Früher hat Marcus Kraft coole Streetwear für Skater entworfen, heute designt und produziert er unter dem Namen Manitober nachhaltige Unisex-Mode für Kids. Wir haben unseren netten Office-Nachbarn und den Zweifach-Papa in seiner Wohnung in der Hamburger Neustadt besucht und einen Abstecher in sein Office gemacht. Dort sprechen wir mit dem 34-Jährigen über genderneutrale Mode für Kinder, warum man jedes Kleidungsstück von Manitober wieder zurückgeben kann, wie er sich genügend Zeit für die Kids freischaufelt und welche Rolle die „Superparents“ für sein Business spielen.
Marcus: Ich weiß auf jeden Fall, wie moderne Kinderkleidung nicht aussieht – in einem Artikel las ich letztens, dass die Gender-Thematik so schlimm wie seit fünfzig Jahren nicht mehr ist. Das finde ich krass und das spiegelt sich auch total in den Kinderklamotten wider. Es gibt immer noch zu viel Kleidung in Blau für die Jungs und in Rosa für die Mädchen.
Ich finde es wichtig, den Kindern von Vornherein zu sagen: “Trag und mach, was du willst!”
Ich will gar nicht, dass Jungs nur noch Pink tragen und die Mädchen Dunkelblau. Es gibt aktuell nur so wenig in anderen Tönen und das ist mir zu langweilig. Dabei gibt es so viele schöne Farben!
Kinder sollten anziehen, was sie wollen, aber natürlich werden sie dann im Kindergarten oder in der Schule vielleicht mal darauf angesprochen. Ich selbst kam neulich mit einem rosafarbenen Pulli in die Kita, da kamen die Mädchen an und riefen: “Junis Papa hat einen rosa Pulli an!” Mir ist das egal, aber wenn kleine Kids sowas hören, auch wenn es nicht böse gemeint ist, merken sie, hier ist irgendetwas anders. Ich finde es wichtig, den Kindern von Vornherein zu sagen: “Trag und mach, was du willst!”
Ich will das gar nicht erzwingen und ein Cross-Dressing machen. Aber das Bewusstsein dafür zu schaffen, ist mir wichtig. Man beobachtet gerade bei den großen Ketten leider noch sehr häufig, dass die Mädchen- und Jungenkollektionen strikt getrennt sind. Die Jungs sind cool und mögen Bagger und bei den Mädchen muss immer alles niedlich und verklärt sein.
Alle Eltern sagen, dass es sie total nervt, aber die Diskrepanz zwischen dem, was alle gut finden und dem, wie sie ihre Kinder dann anziehen, ist doch relativ groß. Was natürlich auch daran liegt, dass man mit Kindern oft Kompromisse machen muss.
Ich bin Textiler und habe vorher bei einer großen Hamburger Skateboard-Firma gearbeitet. Da habe ich die Produktion gemacht und irgendwann einen Rappel bekommen, weil ich das Business und generell die Modebranche ein bisschen ätzend fand. Durch die Kinder bin ich wieder in das Thema reingerutscht und hatte die Idee für ein modernes und nachhaltiges Unisex-Label für Kinder mit einem Rücknahme-Konzept.
Ich wurde immer gefragt, wann ich denn mein eigenes Label machen würde, schon bevor ich diese Idee hatte. Ich wollte das eigentlich nicht, weil es doch schon alles gibt! Aber das stimmt nicht. Der Ansatz, der jetzt meinem Label zugrunde liegt, ist: Du siehst ein Kleidungsstück, was ganz geil ist, aber es könnte noch geiler sein! Ich bin nicht der Durchschnittstyp, sondern eher speziell und denke bei Sachen oft, dass sie besser sein könnten. Das kann sowohl Design als auch Funktionalität betreffen und natürlich auch die Qualität – das läuft aber Hand in Hand.
Kinderkleidung sollte funktional sein, Kinder sollen sich in ihr bewegen können und das machen können, wozu sie Lust haben.
