Carolina Hoffmann schafft es schwache oder kranke Pferde aufzupäppeln, verängstigten Pferden Vertrauen zu schenken und sogar Nacktpferden wieder Fell wachsen zu lassen. Dabei hilft ihr neben ihrem Einfühlungsvermögen unter anderem ihre Ausbildung zur Heilpraktikerin und Akupunkteurin. Wir besuchen die Gründerin und Geschäftsführerin auf ihrem Hof „Akademie Centauri“ in Siezbüttel in Schleswig-Holstein, wo sie eine Zucht mit Paso-Peruanern, eine Pferderasse aus Südamerika, betreibt, und mit ihr über zeitgemäßes Reiten, artgerechte Haltung, Spa fürs Pferd und die tägliche Hofarbeit gesprochen. Außerdem gibt sie einen Reise-Tipp für alle Pferde-Fans, die weit weg wollen!
Ein Hof auf Island war schon immer mein Traum: Wenn nicht jetzt, wann dann?
Carolina Hoffmann: Ich habe zwanzig Jahre Großpferde geritten und als meine Tochter geboren wurde, wurde das erste Islandpony gekauft. Wenn du einen Isi hast, musst du zwangsläufig nach Island fliegen. 1997 war ich das erste Mal da, habe dort 1998 die erste Reittour mit organisiert und im Jahr 2000 hatte ich dort mein erstes Gästehaus mit 45 Betten und 90 Pferden – mein damaliger Mann und ich haben Reittouren veranstaltet und uns vor allem auf große Firmen und auf besondere Hochzeiten spezialisiert.
2009 waren die Kinder aus dem Haus und es stand die Idee im Raum, rüberzugehen. Wir hatten zu dem Zeitpunkt einige Todesfälle in der Familie und ich sagte mir: Das Leben ist zu kurz, man weiß nicht wie lange man noch hat. Ein Hof auf Island war schon immer mein Traum: Wenn nicht jetzt, wann dann? Wir haben einen Container gepackt und alles in Deutschland verkauft – Haus, Auto, Möbel und Pferde.
Ich habe viele Pferderassen in meinem Leben reiten dürfen und noch nie ein bequemeres Pferd als einen Peruaner geritten.
Mein damaliger Partner hatte eine andere Vorstellung von Teamwork und somit habe ich wieder alles eingepackt. In der Zwischenzeit habe ich im Internet nach einem Hof im Umkreis von Hamburg recherchiert, diesen hier gefunden und einen Pensionsbetrieb für Pferde eröffnet. Dadurch habe ich meinen jetzigen Mann Joachim kennengelernt.
Vor fünf Jahren kam die erste Peruano-Stute auf den Hof. Ich habe mich auf schwierige Pferde spezialisiert – das ist in der Szene mittlerweile relativ gut bekannt – und dann bekam ich einen Anruf, dass ein relativ junge Stute zum Schlachter soll, da sie nicht mehr zu handhaben war. Ich habe angeboten, dass ich sie mir anschaue und habe sie auf den Hof geholt.
In der freien Wildbahn laufen Pferde 18 bis 24 Kilometer am Tag.
Nachdem die Stute eine Weile bei uns war, wollte ich gern ein Fohlen von ihr haben und mir wurde Destino, mein jetziger Hengst, zum Kauf angeboten. Das war eigentlich nicht geplant. Die Verkäuferin meinte, dass es nur ein kleines Problem gäbe, Destino sei unreitbar und ließe niemanden an sich ran.
Ich habe drei Tage über das Angebot geschlafen, mir war total wichtig, dass er artgerecht gehalten wird. Nicht in Einzelhaft, nicht allein in einer Box, sondern als ganz normaler Hengst in der Herde. Wir haben einen großen Paddock gebaut, ihn zu uns geholt und es hat ein halbes Jahr gedauert bis ich zum ersten Mal auf ihm drauf saß – ein sehr bewegender Moment. Das ganze Pferd hat geschlottert und ich habe geheult. Dann wurde die Idee geboren, dass wir ja auch selber eine kleine Zucht aufbauen können. Inzwischen gehen wir mit Destino auf Messen und machen Ausflüge. Vor ein paar Wochen ist er zum Elite-Hengst ernannt worden, der einzige Paso-Peruano-Hengst in ganz Europa mit dieser Auszeichnung. Jetzt haben wir sieben Stuten – und insgesamt 19 Paso-Peruanos. Das ist natürlich nicht viel, aber wenn man bedenkt, dass es in ganz Europa nur knapp 600 Peruanos gibt, sind wir gerade der Hof mit den meisten Peruanos auf einer Stelle. Ich habe viele Pferderassen in meinem Leben reiten dürfen, seit fast 30 Jahren bin ich bei den Gangpferden und ich habe noch nie ein bequemeres Pferd als einen Peruaner geritten.
