Eigentlich wollte André Gießelmann nach seinem Studium der Medienwissenschaften Sportmoderator werden, aber nach 13 Semestern kam alles ganz anders. „Schuld“ sind seine handbemalten T-Shirts – was 2007 als Hobbyprojekt begann, baute sich in Windeseile eine Fanbase auf und heute ist das Label Mojo – Andrés Haupt-Business, inklusive eigenem Store in der Hamburger Sternschanze. Warum er von Anfang an auf Fairtrade, limitierte Stückzahl und Produktion in Portugal setzte und welches Unternehmenswachstum sich gut für ihn anfühlt, das erzählt uns der 34-Jährige in seiner Wohnung in Hamburg-Eimsbüttel und natürlich in seinem Laden.
Die Shirts habe ich alle per Hand in meiner Studibude bemalt. Ich wollte von vornherein alles individuell machen.
André Gießelmann: Ich habe schon immer Klamotten für mich designt und bemalt, richtig mit Schablonen und Farbe. Ein Kommilitone meinte: “Hey André, ich finde das ganz witzig, was du da machst mit deinen T-Shirts. Ich baue dir einen Onlineshop!” Ich fand das eine gute Idee und hatte Bock darauf.
Damals habe ich als Animateur gearbeitet, für RUF Jugendreisen. Ich war den Sommer über immer in Spanien und die Kids, die dabei waren, hatten ein großes Interesse an meinen Sachen. Die wollten die T-Shirts haben. Also habe ich mir die E-Mail-Adressen aufgeschrieben und ihnen welche zugeschickt. Die Shirts habe ich alle per Hand in meiner Studibude bemalt. Siebdruck habe ich nie gemacht, damit fängt man normalerweise ja an. Ich wollte von vornherein alles individuell machen.
Ich habe die T-Shirts neben dem Studium gemacht und es damit finanziert.
Mit Textilmalfarbe. Ich habe Schablonen angefertigt und plotten lassen. Das habe ich sieben Jahre lang gemacht: jedes T-Shirt selbst bepinselt. Das war sehr viel Arbeit, ich saß oft bis in die Nacht daran. Die Motive waren teilweise recht aufwendig! Das erste selbstbemalte T-Shirt, was ich verkauft habe, hat 13,90 Euro gekostet. 13,90 Euro für sehr viel Arbeit.
Ich habe die T-Shirts neben dem Studium gemacht und es damit finanziert. Das Studium geriet aber immer mehr in den Hintergrund, ich habe 13 Semester studiert. Ich hatte vermehrt mit den Shirts zu tun und nebenbei noch eine eigene Partyreihe in Braunschweig, das war sehr förderlich für das Label. Schließlich bin ich nach Hamburg gezogen, weil ich in Braunschweig mit dem Studium einfach nicht fertig wurde.
Ich wollte mich in Hamburg ein halbes Jahr in die Bibliothek setzen und meine Magisterarbeit fertig schreiben. Das habe ich tatsächlich gemacht und Mojo fast auf Null runtergeschraubt. Danach wollte ich es ein Jahr lang nur mit Mojo versuchen, ich hatte ja nichts zu verlieren. Wenn es nicht funktioniert hätte, hätte ich mich auf Stellen im Bereich Sportjournalismus beworben.
Mein großes Plus sind meine Stammkunden.
Genau. Es musste eine Entwicklung stattfinden, damit ich wirklich davon leben kann. Das hat auch geklappt. Ich hatte das Glück, dass Social Media mir damals geholfen haben. Ich erinnere mich an das Campus-Festival in Hamburg, das war so ein Moment, den ich als sehr wichtig für Mojo empfunden habe. Dort kam der Kontakt zu Cro zustande. Cro trug dann Shirts von Mojo auf anderen Festivals und wir hatten auch noch ein Fotoshooting mit ihm. Ich habe dann noch viel mit anderen Musikern gemacht.
Mein großes Plus sind meine Stammkunden. Auf die bin ich super stolz und bin ihnen sehr dankbar, dass sie die Schritte und die Entwicklung immer mitgehen und immer noch Bock auf die Produkte haben. Aber ja, der Markt ist hart umkämpft. Du hast natürlich die ganz großen Player mit Adidas und Co, aber mittlerweile auch Luxuslabels, die Kooperationen mit Sportherstellern oder ihre eigenen Kollektionen machen.
Einmal durch das Handgemachte: Die Leute wissen, sie kaufen ein Unikat, das nicht bedruckt wird. Dadurch habe ich ein Alleinstellungsmerkmal. Und es gibt eben nur hundert Stück pro Style.
