Seit einem Jahr gibt es Hamburgs erste Aperitivo-Bar – mitten auf St. Pauli, zwischen Großer Freiheit und Paul-Roosen-Straße liegt diese Perle, die Design-Liebhaber direkt anspricht mit ihrem Marmortresen und den hölzernen „Wishbone Chairs“, die aber gleichzeitig rough genug ist, um auch Laufkundschaft anzuziehen. Das Standard folgt dem Motto „Aperitivo. Bar. Cafe“ und ist schnell zum Insider-Tipp geworden – denn hier gibt es, neben dem gelungenen Interior Design, ein besonderes Konzept, das einzigartig in Hamburg ist: Zu den Drinks werden die Gäste mit Essen überrascht. Den ganzen Abend über – von 17 bis 22 Uhr – gibt es verschiedene kleine Gerichte, in regelmäßigen Abständen, nicht auf Bestellung, als liebevoller „Gruß aus der Küche“. Verantwortlich für diese gastronomische Besonderheit ist Jasmin Baltres, genannt Mina, die im Standard in der Küche steht. Die 29-jährige gebürtige Wienerin ist seit zehn Jahren in Hamburg und wollte eigentlich beruflich etwas ganz Anderes machen.
Jasmin Baltres: Wir sind im Kernteam zu viert. Der Inhaber ist Egbert, der das Ganze ermöglicht und viel gestaltet hat. Er ist häufig da und kocht ab und zu mit mir. Dann gibt es Maurice, der das Standard zusammen mit Egbert gegründet hat – die beiden haben mich dazu geholt. Und dann gibt es noch Luca, die ganz viel bei der Planung der Bar mitgewirkt hat, die Drinks kreiert und sich um Mitarbeiter kümmert. Sie ist aber nicht immer in Hamburg. Wir vertrauen uns und sind ein enges Team.
Die anderen kannten sich privat und sie haben mich auf einer Independant-Art-Fair gesehen, wo ich eine Woche lang gekocht habe. Sie haben mir von ihrem Projekt erzählt. Das Konzept war noch nicht ganz fertig und ich war anfangs auch gar nicht sicher, ob es mich interessiert. Irgendwie sind wir aber zusammengewachsen mit unseren Ideen. Kurz vor der Eröffnung haben sie mir gesagt, dass ich bei ihnen anfangen könnte. Nachdem ich mit ihnen zusammen saß, war ich auch voll überzeugt. Wir sind alle sehr begeisterungsfähige Wesen und machen es aus dem Wunsch heraus, Raum für dieses neue Konzept zu schaffen. Wir sind alle mit Leidenschaft dabei!
Ursprünglich waren noch andere Ideen mit im Spiel, aber am Ende war die Liebe zur italienischen Aperitivo-Kultur und das Fehlen dieser Kultur in Hamburg ausschlaggebend. Wir hatten den gemeinsamen Wunsch nach einer schenkenden Geste: Uns ging es darum, eine Art erweitertes Wohnzimmer zu schaffen, wo man gute Drinks bekommt und immer kleine kulinarische Überraschungen. Uns allen liegt es am Herzen, Gastgeber zu sein. Das kommt bei unserem Konzept auch gut zum Ausdruck, denn hier wird nicht einfach nur eine Bestellung aufgeben.
Ja, jeden Abend gibt es andere Kleinigkeiten. Mir ist erst später bewusst geworden, dass das mein Traumjob ist. Wenn die Gäste nicht einfach eine Bestellung aufgeben, habe ich mehr Möglichkeiten, sie zu überzeugen. Wenn du ein klassisches Pastagericht bestellst, weißt du genau, was du bekommst. Hier geht es vielmehr darum, genau „hinzuschmecken“ und die Gerichte zu entdecken. Das macht total viel Spaß! Ich habe die Freiheit, nichts vorgeben zu müssen.
Das Schwierige war, sich das Konzept genau zu überlegen: Wie oft bringe ich den Gästen etwas? Binden wir das Essen an ein Getränk? Wie ist es wirtschaftlich? Wie einfach oder kompliziert dürfen die Gerichte sein? Wie gehen wir mit Extrawünschen um? Darüber haben wir schon einige Abende lang nachgedacht. Jetzt machen wir es einfach so, dass wir immer etwas rausgeben, wenn ich mit meinen Gerichten fertig bin.
Wir hatten den gemeinsamen Wunsch nach einer schenkenden Geste: Uns ging es darum, eine Art erweitertes Wohnzimmer zu schaffen, wo man gute Drinks bekommt und immer kleine kulinarische Überraschungen.
Generell haben wir das inbegriffene Essen in allen Getränkepreisen berücksichtigt. Deshalb ist ein Bier bei uns auch etwas teuer als in einer Kneipe. Aber dafür bekommen die Gäste eben etwas Besonderes: Jeden Abend gibt es verschiedene Gänge – für alle Gäste gleichzeitig.
Hin und wieder, bei größeren Gruppen. Die meisten Gäste lassen sich aber auf unser Konzept ein und mögen es, dass peu à peu über den Abend hinweg Essen serviert wird.
Ich glaube, dass Hamburger neugierig sind auf neue Konzepte und nach Feierabend gerne einen Ort haben, der irgendwo zwischen Restaurant und Kneipenbar liegt.
Ich bin mehr als glücklich und begeistert darüber, wie gut es hier ankommt und ich denke, dass ein großer Teil der Gäste unseren Laden als etwas Eigenes versteht und gar nicht mit einem typischen mediterranen Konzept gleichsetzt. Ich glaube, dass Hamburger neugierig sind auf neue Konzepte und nach Feierabend gerne einen Ort haben, der irgendwo zwischen Restaurant und Kneipenbar liegt. Wir nennen uns auch bewusst nicht Cocktailbar. Wir machen bodenständige Drinks, sind auch experimentierfreudig, aber solide, mit einer nicht zu großen Karte. Ich denke, die Leute mögen die zwanglose entspannte Stimmung bei uns.