Die Vorbesitzerin hatte mit ihm einen Unfall, seitdem wollte er nicht mehr wirklich etwas mit Menschen zu tun haben und schon gar nicht geritten werden. Ich habe viel Bodenarbeit und ganz viele vertrauensbildende Maßnahmen mit ihm gemacht. In der ersten Woche habe ich ihn überhaupt nicht angefasst. Es war mir wichtig, dass er von sich aus kommt. Manche sagen, dass wenn sie uns zusammen sehen, den Respekt spüren, den wir voreinander haben. Wenn ich ihn rufe und er bei seinen Stuten ist, kommt er auch, hält aber trotzdem noch Abstand und, wenn ich ihm ein Halfter anlege, weiß er, dass gearbeitet wird – dann kann ich ihn auch zwischen zwei rossige Stute stellen – da passiert gar nichts. Bei der Messe sind teilweise 700 Pferde in den Stallhallen – Destino ist seelenruhig. Das war ein Erlebnis: vom unreitbaren Pferd zum Pferd, das in einer Halle mit über 1.000 Leuten steht und komplett entspannt ist.
Es wird mehr, zumindest die Offenstallhaltung, die wir zu Beginn auch hatten. In der freien Wildbahn laufen Pferde 18 bis 24 Kilometer am Tag, sie sind auf Futtersuche – auf normalen Weiden bewegen sie sich kaum, vor allem die Stuten. Bei uns leben die Pferde im Herdenverbund und müssen einen Kilometer zum Futter und wieder einen Kilometer zum Wasser laufen – so bewegen sie sich und schaffen acht Kilometer am Tag, was richtig gut ist. Leider ist es tendenziell so, dass Hengste woanders nicht mit auf der Koppel laufen, besonders bei den Großpferden, und eher in Boxen gehalten werden.
Durch die Trailhaltung ist man relativ ungebunden – es ist egal, ob jedes Pferd seinen Eimer mit seiner individuellen Futtermischung morgens oder abends bekommt. Einmal am Tag sammeln wir außerdem die Pferdeäpfel mit unserem Jeep und Anhänger ab. Wir füttern oft vormittags, nachmittags gebe ich viel Reitunterricht oder kümmere mich um Beritt- und Patientenpferde. Wenn die Pferde im Winter in den Boxen stehen, bekommen sie sechs Mal am Tag Rauhfutter – da ist man alle paar Stunden mit beschäftigt.
Ich sage immer zu meinen Reitschülern: Versucht so viele Pferde wie möglich zu reiten – die können euch so viel beibringen und eure Sensibilität fördern. Schießt euch nicht auf ein Pferd ein. Mein Ziel ist es, dass Mensch und Pferd eine Einheit bilden. Man soll keine Einwirkungen sehen, sondern, dass beide Spaß daran haben und eine Harmonie zwischen Pferd und Reiter entsteht – man braucht keine Gerte und Geschrei. Meine Schüler müssen auf Balance-Bretter gehen oder Hula-Hoop machen, meistens liegt das Problem nämlich nicht beim Pferd, sondern beim wenig vorhandenen Körperbewusstsein des Reiters. Deshalb liegt mein Augenmerk mehr auf den Menschen.
Es macht so viel Spaß, wenn jemand nach unserer Methode angelernt wird, der vorher noch nie geritten ist. Ich hatte zum Beispiel Freunde hier, die mit mir auf Island eine Reittour machen wollten und beide noch nie auf dem Pferd gesessen haben. Sie hatten aber ein super Körperbewusstsein – nach zwanzig Einheiten, eine Einheit ist eine halbe Stunde, waren sie so fit, dass sie die Tour mit Spaß mitreiten konnten. Manchmal ist es leichter etwas Neues zu lernen als umzulernen.
Ich will euch nicht reiten sehen, ich will euch reiten hören. Ein zufriedenes Pferd schnaubt und, wenn ich nichts schnauben höre, dann ist das noch ausbaufähig.
Das Problem ist, dass viele Reitanfänger in den Reitschulen auf das Pferd gesetzt werden, sie kriegen die Zügel in die Hand, müssen sich erstmal an den Bewegungsablauf des Pferdes gewöhnen, müssen gleichzeitig dirigieren und mit der Geschwindigkeit klarkommen. Wer bei uns anfängt, bekommt erstmal Schrittstunden an der Longe, damit er sich auf sich konzentrieren kann und nicht auf die Gangart und die Geschwindigkeit. Ich sage immer zu meinen Leuten: Ich will euch nicht reiten sehen, ich will euch reiten hören. Ein zufriedenes Pferd schnaubt – wenn ich nichts schnauben höre, dann ist das noch ausbaufähig.
