PR-Profi, Vernetzerin, Modeliebhaberin, Blattmacherin, Instagram-Granate – und Mutter. Melodie Michelberger ist ein wandelndes Phänomen, das die Hamburger Modeszene gerade mit gewaltig viel Wums und einer gehörigen Portion Charme aus dem Dornröschenschlaf erweckt. Mit einer Leichtigkeit bringt die 38-jährige gebürtige Schwäbin Menschen aus den verschiedensten kreativen Bereichen zusammen und lässt so kollektiv die Synapsen knallen.
Ihre beeindruckende Laufbahn führte sie von einem Redaktionspraktikum bei der AMICA – damals war die heutige Vogue-Chefin Christiane Arp die Modeleitung – über Stationen als Mode-Redakteurin bei BRIGITTE und Gala schließlich zu Herr von Eden und zu guter Letzt in die Selbständigkeit. Ihre Mission? Den Hamburger Modelabels auf den Sprung zu helfen. Und #trustthegirls – ein Hashtag, das ohne Melodie Michelberger fast nicht mehr denkbar ist und in den sozialen Kanälen für ordentlich Girl-Power sorgt.
Wir treffen sie #sundaayyyssss in ihrer Traumwohnung unweit des Hamburger Hafens und verbringen einen femtastischen Vormittag zwischen wunderschön grün und blauen Wänden, hängenden Pflanzen und Regenbogen-Kristallen.
Melanie Michelberger: Ja, das Gefühl habe ich auch. In allen möglichen Bereichen merke ich, dass die Leute sich wieder mehr auf ihre Stadt besinnen und vor allem auf die Leute, die hier ihre Kunst oder Designs machen. Gerade bei den Designern gibt es einen großen Zusammenhalt und auch einen Austausch. Es werkelt nicht jeder allein in seinem Atelier rum, sondern es wird zusammen was auf die Beine gestellt.
Ich habe mir das ein bisschen auf die Fahne geschrieben, dass ich versuchen möchte, den hier ansässigen Labels eine größere Bekanntheit zu verschaffen. Bei Herr von Eden hat das schon ganz gut geklappt. Bei Ethel Vaughn geht’s auch gerade gut ab.
Ich habe viele Freunde in Berlin und als Mutter ist Berlin immer so ein kleiner Ausbruch für mich. Ausgehen, Single sein, ein paar Tage ohne Kind, lange schlafen, essen gehen. Arbeitsmäßig geht in Hamburg deutlich mehr für mich. Ich habe das Gefühl, dass die Leute in Berlin eher projektbezogen arbeiten, während die Leute in Hamburg einfach machen.
Doch, in Berlin passiert total viel! Berlin ist vor allem viel internationaler als Hamburg. Viele Künstler, Designer und Musiker kommen oft gar nicht bis hierher. Vor allem wird in Berlin einfach immer viel mehr Wind um wirklich alles gemacht. Ein lockeres Beisammensein vor einem Shop auf dem Bürgersteig ist dort gleich ein top Event, damit würde man hier dezenter umgehen und eigentlich gar nicht auf die Pauke hauen. Aber trotz dem ganzen Hype der Hauptstadt geht es den Mode-Labels dort eben auch nicht besser. Die bekommen zwar teilweise viel mehr Aufmerksamkeit durch die Fashion Week und andere Events, haben aber auch mit den gleichen Problemen des täglichen Überlebens zu kämpfen wie die Labels hier.
Dass eine Jeans 20 Euro kostet, kann einfach nicht sein.
Der Welt zu vermitteln, dass Hamburg eine lebendige, vielschichtige Stadt ist, in der es abseits der unzähligen Musicaltheater, Containerhafen und Reeperbahn so viel mehr Spannendes zu entdecken gibt. In St. Pauli und Altona arbeiten und wohnen viele Kreative aus ganz unterschiedlichen Sparten und schaffen so eine spannende Subkultur. Hier wird tolles Modedesign gemacht, genau das ist mein Ansatz.
Momentan plane ich gerade Hamburger Press Days mit den ganzen Hamburger Designern zusammen. Wir wollen Präsenz zeigen und Pressevertretern gegenüber die Labels erlebbar machen. Der nächste Schritt wäre dann nach Berlin und München zu gehen.
Alle versuchen, nachhaltiger zu leben und nicht bei großen Ketten zu kaufen. Das mache ich auch nur noch ganz selten. Die Labels, mit denen ich zusammenarbeite, wie Ethel Vaughn oder Kathrin Musswessels, produzieren alle in Deutschland. Einige sogar direkt in Hamburg. Bei mir hat das Umdenken angefangen, als die Fabrik „Rana Plaza“ 2013 in Bangladesch eingestürzt ist. Dass eine Jeans 20 Euro kostet, kann einfach nicht sein.
Ja, aber die Textilarbeiter müssen mehr verdienen und brauchen mehr Arbeitnehmerrechte. Da sind natürlich die Firmen gefragt, aber auch die Konsumenten.