Die Umgebung ist für uns ein großer Segen, wir sind freudig von der Nachbarschaft aufgenommen worden. Das ist nicht selbstverständlich. Hier in der Paul-Roosen-Straße gibt es viele neue Läden, die sich hier etablieren und sich freuen, dass wir da sind und das Angebot komplementieren.
Jeder macht das, was er am besten kann.
Was sich wie ein roter Faden durch mein Leben zieht, ist die Liebe für Ästhetik und Soziales. Ich habe Kommunikationsdesign studiert, was jetzt gewissermaßen auch in meine Arbeit einfließt. Gegen Ende des Studiums habe ich mich schon viel mit Kulinarischem beschäftigt, ich habe mich für Ernährung und die alltägliche Zubereitung von Essen interessiert und auch dafür, was Speisen kommunizieren können.
Für meinen Abschluss habe ich dann auch ein eigenes kulinarisches Projekt auf die Beine gestellt: Ich habe bei vielen spannenden und auch sozialen Projekten mitgemacht. Auch für privat initiierte Dinner habe ich gekocht und bin einfach viel herumgekommen. Ich finde es interessant, wie man verschieden getaktete Leben an einem Tisch zusammenbringt. Wir machen hier auch nichts Anderes: Menschen kommen am Tisch zusammen und nehmen sich Zeit. Das ist sehr einfach und schön – und man kommt oft mit anderen Gästen ins Gespräch.
Menschen kommen am Tisch zusammen und nehmen sich Zeit. Das ist sehr einfach und schön – und man kommt oft mit anderen Gästen ins Gespräch.
Nein, das hier ist der erste feste Ort, an dem ich arbeite – mit fester Küche und festen Arbeitszeiten. Die meisten, mit denen ich früher zusammengearbeitet habe, haben keine gastronomische Ausbildung. Man kann auch einfach durch die Liebe und Leidenschaft zum Essen gut kochen.
Ich habe viel gelesen und geguckt, viel im Internet gestöbert, mich viel theoretisch mit Essen beschäftigt und angefangen, für Freunde zu kochen, für mein Haus, für Bars in der Umgebung. Es kamen immer wieder Leute auf mich zu, die wollten, dass ich für sie koche. So ist es immer professioneller geworden. So habe ich mich durch einige spannende Jobs gearbeitet, andere Länder gesehen und viel von anderen gelernt. Aber im Grunde genommen kann ich es immer noch nicht richtig, im klassischen Sinne. Ich greife einfach auf meinen Erfahrungsschatz zurück – und meistens wird daraus etwas, was schmeckt! (lacht)
Wenn man in einer richtigen klassischen Küche arbeitet, ist es gewiss von Vorteil, wenn alle Mitarbeiter ausgebildete Köche sind. Hier kann ich in meinem eigenen Tempo arbeiten. Ich musste viel lernen, ich war natürlich chaotischer als jemand, der Kochen professionell gelernt hat. Ich mache alles nach Gefühl – das muss man aber auch haben, vor allem, wenn es um Mengen geht. Ich schöpfe aus einer ganz anderen Inspiration, mit einer anderen Leidenschaft.
Ich mache mittlerweile immer einen Wochenplan. Lange Zeit habe ich mir jeden Morgen überlegt, was ich kochen möchte. Meistens mache ich für jeden Abend fünf bis sechs Gänge und ein paar Dinge, die ich improvisieren kann. Die sollten sich natürlich unterscheiden: mal warm, mal kalt, mal knackig, mal weich. Das kann zum Beispiel ein kleiner Salat sein, ein Risotto, mal Rohkost mit Dip, Brot mit Käse oder auch mal etwas Süßes.
Manchmal kaufe ich auch die Zutaten ein bevor ich die Gänge plane und lasse mich auf dem Markt inspirieren. Ich frage aber auch die Mitarbeiter, ob sie Ideen haben, und Vorschläge kommen auch von Gästen und Freunden.
Ja, ich koche sehr gerne vegan, aber nicht ausschließlich. Es hat viele Vorteile, es schließt zum Beispiel die meisten Nahrungsunverträglichkeiten aus.
Ich habe ein paar Kochbücher, die benutze ich aber relativ selten. Ich lasse mich lieber von mir selbst inspirieren, mache Fotos und habe ein kleines Archiv. Meine Menüpläne hebe ich auch auf, sie sind mittlerweile fast schon ein Buch.
Ja, ich mache noch viel Arbeit drumherum, wie Finanzielles, Backoffice, Kommunikation, Bestellungen und auch Mitarbeitergespräche. Ich kümmere mich um das Tagesgeschäft.
Die Einrichtung kommt von Egbert, der Designer ist. Er hat viel renoviert und alles, was ging, selbst gemacht. Und ich finde, es ist sehr gut gelungen! Auch für unsere Küche haben wir schöne, nachhaltige Produkte ausgewählt, zum Beispiel Keramikgeschirr, Holzbretter und Schieferplatten. Das ist uns wichtig, weil die Produkte auch langlebiger sind.
Es gibt noch keine festen Pläne, wir konzentrieren uns erstmal auf diesen Laden und darauf, was wir verbessern und wie wir es wirtschaftlicher machen können. Zum Beispiel den Laden stetiger zu füllen durch frühere Öffnungszeiten, Veranstaltungen zu machen, vielleicht auch mit unserem Essen an anderen Orten präsent zu sein.
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