Ich reite seit fast 50 Jahren und so wie wir hier jetzt reiten, reite ich vielleicht auch erst seit 10 Jahren.
Man kann mit Kommunikation, Gewichtshilfe und ein bisschen Schenkelarbeit reiten – dann braucht man keine Zügel mehr.
Das war eindeutig ein Islandpony, das ich nach Deutschland geholt hatte. Als ich das erste Mal drauf saß, wollte ich die Zügel aufnehmen und er hat mir aber zu verstehen gegeben, dass ich das nicht brauche. Ich bin dann nur mit Gewicht geritten und das klappte super. Da ist bei mir der Stein ins Rollen gekommen. Man kann mit Kommunikation, Gewichtshilfe und ein bisschen Schenkelarbeit reiten – dann braucht man keine Zügel mehr.
Ich habe außerdem viele Lehrgänge gemacht und bei jedem Lehrgangsleiter zieht man sich das heraus, was für einen selbst passt. Außerdem kommunizieren Pferde telepathisch. Jeder Reiter kennt es: Ich gehe zur Koppel, habe nicht viel Zeit und man hofft, dass sich das Pferd schnell einfangen lässt. Was macht das Pferd: Es steht ganz hinten an der Koppel, weil es das Bild bekommt, dass es weglaufen soll. Diese Ebene muss man auch mit ins Reiten einbeziehen – man sollte als Reiter mit Bildern und Vorstellungen arbeiten.
Man muss auf jeden Fall mit der Zeit gehen und darf nicht sagen: “Das haben wir schon immer so gemacht.” Inzwischen wurde viel geforscht. Wir haben zum Beispiel Sättel, die man der Form des Pferderückens immer wieder neu anpassen kann. Die Muskeln von Pferden bilden sich schnell zurück, wenn sie aus unterschiedlichen Gründen länger nicht geritten werden. Zum Zaumzeug sage ich immer: Ein Pferd ist ohne Gebiss im Maul geboren worden. Es gibt ganz viele Zäumungen ohne Gebisse. Mein Mann reitet mit seinem Pferd nur gebisslos, ob im Gelände oder auf der Messe – das ist überhaupt kein Thema. Bei Destino habe ich immer versicherungstechnisch eine Trense drauf – er ist ein Hengst.
Das Ziel sollte die Gesundheit des Patienten und nicht das Ego des Behandlers sein.
Ursprünglich habe ich eine Ausbildung zur Arzthelferin bei meinem Vater in Hamburg gemacht und als Arzthelferin in Flensburg gearbeitet bevor ich meine Kinder bekommen habe. Nach der Scheidung wusste ich, dass ich nicht zurück in die Schulmedizin will und habe mich für die Ausbildung zur Heilpraktikerin entschieden, erst im Humanmedizinbereich, mit den Zusatzausbildungen in Akkupunktur, Fußreflex, Homöopathie, TZM, Bachblüten, Phytotherapie und Energiearbeit. Im Anschluss habe ich die Ausbildung zur Akupunkteurin für Pferd und Kleintier als Fernstudium gemacht. Mein Schwerpunkt ist jetzt Akupunktur und APM, überwiegend bei Pferden.
Vielen Tierärzten und Schulmedizinern fällt es schwer mit Heilpraktikern zusammenzuarbeiten. Aber gerade diese Zusammenarbeit führt häufig zum Ziel – nämlich der Gesundheit des Patienten. Mir ist es egal, ob ich das Zünglein an der Waage war – es ist die Summe aller und geht nicht um das Ego des Behandlers.
Da die Rasse relativ übersichtlich ist, war uns wichtig, dass wir mit Importpferden züchten, damit der Genpool nicht so klein ist. Mit unseren Isländern haben wir damals auch schon Fohlen bekommen. Unter Züchten verstehe ich allerdings, sich zu bemühen, ein noch besseres Pferd aus den beiden Elternteilen herauszubekommen. Bisher war bei uns jedes Fohlen besser als die Mutterstute.
Da wir als Züchter für Transparenz stehen wollen, haben wir im Frühjahr 2016 all unsere Zuchtpferde schallen lassen und es ist herausgekommen, dass eine unserer Stuten die Krankheit hat. Wenn Besitzer heute die Diagnose erhalten, geht es eigentlich nur noch bergab. Ich habe unsere Stute dann mit meinen Methoden behandelt. Innerhalb eines Jahres hat sich so viel getan, dass zwei voneinander unabhängige Tierärzte gesagt haben, dass die Entwicklung erstaunlich sei. Meine Arbeit wurde von anderen Züchtern und Besitzern schon als Hokuspokus betitelt und unser erster Jahrgang nieder gemacht. Aber das hat mich erst recht angespornt und ich bekomme europaweit Anfragen für Therapiepläne. Unsere Stute ist der lebende Beweis dafür, dass es eben doch möglich ist, den ganzen Zweiflern und Pessimisten etwas entgegenzusetzen. Ich veröffentliche alle Protokolle, das ist nicht meine subjektive Meinung. Vor kurzem gab es sogar eine Anfrage für ein Alpaka. (lacht)
Peruaner haben meiner Meinung nach einen anderen Stoffwechsel. Die Rasse ist Anfang des 16. Jahrhunderts, auch durch Importe der Berber-Pferde, in Südamerika entstanden. Dort ist das Gelände relativ karg und so war mein Ansatz Überfütterung, die Pferde bekommen Fütterungszusätze.