Einfach mehr darüber nachdenken: Brauche ich dieses Teil jetzt wirklich? Und wie viel Kleider brauche ich überhaupt? Meine Lieblingskleider habe ich seit Jahren und liebe sie immer noch.
Genau, man braucht dann nicht mehr so viel. Und ich will auch gar nicht mehr so viel. Außerdem haben die Kleider der Designer, mit denen ich zusammenarbeite, eine andere Wertigkeit für mich. Ich bin richtig stolz auf die Mode und weiß, wie viel Arbeit und Liebe zum Detail darin steckt. Das ist Mode mit Seele.
Ja! Kauft lokal, beschäftigt euch mit den Labels, die bei euch um die Ecke sitzen. Das ist viel cooler als irgendwelche Teile, die in Schweden designt und in Bangladesch genäht werden. Da geht gerade auch ganz viel in Hamburg. Deichkind zum Beispiel haben auch dieses Selbstverständnis: Support your local hero. Support your local fashion brands. So ist die Zusammenarbeit mit Ethel Vaughn entstanden.
Genau das fühlen wir gerade, ja. Und es sind nicht nur die Designer, die sich austauschen. Sondern eben auch die Künstler, Schauspieler und Musiker. Alle wollen das und sagen: Wir sind Hamburger!
…sondern Tür auf und Rausschreien!
Tatsächlich muss ich da immer noch ein bisschen nachhelfen. Aber es wird.
Nein. Für PR ist es wichtig, dass man gut netzwerken kann und wenn du die andere Seite schon kennst, bist du im Vorteil. Du weißt, wie die Redakteure arbeiten und wie man sie am besten anspricht. Mein Traum war immer, eine Redakteurin in einer Moderedaktion zu sein. Das habe ich dann relativ schnell erreicht und hatte auch eine wirklich tolle Zeit mit vielen Reisen und Events.
Es war dann doch wie ein Bürojob in einer Behörde. Mit viel Stress und Hierarchien. Irgendwann hat der Job mich nicht mehr erfüllt.
Schon, deswegen habe ich mit meinem damaligen Freund das TISSUE Magazin gegründet. Ich habe schon die Arbeit mit den Kollegen und vor allem das Blattmachen vermisst. Ein eigenes Magazin umzusetzen, macht natürlich irre viel Spaß.
Du kannst ja bei einem Magazin im Verlag gar nicht das machen, was du willst. Du musst immer die Anzeigenkunden berücksichtigen und bist nicht wirklich frei.
Ich habe auf meine innere Stimme gehört, ja. Als alleinerziehende Mutter habe ich bei dem Schritt in die Selbständigkeit gespürt, dass einige Menschen in meinem Umfeld besorgt waren. Ich habe nur gedacht, was soll schon Schlimmes passieren? Dass kein Geld aus dem Automaten kommt? Klar, das kann passieren. Ich musste mir schon öfters Geld leihen. Zur Seite lege ich dann trotzdem nichts. Ich bin der Typ bodenständige Träumerin.
Ja! Und mal laut sein und sagen, was für geile Sachen passieren. Sich supporten und auf die Kacke hauen.
Ich liebe Instagram – es ist wie ein Mini-Magazin für mich!
Mir ist das total wichtig, weil in zig Gebieten immer noch keine Gleichstellung der Frau erreicht ist. Allein wenn man sich das Thema Arbeiten mit Kind anschaut – vor allem als Alleinerziehende. Da gibt es noch so viel zu verbessern. Aber am wichtigsten ist mir, dass Frauen sich untereinander unterstützen und sich nicht bekriegen. Dazu gehört auch, dass man um Hilfe fragt.
Girlpower! Klar.
Die dürfen nicht ausgeschlossen werden, sondern müssen mit ins Boot geholt werden. Es geht um Umdenken und um Support.
Ich bin mit vielen Fotografinnen befreundet, die haben einen ganz anderen Blick auf Frauen. Das ist eher beiläufiger, entspannter und nicht so dieses Gepose. Man hat zu einer Frau ja auch eine ganz andere Connection, Männer sind selten auf der gleichen emotionalen Ebene bei einem Foto-Shooting.
Ich liebe Instagram! Es ist eine super Plattform, die unheimlich viel Spaß macht – wie ein Mini-Magazin. Ich bin da sehr aktiv, weil es mir einfach locker von der Hand geht. Manchmal finde ich ein Foto und dann fällt mir sofort eine Zeile dazu ein. Mittlerweile fragen mich die Leute schon, ob ich eigentlich auch ein Blog habe. (Lacht.)
32 Kommentare
Was für ein tolles Interview! Ich freue mich sehr, dass in meiner Heimatstadt so viel passiert und so eine bunte Persönlichkeit wie Melodie die Szene aufmischt! Weiter so! #trustthegirls
Liebst, Bina
Dass eine Jeans 20 Euro kostet kann nicht sein. Dass jemand 900 Euro netto verdient aber auch nicht. Das System ist weitaus komplexer als über Billigproduzenten zu schimpfen.