Jeder soll ein individuelles Mojo-Produkt haben, was nicht jeder hat. In Deutschland macht diese Verknappung sonst noch das Berliner Label Zirkus Zirkus. Ich bin ein großer Fan davon, wie die das machen.
Mojo ist eine große Familie.
Nein, aber es wäre witzig, irgendwo mal gefälschte Sachen zu sehen. Dafür sind wir dann doch zu klein. Der Plan ist jetzt, nicht mehr in Kollektionen wie Sommer und Winter zu arbeiten. Es gibt nur noch zwei Drops bei mir, immer wieder kleinere Stückzahlen. Das sind mal zwei Hoodies oder zwei Jacken, wie im Januar.
Total. Der Mode-Rhythmus ist mittlerweile komplett verrückt. Warum hängen in den Geschäften schon kurze Hosen wenn noch Winter ist? Das funktioniert nicht mehr. Der Markt ändert sich. Ich muss mich an die Saisons eh nicht halten, weil ich nur für den Endkunden produziere.
Die größte Herausforderung ist eine Entwicklung zu bekommen. Du machst halt Klamotten wie viele andere auch. Du musst immer wieder einen neuen Step und einen neuen Stil finden …
Genau. Man hat große Ziele, aber dazwischen liegen die kleinen Dinge und man muss immer wieder vom Weg abweichen und ein neues Ziel definieren. Das ist eine große Herausforderung. Vor allem als Selbstständiger mit so einem kleinen Label, der davon lebt, dass die Stammkunden immer wieder zuschlagen. Mojo ist eine große Familie. Die 10-Jahres-Feier war eine große Familienfeier. Die Familie soll zusammen bleiben, wachsen und weiterhin Bock haben auf das, was ich mache.
Es gab und gibt immer wieder große Anfragen, warum ich mit meinem Label nicht in Läden oder große Onlineshops wie Zalando oder About you reingehe. Aber ich verschränke mich davor, weil ich meine ganze Philosophie ändern müsste. Also das, wofür ich stehe. Das Limitierte, das „Made in Portugal“, das müsste ich teilweise aufgeben. Ich könnte nicht mehr limitiert produzieren, wenn meine Sachen auch bei Asos & Co zu haben wären. Meine Shirts sind limitiert, weil ich die Qualität und die Produktion erhalten möchte. Sonst könnte ich nicht mehr zu 100 Prozent dahinterstehen. Natürlich ist es immer ein zweischneidiges Schwert, weil es auch bedeutet, dass du nicht ganz oben sein kannst. Du kannst keinen großen Hype generieren und machst eher kleine Schritte.
Die einen sagen so, die anderen so. Ich persönlich bin sehr eigen mit meinen Sachen und habe diesen Schritt noch nicht gemacht. Ich würde es aber nicht komplett ausschließen. Letztes Jahr war ich kurz davor, aber doch nicht bei 100 Prozent, also habe ich es gelassen. Meine Entscheidungen kommen sehr aus dem Bauch und aus dem Herzen heraus. Mojo ist mein eigenes Baby und soll es auch bleiben!
Schon bei den allerersten Prototypen habe ich darauf geachtet, dass ich Fairtrade-Shirts und -Pullis bemale. Deshalb gab es für mich nur eine Option: Wenn ich eigenen Stoffe und Schnitte produziere, soll das in einem guten Rahmen passieren, damit ich zu 100 Prozent dahinter stehen kann. Wenn du im Laden vor dem Kunden stehst und das Produkt verkaufst, dann willst du auch ein gutes Gefühl dabei haben. Bei den Marktpreise und Margen ist es allerdings super schwierig, auf dem europäischen Markt in limitierten Stückzahlen zu produzieren.
Ich habe den Produzenten auf einer Messe kennengelernt. Wir haben uns viel ausgetauscht und viel herumprobiert. Man muss sich einspielen, man muss ein Team werden! Die Produktionsstätte in Portugal ist wirklich klein. Wir sind gerade hingefahren und haben ein Video gedreht um zu zeigen, wo und wie die Sachen hergestellt werden. Wir wollen hier ein bisschen transparenter werden. Die Kunden sollen verstehen, warum die Artikel zehn Euro teurer sind als vielleicht woanders.
Es war auf jeden Fall immer mein Wunsch, es hat sich aber einfach ergeben. Ich hatte vorher in Winterhude mein Büro und Lager. Durch Zufall entdeckte ich dann bei ebay-Kleinanzeigen den Laden in der Schanze mit dem tollen Fenster. Ich bin sofort hingefahren und habe gesagt, den will ich!
Fotos: Pelle Buys
Layout: Carolina Moscato