Ja, in Deutschland gibt es vor allem Züchter. Ich hätte auch nicht gezüchtet, wenn ich alleinstehend wäre. Im Grunde muss man drei bis vier Jahre “Leerlauf” einplanen, bevor man sich mit dem ersten selbstgezogenen Pferd irgendwo präsentieren kann und die Leute aufmerksam werden.
Viele Pferde, besonders Sportpferde, müssen regelmäßig entwurmt und geimpft werden – das müssen unsere Pferde auch, weil wir auf Messen gehen, wo ein bestimmter Impfschutz vorgeschrieben ist. Das bedeutet neben der Umweltbelastung weitere gesundheitliche Belastungen. Die Gesundheitskur ist da, um den Stoffwechsel anzuregen, unsere Pferde werden zweimal im Jahr nach dem Impfen entgiftet, weil sie dann leistungsfähiger sind. Der Körper braucht eine Andocksubstanz, die man ihm zur Verfügung stellen muss, um den Körper zu verlassen – das ist bei Tieren und bei Menschen der gleiche Fall. Jede Allergie ist ein Zeichen des Immunsystems: Ich bin am Rande meiner Kapazitäten – ich brauche jetzt mal ein bisschen Hilfe.
Ganz viel sieht man an der Mimik, am Ohrenspiel, an den Nüstern… es kommt auch darauf an, wie gut man sein Pferd kennt und wie viel Zeit man nicht nur mit dem Reiten, sondern auch mit Beobachtung verbringt. Das finde ich ganz wichtig. Ich habe zu meinen Praktikanten auf Island immer gesagt: Setzt euch an die Koppel, nicht auf die Koppel, und beobachtet die Pferde. Da kann man mehr lernen, als wenn man zehn Bücher liest, drei Videos guckt und zehn Lehrgänge besucht. Wenn du eine intakte Herde hast, kannst du so viel sehen und lernen. Zum Beispiel, dass sich Pferde absentieren, wenn sie ihre Ruhe haben wollen oder es ihnen nicht gut geht. Oder dass junge Pferde von der Herde für eine gewisse Zeit ausgeschlossen werden, wenn sie nerven und dass verletzte Tiere zurückgelassen werden.
Ich hatte zum Beispiel vor vier Jahren eins von den weltweit vier vorkommenden Nacktpferden zur Behandlung auf dem Hof – ein Pferd, dem das Fell ausgefallen ist, kein Fell, keine Mähne, kein Schweif, nur Wimpern und Tasthaare. Einen Monat später nach meiner Behandlung fingen die ersten Haare langsam an zu wachen. Bei ihr habe ich Akupunktur, Biochemie mit Schüsslersalzen, APM, Homöopathie und Phytotherapie gemacht. Im Sommer haben wir ihr sogar aus Paketband einen künstlichen Schweif gebastelt, damit sie die Fliegen abwehren konnte (lacht).
Als ich sie angeweidet habe, wunderte ich mich, dass sie immer am Rumpulen im Gras war und habe dann bemerkt, dass sie eine ganz bestimmte Pflanze gegessen hat, die gegen Hautprobleme hilft, und daraus habe ich dann eine Therapie entwickelt. Das ist super spannend! Die Pferde wissen instinktiv, was richtig für sie ist.
Unsere Hochzeitsreise vor drei Jahren haben wir nach Peru gemacht und sind auf dem Inca Trail mit geliehenen Pferden geritten. Das war richtig cool!
Manche sagen Pferdeflüsterin dazu… Wenn du dich auf dein Pferd einlässt, versuchst es zu verstehen und nicht vom Pferd verlangst wie ein Mensch zu denken und zu handeln, dann kannst du auch Pferdeflüsterin sein.
Vielen Dank für das schöne Interview und, dass wir euch auf eurem Hof besuchen durften.
Fotos: Silje Paul
Layout: Carolina Moscato
2 Kommentare
Ein sehr informativer und anschaulicher Bericht über Akademie Centauri.
Ich habe das Glück das mein Pferd auf dem Hof von Carolina und Joachim steht und so Carolinas Fähigkeiten erfahren durfte und konnte ( das Pferd und auch ich selber)