buch „Frauenkörper neu gesehen„, eine großartige Bibel über den weiblichen Körper. Berlin ist da einen Schritt voraus. Bei uns sitzt man in einer kleinen Gruppe zusammen und übt an einer übergroßen Silikonpussy, da kann man schön die verschiedenen Massagegriffe lernen. Wir testen alles am nicht-menschlichen Objekt, die Lingam-Massage üben wir an einer Piccolo-Flasche. (lacht)
Auch die Prostatamassage ist eine tolle Sache, die man nicht oft bespricht. Dabei haben auch viele Männer Spaß an einer Analmassage – vielleicht wissen sie es nur selbst noch nicht.
Der Workshop ist für Frauen und alle Penis-Interessierten – aber nicht zusammen mit dem Partner. Als Paar stellt man meistens nicht die Fragen, die man eigentlich stellen möchte. Es geht in dem Kurs darum, was man alles mit dem Penis machen kann. Wir alle tendieren dazu, immer wieder das Gleiche zu tun, dabei gibt es so viele schöne Möglichkeiten. Auch die Prostatamassage ist eine tolle Sache, die man nicht oft bespricht. Dabei haben auch viele Männer Spaß an einer Analmassage – vielleicht wissen sie es nur selbst noch nicht. Ich bin für mehr Lockerheit bei diesem Thema.
In den Workshops zur Yoni-Massage geht es darum, was wir mit einer Vulva anstellen können. Wie ist sie aufgebaut, was ist die G-Fläche, wie finde ich das alles? Ein bisschen Anatomie, back to the roots. Es geht immer um die sexuelle Kommunikation und dann um konkrete Massagegriffe.
Bei einer Tantra-Massage entdeckt man plötzlich Stellen an sich, bei denen man gar nicht wusste, wie empfindlich man dort ist.
Lingam- und Yoni-Massagen sind sogar ein Teil von Tantra. Es geht um die Kunst der Berührung, um die Langsamkeit, all das gehört zum Prinzip der Tantramassage. Auch das üben wir immer am nicht-menschlichen Modell. Ich kann aber nur empfehlen, das mal selbst auszuprobieren, es gibt zum Beispiel in Köln-Mülheim ein tolles Tantramassage-Haus. Ich habe es selbst schon erlebt. Das ist eine ganz andere Welt und ein Geschenk an sich selbst: Bei einer Tantramassage entdeckt man plötzlich Stellen an sich, bei denen man gar nicht wusste, wie empfindlich man dort ist.
Die Masturbationskurse für Frauen werden von Susanne geleitet, das ist natürlich ein anderes Level. Aber meine Mitarbeiterinnen und ich haben auch Grundkenntnisse über Anatomie und Sexualität – und natürlich persönliche Erfahrungen. Es ist manchmal einfach wichtig, sich auszutauschen und zuzuhören. Das finde ich so toll an meinem Laden: Es ist ein Safe Space, in dem sich niemand schämt, alles ist normal. Manchmal rufen auch Männer an und sagen: „Ich würde gerne einen BH anprobieren, aber vielleicht ist euch das unangenehm …“ Ich sage dann: „Komm vorbei, der Laden ist für jeden da.“
Viele Kundinnen fragen nach dem meistverkauften Toy. Da antworte ich gerne mit Witz, wenn alle auf den „XXL Anal Plug“ stehen, willst du das auch wie alle machen? Wir sind alle zum Glück unterschiedlich und haben unterschiedliche Wünsche und Bedürfnisse. Die wichtigste Frage ist, worauf stehst du? Was für eine Stimulation möchtest du? Es geht nur um dich.
Auf jeden Fall! Das alles wird nicht in fünf Minuten passieren, du musst dir Zeit für dich und deinen Körper nehmen. Ein Date mit dir selbst machen, vielleicht ein schönes Bad nehmen, dazu ein Glas Wein und gute Musik. Das ist ganz wichtig: Sich einfach selbst zu feiern. Ich finde das auch immer geil, wenn Frauen im Laden Unterwäsche anprobieren, in den Spiegel gucken und sagen: „Oh Gott, sehe ich gut aus!“
Wenn es geht, unterstütze ich immer Firmen, die von richtigen Bad-Ass-Frauen gegründet wurden.