Du kannst die Sachen von Manitober, die du bei uns kaufst, jederzeit zurückgeben, wenn sie nicht mehr passen oder nicht gefallen, oder du einfach keine Verwendung mehr dafür hast. Du schickst sie zurück und bekommst eine Gutschrift. Die richtet sich nach dem Zustand, wir beurteilen die Sachen und gucken, ob etwas repariert oder gereinigt werden muss. Die Teile, die wir zurücknehmen, werden generalüberholt wieder bei uns angeboten. Es ist ein Kreislaufsystem – unsere Sachen werden dem Kreislauf wieder zugeführt.
Die Materialien sind ökologisch und fair hergestellt, die Produktion ist fair. Das ist ja mittlerweile Standard und etabliert, aber es nützt nichts, wenn so ein Kleidungsstück eindimensional genutzt wird und hinterher im Müll landet.
Da kann man ein Buch drüber schreiben. Qualität heißt, Kleidung soll halten und ihren Zweck erfüllen, aber ich finde, Qualität fängt auch schon beim Design an. Funktionalität ist ein großes Thema für mich. Ich bin kein Designer, sondern Bekleidungstechniker. Viele Sachen für Kinder sind schlecht gelöst oder zu sehr auf Optik ausgerichtet. Da gucke ich schon hin und schaue, wie man das besser lösen kann – man verstärkt zum Beispiel bestimmte Bereiche. Kinderkleidung sollte funktional sein, Kinder sollen sich in ihr bewegen können und das machen können, wozu sie Lust haben. Viele große Brands bauen Verschleiß bewusst mit ein, damit schneller nachgekauft wird.
Ich lasse in Deutschland und in Portugal produzieren. Ich möchte nicht außerhalb Europas produzieren.
Ja, meine Frau ist auch Bekleidungstechnikerin und ich frage sie ab und zu um Rat. Im Grunde genommen mache ich aber alles selber. Für Grafik habe ich jemanden und für ein paar Zuarbeiten. Bei mir laufen die Fäden dann zusammen.
Manitoba ist eine kanadische Provinz. Das Wort schwirrte schon länger in meinem Kopf herum und, da ich gerne mit meinem Sohn tobe, fusionierten die beiden Worte zu Manitober.
Es hilft nicht, wenn alle deine Idee toll finden. Du brauchst jemanden, der dein Konzept hinterfragt.
Ich bin gerade in Verhandlung mit Läden, um die Sachen auch offline anzubieten.
Tatsächlich der Verkauf, ich bin überhaupt kein Verkäufer. Ich kann ganz gut koordinieren und alles auf die Beine stellen, aber die Sachen verkaufen und den Leuten erzählen, wie toll man ist, fällt mir schwer. Klar weiß ich, wie das grundsätzlich funktioniert, aber ich muss mich da immer schon sehr aus meiner Komfortzone heraus bewegen.
Eine Brand nebenbei zu gründen, funktioniert nicht.
Ich habe es als meinen Hauptberuf erkoren, weil es anders keinen Sinn macht. Eine Brand nebenbei zu gründen, funktioniert nicht. Man powert mehr rein, wenn die Existenz daran hängt. Ich habe vor einem halben Jahr einen Businessplan aufgestellt. Wenn ich mir den jetzt ansehe, frage ich mich, was ich mir dabei eigentlich gedacht habe (lacht).
Ja, mein Label ist eigenfinanziert und ich bin erstmal in Vorleistung getreten und habe Sachen produziert, ohne zu wissen, was ich davon loswerden kann. Das sind erstmal hohe Kosten. Dann kommen immer noch weitere Kosten dazu, die man vorab nicht auf dem Schirm hatte.
Auf jeden Fall muss man aus seiner Blase raus, mit anderen Leuten sprechen und vom eigenen Projekt erzählen. Es hilft nicht, wenn alle deine Idee toll finden. Du brauchst jemanden, der dein Konzept hinterfragt, zum Beispiel wie man damit Geld verdienen möchte. Ich mache immer viel mit mir selbst aus und bin damit zufrieden und denke, das ist doch total cool. Aber wenn man mit anderen darüber spricht, bekommt man Klarheit und eine andere Sicht. Was mich bei der Gründung der GmbH überrascht hat, war, dass so viel administrativer Kram auf einen zukommt, so viel Bürokratie. Das hat natürlich auch seine Relevanz, frisst aber total viel Zeit.
Für viele meiner männlichen Freunde und Kita-Bekanntschaften ist es schwierig, Akzeptanz zu finden, wenn sie sich mehr Zeit für die Kinder nehmen wollen.
Superparents sind Micro-Influencer, mit denen wir zusammenarbeiten möchten – man kann sich bei uns online bewerben, bekommt dann kostenlos Produkte zum Testen, erhält Einladungen von uns zu Events und wird auf unseren Social-Media-Plattformen verlinkt. Ich möchte eine Community schaffen, in der Leute dabei sind, die ähnlich denken und ähnliche Ansichten haben. Es geht nicht darum, die Marke zu promoten, sondern darum, Gleichgesinnte zu finden. Eltern, die einen nachhaltigen Lebensstil führen, sich aber trotzdem mit schönen Dingen beschäftigen und nicht so dogmatisch sind.
Ich würde sagen, wir leben bewusst, aber ich habe auch einen Haufen Nike-Schuhe. (lacht) Generell sollte man offen mit dem Thema Nachhaltigkeit umgehen, man kann nicht von jetzt auf gleich alles umschmeißen. Es ist schwierig, Gewohnheiten zu erkennen und dann zu ändern, aber jeder kann im Kleinen etwas bewirken.
Definitiv besser mit als mit einer Festanstellung! Für viele meiner männlichen Freunde und Kita-Bekanntschaften ist es schwierig, Akzeptanz zu finden, wenn sie sich mehr Zeit für die Kinder nehmen wollen. Elternzeit ist noch okay, aber wenn ein Vater auf die Idee kommt, nur noch dreißig Stunden zu arbeiten, was ich total gut finde, wird es schwierig. Das liegt nicht nur an den Vätern, sondern generell an althergebrachten Arbeitsbedingungen und Strukturen.
Für mich geht das total gut. Meine Freundin ist jetzt in Elternzeit und kümmert sich um das Baby und hat den ganzen Tag Zeit, vermeintlich. Klar könnte ich voraussetzen, dass sie sich um die Kids kümmert und ich mein Ding mache, das kommt für mich aber gar nicht in Frage. Das ist ein Selbstverständnis, das vielen Vätern fehlt. Viele ziehen sich aus der Verantwortung mit der Begründung: Es ist ein Baby und ich kann eh noch nichts mit ihm oder ihr machen.
Ja, wobei aber auch viele Frauen sich in diese Rolle reindrängen lassen und die Rolle annehmen.
Geht so. Wir leben mitten in der Stadt, wo viele liberale Leute wohnen, aber weiter außerhalb ist es anders. Das ist aber nur mein Gefühl.
Morgens bringe ich meinen Sohn in die Kita und gehe dann ins Büro. Nachmittags hole ich ihn ab. Wenn sich etwas anderes ergibt, bleibe ich auch mal länger. Das mache ich relativ spontan. Ich merke ja auch selber, wenn ich mehr Zeit mit meiner Familie verbringen möchte, ich habe da ja Bock drauf!
Für mich war die Umstellung auch schwierig, erst Halli-Galli-Lotterleben und dann eben nicht mehr. Wobei es für Männer einfacher ist als für Frauen. Als Frau darfst du zum Beispiel ein bis zwei Jahre keinen Alkohol trinken. Man muss sein Leben schon einschränken, aber man bekommt etwas anderes dafür. Ich will nicht sagen, Kinder sind das Allergrößte auf der Welt, aber es ist schön! Es ist immer was los, man fühlt sich nicht allein. Ich versuche locker zu bleiben, und nicht alles zu zerdenken.
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