Ich war nur einmal auf einer Messe – die war richtig abtörnend. Da gibt es alles, und vieles ist einfach nicht ansprechend. Wie die meisten von uns bin ich viel bei Instagram, so entdecke ich oft neue Produkte und stehe auch in Kontakt mit den Macherinnen der Toys. Das Team von „Dame“ habe ich zum Beispiel vor ein paar Jahren in Brookyln in ihrem Studio besucht. Mir ist es immer wichtig zu wissen, wer dahintersteht. Natürlich führe ich auch Sextoys von größeren Anbietern, aber wenn es geht, unterstütze ich immer Firmen, die von richtigen Bad-Ass-Frauen gegründet wurden.
In den letzten Jahren kamen immer mehr Kristalldildos auf den Markt, anfangs vor allem aus Amerika und Australien, mittlerweile gibt es sie auch aus Deutschland. Auch Yoni-Eggs sind gerade angesagt. Und ansonsten Toys, die weg von der phallischen Form sind, die weicher und zum Auflegen gedacht sind.
Ja, zum Glück! Endlich mal. Seit ein paar Jahren tut sich da viel, auch noch stärker durch die Me-too-Bewegung, die viel bei Frauenthemen in Gang gesetzt hat. Es geht darum, den eigenen Körper und sich selbst wichtig zu nehmen. Sich nicht nur durch den Blick von Männern zu sehen – und sich nicht für sie zu bewegen oder anzuziehen. Frauen machen mehr für sich selbst und das ist super.
Für Männer haben zum Beispiel einen sehr guten Cock-Ring aus seidigem Silikon. Den platziert man am Penisschaft, um den Hoden herum. Der feste Druck ist super schön für den Mann und macht eine schöne pralle Erektion, während die Tiefe der Vibrationsfrequenzen den Penis zum vibrieren bringt, was natürlich sehr schön ist für die andere Person. Auch geil für Männer sind unsere „Prostata Massagers.“
Alles außer Push-Ups! Ich merke eindeutig einen Trend zu mehr Natürlichkeit. Bügellose BHs werden viel nachgefragt. Aber im Grunde haben wir alles, was das Herz begehrt: von coolem, transparenten Mesh bei eher sportlichen Modellen bis zu englischer Spitze. Es gibt bei mir nur nie etwas mit Blümchen oder BHs, die irgendwie „madamig“ sind. Ich sage einfach: das Teil ist geil, das kommt mit. Was mir gefällt, landet in meinem Shop!
Ich bin immer auf der Suche nach schönen und bezahlbaren BHs in Größen ab F-Körbchen. Wir führen mittlerweile BHs von A bis K und versuchen, damit möglichst viele Frauen anzuziehen. Sonst ist das sehr frustrierend.
Wir wollen, dass jede Frau in jeder Kleidergröße etwas finden und sich schön fühlen kann – niemand soll sich ausgeschlossen vorkommen.
Definitiv! Wir wollen, dass jede Frau in jeder Kleidergröße etwas finden und sich schön fühlen kann – niemand soll sich ausgeschlossen vorkommen. Komm einfach wie du bist, wir kümmern uns um alles, wir messen kurz und schmerzlos und beraten ausführlich. Oft stellt dann Frau fest, dass sie eine völlig andere Größe hat als gedacht. Meistens schmaler dafür aber ein tieferes Körbchen. Das ändert die Silhouette und das Körperbewusstsein. Viele Frauen haben auch total traumatische Erlebnisse rund um den BH- und -Bikini-Kauf. Die sagen am Anfang sofort: „ich hasse das eigentlich“. Und nach einer Viertelstunde haben sie etwas gefunden und sind ganz überrascht, dass es überhaupt nicht „weh“ getan hat.
Fotos: Annika Eliane
Interview: Julia Allmann
Layout: Kaja Paradiek
2 Kommentare
Guten Morgen,
bieten Sie noch/ wieder Lingam- und Yoni-Massagen an?
Freu mich über eine Antwort!
I. Oxenfarth